Aus dem Denzinger: Der Anti-Modernisten-Eid

Der „Denzinger“, genau genommen das „Enchiridion symbolorum definitionum et declarartionum de rebus fidei et morum / Kompendium der Glaubensbekenntnisse und kirchlichen Lehrentscheidungen“ ist eine ursprünglich von Heinrich Denzinger, in der um neue Dokumente erweiterten Fassung dann von Peter Hünermann, herausgegebene Sammlung von Glaubensbekenntnissen, Konzilsentscheidungen und päpstlichen Lehrschreiben im lateinischen/griechischen Original und in deutscher Übersetzung. Die Dokumente reichen vom Jahr 96 bis ins Jahr 2003 (in der 42. Auflage).

 Ich habe festgestellt, dass es ziemlich spannend ist, im Denzinger zu stöbern – da kommt einiges Unerwartete aus der Kirchengeschichte ans Tageslicht, und auch manches Kuriose. Vor allem aber bekommt man ein Gespür dafür, welche Probleme die Kirche zu einer bestimmten Zeit beschäftigten. Manche Themen kommen immer wieder auf (z. B. Fragen zur Ehe, oder zur Union der zwei Naturen in Christus, oder zum Vergehen der Simonie); manche nur ein- oder zweimal (z. B. wenn eine Synode diejenigen exkommuniziert, die Schiffbrüchige berauben). Im 17. Jahrhundert streiten die Theologen um die Gnadenhilfen, im 19. muss man sowohl den religiösen Indifferentismus als auch den Fideismus verurteilen.

 In dieser Reihe möchte ich einfach regelmäßig Zitate aus den meiner Meinung nach besonders interessanten Dokumenten bringen, wenn nötig mit einer kurzen historischen Einordnung. Die Zitierweise „DH [Zahl]“ gibt die Nummer an, unter der die Stelle im „Denzinger-Hünermann“ zu finden ist.

 Alle Teile hier.

 

Der folgende vom hl. Pius X. eingeführte Eid musste zwischen 1910 und 1967 von allen Pfarrern, Theologiestudenten vor Erhalt der akademischen Grade, Ordensoberen usw. abgelegt werden:

 

„Ich, N.N., umfasse fest und nehme samt und sonders an, was vom irrtumslosen Lehramt der Kirche definiert, behauptet und erklärt wurde, vor allem diejenigen Lehrkapitel, die den Irrtümern dieser Zeit unmittelbar widerstreiten.

Und zwar erstens: Ich bekenne, daß Gott, der Ursprung und das Ziel aller Dinge, mit dem natürlichen Licht der Vernunft ‚durch das, was gemacht ist’ [Röm 1,20], das heißt, durch die sichtbaren Werke der Schöpfung, als Ursache vermittels der Wirkungen sicher erkannt und sogar auch bewiesen werden kann.

Zweitens: Die äußeren Beweise der Offenbarung, das heißt, die göttlichen Taten, und zwar in erster Linie die Wunder und Weissagungen lasse ich gelten und anerkenne ich als ganz sichere Zeichen für den göttlichen Ursprung der christlichen Religion, und ich halte fest, daß ebendiese dem Verständnis aller Generationen und Menschen, auch dieser Zeit, bestens angemessen sind.

Drittens: Ebenso glaube ich mit festem Glauben, daß die Kirche, die Hüterin und Lehrerin des geoffenbarten Wortes, durch den wahren und geschichtlichen Christus selbst, als er bei uns lebte, unmittelbar und direkt eingesetzt und daß sie auf Petrus, den Fürsten der apostolischen Hierarchie, und seine Nachfolger in Ewigkeit erbaut [wurde].

Viertens: Ich nehme aufrichtig an, daß die Glaubenslehre von den Aposteln durch die rechtgläubigen Väter in demselben Sinn und in immer derselben Bedeutung bis auf uns überliefert [wurde]; und deshalb verwerfe ich völlig die häretische Erdichtung von einer Entwicklung der Glaubenslehren, die von einem Sinn in einen anderen übergehen, der von dem verschieden ist, den die Kirche früher festhielt; und ebenso verurteile ich jeglichen Irrtum, durch den an die Stelle der göttlichen Hinterlassenschaft, die der Braut Christi überantwortet ist und von ihr treu gehütet werden soll, eine philosophische Erfindung oder eine Schöpfung des menschlichen Bewusstseins setzt, das durch das Bemühen der Menschen allmählich ausgeformt wurde und künftighin in unbegrenztem Fortschritt zu vervollkommnen ist.

Fünftens: Ich halte ganz sicher fest und bekenne aufrichtig, daß der Glaube kein blindes Gefühl der Religion ist, das unter dem Drang des Herzens und der Neigung eines sittlich geformten Willens aus den Winkeln des Unterbewußtseins hervorbricht, sondern die wahre Zustimmung des Verstandes zu der von außen aufgrund des Hörens empfangenen Wahrheit, durch die wir nämlich wegen der Autorität des höchst wahrhaftigen Gottes glauben, daß wahr ist, was vom persönlichen Gott, unserem Schöpfer und Herrn, gesagt, bezeugt und geoffenbart wurde.

Ich unterwerfe mich auch mit der gehörigen Ehrfurcht und schließe mich aus ganzem Herzen allen Verurteilungen, Erklärungen und Vorschriften an, die in der Enzyklika ‚Pascendi’ und im Dekret ‚Lamentabili’ enthalten sind, vor allem in bezug auf die sogenannte Dogmengeschichte.

Ebenso verwerfe ich den Irrtum derer, die behaupten, der von der Kirche vorgelegte Glaube könne der Geschichte widerstreiten, und die katholischen Glaubenslehren könnten in dem Sinne, in dem sie jetzt verstanden werden, nicht mit den wahren Ursprüngen der christlichen Religion vereinbart werden.

Ich verurteile und verwerfe auch die Auffassung derer, die sagen, der gebildetere christliche Mensch spiele eine doppelte Rolle , zum einen die des Gläubigen , zum anderen die des Historikers, so als ob es dem Historiker erlaubt wäre, das festzuhalten, was dem Glauben des Gläubigen widerspricht, oder Prämissen aufzustellen, aus denen folgt, daß die Glaubenslehren entweder falsch oder zweifelhaft sind, sofern diese nur  nicht direkt geleugnet werden.

Ich verwerfe ebenso diejenige Methode , die heilige Schrift zu beurteilen und auszulegen, die sich unter Hintanstellung der Überlieferung der Kirche, der Analogie des Glaubens und der Normen des Apostolischen Stuhles den Erdichtungen der Rationalisten anschließt und – nicht weniger frech als leichtfertig – die Textkritik als einzige und höchste Regel anerkennt.

Außerdem verwerfe ich die Auffassung jener, die behaupten, ein Lehrer, der eine theologische historische Disziplin lehrt oder über diese Dinge schreibt, müsse zunächst die vorgefaßte Meinung vom übernatürlichen Ursprung der katholischen Überlieferung oder von der von Gott verheißenen Hilfe zur fortdauernden Bewahrung einer jeden geoffenbarten Wahrheit ablegen; danach müsse er die Schriften der einzelnen Väter unter Ausschluß jedweder heiligen Autorität allein nach Prinzipien der Wissenschaft und mit derselben Freiheit des Urteils auslegen, mit der alle weltlichen Urkunden erforscht zu werden pflegen.

Ganz allgemein schließlich erkläre ich mich als dem Irrtum völlig fernstehend, in dem die Modernisten behaupten, der heiligen Überlieferung wohne nichts Göttliches inne, oder, was weit schlimmer [ist], dies in pantheistischem Sinne gelten lassen, so dass nichts mehr übrig bleibt als die bloße und einfache Tatsache, die mit den allgemeinen Tatsachen der Geschichte gleichzustellen ist, dass nämlich Menschen durch ihren Fleiß, ihre Geschicklichkeit und ihren Geist die von Christus und seinen Aposteln angefangene Lehre durch die nachfolgenden Generationen hindurch fortgesetzt haben.

Daher halte ich unerschütterlich fest und werde bis zum letzten Lebenshauch den Glauben der Väter von der sicheren Gnadengabe der Wahrheit festhalten, die in ‚der Nachfolge des Bischofsamtes seit den Aposteln’* ist, war und immer sein wird; nicht damit das festgehalten werde, was gemäß der jeweiligen Kultur einer jeden Zeit besser und geeigneter scheinen könnte, sondern damit die von Anfang an durch die Apostel verkündete unbedingte und unveränderliche Wahrheit ‚niemals anders geglaubt, niemals anders’ verstanden werde**.

Ich gelobe, daß ich dies alles treu, unversehrt und aufrichtig beachten und unverletzlich bewahren werde, indem ich bei keiner Gelegenheit, weder in der Lehre noch in irgendeiner mündlichen oder schriftlichen Form, davon abweiche. So gelobe ich, so schwöre ich, so [wahr] mir Gott helfe und diese heiligen Evangelien Gottes.“

(Pius X., Motu Proprio „Sacrorum antistitum“, 1910; in: DH 3537–3550)

 

* Vgl. Irenäus von Lyon, Adversus haereses IV 40, n. 2 (hrsg. vonW. W. Harvey [Cambridge 1857] 2,236 / = IV 26, n. 2: SouChr 100/II, 718 / PG 7,1053C).

** Vgl. Tertullian, De praescriptione haereticorum 28 (R. F. Refoulé: CpChL 1 [1954] 209 / CSEL 70,34 / PL 2,47).

Ein Gedanke zu “Aus dem Denzinger: Der Anti-Modernisten-Eid

  1. >>Ganz allgemein schließlich erkläre ich mich als dem Irrtum völlig fernstehend, in dem die Modernisten behaupten, der heiligen Überlieferung wohne nichts Göttliches inne, oder, *was weit schlimmer [ist]*, dies in pantheistischem Sinne gelten lassen,

    Interessant; also daß das Pantheistische noch viel schlimmer ist. Und sehr richtig.

    [Leider fehlte irgendwie so eine Klausel wie:

    „Ferner gelobe ich, wenn ich, was Gott verhüten möge, von dieser, der wahren, Lehre in irgendeiner Form meinem Versprechen zuwiderhandelnd abfallen würde, daß ich dann unverzüglich und ohne jede Rücksicht auf meine eigene Person dies in gerichtsverwertbarer Form selbst meinen Oberen zur Anzeige bringen werde.“ Hätte andererseits auch schlecht hineingepaßt, weil dann täte man ja so, als wäre es nicht sicher, das Versprechen zu halten.]

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