Aber Gott kann man doch nicht beweisen?

Wenn es ein Dogma gibt, an dem die moderne Welt unbeirrt festhält, dann dieses: Es darf keinen Beweis dafür geben, dass es Gott gibt. Gläubige mögen Argumente dafür haben, Atheisten Argumente dagegen, aber das ist letztlich alles Ansichtssache und da kann doch keiner wirklich sagen, wie die Realität aussieht. So in etwa. Wer das anzweifelt, ist ein Ketzer par excellence.

Ich möchte zu dieser Frage einmal Msgr. Ronald Knox‘ zu Wort kommen lassen; der Ausschnitt stammt aus seinem Buch „Der Glaube der Katholiken“, das es hier online im englischen Original gibt; die Übersetzung (und die Fußnoten) stammen von Nepomuk. [Update: Hier noch eine philosophische genauere, „wasserdichtere“ Erklärung dieser und ähnlicher Argumente.]

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(Msgr. Ronald Knox, 1888-1957. Gemeinfrei.)

„Die Scholastiker, deren Methode ihren Stempel auf alle folgende katholische Apologetik gedrückt hat, haben fünf Herangehensweisen – die sogenannten Gottesbeweise(51) – unterschieden, durch die wir aus den Bedingungen unserer äußeren Erfahrung die Existenz eines Gottes ableiten.

i) In jeder ‚Bewegung‘ – oder, wie wir eher sagen würden, jeder Veränderung – kann man zwei Elemente unterscheiden, das aktive und das passive: das, was verändert wird und das, was es verändert. Aber in unserer Erfahrung ist der Bewirkende solcher Veränderung nicht selbstbestimmt, sondern seinerseits von einem höheren Bewirkenden bestimmt. Kann dieser Prozeß ad infinitum fortgesetzt werden? Nein, denn eine unendliche Reihe von Bewirkenden, keiner von ihnen selbstbestimmt, würde uns nicht die Finalität geben, die der Gedanke verlangt(52), am Anfang der Reihe, wie lange sie auch sei, muß es einen Bewirkenden geben, der selbstbestimmt ist, der der ultimative Bewirkende in dem ganzen Zyklus von Veränderungen ist, die von ihm ausgeht.

ii) Ähnlich dazu ist in unserer Erfahrung jedes Ereignis von einer Ursache bestimmt, aber diese Ursache ist ihrerseits ein Ereignis, das von einer Ursache bestimmt ist. Eine unendliche Reihe von Ursachen würde keine Erklärung geben, wie das Verursachen jemals angefangen hat. Es muß daher eine unverursachte Ursache geben, welche die ultimative Ursache des ganzen Ereigniskonnexes ist, der von ihr ausgeht.

iii) In unserer Erfahrung finden wir nichts, das aus eigenem Recht existiert; alles hängt für seine Existenz von etwas anderem ab. Dies ist offensichtlich im Falle des organisierten Individuums; denn Pflanzen, Tiere usw. werden geboren, leben und sterben, d. h. ihre Existenz ist (wie die Philosophen sagen)(53) nur kontingent, nicht notwendig – sie hängt von Bedingungen außer ihrer ab. Nun nimmt zwar die ganze Materiesumme in unserer Erfahrung weder ab noch zu, aber wir können auch von ihr nicht denken, daß sie notwendig existiere – sie ist nur da(54). Da es nun überhaupt etwas gibt, muß die Existenz aller kontingenten Formen (wie auch der Materie, die sie formen) von etwas außerhalb ihrer selbst abhängen – etwas, das notwendig, aus eigenem Recht, existiert. Dieses Etwas nennen wir Gott.

iv.) In unsere Erfahrungen gibt es verschiedene Grade natürlicher Vollkommenheit. Aber die Existenz des Guten und Besseren impliziert die Existenz des Besten, denn dieses Bestes ist (gemäß PLATONs Gedankensystem) selbst die Ursache und Erklärung alles Guten. Aber dieses Beste ist nicht in unserer irdischen Erfahrung auffindbar, daher muß es außerhalb unserer irdischen Erfahrungen liegen; und es ist dieses Beste, das wir Gott nennen.

v.) Überall in der Natur beobachten wir die Effekte von Ordnung und System. Würde der blinde Zufall alles beherrschen, wäre dieses Vorherrschen der Ordnung unerklärlich, es wäre ein wirklich phantastisches Zusammentreffen. Ordnung kann nur erklärt werden als der Ausdruck eines Geistes, und obschon unser Geist die Ordnung in der Welt wahrnimmt und wertschätzt, ist es nicht unser Geist, der sie dort eingeführt hat. Es muß daher außerhalb unserer Erfahrung einen Geist geben, dessen Ausdruck diese Ordnung ist; und diesen Geist nennen wir Gott.

Man wendet oft ein, daß diese Tatsachenanalyse unnötig in Einzelteile zerlegt ist; sie wiederholt (sagt man) dasselbe Argument unter verschiedenen Formen. Für die Zwecke des einfachen Menschen kann vielleicht zugegeben werden, daß die ersten drei dieser Argumente nicht einfach unterscheidbar sind. Man erkennt Gott in seiner Schöpfung, erst als allmächtig und die Quelle aller Macht (i, ii und iii), dann als allgütig und die Quelle aller Güte (iv) und dann als allweise und die Quelle aller Weisheit (v). Und trotz all der Veränderungen, die seit dem zwölften Jahrhundert über Europa dahingeschwappt sind, hat man sich aus dieser Überzeugung nicht herauspiesacken lassen.

Es ist wahr, die kleinen populärwissenschaftlichen Büchlein, die jemand in der Ecke seines Eisenbahnabteils lesen mag, reden, als ob all dieser Gedankenprozeß antiquiert wäre, als ob etwas in der Zwischenzeit passiert sei, das die Schöpfung selbsterklärend machen würde ohne die Annahme eines Schöpfers. – Ihre arroganten Implikationen treffen einen wie Dornenzweige, die einem Menschen über das Gesicht streifen, ohne ihn von seiner Richtung abzuhalten. Sie sagen ihm, daß die Materie unzerstörbar sei, ohne das, was sie meinen, zu erläutern, nämlich daß der Mensch unfähig ist, sie zu zerstören(55); aber auch so glaubt man nicht, daß die Materie ohne besonderen Grund von aller Ewigkeit her existiert hat oder daß, komischer noch, sie sich selbst in die Existenz gerufen hätte(56). Sie schreiben Kraft und Energie auch im Englischen mit großen Anfangsbuchstaben, als ob wir es irgendwie geschafft hätten, diese Konzepte zu vergöttlichen. Aber während er weiß, daß Bewegung eine Tatsache ist, die man beobachten kann, ist hingegen die Kraft ein Konzept, mit der er nur durch seine Erfahrung als lebendes Geschöpf vertraut ist; sie ist eine Funktion des Lebens, und die Naturkräfte (wie man sie nennt) müssen Funktionen eines Lebens außerhalb der Erfahrung selbst sein. Sie schreiben in einem Tonfall, als ob ‚die Wissenschaft‘ das Problem der Existenz einfacher gemacht hätte, indem sie die bisher unerklärten Ursachen der Dinge erklärt – indem sie zeigt, daß Krankheit wegen der Handlungen von Mikroben und Blitzschlag durch die Elektrizität in der Atmosphäre entsteht. Aber man weiß, daß all das die Frage nur eine Stufe zurückschraubt; man kann immer noch fragen, was die Mikroben verursacht hat und was die Elektrizität verursacht hat. Der Gedanke an eine unendliche Reihe, sei es von Ursachen oder von Bewirkenden, ist einem Menschen von heute nicht attraktiver als dem hl. THOMAS(57).

Natürlich ist es möglich, alle diese Spekulationen zu vermeiden mit einem rindsköpfigen Gemurmel von wegen ‚von diesem Zeug hab‘ ich keine Ahnung‘. Aber dies heißt, das Rätsel aufzugeben, und es nicht aufzugeben, weil man die Antwort nicht finden kann, sondern weil man die Antwort gefunden und sie für ungenießbar befunden hat. Die Linien unserer Erfahrung, auch in der natürlichen Welt außerhalb unser, treffen sich in einem Fernpunkt(58), setzen einen Schöpfer voraus, der notwendige Existenz hat, einen primären Beweger, eine erste Ursache.

Aber das geschaffene Universum deutet auf die Existenz nicht nur einer unerschaffenen Macht, sondern auch eines unerschaffenen Geistes.

Dieses Argument von der Ordnung und dem System, die man in der Schöpfung finden kann, ist nicht synonym mit dem Argument vom sogenannten ‚Intelligent Design'(59); das Argument vom Design ist im engeren Sinn eine Abteilung oder Anwendung der Hauptthese. Das Design impliziert die Anpassung der Mittel an die Zwecke; und man pflegte zuversichtlich darauf zu drängen, daß es einen Zweck gebe, den der Schöpfer klar im Blick gehabt habe, die Bewahrung der Arten, und einen klaren Beweis seines zweckhaften Wirkens, nämlich die austarierte Proportion zwischen den Instinkten und den Ausstattungen der verschiedenartigen Tierarten und der jeweiligen Umwelt, in der sie Leben müßten. Die warmen Pelze der arktischen Tiere, die Unterschiede der Stärke, der Geschwindigkeit und der List, die Räuber und Beute erlaubt, miteinander zu leben, ohne einander auszulöschen – das wären Beispiele zu diesem Punkt; die moderne Forschung hat uns von noch hervorstechenderen Beispielen desselben Prinzips berichtet, wie die Schutzmimikry, die einen Schmetterling oder ein Eiernest ununterscheidbar von ihrem Hintergrund macht. War es nicht ein Geist, der so die Mittel zu den Zwecken proportioniert hatte?

So formuliert war das Argument ein gefährliches. Es nahm keine Notiz von den Tierarten, die nun einmal ausgestorben sind; es setzte auch die Beständigkeit der Tiertypen voraus. Gottes Barmherzigkeit ist zweifelsohne über all seine Werke ausgebreitet, aber wir sind in keiner Lage, teleologische Kritik auf ihre Ausübung anzuwenden und zu entscheiden, auf Grund welchen Prinzips das Warzenschwein überlebt hat, während der Dodo ausgestorben ist. In dieser präzisen Form hat also das Argument von der Ordnung schwer gelitten. – Aber das Argument von der Ordnung, wie es die Scholastiker sich vorgestellt hatten, war und ist noch eine viel weitere und weniger fragwürdige Überlegung. Es ist nicht nur in der Anpassung der Mittel an die Zwecke, sondern auch in der Herrschaft von Gesetz durch das ganze Gebet der Natur, daß wir Evidenz einer kreativen Intelligenz finden.

Mit einem eigenartigen Kniff beschreiben wir ein neugefundenes Prinzip in der Natur als Soundsos Gesetz: BOYLES Gesetz, NEWTONS Gesetz, TYNDALLS Gesetz usf., als ob der Entdecker selbst der Gesetzgeber wäre. Ich mißgönne den Forschungspionieren die Ehre nicht, ich kommentiere nur über eine ungewöhnliche Ausdrucksweise. Sicher: wenn so ein Ding unerwartet gefunden wird, gratulieren wir der Person, die es gefunden hat, aber unsere nächste Frage ist unausweichlich: ‚Und wer hat es dahingestellt?‘ Und wenn es Naturgesetze gibt, die man entdecken kann, ist es nur natürlich, dieselbe Frage zu stellen: ‚Wer hat sie dahingestellt?‘ Wenn es einen Geist braucht, um sie zu entdecken, brauchte es nicht einen Geist, sie zu verfassen? Wenn unsere ganze Erfahrung nicht eine Traumsequenz unverbundener Fakten ist, wenn das Wasser nicht bergauf fließt und sich Gase, wenn man den Druck auf sie verdoppelt, nicht im Volumen verdoppelt, wer war es, der gewollt hat, daß die Sache so sein sollte? Wir gewiß nicht; Boyle nicht; Newton nicht. Der blinde Zufall auch nicht, denn es gibt eine Grenze für so unerwartete Zusammentreffen. Nicht ‚die Natur‘, denn so eine Person gibt es nicht; sie ist nur eine Abstraktion. Welche Hypothese bleibt uns außer die eines ordnenden Geistes? Instinktiv sprechen wir von einem Gesetz, wenn wir ein Naturprinzip finden; und haben wir kein Recht, von einem Gesetz auf einen Gesetzgeber schließend zu argumentieren?

Ich weiß, daß dies für überlegene Menschen sehr naiv klingen wird. Aber es ist einfach, dem Geist seines Gegners Einfachheit zu unterstellen, wenn das, was tatsächlich einfach ist, die Fakten sind. Es gibt Gedanken, die so offensichtlich sind, daß wir geneigt sind, über sie nicht nachzudenken, so gewohnt, daß wir Gefahr laufen, sie zu vergessen.

Bis hier haben wir uns mit den Evidenzen für Gottes Existenz befaßt, die sich auf die äußere Natur beziehen, nicht auf das innere Leben des Menschen. Das Argument von der Perfektion, an das die Scholastiker appellierten, ist nicht das moderne Argument von moralischer Perfektion. Der einfache Mann wird vermutlich die Beziehungen zwischen Gott und Mensch in der moralischen Sphäre mit größerer Direktheit, größerer Konkretheit empfinden. Er wird uns sagen, daß die Stimme des Gewissens nicht seine eigene Stimme sei; wessen kann sie also sein, wenn sie nicht göttlich ist? Oder er würde uns à la KANT sagen, daß der Sinn für moralische Pflicht der Sinn einer Pflicht ist, die uns von einer souveränen Macht außerhalb unser selbst auferlegt worden ist – wessen souveräner Macht, wenn nicht Gottes? Jedem sein eigener Appell; es ist wenig Not, an dieser Seite des Arguments zu verweilen, denn vermutlich jeder, der auch nur die kleinsten Hinneigungen zum Theismus hat, fühlt seine Kraft in der einen Form oder der anderen. Wäre das anders, würde ich um den Platz bitten, daß die scholastische Form von alledem einen besonderen Wert hat, als sowohl dem philosophischen wie dem andächtigen Instinkt am nächsten.

Ich habe keinen Versuch in diesem Kapitel gemacht, mit den Einwänden umzugehen, die sich Geistern präsentieren werden, die beeinflußt sind von den intimeren Zweifeln des Idealismus. Ich war gezwungen, das anzunehmen, was die Scholastiker annahmen und die meisten gewöhnlichen Leute annehmen: Unser Denken ist ein Instrument, mit dem man die objektive Realität adäquat erkennen kann. Noch weniger habe ich versucht, die Erwiderungen des Pragmatikers vorwegzunehmen – der, mir scheint, am ehesten von allen Menschen wünschen sollte, ein Katholik zu sein, und am ehesten von allen Menschen es schwierig finden wird, einer zu werden. Ich habe nur den Kurs, den die katholische Apologetik in dieser fundamentalen Angelegenheit nimmt, im Vertrauen darauf, daß der Untersucher, wenn seine Zweifel so früh in dem Prozeß beginnen, Zugang finden wird zu deutlicheren und umfangreicheren Darlegungen als den meinigen.“

(51) Einschub vom Übersetzer.

(52) Was den Einwand ‚dann bekommen wir diese Finalität eben nicht‘ betrifft, der einem in dieser Lage heute leider eher intuitiv kommt als vielleicht zu Msgr. Knoxens Zeiten, so wäre als Antwort darauf lediglich ein formaler Schritt weiterzugehen. Was passiert denn, wenn man all diese Kette von Bewegern, per Widerspruchsannahme unendlich, als ein Ganzes begriffe? Genau: entweder dieses Ganze verändert sich gar nicht wirklich, oder aber es gibt doch einen Beweger, der gegenüber der Kette des insgesamt unveränderten Ganzen eine Position außerhalb einnimmt und selbst nicht bewegt sein kann (denn sonst gehörte er ja per definitionem zu unserer Kette). Genau das ist der Fall: Faßt man alles, was ist, zusammen, so ist es – gewissermaßen – insofern unveränderlich, als ja auch der unveränderliche Gott dabei ist, und die Welt von ihm aus nichts geschaffen ist. Faßt man aber alles außer Gott zusammen, also das „Universum“, wie man den Begriff für gewöhnlich versteht – die sichtbare Welt, all ihre Beweger, die Beweger der Beweger usw., sofern sie selbst bewegt sind – so muß es einen Beweger des Universums geben, der selbst unbewegt ist. ‚Und diesen Beweger nennen wir Gott‘, mit dem hl. Thomas von Aquin zu sprechen. Wer das leugnen wollte, müßte, um logisch konsistent zu bleiben, annehmen, daß das Universum tatsächlich unbewegt ist (und bezeichnenderweise gehen ja viele der nichttheistischen Philosophien in genau so eine Richtung, der Tendenz nach, schaffen es aber nicht): und das ist offensichtlich falsch; auch wenn diese Offensichtlichkeit nicht so trivial ist, wenn wir erst einmal nur scheinbare Veränderungen, die letztlich gar keine sind, ausgeschlossen haben. Der Purist wird hierzu gern einen wasserfesten Beweis haben wollen, der sich a) auf die reine materielle Welt und b) hierin nur auf das in unmittelbarer Anschauung Nachvollziehbare beschränkt. Ich halte den für möglich, unterlasse ihn aber aus zeitlichen und Platzgründen und auch, weil es hier nicht wirklich das Thema ist. Jedenfalls ist die Veränderlichkeit des gegebenen Universums sicher dann trivial und offensichtlich, wenn wir a) das Auftreten (offenkundig) einzigartiger menschlicher Persönlichkeiten oder b) die Erkenntnisse der modernen Physik hinsichtlich der Materie (Urknall usw.) voraussetzen dürfen.

(53) Einschub eingefügt.

(54) Von den Erkenntnissen der späteren Physik wird dies noch unterstrichen: nunmehr ist unser Erfahrungswissen ein etwas anderes, und auch die ‚Materiesumme‘ verändert sich; Elemente können aus anderen Elementen entstehen, Masse kann sich in Energie verwandeln. Jedes Kernkraftwerk setzt diese Erkenntnis praktisch um.

(55) und sind insoweit sogar von der heutigen Physik überholt; selbst der Mensch kann, in geringem Umfange, Materie (in Energie) verwandeln.

(56) Zu Knox‘ Zeiten glaubte die Physik ersteres (sog. Steady-State-Theorie). Diese wäre nun mit dem Katholizismus zwar zu vereinen, wenn man nur annimmt, daß der Steady State irgendwann durch einen Schöpfungsakt begründet wurde; tatsächlich ist das Argument für den Glauben aber gewiß noch etwas stärker, wenn man physikalisch nachweisen kann, daß die Welt einen zeitlichen Anfgang hat. Und genau das mittlerweile der Fall: die Physik hat seitdem diesen zeitlichen Beginn des Universums (den Urknall) so gut wie nachgewiesen. Die Zeitgenossen kommentierten „Sieg des Vatikans“; einigen, selbst einem großen Wissenschaftler wie EINSTEIN (Vorurteile können anscheinend auf jedem Niveau auftreten) – kam das, wohl auch wegen der maßgeblichen Beteiligung von Msgr. LEMAÎTRE, einfach zu religiös vor.

(57) Thomas von Aquin, auf dem im wesentlichen das vorgenannte Arrangement der Gottesbeweise zurückgeht. Msgr. Knox hat das als Selbstverständlichkeit nicht erwähnt.

(58) Der Autor, der ‚konvergieren zu einem Punkt‘ geschrieben hat, möge mir die Korrektur seiner geometrischen Begrifflichkeiten verzeihen.

(59= Im Original nur ‚Design‘, zur Wiedererkennung mit dem heutigen Begriff übersetzt.

(Hl. Thomas von Aquin (1225-1274), Gemälde von Carlo Crivelli, 1476. Gemeinfrei.)

Am Ende erwähnt Msgr. Knox die Leute, die daran zweifeln, dass das menschliche Denken überhaupt „ein Instrument, mit dem man die objektive Realität adäquat erkennen kann“ ist. Was ist, wenn die Welt im tiefsten irrational ist und die Vernunft selbst etwas, das nicht zur Erkenntnis der Realität beiträgt?

Nun, sagen wir so: Postulieren kann man vieles. Es ist nur leider so, dass, wenn das so ist, es keine Weise gibt, auf die man es erkennen und belegen kann. Wenn man irgendetwas erkennen will, muss man die menschliche Vernunft gebrauchen. Wenn man daran zweifelt, dass dieses Instrument überhaupt funktioniert, kann man nicht dieses Instrument gebrauchen, um seine These zu belegen. „Ich habe mit meinen Gedankengängen bewiesen, dass alle Gedankengänge sinnlos/illusorisch sind.“ Ein Widerspruch in sich.

Am ehesten ließe sich die These noch belegen, wenn man ständig mit dem praktischen Scheitern dieses Instruments konfrontiert wäre. Aber Tatsache ist, dass die Welt sich uns als etwas präsentiert, an das man ordnend und forschend mit dem menschlichen Denken herangehen kann und zu funktionierenden Ergebnissen kommt. Man kann sich nun entweder entscheiden, das Denken anlasslos komplett aufzugeben, oder sich auf es zu verlassen. Ich würde sagen, ein sinnvolleres Leben führt man, wenn man sich auf es verlässt.

Und wenn man das tut, dann gilt: Ja, man kann beweisen, dass es einen Gott gibt.

Bis hierher gehen manche Menschen auch noch mit. Aber dann kommt der Einwand: Ja, schön – aber was ist das denn für ein Gott? Dazu demnächst.

Skrupulosität: Besser Vorsicht als Nachsicht?

Ich habe hier schon öfter über Skrupulosität, also eine zwanghafte, übertriebene Angst, zu sündigen, die ich gut kenne und mittlerweile zumindest, na ja, so einigermaßen halbwegs überwunden habe, geschrieben. Eine Falle, in die man als Skrupulant tappen kann, wenn man eigentlich schon eingesehen hat, dass man es übertreibt und dass das nicht mehr gesund ist, ist folgender Gedanke:

„Ja, gut, höchstwahrscheinlich war das und das keine schwere Sünde, höchstwahrscheinlich war meine letzte Beichte schon gültig, höchstwahrscheinlich muss ich mir wegen dieser und jener Situation keine Gedanken machen. Ja, gut, ich bin ständig in Panik und das beeinträchtigt mein Leben. Aber wenn ich dafür nicht in die Hölle komme, nehme ich die Panik und die zusätzlichen Absicherungen und Vorsichtsmaßnahmen lieber in Kauf. Lieber auf Nummer sicher gehen. Wenn ich mich jetzt beruhige, schön, dann habe ich es vielleicht kurzfristig leichter, aber wenn dann der unwahrscheinliche Fall, den ich gefürchtet habe, doch eintritt und ich dann mal in der Hölle bin, hilft mir das auch nicht mehr.“

Der Gedanke scheint was für sich zu haben, oder? Aber hier übersieht man die negativen geistlichen Folgen, die die Skrupulosität selbst haben kann. Der Theologe Adolphe Tanquerey (1854-1932) schreibt in seinem Werk „Grundriss der aszetischen und mystischen Theologie“ über Skrupel, die er zwar nicht bei den Sünden, aber bei den Versuchungen, die zu Sünden führen können, einreiht, Folgendes:

„Lässt man sich unglücklicherweise von den Skrupeln beherrschen, so bringen sie an Leib und Seele die schlimmsten Wirkungen hervor:

a. Allmählich führen sie Schwächung und gewissermaßen Zerrüttung des Nervensystems herbei. Beständige Furcht und Angst wirken niederdrückend auf die Gesundheit des Leibes. Sie können zu einer wahren Besessenheit werden und in eine fixe Idee ausarten, die an Irrsinn grenzt.

b. Sie verblenden den Geist und fälschen das Urteil . Nach und nach verliert man die Fähigkeit zu unterscheiden, was Sünde ist und was nicht, was schwer und was lässlich ist. Die Seele wird ein Schiff ohne Steuer.

c. Oft ist Mangel an Andacht des Herzens deren Folge. Da man nämlich immer in Aufregung lebt und in Verwirrung, wird man schrecklich egoistisch, misstraut aller Welt, selbst Gott, den man zu streng findet. Man klagt darüber, dass er uns in diesem unglücklichen Zustande lässt und ist ungerecht in der Klage gegen ihn. Dabei kann von wahrer Andacht natürlich keine Rede sein.

d. Endlich kommen Schwächen und Niederlagen. Der Skrupulant verbraucht in nutzlosen Anstrengungen bei Kleinlichkeiten seine Kräfte und hat dann deren nicht mehr genug zum Kampfe an den wichtigsten Punkten. Die Aufmerksamkeit nämlich kann sich nicht über die ganze Linie erstrecken. Daher Überrumpelung, Niederlagen und manchmal schwere Vergehen. Übrigens sucht man instinktiv Erleichterung der Qualen und da man sie in der Frömmigkeit nicht findet, sucht man sie anderswo, in Büchern, gefährlichen Bekanntschaften. Diese sind zuweilen Ursache bedauernswerter Fehltritte, und man verfällt der Entmutigung.“

(Den Abschnitt über Skrupel gibt es hier auf Deutsch als PDF, das ganze Buch gibt es auf Englisch als Digitalisat bzw. auch als PDF.)

Ich kenne das selbst, diese Verwirrung und Erschöpfung. Trost im Gebet? Weniger. Öfter hat man das Gefühl, unter den anklagenden Augen Gottes zu stehen und sich irgendwie rechtfertigen zu müssen. Wenn man sich ruhig und getröstet und geliebt fühlen könnte, hinterfragt man es oft gleich – vielleicht will man es sich bloß selbst einreden, dass Gott nicht wütend auf einen ist, während Er es tatsächlich noch ist. Also betet man am Ende weniger, weil es mehr anstrengend als schön ist. Nicht das gewünschte Resultat.

Die Art von Erleichterung, die man dann sucht, kann schlimmstenfalls nicht nur in den gängigen Sünden enden, sondern auch in der Häresie, z. B. in der Mischung aus Verzweiflung und Vermessenheit, die einige protestantische Kirchen vertreten: Man kann gar nicht gut sein, Jesus erklärt einen für gerechtfertigt, sobald man sich ihm anvertraut, und wenn man einmal gerettet ist, kann man nie wieder verlorengehen.

Kurz gesagt: Skrupulosität kann einen auf einen Weg bringen, der auch in der Hölle enden kann. Hundertprozentige Sicherheit gibt es auf keinem Weg, egal, wie gern man sie hätte, man kann immer höchstens eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit haben.

Skrupulosität ist ja nicht Heiligkeit. Die meisten Skrupulanten haben wohl keine überdurchschnittlich schlimmen Sünden im Vergleich zu nichtskrupulösen Christen, sind aber auch nicht die allerbesten und vorbildlichsten Menschen. Heiligkeit bedeutet auch Vertrauen in Gott, Zuversicht – besser ausgedrückt, Glaube und Hoffnung. Es wird einem leichter fallen, in den Himmel zu kommen, wenn man die Skrupel bekämpft.

ABER WAS, WENN DOCH…

Ja. Dieses ABER WAS, WENN DOCH ist furchtbar. Egal, was einem die Vernunft oder ein Priester bei der Beichte oder ein Handbuch der Moraltheologie sagen: Gleich drängt sich wieder der Gedanke dazwischen: MEINETWEGEN, DAS MAG ALLGEMEIN SO SEIN, ABER WAS, WENN ES DOCH IN DIESEM EINEN SPEZIELLEN FALL BEI MIR ANDERS IST???

Das ist die typische ängstliche Skrupulanten-Sturheit. Die muss man überwinden. Sie ist nicht gut. Und ja, da kann man sich jetzt denken „Das schreibt sich so leicht“. Hey, ich krieg’s ja auch nicht immer besonders gut hin. Aber Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung.

Aber was, wenn doch? Was, wenn man sich doch einmal geirrt hat?

Ganz einfach: Dann ist Gott gerecht. Gott ist gerecht. Und Gott will, dass wir uns auf unsere Vernunft und auf die Autorität der Kirche verlassen, nicht auf irrationale Ängste, und wenn wir dann doch mal fehlgehen, während wir versucht haben, diesem Prinzip zu folgen, wird Er wissen, dass das keine Absicht war. Gott ist gerecht. Und nicht nur gerecht, sondern auch gnädig und geduldig.

Jesus nennt den Heiligen Geist im Johannesevangelium den „Paraklet“. Das wird oft mit „Beistand“ übersetzt und heißt wörtlich auch so etwas wie „Anwalt, Gerichtsbeistand“. Der Heilige Geist selber ist unser Beistand im Gericht (während der „Ankläger“ der Satan ist – vgl. Offb 12,10). Der Anwalt sieht sämtliche mildernden Umstände und Intentionen, und der gerechte Richter, der Herr Jesus, zieht sie in Betracht.

„Was sollen wir nun dazu sagen? Ist Gott für uns, wer ist dann gegen uns?Er hat seinen eigenen Sohn nicht verschont, sondern ihn für uns alle hingegeben – wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken? Wer kann die Auserwählten Gottes anklagen? Gott ist es, der gerecht macht.Wer kann sie verurteilen? Christus Jesus, der gestorben ist, mehr noch: Der auferweckt worden ist, er sitzt zur Rechten Gottes und tritt für uns ein.Was kann uns scheiden von der Liebe Christi? Bedrängnis oder Not oder Verfolgung, Hunger oder Kälte, Gefahr oder Schwert? Wie geschrieben steht: Um deinetwillen sind wir den ganzen Tag dem Tod ausgesetzt; wir werden behandelt wie Schafe, die man zum Schlachten bestimmt hat.Doch in alldem tragen wir einen glänzenden Sieg davon durch den, der uns geliebt hat.Denn ich bin gewiss: Weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges noch Gewalten,weder Höhe oder Tiefe noch irgendeine andere Kreatur können uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn.“ (Röm 8,31-39)

Abschließende Gedanken: Zwei Dinge, die mir helfen, und die ich viel öfter tun sollte, sind das Lesen in der Bibel und das Beten des Stundengebets (das Stundenbuch gibt es als App im Playstore). Das nimmt einen aus den eigenen kreisenden Gedanken heraus und man hört Gottes Wort; oft ein sehr tröstendes Wort.