Nein, es ist nicht „okay, egal was du machst“: Über Abtreibung

Ich bin heute durch Zufall auf einen Erfahrungsbericht zu einem Thema gestoßen, über das im Allgemeinen wenig geredet wird – ja, Abtreibung. Geschrieben von einer jungen Frau, 27 Jahre alt, die, es wird nicht gesagt, vor wie langer Zeit genau, ihr ungeplantes Kind abgetrieben hat, wohl in der 5.-6. Schwangerschaftswoche (sie schreibt, dass sie die Abtreibung drei Wochen nach einem Schwangerschaftstest, der „2.-3. Woche“ angab, vornehmen ließ).

[Gleich mal von vornherein Karten auf den Tisch für alle neuen Leser hier: Ja, ich gehöre zu diesen gestörten dogmatischen radikal religiösen Abtreibungsgegnerinnen, die Abtreibung für die immer ungerechtfertigte Tötung eines unschuldigen Menschen halten. Wenn Sie von diesem Thema selber betroffen sein sollten: Nein ich verurteile hier niemanden. Ich kenne Ihre Gründe nicht, und urteile nicht über den Seelenzustand von irgendjemandem. Ich sage, es ist falsch – und damit, dass man sagt, dass irgendetwas Falsches falsch ist, hat man noch keinen moralischen Blumentopf gewonnen. Man wird auch nicht dadurch ein besserer Mensch, dass man Diebstahl, Lügen oder Völkermord als falsch deklariert. Die Tatsachen bleiben dennoch, dass durch Diebstahl, Lügen und Völkermord Schaden angerichtet und anderen Menschen Unrecht angetan wird. Und durch Abtreibung. Wenn Sie das anders sehen – nun, dann werden Sie sich doch von einer religiösen Fundamentalistin keine Schuldgefühle einreden lassen, wenn sie diesen Text lesen, oder? Und wenn Sie das nicht anders sehen und selber schon Schuldgefühle haben: Es gibt keinen Grund, zu verzweifeln. Es gibt im Leben aller Menschen vieles, was man wider besseres Wissen getan hat und bereuen muss. Es gibt Heilung für Schuld.]

Das Erschreckende an ihrem Bericht ist, wie wenig erschreckend die geschilderte Situation dem Leser erscheint. Es geht hier nicht um die in theoretischen Diskussionen gerne mal herangezogene vergewaltigte Elfjährige, auch nicht um eine Frau, deren Leben durch eine Schwangerschaft gefährdet ist, nicht um eine Achtzehnjährige ohne Schulabschluss, deren Freund droht, mit ihr Schluss zu machen, wenn sie „es nicht wegmachen lässt“ und deren Eltern sie zu derselben Entscheidung drängen. Die Autorin war nicht psychisch krank, erwartete kein schwerstbehindertes Kind mit einer Lebenserwartung von sechs Monaten. Die Gründe waren… na ja: „Der Klassiker: prekäre Arbeitsverhältnisse, nicht abgeschlossenes Studium, kein fester Job in Sicht, Angst vor schwieriger Wohnungssuche, Fernbeziehung, Selbstfindungsstruggle, unklare Einstellung zum Konzept Familie, der ganze Generation-Y-Shit halt.“

Das alles sind Probleme, die man angehen kann, und die (abgesehen von der unklaren Einstellung) gelegentlich auch mal junge Paare haben, die gewollt Kinder bekommen. Es gibt Möglichkeiten, ein Studium mit Kind fortzusetzen, man kann auch ein paar Monate oder ein, zwei oder mehr Jahre aussetzen und sich dann einen Job suchen, prekäre Arbeitsverhältnisse hat praktisch jeder in den ersten Jahren nach dem Studium, ob mit oder ohne Kind, und finanziell ist das mit Unterstützung des Staates in Deutschland durchaus zu überbrücken. An einer Fernbeziehung lässt sich im Lauf von neun Monaten in der Regel auch etwas ändern; auch bei schwieriger Wohnungssuche muss man hierzulande keine Obdachlosigkeit fürchten. Die Autorin steht nicht alleine da. Es würde irgendwie gehen, wie sie selbst, und wie auch ihr Umfeld – inklusive des Vaters ihres Kindes – ihr mitteilt: „Erst als mir mein komplettes Umfeld, also Freundinnen, mein Freund und meine Familie versichern, dass es bestimmt – irgendwie – ginge, wenn ich es wollte, stelle ich fest: Ich will es nicht. Nicht so. Nicht jetzt. Nicht irgendwie. Ein bisschen fühlt es sich an, wie eine Liebesabfuhr zu bekommen. Es erinnert an ein ‚Ich liebe dich, aber ich kann das gerade nicht‘. Obwohl ich diejenige mit der Abfuhr sein würde, denn ich würde mich ja dagegen entscheiden. Das traurige daran ist, dass es auch eine Entscheidung des Nichtkönnens ist. ‚Ich kann das gerade nicht‘.“

Sie schreibt weiter: „Das Gute aber ist die Erkenntnis, dass ich es eben in der Hand habe. Dass ich den Zeitpunkt bestimmen kann. Dass es ein anderer werden kann – oder auch nie. Aber dass ein Nein jetzt kein Nein für immer ist. Ich muss mich keinem Schicksal ergeben, nein, ich kann mein Leben für den Moment gestalten, ohne es entwerfen zu müssen. […] Wir müssen noch ein paar Dinge machen, bevor wir Eltern werden. Unter anderem herausfinden, ob wir Eltern sein wollen. […] Mir dämmert, dass trotz aller Liebe, aller Unterstützung, allen ‚Es ist okay’s, ich mit der endgültigen Entscheidung allein bin. My body, my choice. Juhu! Und: Oh Gott! Beantworte ich die Frage nach dem ‚Kann ich es wirklich wegmachen?‘ mit ‚Nein‘, dann trage ich die Verantwortung für drei Lebensläufe. Beantworte ich sie mit ‚Ja‘, dann ist es, wie es ist. […] Man muss das Thema nicht über das Individuelle hinaus emotional aufladen und man darf aus der eigenen Betroffenheit keine Moral für andere ableiten. Aber man soll damit umgehen können, wie man möchte. Die Entscheidung für einen Abbruch kann ganz leichtfallen, das ist in Ordnung. Sie kann aber auch schwerfallen und das ist ebenso okay. Das heißt nicht, dass ein Abbruch falsch ist. Das soll jede schwangere Person für sich klären können.“

Es gibt durchaus Dinge, bei denen eine solche Herangehensweise angemessen sein wird. Die Frage, ob man Abi machen will oder ob einem der Hauptschulabschluss reicht; ob man jemals heiraten will oder nicht; ob man diesen oder jenen Beruf ergreifen will; ob man sein Übergewicht unbedingt loswerden will oder ob einem ein paar Pfunde zu viel völlig egal sind. Da kann man nicht verallgemeinern und jeder sollte danach entscheiden, womit er sich wohlfühlt. Aber es gibt auf der Welt leider nun mal auch andere Entscheidungen, bei denen es eindeutig nicht hilft, zu sagen: „Das soll jeder für sich selbst klären“, oder: „Egal was du tust, es ist okay“. Manche Entscheidungen sind nicht ebenso gut wie andere; manche Entscheidungen sind objektiv gesehen falsch; manche Entscheidungen haben schwerwiegende Konsequenzen – für einen selber, und für andere Menschen. Manche Dinge gehen nicht nur einen selbst was an.

Newsflash, Leute: Die Welt ist ungerecht, und manchmal scheiße. Man kann sein „Schicksal“ nicht frei wählen, man hat sein Leben nicht immer „in der Hand“, und man kann nicht für alles „den Zeitpunkt bestimmen“, den man gern hätte. Ich hätte es auch gerne so, aber so ist es nicht. Wenn man sein Leben auf Teufel komm raus genau so einrichten will, wie man es jetzt im Moment haben will, übergeht man im Zweifelsfall das Leben anderer Menschen, insbesondere solcher, die hilflos und einem völlig ausgeliefert sind.

(Im Übrigen: Bin ich eigentlich die einzige, die den Eindruck hat, dass der Satz „Ich unterstütze dich, egal wofür du dich entscheidest“ im Allgemeinen oft bloß eine billige Ausrede ist, um keinen richtigen Rat geben zu müssen?)

Die Autorin schreibt auch über ihre Internetrecherchen vor ihrer Entscheidung (die nicht von Anfang an feststand; sie war offensichtlich sehr hin- und hergerissen) und über andere Wahrnehmungen in dieser Zeit: „Das Internet ist die Hölle. Zum Thema Abtreibungserfahrungen finde ich fast ausschließlich Horrorgeschichten von Abtreibungsgegnern und -gegnerinnen, moralisch-durchtränkte Märchen, Dogmamantren und antiwissenschaftliche Lügen. Zum Thema Babys nur Glückseligkeit und ‚Wird schon und alles!‘, supidupi, ‚Sinn des Lebens‘, ‚Wunder‘. […] Während der Schwangerschaft bin ich oft im Kino. Es ist eine Unternehmung ohne unmittelbare Kommunikation, es ist Alleinsein ohne Einsamkeit. Es ist eine Möglichkeit, nachzudenken, aber dank Ablenkung ohne ständiges Kopfrodeo. Dort: Werbung. Strahlende Kinder, als Symbol. Die Gleichung: Kind = Glück. Die absolute Lebensfreude ist ein Kind. Das Ultimo an Schönheit ist Kinderlachen. Meine Mutter sagt: ‚Ein Kind kann ein Leuchtturm im Leben sein‘. Ich denke über meine Momente absoluter Lebensfreude nach, über meine Leuchttürme. Es sind Konzerte, bei denen ich mit einem Bier in der Menge stehe, es sind Songs auf meinem Kopfhörer im Bett, es ist Sex mit dem besten Menschen der Welt, es ist das Gröhlen von Trashpop nachts um fünf in irgendeiner WG, es ist das stundenlange Sitzen im Fernbus und Freuen auf Neues. Es ist nie ein Kind. Es war nie die Vorstellung von einem Kind. Ich sehe auf der Straße Menschen mit Babys. Ich versuche, mir ihr Glück abzugucken. Ich verstehe es. Ich verstehe sie. Aber ich bin nicht sie. Ihr Leben ist ein anderes.“

Oh, sie hat hier in manchen Dingen recht. Kinder sind nicht einfach das größte Glück im Leben, das einem passieren kann. Sind sie nicht. (Musik und Partys und Reisen sind das zwar auch nicht zwangsläufig für immer, aber darum geht es hier nicht.) Sie bedeuten absolut nicht die pure Glückseligkeit, und es ist nicht immer einfach, sie sein ganzes weiteres Leben lang am Hals zu haben. Ich bin noch selber nah genug an dem Alter dran und habe ein ausreichendes Gedächtnis und außerdem auch noch genügend Geschwister, um das aus eigener Erfahrung zu wissen. Eltern, inklusive meine Eltern, haben es mit Kindern nicht immer einfach. Erst einmal muss man vollgeschissene Windeln wechseln, und das oft genug nachts um halb drei, dann muss man sie ständig im Blick haben und hat keine freie Minute, während sie in Windeseile vom Wohnzimmer ins Bad krabbeln, und es fällt einem erst auf, wie viele Kanten in Kniehöhe es eigentlich in der Wohnung gibt, dann kommt ihre Trotzphase und sie beginnen, wie am Spieß zu brüllen, wenn man im Supermarkt an der Kasse steht und EINFACH NUR NOCH NACH HAUSE WILL. Später wird es auch nicht immer einfacher; sie entwickeln ADHS oder sind gemein zu ihren Mitschülern, sie haben Lernschwierigkeiten, schreien einen an, wenn sie den Fernseher ausschalten sollen, wollen nicht mit ihren Geschwistern teilen und waschen sich nicht die Hände vor dem Essen, egal wie oft man es ihnen sagt. Dann werden sie mit 17 magersüchtig oder depressiv oder entwickeln eine Nahrungsmittelunverträglichkeit und man muss mit ihnen von Arzt zu Arzt tingeln, bis man endlich herausfindet, was los ist; oder vielleicht werden sie auch so komisch religiös, fiebern enthusiastisch dem nächsten Weltjugendtag oder der Ministrantenwallfahrt nach Rom entgegen, kleben sich Jesus-Bilder in ihr Zimmer und schlafen auch nach drei Monaten Beziehung nicht mit ihrem Freund. Sie brechen bei der Weihnachtsfeier mit der Verwandtschaft Diskussionen über verschiedene Formen des Feminismus oder das Reformationsjubiläum vom Zaun. Sie gehen zur Uni und haben keinen rechten Plan für ihr Leben und stellen sich vor, dass man ihnen ihr Leben finanziert, bis sie sich mit Ende 20 irgendwann mal entscheiden, dass der Studiengang doch nicht das Richtige für sie war. Sie beteiligen sich bei der Antifa oder wählen die AfD. Sie bringen Partner mit heim, die man einfach nur grässlich findet und reagieren zickig bis zum Geht-nicht-mehr, wenn man sie darauf anspricht, ob der denn wirklich der Richtige für sie ist; dann werden sie selber ungeplant schwanger und kommen heulend bei einem an und in Zukunft muss man dem Enkelkind die vollgeschissenen Windeln wechseln…

Wenn ich mal von mir selber als potentieller Mutter ausgehe: Ich könnte mir im Moment absolut nicht vorstellen, ein Kind zu haben. Ich bin jetzt zwar schon Anfang zwanzig und habe eine tolle Familie, die mich sicherlich unterstützen würde, aber ich habe auch eine chronische körperliche Krankheit, die mich derzeit schlaucht, und dazu geht es mir auch psychisch gesehen, na ja, nicht so ganz optimal. Ich wäre mit einem Kind entsetzlich überfordert – mit Vorsorgeterminen, an die gedacht werden muss, mit zu wenig Schlaf, mit dem Einkaufen von altersgerechtem Spielzeug und dem Zubereiten von drei gesunden Mahlzeiten am Tag, mit der Fahrt zum Fußballtraining und der Tatsache, dass sie unbedingt, unbedingt noch ein neues Faschingskostüm brauchen, und zwar jetzt noch, bevor der ALDI zumacht, weil Lisa hat sie für morgen zu ihrer Geburtstagsfeier eingeladen und da sollen alle verkleidet kommen, weil Fasching ist, und nein, das konnten sie nicht früher sagen, weil sie haben die Einladung gerade erst gekriegt, und außerdem hast du versprochen, dass ich noch ein neues Kostüme kriege, die alten passen alle nicht mehr und außerdem sind sie scheiße!!! Es heißt ja, man wächst an seinen Aufgaben, aber ohne die großzügige Unterstützung liebender Großeltern ginge bei mir, falls ich durch irgendeine Fügung des Schicksals von jetzt auf gleich schwanger wäre, sicherlich überhaupt nichts. Wahrscheinlich würde ich kaum eine Schwangerschaft ohne fünf oder sechs Nervenzusammenbrüche überstehen.

Aber, ob ihr’s glaubt oder nicht: Kinder sind Personen. Sie sind nicht das Glück auf Erden, weil sie Personen sind – Personen mit ihren schlechten Seiten und ihrer Selbstsucht und ihren Bedürfnissen und ihren Ausscheidungen und ihrem Hunger und ihren Krankheiten und ihrem Kummer oder Zorn wegen ihres Übergewichts oder dem Mobbing auf dem Schulhof.

Sie sind Personen, und deshalb haben sie Rechte.

Die Autorin erwähnt im Lauf des Textes (s. o.) „antiwissenschaftliche Lügen“ (aus dem Kontext: von Abtreibungsgegnern und -gegnerinnen) im Internet und nennt das, was sie ambulant von einer freundlichen, verständnisvollen Ärztin entfernen hat lassen, ein paar Mal einen „Zellklumpen“. Nun, ich weiß ja nicht, welches Biologiebuch zu ihrer Zeit im Aufklärungsunterricht verwendet wurde; aber ich bin natürlich gern bereit, eventuelle Wissenslücken aufzufüllen: In der 5. bis 6. Woche sieht ein Baby eher aus wie eine Kaulquappe als wie ein „Klumpen“; man sieht sein Rückenmark und seine sich entwickelnden Augen; Organe wie Nieren, Leber, Darm bilden sich; in der 6. Woche sieht man die Ansätze von Armen und Beinen. (Für genauere Infos und Bilder siehe zum Beispiel hier eine Seite für werdende Mütter – mir nicht bekannt, dass sie irgendeinen Bezug zur Lebensrechtsbewegung hätte) Mit zwölf Wochen – der Grenze für straffreie (nicht legale) Abtreibungen nach der Beratungsregelung – sieht ein Embryo wie ein ganz normaler kleiner Mensch mit übergroßem Kopf und mickrigen Gliedmaßen aus. Aber ja, er ist auch davor – auch, wenn sein Herz noch nicht schlägt, auch, wenn er in Woche 1 oder 2 noch wie ein „Klumpen“ aussieht, kurz gesagt ab der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle – ein einmaliges menschliches Wesen mit einer einmaligen DNA, das sich nur noch weiter entwickeln muss – so, wie sich auch geborene Babys noch weiterentwickeln und erst noch Zähne bekommen und sprechen und laufen lernen müssen. Man sage mir, wo hier in diesem Absatz eine Lüge liegt.

Im Endeffekt ist jeder Mensch ein großer Klumpen aus Zellen in einem bestimmten Entwicklungsstadium, so wie jeder Text aus schwarzen Zeichen auf weißem Grund besteht (oder im Fall von panikgetriebenen Internetseiten über den nahenden Weltuntergang wegen eines Maya-Kalenders oder sonst was: aus neongelben Zeichen auf schwarzem Grund); aber er ist gleichzeitig auch noch mehr. Man kann nun natürlich Lebensrecht über „Personsein“ definieren und „Personsein“ über Denkfähigkeit und Bewusstsein; dann haben aber logischerweise folglich auch Babys weniger Rechte als Dreijährige, und Dreijährige weniger Rechte als Erwachsene, man bräuchte also eine Art gestuftes Lebensrecht – so wie beispielsweise im Alten Rom, wo es legal war, Neugeborene auszusetzen, wenn man sie nicht haben wollte. Es gibt Leute, die das tatsächlich so definieren – Peter Singer ist das bekannteste Beispiel – ; ich als Christin tue es nicht. Man kann auch definieren, dass jemand, der auf einen anderen angewiesen oder mit dessen Körper verbunden ist, ohne dessen Zustimmung kein Recht auf Leben hat und getötet werden darf; damit stellt sich zwar evtl. das Problem, wer von zwei siamesischen Zwillingen jetzt der mit dem Lebensrecht ist, oder, wenn man diesen Spezialfall mal beseite lässt, wie groß eine Abhängigkeit sein muss, ehe das Lebensrecht verloren geht (wiederum: normale Neugeborene, die ohne Eltern nicht überleben können? Schwerstbehinderte oder Komapatienten, die gepflegt werden müssen?). Aber diese Schwierigkeiten überlasse ich mal den Abtreibungsbefürwortern. Ich gehöre ja zu den fundamentalistischen unaufgeklärten im Mittelalter zurückgebliebenen Dogmatikern, die eine Menschenwürde für jeden Menschen, unabhängig von Entwicklungsstand oder Abhängigkeit von anderen Menschen, annehmen.

In der Lebensschutzbewegung wird tatsächlich sehr viel davon geredet, dass Abtreibung auch den Frauen schadet, dass das Leben mit einem Kind schön ist, dass viele Frauen eine Abtreibung bereuen, dass sie sich oft nur unter Druck und in Notsituationen dafür entscheiden, weshalb die Väter ihre Partnerinnen unterstützen müssten und man Notsituationen abhelfen müsste, anstatt das Kind loszuwerden. Das stimmt an sich, und sollte beachtet werden. Aber es gibt eben auch die andere Seite, von der dieser Artikel zeugt: Dass eine Abtreibung medizinisch ohne jede Komplikation verlaufen und psychisch eine Erleichterung sein kann; dass das Leben mit Kindern nicht immer besonders schön ist und dass manche Frauen es überhaupt nicht bereuen, ihr Kind abgetrieben zu haben, auch wenn sie in keiner sozialen oder medizinischen oder psychologischen Notsituation waren, sondern es nur gerade irgendwie ungelegen kam und sie noch nicht gleich ihr ungebundenes Leben aufgeben wollten. Das gibt es auch.

Aber das macht es eben nicht besser; ganz im Gegenteil. Eine Abtreibung ist immer die Tötung eines kleinen Kindes; manchmal geschieht sie aus subjektiv nachvollziehbaren, schrecklichen Gründen, und manchmal aus – na ja, nicht so schrecklichen Gründen. Eine Abtreibung in einem solchen Fall – weil es eigentlich ungelegen kommt, weil man lieber noch ein paar Jahre warten würde, weil man jetzt auf die Schnelle seinen Lebensplan umstellen müsste – ist einfach eine Weigerung, Verantwortung zu übernehmen, eine Weigerung, ein Kind anzunehmen, das schon da ist. Wenn man schwanger ist, kann man ganz einfach nicht mehr sagen „Ich bin erst in ein paar Jahren wirklich bereit für ein Kind“. Das Kind ist da. Wenn man schwanger ist, ist man schon Mutter; dann ist es zu spät, zu überlegen, ob man es werden will. Und man wird bis in alle Zukunft entweder die Mutter eines lebenden oder die Mutter eines toten Kindes sein.

Ja, man sollte planen, wann man Kinder bekommen will, aber das sollte man vorher überlegen; wenn man Sex hat, geht man immer das, wenn auch noch so geringe, Risiko ein, dass ein Kind dabei raus kommt – egal, welche Verhütungsmethode(n) man verwendet. Wenn man dieses Risiko unter keinen Umständen eingehen kann, sollte man dementsprechend handeln. Das nervt einen vielleicht, aber das ist die Realität. Ich habe das System der Fortpflanzung der Säugetiere nicht erfunden, da muss man sich anderswo beschweren.

Der Autorin dieses Textes kann man vielleicht nicht allein den Vorwurf für die Traumwelt machen, in der sie lebt. Viele Menschen leben darin, und Menschen meiner und ihrer Generation sind irgendwie schon darin aufgewachsen. Es wird ja überall von „Selbstverwirklichung“ geredet und davon, dass man, wenn man logisch gesehen verantwortungslos handelt, doch „nur das Beste für alle“ tue; dass man sich kein schlechtes Gewissen machen solle; dass gut sei, wofür auch immer man sich entscheide; dass nur religiöse Fanatiker wie die Verfasserin dieser Zeilen etwas anderes denken könnten und aufgeklärte Menschen sich von denen keine Schuldgefühle einreden lassen sollten. So wie die Autorin des Artikels redet – ruhig, locker, neutral, tolerant, mit sich selbst im Reinen -, kann man nur reden, wenn man die Tatsache leugnet oder ignoriert, dass die eigenen Handlungen ein anderes Wesen mit eigenen Rechten getroffen haben, das gelebt hat und eine eigene Zukunft gehabt hätte. (Nicht dass es jetzt außerhalb dieser Welt keine Zukunft mehr hätte; ich gehe mal davon aus, dass es sich jetzt wohl in der ewigen Herrlichkeit befinden wird und vielleicht gerade mit seinem vor zwei Jahren an einem Herzinfarkt verstorbenen Urgroßonkel oder mit dem heiligen Thomas von Aquin oder dem heiligen Moses dem Äthiopier oder der heiligen Afra von Augsburg Bekanntschaft schließt. Aber darum geht es hier nicht. Und in jedem Fall hätte es auch noch eine Aufgabe hier auf Erden gehabt.)

Das Leben ist nun mal manchmal scheiße, und manchmal schwierig, und manchmal ungerecht. Manchmal ist es auch gewöhnlich und spießig und langweilig. Man kann sich nicht immer selbst verwirklichen, und man hasst sein Leben manchmal, und manchmal muss man einfach das Richtige tun. Oft wird es dann schon irgendwie, manchmal wird es besser als gedacht, manchmal kann man noch das „Beste aus beiden Welten“ haben, und manchmal geht das nicht und nichts scheint mehr zu funktionieren. So funktioniert das Leben eben leider. Es ist kein Selbstbedienungsladen, sondern eher „wie eine Schachtel Pralinen – man weiß nie, was man kriegt“.

Eins noch: In dem ganzen Text wurde übrigens kein einziges Mal die Möglichkeit erwähnt, das Kind auszutragen und zur Adoption freizugeben. Ich weiß nicht, ob die Autorin nicht an diese Möglichkeit gedacht hat, ob sie auch in der Schwangerschaftskonfliktberatung vielleicht gar nicht erwähnt wurde, oder ob sie sie bewusst verworfen hat, weil sie z. B. fürchtete, es wäre vielleicht „zu schmerzhaft“ für sie, ein Kind erst auszutragen und es dann abzugeben. (Was aus Sicht des Kindes wiederum wohl anders aussähe.)

 

PS: Ein kurzer Gedanke noch: Manchmal habe ich das Gefühl, dass die Welt sich vielleicht auch deshalb so schwer tut, anzuerkennen, dass es vielleicht doch falsche Entscheidungen und reale Schuld geben könnte, weil sie nicht glaubt, dass es einen wirklichen Ausweg aus realer, großer Schuld geben kann… Aber den gibt es.

PPS: Falls eine Leserin dieser Zeilen sich selbst in der Situation befinden sollte, ungewollt schwanger zu sein und nicht weiter zu wissen, z. B. hier auf dieser Seite von Pro Femina gibt es Informationen und Beratung – E-Mail, kostenlose Hotline, Forum, etc. – zu allen Fragen und so zeitintensiv wie nötig. Auch bei der Caritas gibt es natürlich ebenso Beratung; hier zur Onlineberatung. Ich möchte an dieser Stelle ein bisschen Mut machen: Ich kenne ein paar Mädchen (flüchtig), die im späten Teenageralter ungewollt schwanger geworden sind und deren Kinder inzwischen so zwischen einem und drei Jahren alt sind. Es ist hinzukriegen. Ja, manches muss zurückstehen; ja, das Leben ändert sich radikal, wenn ein Kind da ist. Aber es ist normalerweise nicht der absolute Horror und nicht das Ende des Lebens. Man wird Probleme haben und man wird wahrscheinlich nicht alles perfekt machen und manchmal wird man wahrscheinlich unzufrieden sein. Das ist in jedem Menschenleben der Fall; auch ohne Kinder ist selten alles perfekt und genau so, wie man es haben möchte. Ja, vielleicht muss man manches aufgeben, aus Verantwortung gegenüber dem Kind, was man sonst hätte machen können. Eine meiner Bekannten war eine Zeitlang bei ihrem Kind daheim und macht jetzt mit ihrer Ausbildung weiter, eine andere holt etwas unmotiviert ihren Hauptschulabschluss nach, weil sie schon vor ihrer Schwangerschaft die Schule abgebrochen hatte, eine andere ist noch bei dem Kind zu Hause, während ihr Mann arbeiten geht – sie hat ihren Freund geheiratet und es ist offenbar eine gute Beziehung; andere dagegen sind aus Gründen nicht mehr mit den Väter ihrer Kinder zusammen. Sie alle kriegen es hin, sich um ihre Kinder zu kümmern. Bevor man beim Gedanken an eine Schwangerschaft in totale Panik ausbricht: Erst einmal tief durchatmen. Sich etwas Zeit nehmen, um sich zu informieren und einfach mal ruhig nachdenken. Überlegen, wen man um Unterstützung bitten könnte und was für konkrete Probleme oder Aufgaben auf einen zukommen würden (wenn man Angst hat, steigert man sich manchmal zu sehr in Vorstellungen von scheinbar unüberwindlichen Schwierigkeiten hinein; ich tue das jedenfalls). Sich vielleicht vorstellen, wie es sein könnte, in etwa fünf oder zehn oder fünfzehn Jahren, mit dem Kind, was man für es fühlen und wie man mit ihm leben würde. Ich weiß nicht, ob das hilft, aber vielleicht könnte es helfen.

12 Gedanken zu “Nein, es ist nicht „okay, egal was du machst“: Über Abtreibung

  1. Hervorragender Artikel!
    Das von Dir zu Recht kritisierte „Egal was du tust, es ist okay“ heißt meiner Ansicht nach im Grunde „Du bist mir nicht wichtig genug, daß ich mich wirklich mit deinem Problem auseinandersetze und bereit bin, dir zu helfen“.

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    1. Ach, das muss es nicht mal unbedingt sein. Manchmal hat die/der, die/der das sagt, vielleicht auch einfach zu viele RomComs und Sitcoms angeschaut und sich tatsächlich einreden lassen, das wäre die sensibelste Antwort und ein wirklicher, praktischer Ratschlag wäre schon Anmaßung. Dabei ist es ungefähr genau so hilfreich wie das altbekannte „Hör auf dein Herz“. (Bei diesem Satz muss ich an eine Szene aus „Hannah Montana“ (der Serie, nicht dem Film – meine kleinen Schwestern haben das vor ein paar Jahren immer angeschaut) denken, wo Miley gerade Liebeskummer hat (sie kann sich nicht zwischen zwei Jungen entscheiden). Ihr Vater gibt ihr dann ein Video, das ihre Mutter, die vor Jahren gestorben ist, vor ihrem Tod noch für sie aufgenommen hat. Miley sieht es sich an – sehr emotionaler Moment, sie hat Tränen in den Augen, wenn ich mich richtig erinnere – und ihre Mutter redet auf dem Video ein bisschen, sagt dann so, bestimmt kommt die Zeit, wo sie auch mal vor so schwierige Entscheidungen in Liebesdingen gestellt ist, und so weiter, bla bla bla, und dann kommt schließlich ihr Ratschlag: Dann soll sie einfach auf ihr Herz hören. Zapp, Video aus. Miley ist zuerst ganz entgeistert – Was? Mehr nicht?? -, dann besinnt sie sich aber und versucht doch mal, diesen Ratschlag in die Tat umzusetzen, setzt sich also ganz ruhig hin, kneift die Augen zu und lauscht in die Nacht hinaus. Nach ein paar Sekunden flüstert sie schließlich so was wie: „Okay, Herz, ich bin da, ich hör zu – Hallo?“ (Sie findet dann schon noch irgendwie heraus, welchen Jungen sie eigentlich lieber mag, aber das ist meiner Meinung nach jedenfalls eine sehr gute Illustration dessen, wie sehr dieser Rat in der Praxis hilft…)) – Crescentia

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  2. Ein paar kurze Gedanken zu Ihrem letzten Absatz vor dem PS:

    Adoption wird von den meisten seriösen Konfliktberatungen (auch katholischen) nur selten empfohlen. Wenn man sie empfiehlt, muss man als seriöser Berater auch reinen Wein einschenken und auf vier Dinge hinweisen:
    1. die Frau wird ziemlich sicher ihren Job verlieren, denn sie beraubt ihren Arbeitgeber de facto fahrlässig ihrer Arbeitskraft und zumindest für 8 Wochen muss er dafür zahlen. Das ist ähnlich wie wenn sie besoffen einen Auto-Unfall hat und sich verletzt..
    2. Der Großteil ihrer Verwandten und Bekannten wird sie in Zukunft für eine dumme und verantwortungslose Schlampe halten. Denn alle werden es mitkriegen, es lässt sich nicht verbergen. Abtreibungen sind hingegen klandestin – niemand muss etwas davon wissen nicht mal der eigene Partner.
    3. Schwangerschaft und Geburt sind keinesfalls so ohne und nebenbei zu schaffen. Im Gegenteil, die gesundheitlichen Einschränkungen, Folgewirkungen und Risken sind erheblich. Geburten sind übrigens der häufigste Auslöser von schweren Depressionen bei Frauen unter 40.
    4. Die Chance dass ihr das im Lebenslauf stehen bleibt, ist nicht unerheblich. Sie wird dann für alle zukünftigen Arbeitgeber unzuverlässig erscheinen. In der Regel geben Frauen ihr Kind nur dann zur Adoption frei, wenn sie Probleme mit Alkohol, Drogen haben oder sonst irgendeinen asozialen Hintergrund. Das ist einfach stigmatisiert und das kann man nicht den Frauen vorwerfen.

    Wir auch immer, bei pro femina wird sie von all dem nichts hören, dort wird man ihr wohl das Blaue vom Himmel herunter versprechen. Zumindest solange, bis die gesetzliche Frist vorbei ist.

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    1. Ich wüsste nicht, dass Arbeitsschutzgesetze für Schwangere im Fall der Adoption nicht mehr gelten würden. Ich nehme an, Sie haben sich über Pro Femina ganz genau informiert? (Das mit der Adoption ist nebenbei nicht der springende Punkt des Artikels. Ich nehme sowieso an, dass die meisten Frauen das eher nicht wollen würden.)

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  3. Hm. Ich finde den Artikel gut und ich kann vieles von dem was du da schreibst und dir deine Meinung gebildet hast auch sehr gut nachvollziehen. Ich hatte davor auch einen sehr klaren, praktisch identischen, Standpunkt dazu. Sexuelle Verantwortung ist eben mehr als die Frage ob mit oder ohne Kondom. Tja. Und dann war ich schwanger. Und dann war ich plötzlich gelähmt. Alles setzt aus. Wirklich alles. Das ist eine Situation, ein Zustand, den niemand der es nicht erlebt hat nachvollziehen kann. Sein Leben in so einer überfordernden, bedrohlichen, beängistigenden und verzweifelten Situation „einfach so auf die Reihe zu bringen“, ist nicht so einfach (sei es die Fernbeziehung, das studium, die Wohnsituation etc.). Und ein Kind auszutragen, dein Kind auszutragen und dann zur Adoption freizugeben wie ich mir das früher immer gedacht hatte zu tun, sollte der unwahrscheinliche Fall eintreten…das ist dann zwar ein sehr nobler Gedanke, aber emotional, körperlich, menschlich…kaum umsetzbar. Man muss sehr stark sein um all das, um so eine Situation zu ertragen und die meisten Menschen sind das nicht. Ich war das auch nicht. Ich war so schwach. So unglaublich einsam und verletztlich, Hilfe und Schutz-bedürftig.
    Ich bin heute eine bessere Christin, weil ich barmherziger mit meinen Mitmenschen sein kann. Im übrigen denke ich auch nicht, dass man propagieren sollte, dass schon iwie alles gut wird, hauptsache man behält das Kind. Das stimmt einfach nicht. Wenn jemand schon mit seinem Leben alleine überfordert ist, wird sich das nicht magisch in Wohlgefallen auflösen etc. Und ein Kind hat Ansprüche und ist noch mal ein gaaaanz anderes Kaliber an Verantwortung, Bedürfnissen etc.
    Aber jetzt in jeden Punkt einzeln einzusteigen würde auch zu weit führen.
    Ich mochte deinen Text. Ich mag deine Art zu schreiben und die Leidenschaft mit der du das tust. Du schreibst aber von einer Position die nur deine ist. Und diese Erkenntnis ist essentiell. Auch wenn du sehr klar gesagt hast, dass du nicht urteilst.
    Oh und super, dass du ein paar Links hinzugefügt hast! Das ist eine tolle Sache

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    1. Danke für diesen Kommentar – ich kann mir durchaus vorstellen, dass es nochmal ein ganz anderes Gefühl ist, wenn man dann tatsächlich schwanger ist, als wenn man so theoretisch darüber nachdenkt. Ich hoffe, ich kann es trotzdem gedanklich auch so ein bisschen nachvollziehen – wie gesagt, ich gehöre auch nicht zu den Katholikinnen, die sich am liebsten zwölf Kinder wünschen und das wunderbar auf die Reihe kriegen würden (nichts gegen solche Leute, es ist toll, wenn es Leute gibt, die so gut mit Kindern können, aber ich gehöre definitiv nicht dazu). Was würde man selber in so einer Situation machen? Diese Frage ist für mich – dieser Vergleich ist in keiner Weise als eine Beleidigung gemeint, falls das so rüberkommen sollte – irgendwie so ähnlich wie z. B. die Frage: Was hätte ich gemacht, wenn ich in der Nazizeit gelebt hätte? Wäre ich bei den wenigen Widerständlern gewesen? Bei denen, die sich passiv dem Ganzen irgendwie entzogen haben? Bei den Mitläufern? Bei den Opportunisten, die profitiert haben? Oder was würde ich z. B. machen, wenn ich alleiniger Zeuge eines nächtlichen Übergriffs am Busbahnhof würde – würde ich versuchen, einzugreifen, wenn die Polizei nicht rechtzeitig kommt? Zivilcourage zeigen? Dabei eigene, vielleicht schwerwiegende Verletzungen riskieren? Oder würde ich dastehen und darauf hoffen, dass die Polizei sich beeilt? Würde ich ich davonlaufen und mich verstecken? Wie hätte ich mich in der DDR verhalten? Wie würde ich mich verhalten, wenn die Mafia mich erpressen würde – nachgeben oder versuchen, etwas dagegen zu tun? Das sind alles immer Sachen, wo man die Antwort nie wirklich wissen kann. Nein, ich bin an sich nicht unbedingt ein sehr mutiger Mensch…
      Nein, man sollte wirklich nicht so tun, als würde alles einfach so werden. Aber ich denke, deshalb ist es eben auch sehr wichtig, Schwangeren wirkliche Hilfe anzubieten (staatlicherseits und anderweitig). Und dass alle Beteiligten im Umfeld (Väter etc.) auch zu ihrer Verantwortung stehen und die Schwangere mit ihrer Verantwortung für das Kind nicht allein lassen…

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    2. Noch ein kurzer Gedanke: Wie gesagt, ich hab die Situation selber nie erlebt. Aber ich kann mir vorstellen, dass vielleicht ein generelles Problem auch darin liegt, dass viele Entscheidungen zu Abtreibungen als Kurzschlussreaktionen in den ersten Tagen, nachdem man völlig überraschend von der Schwangerschaft erfahren hat, getroffen werden. Es ist dann nicht nur das Problem, dass es manche objektive Probleme mit Job oder Beziehung gibt, sondern dass man einfach gar nicht damit gerechnet hat, jetzt auf einmal mit einem Kind zurechtkommen zu müssen und in diesem Moment überwältigt von Ängsten, Zweifeln usw. ist – die Schwangerschaftshormone machen es wahrscheinlich auch nicht einfacher, nehme ich an. Dann denkt man, man muss es noch schnell vor der Zwölf-Wochen-Frist schaffen – was, wenn sonst alles verpfuscht ist und man nicht mehr zurück kann???? – und man bekommt keinen richtigen Rat vom Umfeld oder kann sich vielleicht einfach nicht so schnell überwinden, mit anderen zu sprechen, oder ist zu überfordert, um sich über alle Hilfsangebote von staatlicher und nicht-staatlicher Seite zu informieren…

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  4. Es könnte zu denken geben, daß die streng abtreibungsfeindlichen konservativen „Christen“ etwa in den USA feucht erregt beharren auf der Zerstörung des Körpers eines Menschen im staatlichen Ritual.

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    1. Auf welche Christen genau beziehen Sie sich, bitte? Wohl nicht auf die Katholiken, nehme ich an, da sich in deren Katechismus wenig Missverständliches zum Thema „Folter“ findet, nicht wahr? (In Ihrer Abneigung gegen die Häresie des Amerikanismus haben Sie eigentlich in vielerlei Hinsicht sogar meine enthusiastische Zustimmung, nebenbei… aber das ist hier nicht das Thema.)
      Ach ja. Der ganze Whataboutism. Ich schreibe über Menschen, die getötet werden, und kriege die Antwort, „Aber irgendwelche Leute, die auch finden, dass diese Menschen nicht getötet werden sollten, sind dafür für Grausamkeit gegen andere Menschen!!!“. Im Deutschunterricht bezeichnet man so etwas als Themaverfehlung.

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    2. Jetzt lassmamal die Rhetorik weg. Also, ja, die streng abtreibungsfeindlichen konservativen Christen (ganz ohne Anführungszeichen) sind mit Masse auch Anhänger der Todesstrafe, ja. Was nichts mit sexuellem Lustgewinn durch Hinrichtungen zu tun hat.

      Tatsächlich ist die Unfähigkeit – wenn es denn nicht Un*wille* ist, zwischen dem, daß der Staat als Statthalter Gottes wegen eines Verbrechens einen Menschen verurteilt und tötet (wobei übrigens Angehörige des Verurteilten und sonst Befangene weder als Richter noch als Henker mitwirken) – insbesondere dann, wenn es sich bei dem Verbrechen um einen Mord gehandelt hat, der Staat also somit das Leben verteidigt -, und dem, daß eine Frau ihr eigenes Kind aus Eigennutz eigenmächtig tötet, einen Unterschied zu machen, ganz entschiedenermaßen ein Teil des Problems.

      Dies übrigens unabhängig von der Frage, ob der Staat das tun *sollte*. Hier ist durchaus der Ansatzpunkt für Kritik; aber:

      Wenn zwei Luftwaffengeneräle sich unterhalten, ob für den Angriff auf die feindliche Industriestadt X 10 Tonnen TNT-Äq. verwendet werden sollen oder ob der Krieg nicht auch mit 5 Tonnen TNT-Äq. insgesamt genauso erfolgreich insgesamt geführt werden kann und dabei das Ausmaß an Zerstörung begrenzt werden kann – einerseits –

      und wenn ein Luftwaffengeneral dem anderen vorschlägt, aus welchem Grund auch immer 5 Tonnen TNT-Äq auf ein Wohngebiet in einem neutralen Staat fernab des Kampfgeschehens zu werfen – andererseits -,

      dann ist das doch nicht das gleiche??

      *Ersteres* ist die Diskussion, die wir bei der Todesstrafe führen; *letzteres* ist der Vorschlag, Kinder abzutreiben. Und um genau um eine solche Gleichsetzung handelt es sich, wenn man meint, die Abtreibungsgegner seien inkonsequent, wenn sie (was in den USA viele von ihnen zweifellos tun) die Todesstrafe befürworten.

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