Skrupel vs. Gewissen

Eine Falle für Skrupulanten, die ihre Skrupulosität überwinden wollen, kann der Gedanke sein: Gut, das und das scheint nach der Lehre der Kirche prinzipiell keine Sünde zu sein. Aber irgendwie kommen mir doch Bedenken, dass es in meinem Fall wegen dieser und jener Umstände falsch sein könnte. Und sollte man nicht nach katholischer Lehre auch auf sein Gewissen hören – auch dann, wenn es etwas verbietet, das nicht so eindeutig allgemein verboten ist?

Immerhin sagt auch der Apostel Paulus in Römer 14, dass man nicht gegen das Gewissen handeln soll – auch wenn das Essen von Götzenopferfleisch, worum es in diesem Fall geht, tatsächlich nicht schlimm ist. „Wer aber Zweifel hat, wenn er etwas isst, der ist gerichtet, weil er nicht aus der Überzeugung des Glaubens handelt. Alles, was nicht aus Glauben geschieht, ist Sünde.“ (Römer 14,23)

Nun: Paulus sagt tatsächlich, dass man nicht gegen das Gewissen handeln darf. Aber dann sagt er eben nicht, dass es nicht noch besser wäre, wenn diejenigen, die eine falsche Vorstellung vom Richtigen und Falschen, ein falsch geformtes Gewissen, haben, das einfach korrigieren. Das Gewissen muss man formen; das sagt die Kirche auch. Man sollte schon lernen, was richtig und was falsch und was moralisch neutral ist, um sich kein unnötiges schlechtes Gewissen zu machen (oder umgekehrt zu arg lax zu werden). Und wenn jemand dann gelernt hat, dass es (z. B.) keine Sünde ist, Götzenopferfleisch zu essen, dann spricht sein Gewissen auch nicht mehr dagegen. Bei Skrupulanten ist es zudem oft so, dass man eigentlich irgendwo schon weiß, dass das und das nicht Sünde ist, dann aber doch die krankhaften Zweifel kommen.

Und Skrupel sind eben nicht die Stimme des Gewissens. Das Gewissen sieht man in der Vernunft, in dem vernunftgeleiteten Urteil am Werk, dass diese und jene harmlose Handlung nicht Sünde ist. Der Zwangsgedanke, der dann sofort hineingrätscht und fragt „Aber wenn doch?“ ist nicht die Stimme des Gewissens, sondern eine Krankheit. Deshalb hilft es auch, sich auf das Gewissen eines Beichtvaters zu verlassen, das hoffentlich gesund ist und nicht von Zwangsgedanken bedrängt und verwirrt wird.

„Alles, was nicht aus Glauben geschieht, ist Sünde“ – ja, aber die Bekämpfung der Skrupel und der Gehorsam gegenüber dem Beichtvater, wenn man einen hat, geschehen „aus Glauben“.

3 Gedanken zu “Skrupel vs. Gewissen

  1. Die Gewissensunsicherheit des Skrupulanten beruht meiner Ansicht nach auf einer generellen inneren Unsicherheit (selten aber umfassend), welche naturgemäß bei den abstrakteren moralischen Fragen in besonderer Weise angefochten wird. Er sucht daher Sicherheit in der strikten Beachtung der Moral, die ihn weiter verunsichert, weil er die Verantwortung für eine persönliche Gesamtschau, Einschätzung und Entscheidung nicht gerne übernimmt. Das sich Verlassen auf einen Beichtvater halte ich für wichtig, sie sollte eine Stärkung Mutes zu der Übernahme persönlicher Verantwortung beinhalten. Der Skrupulant sollte sich überdies die Frage stellen, ob er nicht in seiner ängstlichen Reserviertheit ein vielleicht bequemes inneres Konstrukt mit vermeintlich als frei und autonom empfundenen Eigenräumen (Eigenwille) aufrechterhalten möchte. Auch insofern scheint der Gehorsam gegenüber einem erfahrenen und lehramtstreuen Beichtvater tatsächlich eine gute innere Übung zu sein.

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  2. „Abstrakt“ in dem subjektiven Sinne einer „Unfähigkeit, in der Anwendung der sittlichen Norm auf seinen persönlichen Fall eine Gewissheit zu erreichen.“ (zit. n. G. Jud (1935), S. 128)

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