Wie man zum Glauben kommt

  1. Das schlussfolgernde Denken kann mit Gewissheit die Existenz Gottes und die Unendlichkeit seiner Vollkommenheiten beweisen. – Der Glaube, ein Geschenk des Himmels, setzt die Offenbarung voraus; er kann folglich gegenüber einem Atheisten nicht angemessen als Beweis für die Existenz Gottes angeführt werden.
  2. Die Göttlichkeit der mosaischen Offenbarung lässt sich mit Gewissheit durch die mündliche und schriftliche Überlieferung der Synagoge und des Christentums beweisen.
  3. Der Beweis aus den Wundern Jesu Christi, wahrnehmbar und schlagend für die Augenzeugen, hat gegenüber den nachfolgenden Generationen nichts von seiner Kraft mit ihrem Glanz verloren. Wir finden diesen Beweis mit voller Gewissheit in der Echtheit des Neuen Testamentes, in der mündlichen und schriftlichen Überlieferung aller Christen. Gerade durch diese zweifache Überlieferung müssen wir ihn dem Ungläubigen, der ihn zurückweist, oder denen darlegen, die, ohne ihn schon anzuerkennen, sich nach ihm sehnen.
  4. Man hat nicht das Recht, von einem Ungläubigen zu erwarten, dass er die Auferstehung unseres göttlichen Erlösers anerkennt, bevor man ihm sichere Beweise dafür geliefert hat, und diese Beweise sind durch schlussfolgerndes Denken abgeleitet.
  5. In diesen verschiedenen Fragen geht die Vernunft dem Glauben voraus und muss uns zu ihm führen.
  6. So schwach und dunkel auch die Vernunft durch die Ursünde geworden ist, [so] bleibt ihr trotzdem genügend Klarheit und Kraft, um uns mit Gewissheit zur Existenz Gottes, zur Offenbarung zu führen, die an die Juden durch Mose, an die Christen durch unseren anbetungswürdigen Gottmenschen ergangen ist.

Diese sechs Thesen stammen aus dem Jahr 1840. Sie wurden von dem Theologen Louis-Eugène-Marie Bautain…

…auf den Druck seines Bischofs hin unterschrieben.

(Sie finden sich übrigens im Denzinger, dem „Kompendium der Glaubensbekenntnisse und kirchlichen Lehrentscheidungen“, das seinen Spitznamen von seinem ersten Herausgeber hat.)

Ja, richtig gelesen: Diese Thesen sind im Jahr 1840 offizielle kirchliche Lehre, die von Theologen mit abweichenden Meinungen anerkannt werden muss, wenn sie nicht die Amtsenthebung oder die Verurteilung ihrer Werke riskieren wollen.

Also, Lehre der Kirche ist: Man kann mit der Vernunft beweisen, dass ein Gott, ein Schöpfer der Welt existiert. Dann kann man, wenn man die historische Überlieferung ansieht, beweisen, dass 1) die Offenbarung an die Juden wirklich von diesem Gott ausgegangen ist, 2) dass Christus Wunder gewirkt hat und auferstanden ist und sich damit als Sohn Gottes erwiesen hat. Somit kann man mit schlussfolgerndem Denken dazu kommen, die christliche Religion als wahr zu erkennen. So.

[Kleines Update: Hier Beispiele für philosophische Gottesbeweise, und hier etwas zur historischen Offenbarung.]

Das Wort „Glaube“ meint nicht, dass man durch Nichts-Genau-Wissen zur Anerkennung der christlichen Religion kommt. Der Glaube ist eine Tugend, die man braucht, nachdem man die christliche Religion grundsätzlich anerkannt hat. C. S. Lewis schreibt in „Mere Christianity“ (dt. Titel: „Pardon, ich bin Christ“):

Zunächst einmal bedeutet „glauben“ einfach, die Lehren des Christentums für wahr zu halten und sie anzunehmen. Was ich aber früher nicht begreifen konnte, war, dass die Christen diese Art von Glauben als eine Tugend betrachten. Was, so fragte ich mich, soll daran eine Tugend sein? Inwiefern ist es moralisch oder unmoralisch, eine Reihe von Behauptungen anzunehmen oder nicht? Es liegt doch auf der Hand, dass jeder halbwegs gesunde Mensch Aussagen oder Behauptungen nicht deshalb annimmt oder ablehnt, weil er dazu gerade Lust hat oder nicht, sondern weil ihm ihre Begründung gut oder schlecht erscheint. Irrt er sich, so bedeutet das nicht, dass er ein schlechter Mensch, sondern lediglich, dass er nicht allzu klug ist. Erkennt er aber, dass eine Begründung schlecht ist, und zwingt er sich wider besseres Wissen, dennoch zu glauben, so ist er schlichtweg dumm.

 Nun, ich bin auch heute noch dieser Meinung. Was ich aber damals nicht erkannte – und was auch heute viele Menschen nicht erkennen –, war folgendes: Ich ging davon aus, der menschliche Geist werde ganz von der Vernunft beherrscht; wenn er einmal von einer Sache überzeugt sei, so bleibe er auch dabei, so lange, bis sich ein zwingender Grund zeigt, die Überzeugung zu überprüfen. Aber das ist nicht richtig. Zum Beispiel kann mein Verstand durch fundierte Beweise völlig überzeugt sein, dass ich unter einer Narkose nicht ersticke und dass ein guter Chirurg erst dann mit der Operation beginnt, wenn ich wirklich bewusstlos bin. Das ändert aber nichts daran, dass in mir eine kindische, panische Angst aufsteigt, sobald ich auf dem Operationstisch liege und mir die scheußliche Maske übers Gesicht gestülpt wird. Ich meine dann, ich würde ersticken, und schlottere vor Angst, der Arzt könnte vielleicht doch mit seinem Messer ansetzen, ehe ich völlig betäubt bin. Mit anderen Worten: Ich verliere meinen Glauben, dass die Narkose wirkt. Es ist aber nicht der Verstand, der den Glauben von mir nimmt (im Gegenteil, mein Glaube beruht ja auf dem Verstand); es sind meine Phantasie und meine Gefühle. Vernunft und Glaube kämpfen gegen Gefühle und Phantasie. […]

 Das gleiche gilt nun für den christlichen Glauben. Ich verlange von niemandem, sich für das Christentum zu entscheiden, wenn für seinen Verstand alle Beweise dagegen sprechen. Der Punkt, an dem der Glaube einsetzt, liegt ohnehin an anderer Stelle. Doch nehmen wir einmal an, ein Mensch erkennt eines Tages, dass alle Beweise für die Richtigkeit des Christentums sprechen. Ich kann voraussagen, was während der nächsten Wochen in ihm vorgehen wird. Er erhält eine schlechte Nachricht, oder er hat Sorgen, oder er lebt mit Menschen zusammen, die nicht glauben, und plötzlich erheben sich seine Gefühle und starten eine Art Überraschungsangriff auf seinen Glauben. Oder es kommt ein Moment, wo er eine Frau begehrt, wo er lügen möchte, wo er von sich eingenommen ist oder die Möglichkeit sieht, auf irgendeine nicht ganz saubere Art zu Geld zu kommen: Augenblicke, in denen es angenehmer wäre, wenn der christliche Glaube nicht wahr wäre. Und wieder führen seine Wünsche und Begierden einen Blitzangriff.

 Ich rede dabei nicht von solchen Augenblicken, wo echte neue Gründe das Christentum in Frage zu stellen scheinen. Mit solchen Zweifeln muss man sich auseinandersetzen. […]

 Glaube, so wie ich das Wort hier gebrauche, ist die Fähigkeit, allen Gefühlsschwankungen zum Trotz an Überzeugungen festzuhalten, die man einmal als richtig erkannt hat. Stimmungen wechseln, ganz gleich, was unser Verstand auch meint. Das weiß ich aus Erfahrung. Auch heute noch kann es geschehen, dass mir das ganze Christentum höchst unwahrscheinlich vorkommt, während ich früher, als Atheist, das Christentum von Zeit zu Zeit unerhört überzeugend fand. Dieser Aufstand der Stimmungen gegen unser wahres Selbst wird auf jeden Fall kommen. Darum ist der Glaube eine so wichtige Tugend. Wem es nicht gelingt, seine Emotionen an ihren Platz zu verweisen, der kann kein richtiger Christ, ja nicht einmal ein richtiger Atheist sein; er bleibt ein hin- und hergerissenes Geschöpf, dessen Glaube vom Wetter oder von der Verdauung abhängig ist. Deshalb muss man sich in der Tugend des Glaubens üben.

 Der erste Schritt ist also die Erkenntnis, dass unsere Stimmungen wechseln. Der nächste ist der Vorsatz, sich, wenn man den christlichen Glauben angenommen hat, jeden Tag längere Zeit mit seinen Glaubenssätzen zu beschäftigen. Darum sind tägliches Gebet, tägliches Lesen von christlichen Schriften und der Besuch des Gottesdienstes von so großer Bedeutung. Wir müssen ständig daran erinnert werden, was wir glauben. Weder diese noch irgendeine andere Überzeugung wird automatisch in uns lebendig bleiben. Sie muss genährt werden. Wenn wir hundert Menschen fragten, weshalb sie ihren Glauben an das Christentum verloren haben, so würden wir sicher feststellen, dass echte Argumente bei den wenigsten eine Rolle gespielt haben. Die meisten Menschen lassen sich einfach treiben.

Der Glaube ist das Vertrauen auf den Gott, dessen Existenz man erkennt hat; er beinhaltet insbesondere das Überzeugtsein von all den Lehren, die Gott offenbart hat, und die man nicht im einzelnen selber nachprüfen kann (z. B. die Dreifaltigkeit), weil man eben auf die Wahrhaftigkeit Gottes vertrauen kann, und weiß, dass die Offenbarung dieser Lehren wirklich von Ihm kommt. Er schließt das kleinliche Misstrauen aus und das Es-Selber-Besser-Wissen-Wollen-Als-Gott. Er beruht zunächst einmal auf der Vernunft; man sieht die historische Stimmigkeit und die innere Logik der katholischen Lehre und glaubt deshalb. Aber er wird auch zu einem persönlichen Vertrauen auf eine Person, je mehr man sich darauf einlässt, das, was man erkannt hat, in die Praxis umzusetzen, das heißt, zu dieser Person zu beten, in der Bibel von Seinen Taten zu lesen, Ihm im Nächsten zu begegnen oder Ihn bei der Kommunion zu essen. (Das klingt jetzt komisch, ist aber so.) Dann denkt man vielleicht auch gar nicht mehr so viel an Gottesbeweise – wenn man jemanden getroffen oder zumindest einmal von weitem gesehen hat, muss man nicht mehr nach Argumenten für seine Existenz suchen.

Sicher kann es auch bei gläubigen Menschen zu Zweifeln kommen – solchen Zweifeln, mit denen man sich nach Lewis rational auseinandersetzen muss. Wobei man hier unterscheiden muss: Eine Schwierigkeit ist nicht gleich ein Zweifel. Eine Schwierigkeit heißt: „Ich sehe nicht genau, wie das zusammenpasst, aber Gott war bis jetzt verlässlich und die Gründe für seine Verlässlichkeit bestehen immer noch, also suche ich mal nach Lösungen, und vertraue in der Zwischenzeit darauf, dass es welche gibt.“ Ein Zweifel – bei jemandem, der schon wirklich zum Glauben gefunden hat – wäre tiefer und falscher, eher: „Ich sehe nicht, wie das zusammenpasst, und deswegen gebe ich sofort den Glauben an die Verlässlichkeit Gottes auf.“

Gott ist nun einfach nicht direkt sichtbar, Er ist vielleicht mehr wie ein Brieffreund; man kann die Leute, die einem erklären wollen, es gäbe diesen Freund gar nicht und ein Betrüger antworte auf die Briefe, um einen zu täuschen, nicht restlos von der Wahrheit überzeugen, wenn sie sie nicht hören wollen, und muss sich vielleicht auch selbst immer wieder zum Vertrauen auf das einmal Erkannte aufraffen. Glaube ist auch: „Feststehen in dem, was man erhofft, Überzeugtsein von Dingen, die man nicht sieht.“ (Hebräer 11,1) Aber vielleicht wird einem doch irgendwann die Gnade zuteil, nicht nur theoretisch von diesem Gott zu wissen, sondern ihn wirklich zu erfahren, ihn zu sehen, wie der Hebräerbrief es ausdrückt. Dazu braucht es natürlich auch die Bereitschaft, auf Seine Stimme zu hören.

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