Phrasenoverload

Wenn Stimmungen kippen, Glaubwürdigkeit wiedergewonnen werden will, Kräfte mobilisiert werden und sich ein breites Bündnis formiert, Themen ein Dauerbrenner sind und pauschalisiert wird, Werte hochgehalten und Brücken gebaut werden, Menschen Gesicht zeigen für eine offene Gesellschaft, Vereinbarungen brüchig sind, Abgründe sich auftun, krude Ideen auf den Müllhaufen der Geschichte gehören, man im eigenen Lager unter Druck gerät, während ein erbitterter Streit tobt und der Gegenwind stärker wird…

 

… dann weißt du, dass im Fernseher ein Öffentlich-Rechtlicher läuft und du das Wohnzimmer verlassen solltest, wenn du nicht willst, dass dein Gehirn vor lauter Phrasen komplett abschaltet.

Christliche Kultur am Sonntag: „Die Letzte am Schafott“

Bei christlichen Sachbüchern findet man bekanntlich relativ leicht gute Sachen; bei Romanen, Filmen oder Kinderbüchern sieht es allerdings manchmal schwieriger aus, auch wenn einige vermutlich gern mehr davon besäßen. Dabei gibt es eigentlich auch hier viel Gutes, wenn man näher hinschaut, und weil nicht allen alles bekannt ist, dachte ich, ich stelle meinen Lesern hier mal jede Woche kurz ein Werk vor – hauptsächlich katholische Sachen, aber wenn es von guter Qualität ist, auch mal was aus anderen Konfessionen; nicht nur Hochkultur, sondern auch eher Populärkultur (aber halbwegs gut gemacht soll es sein); und sowohl solches mit explizit religiösen Inhalten (im Einzelfall auch mal, wenn es von persönlich nicht sehr frommen Menschen kommt), als auch Werke von überzeugten Christen ohne explizite Botschaft. Viele werden bestimmte Klassiker schon kennen, aber andere vielleicht noch nicht.

Und weil ich ja auch nicht alles kennen kann: Wer ein katholisches Lieblingsbuch, einen Film o. Ä. hat, von dem er schon immer mal mehr Leuten erzählen wollte, darf mir gern über die „Contact“-Seite schreiben und vielleicht ergibt sich ein Gastbeitrag.

 

Heute: Gertrud von Le Fort: „Die Letzte am Schafott“

Diese kurze Novelle, 1931 erschienen, beruht auf der Geschichte der sel. Karmelitinnen von Compiègne, die 1794 auf dem Höhepunkt der Französischen Revolution hingerichtet wurden, weil sie ihr Ordensleben nicht aufgeben wollten; die Hauptfigur, Blanche de la Force, ist allerdings fiktiv. Die Novelle hat die Form eines Briefes eines französischen Adligen, der einer befreundeten Emigrantin, die ins Ausland geflohen ist, von den Karmelitinnen und speziell von Blanche schreibt.

Blanche ist nicht die Art Person, die man als Heldin eines Buches erwarten würde; sie leidet an extremen Ängsten, auch noch, nachdem sie gegen Anfang der Französischen Revolution als Novizin in den Karmel eintritt. Die zweite Hauptfigur, die bewundernswerte Novizenmeisterin Schwester Marie de l’Incarnation, die sich, als die Revolution fortschreitet und den Orden das Leben allmählich schwerer gemacht wird, sehr danach sehnt, das Martyrium erleben und Gott ihr Leben als stellvertretendes Opfer anbieten zu können, bietet einen deutlichen Gegensatz zu ihr. Ich kann nicht viel mehr schreiben, ohne zu spoilern; also lest es selbst. (Hier gäbe es noch ein paar mehr Infos über die Novelle und die Autorin, allerdings inklusive Spoiler.)

Die Sprache ist wunderbar, die Figuren werden durch wenige Sätze lebendig, die historische Einbettung ist sehr gelungen, nicht nur, was die äußeren Umstände, sondern auch die Art der Figuren, zu denken und zu sprechen, angeht; und der Inhalt geht wirklich unter die Haut.

(Die Märtyrinnen von Compiègne, Illustration von 1906. Gemeinfrei.)

Mehrere Arten von Freiheit

Das Schwierige daran, wenn in theologischen oder politischen Diskussionen über das Thema „Freiheit“ geredet wird, ist, dass dieses Wort ziemlich unterschiedliche Dinge meinen kann. Bevor man darüber redet, dass Freiheit wichtig oder toll oder ganz furchtbar ist, muss man also darüber reden, was für eine Freiheit man eigentlich meint.

Es gäbe da zunächst schon mehrere Arten echter Freiheit:

1) Die Willensfreiheit.

Menschen sind fähig, selbst zu entscheiden, was sie tun, und ob sie Gutes oder Böses tun; sie sind keine Automaten. Diese Freiheit ist fundamental notwendig; wenn man ein bloßer Automat wäre, könnte man Gott und den Nächsten nicht lieben, weil Liebe eine freie Willensentscheidung ist. Aber gleichzeitig haben Menschen nichts davon, wenn sie diese Freiheit bis zuletzt dazu gebrauchen, nicht zu lieben und Böses zu tun; damit igeln sie sich in eine fundamental einsame Leere ein und kommen in die Hölle, die ja nur ebendies verlängert in die Ewigkeit ist. Auch müssen andere nicht alles tolerieren, was Menschen mit ihrer Willensfreiheit anstellen; wenn einer seinen freien Willen dazu gebraucht, seinen Nachbarn zu ermorden, darf der Staat ihn sehr wohl sein restliches Leben lang ins Gefängnis stecken.

2) Die Freiheit zum Guten, die Freiheit von der Sünde.

Sünde hat oft etwas von Sucht an sich: Sie verspricht mehr, als sie halten wird, verlangt immer mehr, um noch denselben Reiz zu bieten wie vorher, und lässt einen, wenn man sich an sie gewöhnt hat, nicht so einfach los, obwohl sie einen letztlich immer unglücklich mit sich selbst und unerfüllt zurücklässt, und sagt einem auch oft, man brauche jetzt nur noch das eine Mal das und das, während man in Wirklichkeit im tiefsten Inneren weiß, dass es danach nicht genug sein wird. Ob es um Rachsucht, Neid, Feigheit, Geldgier, ungeordnete Gier nach Macht, nach Triumphen, nach der Möglichkeit, sich zu sagen, man sei besser als andere, um ungeordnete Befriedigung körperlicher Triebe (Alkoholsucht, gewohnheitsmäßiger Pornographiekonsum oder andere Unkeuschheitssünden…) oder sonst etwas geht: Sünde macht unfrei. Manchmal spürt man es drastischer, manchmal weniger drastisch, manchmal sind es auch gerade die, die schon am tiefsten drin stecken, die am blindesten für die Realität sind: Wie ein Alkoholiker sich auch sagt, er könne jederzeit aufhören und trinke außerdem gar nicht so viel. (Weshalb man das Gewissen bilden muss und die objektiven Gebote Gottes und auch mal die Einschätzung anderer sehr hilfreich sein können.) Manche Abhängigkeiten sind geringer, manche größer, und manches, wovon man abhängig ist, ist schlimmer als anderes; aber Sünde hat oft etwas von einer Sucht – auch wenn man in aller Regel noch mehr vom freien Willen und der Widerstandsfähigkeit behält als bei einer körperlichen Abhängigkeit z. B. von Nikotin, also mit etwas Anstrengung auch wirklich davon wegkommen kann.

Und in noch einer Hinsicht macht sie unfrei: Sie kettet einen an die resultierende Schuld. Wenn man Schuld auf sich geladen hat – vor allem eine, die nicht einfach so wiedergutzumachen ist, wenn man jemand anderem bleibenden Schaden zugefügt hat – ist das wie eine Art Gefängnis.

Sünde macht also unfrei. Sie macht einen unfähig, das Gute zu wählen, mutig zu sein, gerecht zu sein, wirklich froh und mit sich im Reinen zu sein, zufrieden zu sein mit dem, was man hat, an andere zu denken… Und davon befreit eben Christus: Er nimmt die Schuld auf sich, ermöglicht Versöhnung, und gibt die Gnade, die Sünde zu überwinden, das zu tun, was man eigentlich will, weil man es als gut erkannt hat.

Der Apostel Paulus schreibt in diesem Sinne: „Wir wissen doch: Unser alter Mensch wurde mitgekreuzigt, damit der von der Sünde beherrschte Leib vernichtet werde, sodass wir nicht mehr Sklaven der Sünde sind. Denn wer gestorben ist, der ist frei geworden von der Sünde. Sind wir nun mit Christus gestorben, so glauben wir, dass wir auch mit ihm leben werden. Wir wissen, dass Christus, von den Toten auferweckt, nicht mehr stirbt; der Tod hat keine Macht mehr über ihn. Denn durch sein Sterben ist er ein für alle Mal gestorben für die Sünde, sein Leben aber lebt er für Gott. So begreift auch ihr euch als Menschen, die für die Sünde tot sind, aber für Gott leben in Christus Jesus. Daher soll die Sünde nicht mehr in eurem sterblichen Leib herrschen, sodass ihr seinen Begierden gehorcht. Stellt eure Glieder nicht der Sünde zur Verfügung als Waffen der Ungerechtigkeit, sondern stellt euch Gott zur Verfügung als Menschen, die aus Toten zu Lebenden geworden sind, und stellt eure Glieder als Waffen der Gerechtigkeit in den Dienst Gottes! […] Ihr wurdet aus der Macht der Sünde befreit und seid zu Sklaven der Gerechtigkeit geworden. Wegen eures schwachen Fleisches rede ich nach Menschenweise: Wie ihr eure Glieder in den Dienst der Unreinheit und der Gesetzlosigkeit gestellt habt, sodass ihr gesetzlos wurdet, so stellt jetzt eure Glieder in den Dienst der Gerechtigkeit, sodass ihr heilig werdet! Denn als ihr Sklaven der Sünde wart, da wart ihr der Gerechtigkeit gegenüber frei. Welche Frucht hattet ihr damals? Es waren Dinge, deren ihr euch jetzt schämt; denn sie bringen den Tod. Jetzt aber, da ihr aus der Macht der Sünde befreit und zu Sklaven Gottes geworden seid, habt ihr eine Frucht, die zu eurer Heiligung führt und das ewige Leben bringt. Denn der Lohn der Sünde ist der Tod, die Gabe Gottes aber ist das ewige Leben in Christus Jesus, unserem Herrn.“ (Röm 6,6-13.18-23)

3) Die Freiheit, innerhalb des Guten (oder zumindest moralisch Neutralen) zu wählen.

Hier geht es um solche Freiheiten wie etwa die, frei zu wählen, welche Lebensform man ergreift, wen man heiratet, wo man lebt, welchen Beruf man ausübt, mit wem man Freundschaften pflegt, wie man seine Kinder erzieht, wie man seine Freizeit verbringt, welche Gebetsformen einem die liebsten sind…

Diese Freiheiten sind zwar nicht absolut; zunächst mal wegen der Freiheit anderer (wenn ein anderer einen nicht mag, kann man den auch nicht heiraten; wenn eine Firma einen nicht einstellen will, kann man da nicht arbeiten), dann wegen unvermeidlicher Umstände (wenn man querschnittsgelähmt ist, kann man nicht bei der Tour de France mitfahren; wenn einem die Begabung fehlt, kann man nicht Naturwissenschaftler werden), wegen menschlicher Gesetze und Regeln, die der allgemeinen Ordnung dienen (wenn hier ein Naturschutzgebiet ist, darf man sich kein Haus hinbauen; wenn man kein Visum für Neuseeland bekommt, kann man nicht nach Neuseeland ziehen), und natürlich wegen einem zufallender oder freiwillig eingegangener vorrangiger Verpflichtungen (wenn man sich um seine bettlägerigen Eltern kümmern muss, kann man nicht einfach verschwinden; wenn man schon verheiratet ist, kann man nichts mit jemand anderem anfangen).

Trotzdem ist auch diese Art der Freiheit sehr wichtig, und manche ihrer Einschränkungen sind moralisch falsch; z. B. ist es falsch, Menschen zu versklaven; es war auch falsch, wenn im frühen 20. Jahrhundert manche Staaten Menschen aus „eugenischen“ Gründen daran hindern wollten, zu heiraten / sich fortzupflanzen und sie deshalb zwangssterilisierten; Chinas Gesetze dazu, wie viele Kinder jemand haben darf, sind falsch; Gesetze während der Apartheid in Südafrika, die Ehen zwischen Weißen und Schwarzen verboten, waren falsch. Manche Einschränkungen dieser dritten Art von Freiheit, sind immer falsch, manche sind nicht an sich falsch, aber unter gewöhnlichen Umständen unnütz und schädlich, andere sind nur unter selteneren Umständen falsch. Generell kann man sagen, dass jede Einschränkung dieser Freiheit zumindest einen angemessenen Grund haben sollte; willkürliche oder übermäßige sind falsch.

Die Menschen  haben eine natürliche Würde von Gott als Sein Ebenbild, als vernunftbegabte Wesen, und daraus folgen auch gewisse Freiheitsrechte.

Man kann Menschen auch nicht einfach immer zu etwas für sie Nützlichem zwingen; ein Beispiel wäre, dass man einen psychisch kranken Menschen nicht zwangsweise in eine psychiatrische Klinik einweisen darf, auch wenn ihm das helfen würde, solange er keine Gefahr für sich oder andere ist. Hier ist die Achtung vor dem einzelnen und die Begrenzung der Macht von Autoritäten nötig, weil die persönliche Freiheit ein hohes Gut ist.

Auch Gott lässt einem innerhalb des Guten/Neutralen übrigens Freiheit, sogar die Freiheit, zwischen dem weniger Guten und dem Besseren zu wählen – solange es nur nicht an tatsächlich Böses geht, das der natürlichen Ordnung der Dinge und damit der Vernunft und der Liebe widerspricht.

Unter Christen wird, wenn man einem falschen Freiheitsverständnis widersprechen will, meistens über 2) und öfter auch über 1) geredet, aber auch 3) sollte man nicht ganz vergessen; auch diese Freiheit ist etwas Gutes.

4) Die Freiheit von äußerem Zwang dazu, das Gute zu tun.

Unter 1) wurde schon erwähnt, dass es ganz und gar nicht moralisch gefordert ist, jeden mit seiner Willensfreiheit beliebig Böses tun zu lassen – besonders, wenn er damit einem anderen oder dem Gemeinwohl gravierend schadet. Aber manchmal ist es – teilweise aus prinzipiellen, teilweise aus pragmatischen Gründen –  tatsächlich besser, wenn ein  schlechtes Verhalten nicht von einer Autorität geahndet wird. Ein Beispiel wäre, wenn es um ganz geringfügige Sachen geht, bei denen ein Eingreifen unverhältnismäßig ist, ein anderes, wenn viele in ihrem irrenden Gewissen meinen, etwas Falsches wäre in Ordnung und man sie im guten Glauben lassen will, weil man praktisch sowieso keine Chance hätte, dagegen anzukommen. Ein weiteres wäre das Thema Zwangstaufen, die die Kirche ja immer für unerlaubt und ungültig gehalten hat: beim Eintritt in den Gottesbund ist kein Zwang erlaubt (weil er im übrigen auch gar nicht möglich wäre; von einer Zwangstaufe hätte der „Getaufte“ nichts) – auch wenn jeder die moralische Pflicht hat, katholisch zu werden.*

Diese Freiheit muss in einigen Fällen gewährt werden; aber wer sie gewährt bekommt, braucht sich nichts darauf einzubilden, und ist moralisch nicht im Recht. Das geduldete Schlechte kann auch nicht auf eine Stufe mit dem Guten oder Neutralen gestellt werden.

 

Von alldem zu unterscheiden sind falsche Vorstellungen von Freiheit, beispielsweise:

  • Die relativistische Vorstellung, Freiheit bedeute, selbst festzusetzen, was „für mich“ das Gute ist. Diese Vorstellung bewirkt tatsächlich nur Unglück und Verlorenheit. Wenn es kein objektives Gutes gibt, das man entdecken kann, was bedeutet dann das subjektive Gute, das man sich selbst herausgepickt hat, schon? Ist es doch nur Resultat einer Laune, nicht wirklich kommunizierbar und teilbar mit anderen. (Zumal der Relativismus von vornherein gegen jede Logik ist: Wenn nichts allgemein für alle wahr ist, dann ist die Aussage „nichts ist allgemein für alle wahr“ auch nicht wahr und kann getrost ignoriert werden.)
  • Die libertäre / anarchistische / antiautoritäre Vorstellung, man müsse einfach nur völlige oder zumindest sehr große Freiheit von äußeren Zwängen gewähren, dann würde sich alles schon einpendeln oder dann würden die Menschen schon selbst das Gute wählen. (Erstens braucht es Ordnung und Gerechtigkeit, um die Schwachen zu schützen; zweitens ist das Gesetz auch ein Lehrer: vielen wird dadurch, dass etwas verboten ist, erst viel leichter bewusst, dass es auch falsch ist, und umgekehrt meinen viele, wenn etwas erlaubt sei, müsse es auch richtig sein.)

Soweit ein paar Gedanken zur Unterscheidung der Begriffe.

 

* Die Taufe kleiner Kinder, die noch nicht zum Vernunftgebrauch und freien Willensentscheidungen fähig sind, verstößt selbstverständlich nicht gegen ihre Freiheit, genausowenig, wie es gegen ihre Freiheit verstößt, sie in einer bestimmten Familie mit einer bestimmten Kultur und Sprache aufzuziehen. Niemand würde sagen „Ich enthalte meinem Kind die familiäre Liebe vor, damit es sich später selbst für sie entscheidet“. Aber einen Erwachsenen kann man nicht mehr zu einer familiären Bindung zwingen.

Moraltheologie und Kasuistik, Teil 7a: Sakramente und Kirchengebote – Grundsätzliches & alles rund um die Beichte

Die praktische moraltheologische Bildung der Katholiken muss dringend aufgebessert werden – ich hoffe, da werden meine Leser mir zustimmen. Und ich meine hier schon auch ernsthafte Katholiken. In gewissen frommen Kreisen wird man heutzutage ja, wenn man Fragen hat wie „Muss ich heute Abend noch mal zur Sonntagsmesse gehen, wenn ich aus Nachlässigkeit heute Morgen deutlich zu spät zur Messe gekommen bin?“ oder „Darf ich als Putzfrau oder Verwaltungskraft in einem Krankenhaus arbeiten, das Abtreibungen durchführt?“ oder „Wie genau muss ich eigentlich bei der Beichte sein?“ mit einem „sei kein gesetzlicher Erbsenzähler!“ abgebügelt. Und das ist nicht hilfreich. Gar nicht. Weil das ernsthafte Gewissensfragen sind, mit denen manche Leute sich wirklich herumquälen können. Und andere Leute fallen ohne klare Antworten in einen falschen Laxismus, weil sie keine Lust haben, sich ewig mit diesen Unklarheiten herumzuquälen und meinen, Gott werde es eh nicht so genau nehmen, und wieder andere in einen falschen Tutiorismus, wobei sie meinen, die strengste Möglichkeit wäre immer die einzig erlaubte.

 Auf diese Fragen kann man sehr wohl die allgemeinen moraltheologischen Prinzipien – die alle auf das Gebot der Gottes- und Nächstenliebe zurückgehen – anwenden und damit zu einer konkreten Antwort kommen. Man muss es sich nicht schwerer machen, als es ist. Und nochmal für alle Idealisten: „Das und das ist nicht verpflichtend“ heißt nicht, dass man das und das nicht tun darf oder es nicht mehr empfehlenswert oder löblich sein kann, es zu tun. Es heißt nur, dass die Kirche (z. B. in Gestalt des Beichtvaters) nicht von allen Katholiken verlangen kann, es zu tun.

 Zu alldem verweise ich einfach mal noch auf einen meiner älteren Artikel. Weiter werde ich mich gegen den Vorwurf der Gesetzlichkeit hier nicht verteidigen.

 Jedenfalls, ich musste öfters lange herumsuchen, bis ich zu meinen Einzelfragen Antworten gefunden habe, und deshalb dachte mir, es wäre schön, wenn heute mal wieder etwas mehr praktische Moraltheologie und Kasuistik betrieben/kommuniziert werden würde; aber manches, was man gerne hätte, muss man eben selber machen, also will ich in dieser Reihe solche Einzelfragen angehen, so gut ich kann, was hoffentlich für andere hilfreich ist. Wenn ich bei meinen Schlussfolgerungen Dinge übersehe, möge man mich bitte in den Kommentaren darauf hinweisen. Nachfragen sind auch herzlich willkommen. Bei den Bewertungen, was verpflichtend oder nicht verpflichtend, schwere oder lässliche oder überhaupt keine Sünde ist („schwerwiegende Verpflichtung“ heißt: eine Sünde, die wirklich dagegen verstößt, ist schwer), stütze ich mich u. a. auf den hl. Thomas von Aquin, ab und zu den hl. Alfons von Liguori, und auf Theologen wie Heribert Jone (1885-1967); besonders auf letzteren. Eigene Spekulationen werden (wenn ich es nicht vergesse) als solche deutlich gemacht. Alle diese Bewertungen betreffen die objektive Schwere einer Sünde; subjektiv kann es Schuldminderungsgründe geben. Zu wissen, ob eine Sünde schwer oder lässlich ist, ist für die Frage nützlich, ob man sie beichten muss, wenn man sie bereits getan hat; daher gehe ich auch darauf ein; in Zukunft muss man natürlich beides meiden.

Wer nur knappe & begründungslose Aufzählungen von christlichen Pflichten und möglichen Sünden sucht, dem seien diese beiden Beichtspiegel empfohlen. (Bzgl. dem englischen Beichtspiegel: Wenn hier davon die Rede ist, andere zu kritisieren, ist natürlich ungerechte, verletzende Kritik gemeint, nicht jede Art Kritik, und bei Ironie/Sarkasmus ist auch verletzende Ironie/Sarkasmus gemeint.)

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/1/19/St_Alphonsus_Liguori.jpg

 (Der hl. Alfons von Liguori (1696-1787), der bedeutendste kath. Moraltheologe des 18. Jahrhunderts. Gemeinfrei.)

Alle Teile hier.

Im letzten Teil, der das 3.  Gebot betrifft, habe ich schon eins der Kirchengebote erwähnt, nämlich die Sonntagspflicht; in diesem Teil und den beiden nächsten soll es um die übrigen gehen. Die Kirchengebote helfen, dabei, die Gottesliebe, die die ersten drei der 10. Gebote vorschreiben, zu leben. (Nach den Kirchengeboten geht es mit den übrigen sieben Geboten und der Nächstenliebe weiter.)

Ein paar Grundsätze zu Kirchengeboten:

(Hier wiederhole ich noch einmal ein paar Dinge aus dem letzten Teil.)

Es gibt fünf hauptsächliche Kirchengebote, die der Katechismus hier darstellt. Dabei heißt es: „Der verpflichtende Charakter dieser von den Hirten der Kirche erlassenen positiven Gesetze will den Gläubigen das unerläßliche Minimum an Gebetsgeist und an sittlichem Streben, im Wachstum der Liebe zu Gott und zum Nächsten sichern.“ Diese fünf Gebote, die die Kirche entsprechend wichtig nimmt, verpflichten unter schwerer Sünde.

Als Katholik hat man erkannt, dass Jesus, Gottes Sohn, die Kirche eingesetzt und ihr Autorität über und Verantwortung für uns verliehen hat. Die Hirten der Kirche, d. h. die Bischöfe, sind in direkter Linie die Nachfolger der Apostel und können uns als solche Befehle erteilen. Natürlich können sie nicht alles Mögliche befehlen – vor allem dürfen sie nichts Unzumutbares und nichts moralisch Falsches befehlen. Aber grundsätzlich sind wir Laien ihnen Gehorsam und Respekt schuldig. Und, wie der Katechismus sagt: Dass z. B. der Messbesuch, die Beichte oder das Fasten hin und wieder verpflichtend sind, hilft einem, das Minimum an Pflege der Gottesbeziehung nicht zu vernachlässigen. Wenn man zur Messe gehen muss, hat man keine andere Wahl, als es zu überwinden, dass man sich dabei komisch vorkommt oder lieber ausschlafen würde, und kann dann von der Nähe zu Gott dort profitieren.

(Zu dieser Begründung ließe sich noch mehr sagen, aber hier ist nicht die passende Gelegenheit; hier soll es vor allem darum gehen, was diese Gebote praktisch im Einzelnen bedeuten.)

Die Kirchengebote gelten nur für Katholiken, d. h. für jeden, der irgendwann einmal katholisch getauft oder nach der Taufe in die katholische Kirche aufgenommen wurde; i. d. R. gelten sie ab 7 Jahren, da man davon ausgeht, dass Kinder ab  diesem Alter  den Vernunftgebrauch besitzen (außer, wenn das Gegenteil feststeht, z. B. bei einer geistigen Behinderung). S. dazu im CIC:

„Can. 11 — Durch rein kirchliche Gesetze werden diejenigen verpflichtet, die in der katholischen Kirche getauft oder in diese aufgenommen worden sind, hinreichenden Vernunftgebrauch besitzen und, falls nicht ausdrücklich etwas anderes im Recht vorgesehen ist, das siebente Lebensjahr vollendet haben.“

Ein Kirchenaustritt vor dem Staat ändert nichts an dieser Verpflichtung; er ist einfach eine schwere Sünde, da er ein öffentlich erklärter Abfall von der katholischen Kirche und von den Bischöfen verboten ist. (Er wäre auch dann eine objektiv schwere Sünde, wenn man nur austreten würde, um die Kirchensteuer zu sparen, und auch dann, wenn man die Kirchensteuer nicht zahlen will, da man (korrekterweise) meint, die Bischöfe würden sie falsch verwenden, und stattdessen dieselbe Summe an eine katholische Organisation seiner Wahl spenden will – nicht so sehr wegen dem Verweigern des Geldes, sondern weil man eben vor dem Standesbeamten erklärt, kein Katholik mehr sein zu wollen. Dazu mehr in Teil 7c.) Ein Kirchenaustritt macht eine Wiederversöhnung mit der Kirche nötig, aber er macht einen eigentlich nicht zum Nichtkatholiken. Semel catholicus, semper catholicus; einmal katholisch, immer katholisch.

Die Kirchengebote gelten für vom Prinzip her noch nicht für Nichtkatholiken, die sich darauf vorbereiten, katholisch zu werden.

Bei Kirchengeboten werden im Kirchenrecht manchmal Gründe genannt, die von einer Verpflichtung entbinden. Dabei ist zu beachten: Ein „gerechter Grund“ ist relativ einfach zu finden („nur mit gerechtem Grund“ heißt so viel wie „nicht ohne Grund“), ein „schwerwiegender Grund“ gelegentlich und ein „sehr schwerwiegender Grund“ nur selten.

Es gibt, wie gesagt, 5 hauptsächliche Kirchengebote für Laien (Priester haben noch mehr Vorschriften zu befolgen, die Laien gar nicht betreffen). Heute zum zweiten Kirchengebot, das die Beichte betrifft. Der CIC definiert dieses Sakrament folgendermaßen:

„Can. 959 — Im Sakrament der Buße erlangen die Gläubigen, die ihre Sünden bereuen und mit dem Vorsatz zur Besserung dem rechtmäßigen Spender bekennen, durch die von diesem erteilte Absolution von Gott die Verzeihung ihrer Sünden, die sie nach der Taufe begangen haben; zugleich werden sie mit der Kirche versöhnt, die sie durch ihr Sündigen verletzt haben.“

Und:

„Can. 960 — Das persönliche und vollständige Bekenntnis und die Absolution bilden den einzigen ordentlichen Weg, auf dem ein Gläubiger, der sich einer schweren Sünde bewußt ist, mit Gott und der Kirche versöhnt wird; allein physische oder moralische Unmöglichkeit entschuldigt von einem solchen Bekenntnis; in diesem Fall kann die Versöhnung auch auf andere Weisen erlangt werden.“

Erst einmal: Wieso ist die Beichte überhaupt nötig? Reicht es nicht, dass jemand Gott liebt und ihm die Sünde leid tut; heißt es nicht in der Bibel, dass die Liebe Sünden zudeckt? Nun; der hl. Thomas schreibt dazu:

„Fällt jemand in Sünden, so ist die erste Voraussetzung die Reue oder Buße, damit Liebe, Barmherzigkeit, Glaube ihn von der Sünde lösen. Die Liebe nämlich verlangt, daß man das Gegenteil vom geliebten Gegenstande haßt und über die diesem zugefügte Beleidigung Schmerz empfindet. Der Glaube fordert, daß der Sünder danach verlangt, durch die Kraft des Leidens Christi, welche in den Sakramenten wirkt, gerechtfertigt zu werden von seinen Sünden. Die Barmherzigkeit legt auf, daß der Mensch seinem eigenen Sündenelende durch die Reue oder Buße abhelfe; denn ‚elend macht die Menschen die Sünde‘, heißt es Prov. 14.; und: ‚Erbarme dich deiner Seele und gefalle Gott‘ (Ekkli. 30.).“ (Summa Theologiae III,84,5)

Die Liebe zu Gott ist es, die es fordert, seine Sünden zu bekennen und Buße zu tun, und sich dabei, auf welche Weise man das tut, nach Gottes (und Seiner Kirche) Anordnungen zu richten. Jesus hat die Beichte mit klaren Worten eingesetzt: „Am Abend dieses ersten Tages der Woche, als die Jünger aus Furcht vor den Juden bei verschlossenen Türen beisammen waren, kam Jesus, trat in ihre Mitte und sagte zu ihnen: Friede sei mit euch! Nach diesen Worten zeigte er ihnen seine Hände und seine Seite. Da freuten sich die Jünger, als sie den Herrn sahen. Jesus sagte noch einmal zu ihnen: Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch. Nachdem er das gesagt hatte, hauchte er sie an und sagte zu ihnen: Empfangt den Heiligen Geist! Denen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen; denen ihr sie behaltet, sind sie behalten. (Joh 20,19-23) Auch der Apostel Jakobus schreibt dementsprechend: „Darum bekennt einander eure Sünden und betet füreinander, damit ihr geheilt werdet!“ (Jak 5,16) Und der Apostel Johannes: „Wenn wir unsere Sünden bekennen, ist er treu und gerecht; er vergibt uns die Sünden und reinigt uns von allem Unrecht.“ (1 Joh 1,9)

Nun also das Kirchengebot:

Gebeichtet werden müssen schwere Sünden (nach Art und Zahl) wenigstens einmal im Jahr (und bevor man wieder die hl. Kommunion empfängt).

Dazu  heißt es im Katechismus: „Das zweite Gebot (‚Du sollst deine Sünden jährlich wenigstens einmal beichten‘) sichert die Vorbereitung auf die Eucharistie durch den Empfang des Sakramentes der Versöhnung, das die in der Taufe erfolgte Umkehr und Vergebung weiterführt [Vgl. CIC, can. 989; CCEO, can. 719]“

Und im CIC wird das Ganze genauer ausgeführt:

 „Can. 988 — § 1. Der Gläubige ist verpflichtet, alle nach der Taufe begangenen schweren Sünden, deren er sich nach einer sorgfältigen Gewissenserforschung bewußt ist, nach Art und Zahl zu bekennen, sofern sie noch nicht durch die Schlüsselgewalt der Kirche direkt nachgelassen sind und er sich ihrer noch nicht in einem persönlichen Bekenntnis angeklagt hat.

2. Den Gläubigen wird empfohlen, auch ihre läßlichen Sünden zu bekennen.

 Can. 989 — Jeder Gläubige ist nach Erreichen des Unterscheidungsalters verpflichtet, seine schweren Sünden wenigstens einmal im Jahr aufrichtig zu bekennen.“

Jetzt dazu, was dieses Kirchengebot im Einzelnen bedeutet:

In der Taufe werden alle Sünden vergeben, die Beichte ist nur dafür da, wenn jemand nach der Taufe, nachdem er also schon ein Kind Gottes und der Kirche geworden ist, wieder sündigt; vorherige Sünden müssen also nicht gebeichtet werden.

Zur Beichte gehören 1) die Reue (die den guten Vorsatz, nicht mehr zu sündigen, einschließt, sich aber nicht darin erschöpft; ihm geht der Schmerz über die Sünde, die bewusste Verabscheuung der Sünde voraus), 2) das Bekenntnis, das die Reue nach außen trägt, und 3) die Buße/Genugtuung, die eine gewisse Wiedergutmachung (gemäß der eigenen Fähigkeit) ist.

Man muss nur die schweren Sünden beichten; wenn man keine schweren Sünden begangen hat, muss man prinzipiell gar nicht beichten gehen. (Empfehlenswert ist es trotzdem.)

Verpflichtend ist die Beichte der schweren Sünden, die man auf dem Gewissen hat, einmal im Jahr. Ja, wirklich nur einmal im Jahr. Freilich ist es sehr empfehlenswert, schwere Sünden nicht ewig mit sich herumzuschleppen, vor allem, da man solange nicht zur Kommunion gehen kann, aber man ist nicht verpflichtet, sie gleich zu beichten, geschweige denn, in den nächsten zwei Tagen irgendwo einen Priester abzupassen, der einem die Beichte abnehmen kann. (Empfehlenswert ist es, nach einer schweren Sünde zur nächsten, oft wöchentlich stattfindenden Beichtgelegenheit in der Pfarrei zu gehen oder, wenn die Pfarrei so etwas nicht anbieten sollte, bald einen Termin mit einem Priester auszumachen. Auch die regelmäßige Beichte ungefähr einmal im Monat, auch wenn man sich keiner schweren Sünden schuldig gemacht hat, ist sehr zu empfehlen. Aber das ist nicht verpflichtend.)

Freilich sollte man, wenn man denn in den Himmel kommen will, nach einer schweren Sünde vollkommene Reue erwecken – die wird, zusammen mit dem Vorsatz, die Sünde noch zu beichten, solange genügen; wenn man durch einen unglücklichen Zufall vorher stirbt, gilt das auch. (Ach ja: Man hat manchmal das vage Gefühl, sich nach einer schweren Sünde nicht sofort zu Gott zurückwagen, sondern noch ein wenig abwarten zu sollen; das ist eine Falle des Teufels. Gott will einen sofort zurück, also Reue gleich nach der Sünde erwecken.)

Vollkommene Reue (Liebesreue, lat. contritio) meint eine Reue, die aus der Liebe zu Gott und dem Wissen, ihn mit einer schlechten Tat beleidigt zu haben, hervorgeht (nicht eine, die dabei so vollkommen ist, dass es nicht mehr besser geht). Unvollkommene Reue (Furchtreue, lat. attritio) geht aus Furcht vor Gottes strafender Gerechtigkeit hervor, aus dem Wissen, dass Er das Gute belohnt und das Böse straft und man wirklich Böses getan hat. („Wenn es die Hölle nicht gäbe, würde ich natürlich wieder sündigen“ genügt allerdings nicht.) Die Furchtreue ist schon mal ein Anfang, auf jeden Fall keine Sünde und genügt in der Beichte für die Vergebung der Sünden. (Wieso genügt in der Beichte etwas, das sonst nicht genügt? Ich weiß es nicht genau. Vielleicht, weil Gott es uns anrechnen will, wenn wir uns immerhin überwinden müssen, die Sünden laut zu bekennen, oder einfach, weil Er sich nun mal entschieden hat, die Sakramente in der Gemeinschaft der Kirche zu Seinen Gnadenmitteln zu machen?) Liebesreue kann aber auch zusammen mit einer gewissen Restfurcht vor der Hölle existieren, letztere wird einem vielleicht immer bleiben. Liebesreue ist eine Sache des Willens, nicht des Gefühls; man muss keine starken Gefühle haben, um wirklich zu bereuen, man muss es nur ehrlich meinen und sich ehrlich Besserung vornehmen. (Siehe zu diesem Thema auch Teil 2.) Auch in der Beichte nicht genügen würde die sog. eitle Reue / Strohreue, die nur darin besteht, sich wegen einer Sünde vor den Menschen zu schämen, weil sie dem  eigenen Ansehen schadet.

Dabei, einen Akt der Liebesreue zu setzen, kann dieses Gebet aus dem Anhang zum Kompendium des Katechismus der katholischen Kirche behilflich sein: „Mein Gott, aus ganzem Herzen bereue ich alle meine Sünden, nicht nur wegen der gerechten Strafen, die ich dafür verdient habe, sondern vor allem, weil ich dich beleidigt habe, das höchste Gut, das würdig ist, über alles geliebt zu werden. Darum nehme ich mir fest vor, mit Hilfe deiner Gnade nicht mehr zu sündigen und die Gelegenheiten zur Sünde zu meiden. Amen.“

Auch Gebete wie die vor und nach der Gewissenserforschung in diesem hier herunterzuladenden Beichtspiegel aufgeführten können helfen.

Zur vollkommenen Reue gehört, wie gesagt, der Vorsatz, die Sünden zu beichten; aber das muss kein Vorsatz sein, sie sobald wie möglich zu beichten; prinzipiell genügt die nächste kirchenrechtlich vorgeschriebene Beichte.

Üblich ist die Beichte, wenn jemand nur jährlich beichtet, in jeder Fastenzeit vor Ostern (da die Kommunion in der Osterzeit verpflichtend ist, s. den nächsten Artikel); aber wenn jemand z. B. schon vor der Fastenzeit gebeichtet und seitdem keine schweren Sünden mehr begangen hat, genügt auch das.

Man muss alle schweren Sünden nach Art und Zahl bekennen, was als „materielle Vollständigkeit“ der Beichte bezeichnet wird. Der hl. Thomas sagt zu dem Grund dazu:

„Ich antworte, dass der Arzt, der Medizin für den Körper verschreibt, nicht nur die Krankheit kennen sollte, für die er verschreibt, sondern auch den allgemeinen Zustand des Kranken, da eine Krankheit durch eine zusätzliche verschlimmert wird, und eine Medizin, die zu einer Krankheit passen würde, mit Bezug auf eine andere schädlich wäre. Dasselbe kann mit Bezug auf Sünden gesagt werden..“ (Summa Theologiae, Suppl. 9,2, übersetzt aus der englischen Übersetzung)

Eine schwere Sünde ist eine wissentlich und willentlich in einer wichtigen Sache begangene Sünde; nur diese Sünden zu beichten ist, wie gesagt, verpflichtend. Lässliche Sünden muss man nicht beichten, auch wenn es sehr hilfreich sein kann, zumindest die wichtigsten unter ihnen zu erwähnen; zweifelhaft schwere müssen prinzipiell nicht gebeichtet werden (egal, ob jemand zweifelt, ob er etwas getan hat; ob etwas, das er getan hat, eine schwere Sünde war; oder ob er zweifelt, ob er etwas, das er getan hat und das eine schwere Sünde war, schon einmal gebeichtet hat); hier helfen aber vielleicht auch die Regeln zur Abwägung in Zweifelsfällen. Zweifelhaft schwere Sünden zu beichten ist grundsätzlich sehr zu empfehlen. Katholiken, die wissen, dass sie zur Laxheit neigen, sollten sie eher beichten, Skrupulanten sollten das u. U. eher unterlassen oder  sich jedenfalls nicht dazu gedrängt sehen, weil sie bei fast allen Sünden zweifeln und nur ganz eindeutig schwere bekennen müssen, um die Skrupulosität loszuwerden. Man kann den Beichtvater auch fragen, ob eine Sünde schwer war, dann weiß man es für die Zukunft. (Wir kommen ja alle meistens mit immer denselben Sünden wieder in den Beichtstuhl.)

Gedacht ist die Beichte für Sünden, nicht für bloße Unvollkommenheiten. Wenn man also unbewusst etwas Falsches getan hat (z. B. am Freitag das Fasten einfach vergessen hat) oder bloß etwas Besseres, das man hätte tun können, nicht getan hat (z. B. nur 5 € gespendet hat, obwohl man sich gedacht hat, dass man auch 10 € spenden könnte), ist das keine ausreichende Materie für die Beichte, da Unvollkommenheit, nicht Sünde. Man darf solche Unvollkommenheiten nennen, wenn man will, damit der Beichtvater den Seelenzustand besser kennenlernt, aber wenn jemand nur solche Unvollkommenheiten nennen könnte, käme gar keine Beichte zustande.

Schon einmal gebeichtete Sünden dürfen nochmals gebeichtet werden, wenn jemand das will, aber verpflichtend ist das nie. Skrupulanten ist von der Wiederholungsbeichte abzuraten.

Man muss die Sünden nach ihrer Art beichten – und zwar so, wie man sich ihrer zur Zeit des Begehens der Sünden bewusst war – man muss sog. „artverändernde Umstände“ angeben. Das heißt eigentlich nur, dass man klar sagen muss, was für eine Kategorie Sünde es war. Sagen wir, jemand sagt „Ich habe mit einer Person geschlafen, mit der ich nicht verheiratet bin“, verschweigt dabei aber den „artverändernden Umstand“, dass diese andere Person ihrerseits verheiratet ist; dann lässt er den Priester glauben, es habe sich um einfache Unkeuschheit gehandelt, während es in Wirklichkeit um Ehebruch geht. Oder sagen wir, jemand sagt „Ich habe eine Lüge erzählt“, während er in Wahrheit einen Meineid vor Gericht abgelegt hat, der einen Unschuldigen belastet hat. Das geht nicht. Man muss nicht ins Detail gehen – „Ich habe einmal mit meinem Freund geschlafen“ genügt dem Priester; der muss nicht wissen, dass man ja eigentlich geplant hatte, da stark zu bleiben, aber dann war man am letzten Samstagabend bei ihm zu Hause, und unerwarteterweise war man ganz allein, und man hat sich dann überreden lassen, weil usw. – aber man muss sagen, was für eine Sünde es eigentlich war.

Man muss die schweren Sünden nach ihrer Zahl angeben. Das muss nicht  zwangsläufig die genaue Zahl sein – vielleicht weiß man die nicht mehr. Aber eine ungefähre Angabe muss da sein. Es macht eben einen Unterschied, ob man eine Sünde etwa 100-150 Mal im Lauf der letzten drei Jahre, ungefähr fünf oder sechs Mal, oder nur ein einziges Mal begangen hat. (Wenn man länger in einer Art Zustand der Sünde gelebt hat, also wenn man z. B. in den letzten vier Jahren nur an Weihnachten und Ostern in der Kirche war, kann man auch sagen, dass man in den letzten vier Jahren nur an Weihnachten und Ostern in der Kirche war, und muss sich nicht ausrechnen, an wie vielen Sonntagen und gebotenen Feiertagen exakt man die Messe versäumt hat; aber der Umfang der Sünde muss jedenfalls für den Beichtvater klar werden.)

Besonders, wenn es um Art und Zahl der Sünden geht, muss man daher auch dem Priester antworten, wenn er nachfragt (was er vielleicht tut, weil man sich etwas vage angehört hat, oder weil er nicht weiß, ob man Bescheid weiß, dass man diese oder jene artverändernden Umstände, die vielleicht noch da sein könnten, noch angeben müsste; oder auch, weil er wissen will, ob man bereit ist, Schaden wiedergutzumachen und sicherstellen will, dass man bereut; oder einfach, weil er einem mit seinem Rat helfen will, eine Sünde in Zukunft zu meiden…). Wenn er nach Mitschuldigen fragt, muss man ihm nicht antworten.

Can. 979 — Der Priester hat, sofern Fragen zu stellen sind, mit Klugheit und Behutsamkeit vorzugehen, dabei sind Verfassung und Alter des Pönitenten zu berücksichtigen, nach dem Namen eines Mitschuldigen darf er nicht fragen.

Es ist eine schwere Sünde, bei einer wichtigen Sache zu lügen, nach der man legitimerweise gefragt wird; in diesem Fall wäre die Beichte genauso ungültig, wie wenn man Art oder Zahl der Sünden in dem Wissen, dass man sie beichten muss, von vornherein verschwiegen hat.  Auch wenn man eine schwere Sünde absichtlich ganz verschwiegen hat, wäre die Beichte natürlich ungültig. Die gebeichteten Sünden sind in so einem Fall also nicht vergeben, und man hat eine neue schwere Sünde begangen. Das wäre eine sakrilegische Beichte. Wenn man bei einem schwerhörigen Priester beichtet, speziell aus dem Grund, dass man hofft, dass er eine schwere Sünde nicht verstehen wird, gilt dasselbe.

Wichtig für Skrupulanten: Das gilt nur bei einer bewussten Täuschung betreffs Art und Zahl der schweren Sünden! Es war keine ungültige Beichte, wenn man sich hinterher denkt, dass man eine Zahl vielleicht zu niedrig  geschätzt hat, oder irgendeinen Nebenumstand oder eine Folge nicht erzählt hat, von denen man nicht eindeutig wusste, dass sie zur Bestimmung der Art der Sünde gehören, oder sich aus Aufregung verhaspelt hat und sich hinterher denkt, dass der Priester einen dann vielleicht nicht verstanden haben könnte und man sich nochmal hätte wiederholen müssen, o. Ä.

Wenn man eine schwere Sünde unabsichtlich vergessen hat, war die Beichte gültig, die Sünden sind vergeben (auch die vergessene), und man darf zur Kommunion gehen, aber man muss die vergessene Sünde in der nächsten Beichte (also spätestens in einem Jahr; man muss dann nicht so schnell wie möglich wieder beichten) dann noch erwähnen.

In der Beichte geht es eben darum, einfach klar auszusprechen, was man getan hat, ohne es entweder zu verharmlosen oder zu dramatisieren – das hilft auch, sich den Zustand der eigenen Seele  klar vor Augen zu führen.

Eine Beichte ist auch sakrilegisch und ungültig, wenn man gar keine Reue oder keinen Vorsatz hat, eine Sünde in Zukunft bleiben zu lassen. Sicher kann es mal sein, dass man sich zu 98% sicher ist, dass man einer Versuchung in absehbarer Zukunft wieder auf den Leim gehen wird, aber solange man zum Zeitpunkt der Beichte den Vorsatz hat, sie zu meiden, genügt das. Wenn man nur beichtet, weil man eben vor der kirchlichen Trauung noch mal beichten soll und dabei irgendetwas aufzählt, was einem gerade einfällt, und das man morgen wieder zu tun beabsichtigt, ist das etwas ganz anderes – das ist eine ungültige, sakrilegische Beichte.

Can. 987 — Damit ein Gläubiger die heilbringende Hilfe des Bußsakraments empfängt, muß er so disponiert sein, daß er sich unter Reue über seine begangenen Sünden und mit dem Vorsatz zur Besserung Gott zuwendet.“

Die Reue muss sich zumindest auf die Gesamtheit der noch nicht in früheren Beichten bekannten schweren Sünden beziehen (wobei einem nicht jede einzeln in dem Moment, wo man sich bemüht, die Reue zu erwecken, explizit vor Augen  stehen muss). Der Vorsatz zur Besserung muss ernsthaft sein und einschließen, dass man angerichteten Schaden wiedergutmacht, die wirklich notwendigen Mittel anwendet, um schwere Sünden in Zukunft zu meiden, und die nächste Gelegenheit zur schweren Sünde (das meint Gelegenheiten, bei denen man realistischerweise davon ausgehen muss, dass man wahrscheinlich wieder sündigen wird; eine entferntere Gelegenheit ist hier nicht gemeint) meidet (soweit es einem möglich ist und wenn es nicht notwendig ist, eine solche Gelegenheit zu riskieren). Wenn jemand es nicht schafft, alle lässlichen Sünden wirklich zu bereuen, sich nicht eingestehen will, dass etwas Lässliches eine Sünde war, o. Ä., tut das der bloßen Gültigkeit der Beichte keinen Abbruch. Die lässlichen Sünden stören zwar die Beziehung zu Gott, trennen aber nicht von ihm,  und solange nur die schweren weg sind, die wirklich von ihm trennten, genügt das erst einmal. Für die Beichte muss man erst einmal nur die schweren überhaupt beachten. Aber natürlich ist es auch gut, auf die lässlichen zu schauen und sich hier um Besserung zu bemühen.

Die Gültigkeit der Beichte hängt nicht davon ab, ob man hinterher ein Gefühl von Ruhe und Frieden hat oder nicht.

Von der Pflicht zur materiellen Vollständigkeit der Beichte, also der vollständigen Aufzählung aller schweren Sünden nach Art und Zahl, entschuldigt (was nur in seltenen Notfällen gegeben ist) physische oder moralische Unmöglichkeit; wenn diese Unmöglichkeit nicht mehr besteht, muss man das Bekenntnis  bei der nächsten Beichte nachholen.

Physische Unmöglichkeit kann z. B. sein: Jemand ist sehr krank / steht kurz vor einer OP / liegt im Sterben und es ist nicht mehr genug Zeit, alle Sünden zu beichten oder er ist nicht mehr fähig, zu sprechen, sodass der Priester ihm gleich die Lossprechung gibt, nachdem er seine Reue irgendwie deutlich gemacht hat (wenn er dazu noch fähig ist, sonst eben auch so).

Moralische (praktische) Unmöglichkeit ist gegeben, wenn das Bekenntnis bestimmter Sünden mit außerordentlichen Schwierigkeiten verbunden ist, die nicht an der Beichte selbst hängen, und wenn man sich nicht einfach jetzt an einen anderen Beichtvater wenden kann. Eine übergroße Scham vor der Beichte o. Ä. entschuldigt also nicht; aber zum Beispiel eine Gefahr der Verletzung des Beichtgeheimnisses /  der Rufschädigung (wenn man also z. B. beim Beichten merkt, dass noch jemand mithören kann und man daran nichts ändern kann, muss man nicht mehr weiter alle Sünden vollständig aufzählen). Auch Gefahr von Ärgernis oder neuer Sünde entschuldigt; bei 6.-Gebot-Sünden darf man nach Ansicht einiger Theologen zu große Genauigkeit vermeiden, um sich nicht wieder alles vor Augen zu rufen und wieder in unkeusche Gedanken zu geraten (wobei eine Aufzählung nach Art und Zahl normalerweise machbar sein sollte). Ein Grund liegt auch vor, wenn ein Priester beichtet und etwas über jemand anderen erklären müsste, was er nur aus einer Beichte weiß; das Beichtgeheimnis darf er nicht verletzen. Großer geistlicher oder zeitlicher Schaden gilt auch; ein Beichtvater kann z. B. schwer leidende Skrupulanten von der Pflicht zur materiellen Vollständigkeit entbinden, wenn die Gewissenserforschung für sie psychisch sehr schädlich ist und sie sich endlos damit quälen. Adolphe Tanquerey schreibt dazu: „In gewissen Fällen hochgradiger Skrupulosität befehle man den Beichtkindern, sich mit dieser allgemeinen Anklage zu begnügen: ‚Ich klage mich aller seit meiner letzten Beichte begangenen Sünden und aller jener meines vergangenen Lebens an.'“

Für eine materiell vollständige Beichte muss man gewöhnliche Mittel zur Gewissenserforschung anwenden; eine außerordentliche Anstrengung ist nicht verpflichtend. Ein ordentliches Mittel wäre z. B. der Gebrauch irgendeines gut katholischen Beichtspiegels. Wenn man aus schwerwiegend schuldbarer Nachlässigkeit eine schwere Sünde nicht erwähnt hat – also eine, die einem, wenn man kurz überlegt hätte, sofort eingefallen wäre, wobei man z. B. vor der Beichte sein Gewissen gar nicht oder fast gar nicht erforscht hat und sich gedacht hat, es würde einem schon auf  die Schnelle das Wichtigste einfallen, sobald man im Beichtstuhl ist – war  die Beichte ungültig. Wenn man aus leichter Nachlässigkeit schwere Sünden vergessen hat, also z. B. kurz über den Beichtspiegel drüber gegangen ist und dabei nicht allzu intensiv sein Gedächtnis durchforscht hat, war sie gültig. Wenn jemand sich schon praktisch sicher  ist, keine Todsünden seit der letzten Beichte begangen zu haben, ist er streng genommen gar nicht zu einer ausführlichen Gewissenserforschung verpflichtet. Man soll einfach normale Sorgfalt anwenden, die man auch in anderen Dingen anwenden würde.

Streng genommen ist niemand verpflichtet, eine Liste seiner Sünden  aufzuschreiben,  auch wenn er weiß, dass er, wenn er es nicht tut, welche vergessen wird (wegen der Gefahr, dass er eventuell den Zettel verlieren und andere ihn finden könnten => Beichtgeheimnis). Natürlich kann ein Beichtzettel sehr hilfreich sein, wenn man ihn benutzen will.

Tanquerey gibt speziell Skrupulanten zur Beichtvorbereitung diesen Rat: „Die hl. Beichte wird ihnen oft zu noch größerer Qual. Es ist demnach von Wichtigkeit, sie ihnen leicht zu machen. Man [gemeint ist der Beichtvater] erkläre ihnen deshalb: ‚1) Sie sind nur zur Anklage der sicher begangenen Todsünden verpflichtet. 2) Von den lässlichen Sünden nennen Sie nur jene, die Ihnen nach fünf Minuten langer Erforschung einfallen werden. 3) Auf die Reue verwenden Sie sieben Minuten. Während dieser Zeit bitten Sie Gott darum und erwecken dieselbe im Herzen, und Sie werden sie haben.‘ Sie wenden dagegen ein: ‚Aber ich fühle sie doch nicht!‘ – Antwort: ‚Das ist nicht nötig. Die Reue ist ein Akt des Willens, gehört somit nicht dem Gefühlsleben an.'“

Nach der Beichte muss man die aufgetragene Buße verrichten, die sowohl eine gewisse Wiedergutmachung für die Vergangenheit als auch ein Heilmittel für die Zukunft sein soll.

„Can. 981 — Je nach Art und Zahl der Sünden hat der Beichtvater unter Berücksichtigung der Verfassung des Pönitenten heilsame und angemessene Bußen aufzuerlegen; der Pönitent ist verpflichtet, diese persönlich zu verrichten.“

Die Buße soll sich nach der Schuld, aber auch der Fähigkeit des Pönitenten, und danach, wozu er schon bereit ist, richten.

Heribert Jone schreibt über das Verrichten der Buße (rückübersetzt aus der französischen Übersetzung seiner „Katholischen Moraltheologie“):

„Es ist eine schwere Sünde, eine schwerwiegende Buße, die sub gravi [unter schwerer Sünde verpflichtend] für schwere Sünden auferlegt wurde, nicht zu erfüllen; wenn der Pönitent diese schlechte Absicht schon vor der Absolution hatte, ist die Beichte ungültig. – Es ist eine lässliche Sünde, eine leichte Buße, die für schwere oder lässliche Sünden auferlegt wurde, nicht zu erfüllen. – Wenn die Buße nicht vollständig oder nicht genau so, wie sie auferlegt wurde, erfüllt wird, begeht man nur dann eine schwere Sünde, wenn man etwas Wichtiges auslässt. Dementsprechend begeht jener, der als Buße einen Rosenkranz auf Knien zu beten hatte, nur eine lässliche Sünde, wenn er ihn im Stehen betet, oder auch, wenn er willentlich einige Aves übergeht. – Man begeht keine Sünde, wenn man eine Buße nicht erfüllt, die nicht mehr der aktuellen Praxis entspricht oder die ungerechtermaßen hart ist. In diesem Fall ist es das Beste, diese Buße in der folgenden Beichte von einem Beichtvater abändern zu lassen. [Mit der aktuellen Praxis ist gemeint, dass die Bußpraxis früher härter war; heute muss man z. B. auch für eine sehr schwere Sünde nicht mehr fünf Jahre Kirchenbuße verrichten oder eine Wallfahrt ins Heilige Land machen, wie das vor 1000 Jahren noch vorkommen konnte.]   

Wenn er (ob schuldhaft oder nicht) vergessen hat, welche Buße man ihm auferlegt hat, ist der Pönitent an sich zu nichts verpflichtet. Man muss ihm allerdings raten, zurückzukommen und seinen Beichtvater aufzusuchen, um ihn zu fragen, welche Buße er ihm auferlegt hat. Wenn man glaubt, dass der Beichtvater sich nicht mehr daran erinnern wird, kann man in der nächsten Beichte seinen allgemeinen Seelenzustand irgendeinem Beichtvater enthüllen und von ihm eine neue Buße erbitten.“

Wenn die Buße in etwas besteht, das man auch sonst schon macht (z. B. wenn einem aufgetragen wird, den Rosenkranz beten, und man ihn sowieso wöchentlich betet), kann man sie bei dieser Gelegenheit erfüllen, wo man dasselbe sowieso getan hätte. Das gilt  aber nicht, wenn es um kirchlich vorgeschriebene Dinge geht; wenn der Beichtvater einem den Besuch einer Messe aufträgt, genügt  nicht die nächste verpflichtende Sonntagsmesse, sondern man muss zu einer zusätzlichen gehen.

Ablenkung bei einem Bußgebet ist nur lässliche Sünde.

Solange der Beichtvater keinen Zeitpunkt für die Buße festgelegt hat, ist kein bestimmter Zeitpunkt verpflichtend und man kann sie, ohne damit eine Sünde zu begehen, auch etwas länger aufschieben; außer wenn man ernsthaft Gefahr läuft, sie zu vergessen, sie nicht mehr erfüllen zu können, oder dass sich ihr Wert bedeutend verringert.

Man kann seine Buße nicht durch etwas anderes ersetzen, auch nicht durch etwas  Besseres (man soll sich hier schließlich danach richten, was der Beichtvater für das Heilsamste hält); aber man kann einen Beichtvater bitten,  sie einen ersetzen zu lassen.

Die Buße bedeutet zwar nicht, dass man hier die Kraft hätte, seinen Sünden selber zu sühnen – das hat Christus am Kreuz getan – aber man schließt sich hier quasi dem Leiden Christi an und tut, was man kann.

Wenn man sich schwerer Sünden schuldig gemacht hat, muss man, wie gesagt, vor dem Kommunionempfang beichten.

„Can. 916 — Wer sich einer schweren Sünde bewußt ist, darf ohne vorherige sakramentale Beichte die Messe nicht feiern und nicht den Leib des Herrn empfangen, außer es liegt ein schwerwiegender Grund vor und es besteht keine Gelegenheit zur Beichte; in diesem Fall muß er sich der Verpflichtung bewußt sein, einen Akt der vollkommenen Reue zu erwecken, der den Vorsatz miteinschließt, sobald wie möglich zu beichten.“

D. h. etwa, ein Priester, der die Messe feiern muss, aber vorher nicht zur Beichte gehen kann, darf die Messe feiern und kommunizieren, muss aber vorher vollkommene Reue erwecken und hinterher dann möglichst bald beichten, also z. B. wenn er dann zwei Tage später Gelegenheit hat, zur Beichtgelegenheit in der Nachbarpfarrei zu gehen oder dort einen Termin auszumachen.

Was genau heißt „sobald wie möglich“? Jone sagt dazu, dass es innerhalb von drei Tagen sein muss, sofern das ohne größere Schwierigkeiten (wie z. B. langer Anfahrtsweg zur nächsten Beichtgelegenheit) möglich ist.

Aber wie gesagt, das gilt nur, wenn man aus schwerwiegendem Grund schon kommuniziert hat.

(Ein schwerwiegender Grund für Laien könnte z. B. sein, wenn jemand, der zur katholischen Kirche konvertiert, aber schon gültig getauft ist (z. B. in der evangelischen Kirche), zu dessen Konversion also eine Beichte, nicht die Taufe, gehört, zum ersten Mal zur Beichte geht, wobei dann wenige Tage später der Gottesdienst für seine Aufnahme in die Kirche und seine Erstkommunion angesetzt ist, und zwischendrin eine schwere Sünde begeht, aber vor dem Gottesdienst keine Gelegenheit mehr zu einer weiteren Beichte hat. In diesem Fall darf er bei seiner Erstkommunion auch zur Kommunion gehen.)

Wenn man eine Generalabsolution empfangen hat (also wenn z. B. eine Gruppe Menschen bei einer Flutkatastrophe oder einem Schiffsuntergang in Todesgefahr war und ein anwesender Priester die Generalabsolution erteilt hat, weil keine Zeit für einzelne Bekenntnisse war) gilt dieselbe Regel, wie wenn man Sünden vergessen hat zu beichten; die Vergebung ist da, aber das Bekenntnis muss bei Gelegenheit nachgeholt werden. Im CIC heißt es über die Generalabsolution:

„Can. 961 — § 1. Mehreren Pönitenten gleichzeitig kann ohne vorangegangenes persönliches Bekenntnis die Absolution in allgemeiner Weise nur erteilt werden:

1° wenn Todesgefahr besteht und für den oder die Priester die Zeit, die Bekenntnisse der einzelnen Pönitenten zu hören, nicht ausreicht;

2° wenn eine schwere Notlage besteht, das heißt, wenn unter Berücksichtigung der Zahl der Pönitenten nicht genügend Beichtväter vorhanden sind, um die Bekenntnisse der einzelnen innerhalb einer angemessenen Zeit ordnungsgemäß zu hören, so daß die Pönitenten ohne eigene Schuld gezwungen wären, die sakramentale Gnade oder die heilige Kommunion längere Zeit zu entbehren; als ausreichend begründete Notlage gilt aber nicht, wenn allein aufgrund eines großen Andrangs von Pönitenten, wie er bei einem großen Fest oder einer Wallfahrt vorkommen kann, nicht genügend Beichtväter zur Verfügung stehen können.

§ 2. Das Urteil darüber, ob die gemäß § 1, n. 2 erforderlichen Voraussetzungen gegeben sind, steht dem Diözesanbischof zu; dieser kann unter Berücksichtigung der Kriterien, die mit den übrigen Mitgliedern der Bischofskonferenz abgestimmt sind, feststellen, wann solche Notfälle gegeben sind.

Can. 962 — § 1. Damit ein Gläubiger die sakramentale Absolution, die gleichzeitig mehreren erteilt wird, gültig empfängt, ist nicht nur erforderlich, daß er recht disponiert ist; er muß sich vielmehr gleichzeitig auch vornehmen, seine schweren Sünden, die er gegenwärtig nicht auf diese Weise bekennen kann, zu gebotener Zeit einzeln zu beichten.

§ 2. Die Gläubigen sind, soweit möglich auch beim Empfang der Generalabsolution, über die Erfordernisse gemäß § 1 zu belehren; der Generalabsolution ist, selbst bei Todesgefahr, wenn die Zeit dafür ausreicht, die Aufforderung voranzuschicken, daß sich jeder bemüht, einen Akt der Reue zu erwekken.

Can. 963 — Unbeschadet der Verpflichtung nach can. 989 hat der, dem durch Generalabsolution schwere Sünden vergeben werden, bei nächstmöglicher Gelegenheit, sofern nicht ein gerechter Grund dem entgegensteht, ein persönliches Bekenntnis abzulegen, bevor er eine weitere Generalabsolution empfängt.“

Man kann sich den Beichtvater prinzipiell frei wählen; aber wenn man sonst ohne Beichte sterben oder lange im Stand der Todsünde bleiben müsste, muss man bei dem beichten, der gerade da ist.

Als Ort der Beichte ist normalerweise der  Beichtstuhl gedacht, aber aus einem gerechten Grund (wie „der Pönitent  fühlt sich wohler dabei“ oder „es ist gerade kein Beichtstuhl da“) geht es auch außerhalb. Für die Gültigkeit der Beichte spielt der Ort keine Rolle.

Der Priester ist bei der Beichte an das Beichtgeheimnis gebunden; dessen Bruch ist aus keinem denkbaren Grund erlaubt und wäre eine sehr schwere Sünde. Der hl. Thomas sagt dazu:

„Ich antworte, dass jene Dinge, die in den Sakramenten äußerlich getan werden, die bezeichnen, die innerlich geschehen: womit die Beichte, bei der ein Mensch sich einem Priester unterwirft, ein Zeichen der inneren Hingabe ist, mit der er sich Gott unterwirft. Nun verbirgt Gott die Sünden derer, die sich Ihm durch die Buße unterwerfen; weshalb das auch im Sakrament der Buße dargestellt sein sollte, und dementsprechend verlangt das Sakrament, dass das Bekenntnis verborgen bleibt, und wer ein Bekenntnis bekanntmacht, sündigt durch die Verletzung des Sakraments. Außerdem gibt es andere Vorteile bei dieser Geheimhaltung, da hierdurch die Menschen mehr zur Beichte hingezogen werden, und ihre Sünden mit größerer Einfachheit bekennen. (Summa Theologiae, Suppl. 11,1, übersetzt aus der englischen Übersetzung) Außerdem sagt er, dass „das, was man durch die Beichte weiß, ist, als ob man es nicht wisse, da ein Mensch es nicht als Mensch weiß, sondern so, wie Gott es weiß“.

Das Beichtgeheimnis gilt wirklich in allen Fällen; der Beichtvater darf z. B. bei einem selbstmordgefährdeten Pönitenten niemandem von dieser Gefahr erzählen, er darf einen Mörder nicht der Polizei ausliefern. Auch ein indirekter Bruch (d. h. Worte oder Handlungen, aus denen andere auf den Inhalt einer Beichte schließen können) ist Sünde (die in einzelnen Fällen, wenn es sehr indirekt und unbeabsichtigt passiert ist, nur lässlich sein kann, sonst aber auch schwer ist). Auch vor Gericht darf ein Priester deswegen nichts über etwas sagen, von dem er nur aus der Beichte weiß, und darf, wenn er als Zeuge befragt wird, sagen „Dazu kann ich nichts sagen“ oder sogar „Dazu weiß ich nichts“ (mit dem mentalen Vorbehalt „…was ich sagen dürfte“).

Can. 983 — § 1. Das Beichtgeheimnis ist unverletzlich, dem Beichtvater ist es daher streng verboten, den Pönitenten durch Worte oder auf irgendeine andere Weise und aus irgendeinem Grund irgendwie zu verraten.

2. Zur Wahrung des Geheimnisses sind auch, falls beteiligt, der Dolmetscher und alle anderen verpflichtet, die auf irgendeine Weise aus der Beichte zur Kenntnis von Sünden gelangt sind.

Und:

„Can. 1388 — § 1. Ein Beichtvater, der das Beichtgeheimnis direkt verletzt, zieht sich die dem Apostolischen Stuhl vorbehaltene Exkommunikation als Tatstrafe zu; verletzt er es aber nur indirekt, so soll er je nach Schwere der Straftat bestraft werden.

§ 2. Dolmetscher und andere in can.983, § 2 genannte Personen, die das Geheimnis verletzen, sollen mit einer gerechten Strafe belegt werden, die Exkommunikation nicht ausgenommen.“

Das alles gilt auch bei einer nur begonnenen und dann abgebrochenen Beichte, bei einer sakrilegischen Beichte, oder einer mit verweigerter Absolution (aber nicht, wenn einer  bloß in den Beichtstuhl gekommen ist, um sich über den Priester lustig zu machen und gar nicht wirklich beichtet, und auch nicht bei einem normalen seelsorgerlichen Gespräch, wobei das natürlich im Normalfall auch vertraulich ist). Ein Beichtvater muss also z. B. einem Pönitenten, dem er die Absolution verweigern musste, und der danach gleich in der Messe zur Kommunion nach vorn kommt, die Kommunion spenden, um nicht zu enthüllen, dass ihm die Absolution verweigert wurde (für die unwürdige Kommunion ist allein der Pönitent verantwortlich). Das Beichtgeheimnis gilt weiterhin nach dem Tod des Pönitenten.

Der Priester darf nicht einmal den Pönitenten selber hinterher wieder auf etwas ansprechen, das er in der Beichte erfahren hat, wenn der das nicht ausdrücklich und aus freiem Willen erlaubt. Mit dessen Erlaubnis darf er Wissen aus der Beichte aber sogar weitergeben (z. B. wäre es denkbar, dass ein Pönitent einen Priester bittet, an seiner Stelle mit jemandem zu reden, von dem er gestohlen hat, und das Gestohlene zurückzugeben).

(Der Pönitent selbst ist gar nicht an das Beichtgeheimnis gebunden.)

Das alles gilt für Wissen, das einer nur aus der Beichte hat; wenn er auch aus einer anderen Quelle von einer Sünde weiß (z. B. den Pönitenten bei seinem Diebstahl zuvor schon beobachtet hat), gilt das Beichtgeheimnis dafür streng genommen nicht (wobei hier auch normale Erwägungen bzgl. Diskretion ins Spiel kommen); allerdings darf er nie preisgeben, dass er die Sünde auch noch gebeichtet bekommen hat, sondern muss so handeln, als wüsste er nur auf die andere Weise davon.

Nicht nur das Weitergeben des Wissens aus der Beichte ohne ausdrückliche Erlaubnis des Pönitenten ist verboten, auch der Gebrauch desselben ist strengen Regeln unterworfen:

Can. 984 — § 1. Ein Gebrauch des aus der Beichte gewonnenen Wissens, der für den Pönitenten belastend wäre, ist dem Beichtvater streng verboten, auch wenn jede Gefahr, daß etwas bekannt werden könnte, ausgeschlossen ist.

(Ein bloßer Gebrauch ohne jede Weitergabe des Wissens, der dem Pönitenten angenehm wäre, ist erlaubt; z. B. darf der Beichtvater aufgrund von Wissen aus der Beichte in Zukunft freundlicher zu ihm sein oder besonders für ihn beten; wobei man hier natürlich auch vorsichtig sein sollte, damit nicht irgendwie noch indirekt das Beichtgeheimnis verletzt wird.)

Außerdem:

§ 2. Wer eine leitende Stellung einnimmt, darf die Kenntnis von Sünden, die er zu irgendeiner Zeit aus der Entgegennahme einer Beichte erlangte, auf keine Weise bei der äußeren Leitung gebrauchen.

Außerdem gibt es noch eine Regelung für Klöster und Priesterseminare:

Can. 985 — Der Novizenmeister und sein Gehilfe sowie der Rektor eines Seminars oder einer anderen Erziehungseinrichtung dürfen sakramentale Beichten ihrer Alumnen, die sich im selben Haus aufhalten, nur hören, wenn die Alumnen in Einzelfällen von sich aus darum bitten.

Damit soll verhindert werden, dass etwa der Rektor eines Priesterseminars zu viel persönliches Wissen über die Seminaristen bekommt, für die er verantwortlich ist und über die er Autorität ausübt, und in Versuchung gerät, gegen Can. 984 § 2 zu verstoßen. Die Beichte ist etwas Intimes, Persönliches; hier lädt man seine Sünden gegenüber Jesus ab; das ist nichts, worauf einen eine Autoritätsperson später wieder ansprechen oder wonach sie einen bewerten darf.

Wenn ein Priester, der oft Beichten hört, vage erzählt, dass man in der Beichte öfter mal Sündenkategorie X zu hören bekommt, ist das kein Bruch des Beichtgeheimnisses; hier kann schließlich unmöglich auf individuelle Beichten geschlossen werden.

Eine Beichte mithilfe eines Dolmetschers oder Gebärdendolmetschers ist möglich, oder anstatt eines Gebärdendolmetschers für Stumme auch eine Beichte über das Aufschreiben der Sünden. Allerdings ist niemand verpflichtet, einen Dolmetscher heranzuziehen oder in so einem Fall seine Sünden aufzuschreiben (wegen der größeren Gefahr des Bruchs des Beichtgeheimnisses); wenn er keinen Priester findet, der seine Sprache/Gebärdensprache versteht, darf er die Beichte aufschieben. Diese Lösungen sind auch nur für Ausnahmefälle gedacht. Im CIC  heißt es:

„Can. 990 — Niemand darf daran gehindert werden, mit Hilfe eines Dolmetschers zu beichten; dabei sind aber Mißbräuche und Ärgernisse zu vermeiden und die Vorschrift des can. 983, § 2 zu beachten.“

Wenn man keinen Beichtvater hat, der einen versteht, aber z. B. wegen einer Krankheit in Todesgefahr ist oder eben einfach beichten will, darf man einfach durch Zeichen zeigen, dass man Sünden auf dem Gewissen hat, die man bereut, und der Priester darf einen dann lossprechen.

Eine Beichte aus der Ferne – über Telefon oder Internet – ist nicht möglich. Man muss am selben Ort wie der Beichtvater sein und ihm sein Bekenntnis ablegen. (Wobei manche Theologen spekuliert haben, ob eine Beichte übers Telefon im Notfall, wenn z. B. der Priester nicht rechtzeitig zu einem Sterbenden gelangen kann, möglicherweise gültig sein könnte, aber das ist wohl eher nicht der Fall; erlaubt ist das jedenfalls nicht.)

Für eine gültige Absolution ist auf der Seite des Beichtvaters Folgendes nötig: Er muss gültig geweiht sein, von der Kirche die Beichtvollmacht haben, die Intention haben, einen loszusprechen, und etwa die richtigen Worte verwenden.

Es genügt nicht, einfach nur gültig geweiht zu sein, er muss auch die ausdrückliche Beichtvollmacht von der Kirche erhalten haben (nähere Erklärungen hier). Wenn ein katholischer Priester, der nicht mit Kirchenstrafen belegt ist, irgendwo anbietet, Beichte zu hören, wird man davon ausgehen können, dass er diese Befugnis hat. Seit dem Jahr der Barmherzigkeit haben sie auch die Piusbrüder (ob ihre Beichten vorher gültig waren, ist eine umstrittene Frage, aber sie selber bringen gute Gründe dafür vor); schismatische Priester (orthodoxe Priester, Sedisvakantisten usw.) haben sie nicht.

Wenn Priester die Beichtvollmacht nicht haben,  greift in manchen Fällen das Prinzip „supplet ecclesia“ – die Kirche ersetzt die im Einzelfall fehlende Vollmacht. Das gilt z. B., wenn ein frisch für einen Posten ernannter Priester meint, seine Beichtvollmacht gelte schon ab dem 1.8., aber wegen irgendeines Missverständnisses gilt sie erst ab dem 1.9. Wenn er also im August guten Glaubens Beichten hört, sind die gültig. Das gilt z. B. nicht, wenn einem Priester die Beichtvollmacht bekanntermaßen entzogen wurde und er und der Pönitent das wissen.

Can. 144 — § 1. Bei einem tatsächlich vorliegenden oder rechtlich anzunehmenden allgemeinen Irrtum und ebenfalls bei einem positiven und begründeten Rechts- oder Tatsachenzweifel ersetzt die Kirche für den äußeren wie für den inneren Bereich fehlende ausführende Leitungsgewalt.

§ 2. Dieselbe Norm wird auf die in cann. 882, 883, 966 und 1111, § 1 genannten Befugnisse angewandt.

Eine Ausnahme gibt es, wenn nämlich jemand in Todesgefahr (also todkrank, tödlich verwundet, Soldat in einem Kriegsgebiet o. Ä.) ist:

Can. 976 — Jeder Priester absolviert, auch wenn er die Befugnis zur Entgegennahme von Beichten nicht besitzt, jegliche Pönitenten, die sich in Todesgefahr befinden, gültig und erlaubt von jedweden Beugestrafen und Sünden, auch wenn ein Priester mit entsprechender Befugnis zugegen ist.

Das gilt also für jeden gültig geweihten Priester (also auch z. B. für koptische oder  orthodoxe Priester, oder für laisierte katholische Priester; allerdings natürlich nicht für evangelische oder anglikanische Pfarrer, und auch nicht für Frauen in schismatischen Gruppierungen, die sich als „Priesterinnen“ bezeichnen, da die nicht gültig geweiht sind).

Die Intention ist praktisch immer gegeben. Der Priester muss nur die Intention haben, „das zu tun, was die Kirche tut, wenn sie losspricht“ – er muss nicht an das richtige Konzept davon glauben, was die Kirche hier tut oder was genau überhaupt die Kirche ist. Wenn ein Priester seinen Glauben innerlich aufgegeben hat, und nur auf seinem Posten bleibt, weil er nicht arbeitslos werden will, und meint, in der Beichte passiere real überhaupt nichts, hat er normalerweise trotzdem die Intention, das zu tun, was die Kirche tut, wenn sie losspricht, wenn er im Beichtstuhl sitzt und die Lossprechung erteilt – was seiner Meinung nach nichts ist, aber darauf kommt es nicht an. Dass die Intention gegeben sein muss, heißt eigentlich nur, dass die Lossprechungsformel nicht von selber magisch wirkt. Wenn ein Priester z. B. die Absolutionsformel sagen würde, um jemandem zu zeigen, wie eine Beichte aussieht, oder wenn er sie in einem Theaterstück als Schauspieler sagen würde, würde hier keine Sündenvergebung geschehen.

Bei den richtigen Worten wird es kniffliger. Die Formel an sich lautet (ohne das  einleitende Gebet, das der Priester auch sprechen sollte): „So spreche ich dich los von deinen Sünden, im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.“  (Ego te absolvo a peccatis tuis in nomine Patris et Filii et Spiritus Sancti.) Es gibt ja ab und zu – glücklicherweise selten – Priester, die da kreativ werden. „Also darf ich Ihnen jetzt versichern, dass Gott mit Barmherzigkeit auf alles schaut, was Sie belastet“ oder „Also darf ich dich jetzt lossprechen von deinen Sünden“ oder „Gott vergibt Ihnen Ihre Sünden“ wäre etwa keine gültige Absolution. Was vorhanden sein muss:

  • Sicher muss „ich spreche dich/Sie/euch los“ (ego te absolvo) vorhanden sein – nicht „so darf ich dich nun lossprechen“ oder „ich kann dich lossprechen“ oder „fühlen Sie sich jetzt frei von allem Schlechten“ oder „Jesus spricht dich los“. „Ich löse dich/Sie/euch“ oder „ich spreche dich/Sie/euch frei“ wäre gültig, weil man „absolvo“ ebenso damit übersetzen kann; die Bedeutung ist die gleiche. Er muss jedenfalls sagen, dass er selbst, dem diese Aufgabe von Gott und der Kirche übertragen ist, losspricht.
  • Möglicherweise muss „von deinen/Ihren/euren Sünden“ (a peccatis tuis) – nicht „von Ihren Schwächen und Fehlern“ oder „von dem, was Sie hier vor Gott gebracht haben“ oder „von allem, was nicht so gut gelaufen ist“ – zur Gültigkeit auch vorhanden sein.
  • „Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ (in Nomine Patris et Filii et Spiritus Sancti)  ist für die bloße Gültigkeit nicht nötig.

Wenn ein liberal eingestellter – oder vielleicht ein alter und sehr vergesslicher – Priester eine ungültige Formel verwendet, ist es am besten, ihn höflich zu fragen, ob er das bitte noch einmal in den vorgegebenen Worten sagen könnte, das sei einem wichtig (oder so). Wenn man dafür nicht schlagfertig genug war oder er sich einfach geweigert hat? Dann bleibt einem nichts anderes übrig als Liebesreue und beizeiten eine andere Beichte bei einem anderen  Priester. Der Priester wird sich vor Gott verantworten müssen, und am besten sollte man seinen Vorgesetzten (Pfarrer, Bischof, Generalvikar, Ordensoberer…) informieren, weil er nicht das Recht hat, auf diese Weise willkürlich mit Gläubigen umzuspringen.

Was ist, wenn einem einfällt, dass eine Beichte vor Jahren ungültig gewesen ist oder gewesen sein könnte? Keine Panik. Die Sünden sind spätestens bei der darauffolgenden gültigen Beichte automatisch mitvergeben worden – das zählt wie vergessene Sünden. Wenn man noch im Einzelnen weiß, was sie waren, und sich sicher ist, dass die Beichte ungültig war, muss man sie in der nächsten Beichte noch einmal bekennen. Ansonsten darf man es lassen.

Bitte keine Panik wegen möglicherweise ungültiger Beichten. Gott lässt uns ja nicht fallen, weil wir an einen idiotischen Beichtvater geraten.

Priester sind verpflichtet, den Gläubigen die Beichte zu ermöglichen:

„Can. 986 — § 1. Jeder, dem von Amts wegen die Seelsorge aufgetragen ist, ist zur Vorsorge dafür verpflichtet, daß die Beichten der ihm anvertrauten Gläubigen gehört werden, die in vernünftiger Weise darum bitten; des weiteren, daß ihnen an festgesetzten Tagen und Stunden, die ihnen genehm sind, Gelegenheit geboten wird, zu einer persönlichen Beichte zu kommen.

§ 2. In einer dringenden Notlage ist jeder Beichtvater verpflichtet, die Beichten von Gläubigen entgegenzunehmen, und in Todesgefahr jeder Priester.“

Wenn ein Priester gerade keine Zeit hat und es nicht dringend ist, ist er nicht streng verpflichtet, die Beichte eines Gläubigen zu hören; aber es ist auf jeden Fall wichtig, dass er dafür sorgt, dass jeder mal Gelegenheit zur Beichte hat, und es dürfte eine Sache der Nächstenliebe sein, auch zu einem unpassenden Zeitpunkt eine Beichte zu hören, wenn er darum gebeten wird (man weiß ja auch im Vorhinein oft nicht, ob der Pönitent über etwas Dringliches sprechen muss oder sonst vielleicht nicht wiederkäme).

Darf ein Priester die Absolution verweigern? So einfach nicht. Aber das kann dann erlaubt oder sogar nötig sein, wenn für ihn klar ist, dass der Pönitent nicht bereut, oder er deutliche Zweifel an der Reue hat.

„Can. 980 — Wenn der Beichtvater keinen Zweifel an der Disposition des Pönitenten hat und dieser um die Absolution bittet, darf diese weder verweigert noch aufgeschoben werden.“

Darf der Priester z. B. von einem Bankräuber oder Mörder verlangen, sich der Polizei zu stellen, bevor er ihn losspricht? Prinzipiell nicht. Er kann ihm sagen, wenn er wirklich bereut, soll er das tun, und ihm dementsprechend zureden, aber zur Bedingung für die Lossprechung machen kann er es nicht einfach.

Es gibt einzelne Sünden, von denen ein normaler Priester (außer, wenn der Pönitent in Todesgefahr ist) nicht lossprechen kann, sondern nur ein Bischof oder sogar nur der Heilige Stuhl; wenn ein Pönitent so etwas beichten würde, würde der Priester also einen Brief an die zuständige Stelle schreiben. Zu diesen Sünden, die dem Heiligen Stuhl  vorbehalten sind, gehören Hostienschändung oder ein körperlicher Angriff auf den Papst – also nichts, wovon der Durchschnittskatholik betroffen sein wird. Die Vornahme einer Abtreibung wird mit der automatisch durch die Tat eintretenden Exkommunikation bestraft, aber davon darf in diesem Fall in den meisten Ländern jeder Beichtvater lossprechen.

Außerdem gibt es einen Sonderfall:

„Can. 977 — Die Absolution des Mitschuldigen an einer Sünde gegen das sechste Gebot des Dekalogs ist ungültig, außer in Todesgefahr.“

Das 6. Gebot betrifft Unkeuschheitssünden; d. h. etwa, ein Priester kann eine Frau, mit der er eine Affäre gehabt hat, nicht lossprechen  (außer sie liegt im Sterben); dafür muss sie bei jemand anderem beichten.

Vielleicht sollte man im Zusammenhang mit der Beichte auch noch einen weiteren Sonderfall, das Verbrechen der sollicitatio in confessione, erwähnen:

„Can. 1387 — Ein Priester, der bei der Spendung des Bußsakramentes oder bei Gelegenheit oder unter dem Vorwand der Beichte einen Pönitenten zu einer Sünde gegen das sechste Gebot des Dekalogs zu verführen versucht, soll, je nach Schwere der Straftat, mit Suspension, mit Verboten, mit Entzug von Rechten und, in schwereren Fällen, mit der Entlassung aus dem Klerikerstand bestraft werden.“

Früher machte es das Kirchenrecht sogar zu einer strengen Verpflichtung für den Pönitenten, einen solchen Beichtvater innerhalb eines Monats beim Bischof oder beim Heiligen Stuhl anzuzeigen, wenn irgend möglich; diese Verpflichtung ist inzwischen weggefallen, vermutlich, weil man Opfer nicht zusätzlich dadurch unter Druck setzen wollte; aber natürlich ist es immer noch wichtig, dass ein Priester, der zu so etwas fähig ist, angezeigt wird.

Weil das ein ziemlich schwerwiegendes Verbrechen ist, gelten allerdings auch strenge Gesetze für verleumderische Anklagen:

„Can. 1390 — § 1. Wer einen Beichtvater wegen der in can. 1387 genannten Straftat fälschlich bei einem kirchlichen Oberen anzeigt, zieht sich die Tatstrafe des Interdiktes zu, und, wenn es sich um einen Kleriker handelt, auch die Suspension.“

„Can. 982 — Wer bekennt, fälschlich einen unschuldigen Beichtvater bei der kirchlichen Autorität des Vergehens der im Zusammenhang mit der Beichte geschehenen Verführung zu einer Sünde gegen das sechste Gebot des Dekalogs bezichtigt zu haben, darf erst absolviert werden, wenn er vorher in aller Form die falsche Anzeige zurückgezogen hat und bereit ist, angerichteten Schaden wiedergutzumachen.“

Und das war es soweit; man könnte noch mehr über die Pflichten von Beichtvätern bei diesem Sakrament sagen, aber dieser Artikel war ja hauptsächlich zur Info für Laien gedacht. Beim nächsten Mal zu ein paar Dingen bzgl. der hl. Kommunion.

Von Gott und Götzen

Alle Götter der Heiden sind Dämonen, so sagt es der Psalm (96(95),5); unsere Kirchenväter sahen dementsprechend in den Kulten ihrer römischen, griechischen, ägyptischen Umgebung vor allem die Dämonen, also die von Gott abgefallenen Engel, am Werk, die sich den Menschen gezeigt und sich als Götter ausgegeben hätten, um sie auf falsche Bahnen zu lenken (manchmal bemerkten sie außerdem, dass hier einfach historische Gestalten göttergleiche Ehren erhielten – wenn zum Beispiel noch das Grab eines Zeus bekannt war -, was sie aber letztlich auch als Werk der Dämonen erklärten). Der Götzendienst jedenfalls, bei dem irgendetwas Geschaffenes, das nicht Gott ist, angebetet wird, so sagen es die Bibel und die Kirche, ist Sünde, was auch immer genau dahintersteckt. (Die Einheitsübersetzung übersetzt statt „Dämonen“ in diesem Psalm, anders als Septuaginta und Vulgata, übrigens „Nichtse“; ich kann das mangels Hebräischkenntnissen nicht beurteilen.) Schon die Sache mit dem Goldenen Kalb nahm der Herr ja nicht so locker.

Soweit, sogut; heißt das nun, dass jede vor- oder nichtchristliche Religion einfach nur Idolatrie ist?

Kurz gesagt, nein, heißt es nicht. Die Kirche lehrt auch, dass der Mensch prinzipiell allein mit seiner Vernunft, noch vor der göttlichen Offenbarung, die Existenz eines einzigen, absoluten, hinter der Welt stehenden Schöpfers erkennen kann, und in manchen Religionen oder Philosophien wurde dieser Schöpfer wirklich erkannt; oft wandte man sich zwar zusätzlich noch an eine bunte Welt von Göttern, Halbgöttern, Geistern, personifizierten Naturkräften und Ahnen, die man sich als übermenschliche Wesen innerhalb der Welt dachte, und solchen Wesen göttliche Ehren zukommen zu lassen, war bzw. ist freilich Götzendienst, wenn auch unter Umständen gutgläubiger Götzendienst; aber das macht die wahre Gottesverehrung, die manchmal gleichzeitig da war/ist, nicht inexistent.

Die antiken Platoniker beispielsweise waren philosophische Monotheisten, und übrigens auch gute Kandidaten für eine Bekehrung zum Christentum; ein Beispiel ist der hl. Justin der Märtyrer / der Philosoph (hingerichtet ca. 165 n. Chr.), der erzählt, dass er noch als Platoniker Gott folgendermaßen definierte, als er in einen Dialog mit einem Christen geriet:

„‚Das Wesen, welches immer in gleicher Weise dasselbe ist, und welches die Ursache des Seins für alles übrige bildet, das ist Gott.‘ So lautete meine Antwort. Er aber hatte seine Freude an meinen Worten und stellte von neuem an mich eine Frage.“

Griechische Philosophen waren aber nicht die einzigen, die Gott erkannten; die nordamerikanischen Indianer kannten den „Großen Geist“ – und auch katholisch gewordene Indianer des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, die andere Praktiken ihrer Religion aufgegeben hatten und nicht mehr an andere untergeordnete Geister glaubten, bezeichneten Gott manchmal noch immer mit dem Titel „der große Geist“, wie man in damaligen Missionszeitschriften schön nachlesen kann; so sagte ein Kongress der katholischen Sioux zur Ehe:

„Wir glauben an die Lehre Jesu Christi bezüglich der heiligen Ehe: Was der große Geist vereint hat, soll der Mensch nicht trennen. Deshalb verabscheuen wir von ganzem Herzen den Missbrauch, das Band der Ehe zu lösen, und betrachten ihn als einen großen Schandfleck unserer Zeit.“

Die Missionare bauten auf ihrer Gotteserkenntnis auf, und brachten ihnen die Botschaft, dass der große Geist, von dem sie schon wussten, sich auch offenbart hatte und sogar Mensch geworden war.

Ein anderes Beispiel: Kardinal Robert Sarah aus Guinea (Westafrika) erzählt in dem Interview-Buch „Gott oder nichts“, das der Journalist Nicolas Diat mit ihm gemacht hat, im ersten Kapitel auch von seiner Kindheit im ländlichen Guinea; und über die Religion seiner Vorfahren (er selbst wurde schon 1947 als Zweijähriger getauft, hat aber als Kind und Jugendlicher in seiner Umgebung offensichtlich noch einiges von der traditionellen Religion mitbekommen) berichtet er folgendes:

„Das Volk der Coniagui ist sehr religiös, es hängt an Gott, der Ounou genannt wird. Doch es kann mit ihm nur durch die Ahnen in Kontakt treten.

Der Gott meiner Vorfahren ist der Schöpfer des Universums und von allem, was existiert. Er ist ein höchstes Wesen, unaussprechlich, unbegreiflich, unsichtbar und unergründlich. Dennoch ist er im Zentrum unserer Leben und durchdringt unsere ganze Existenz.“ (Eigene Übersetzung aus der französischen Originalausgabe „Dieu ou rien“.)

Seine Eminenz hat über die Religion seiner Vorfahren durchaus nicht nur Positives zu sagen; die Initiationsriten für Jugendliche greift er kurz darauf mit den schärfsten Worten an. Aber dieser grundsätzliche Gottesglaube ist ganz offensichtlich etwas Positives.

(Kardinal Sarah, 2015. Gemeinfrei.)

Dann gibt es da ja noch Religionen, die den Monotheismus vermittelt über Leute, die von der Offenbarung Gottes an das Volk Israel und in Jesus von Nazareth bereits wussten, kennenlernten, aber ihr eigenes Spin-off kreierten, wobei sie eine neue Offenbarung beanspruchten und  die alte für verfälscht oder eine minderwertige Vorstufe erklärten; Beispiele wären die Moslems im 7. oder die Bahai im 19. Jahrhundert.

Natürlich sind das falsche Religionen; und solche Verfälschungen haben irgendwo noch etwas Schlimmeres als vor der Offenbarung vorhandene, sich selbst (natürlich auch mit Gottes versteckt wirkender Gnade) nach der Wahrheit vortastende Philosophien und Religionen. Götzendienst sind sie allerdings auch nicht.

Um einen Freund (dankeschön, Nepomuk!) zu zitieren:

„Begründung, kurzgefaßt: Wer ‚Gott‘ sagt und dabei auch tatsächlich ‚Gott‘ meint – d. h. ein einziges höchstes Wesen, das nicht, wie die vorgestellten Götzen, der Welt angehört, sondern die Welt erschaffen hat – der meint eben per tautologiam auch Gott damit, und Schluß.

Ob man Seinen Sohn ignoriert (wie die heutigen Juden), ihm rabiate Leugnung der Wahrheit Seiner Dreifaltigkeit (wie die Moslems) unterstellt oder geradezu teuflische Züge (um mit Chesterton zu sprechen) bei [der] schuldlosen ewigen Verdammnis von Menschen wie die Kalvinisten, ist natürlich auf je eigene Art und Weise schlecht (vor allem Begriffe wie ‚Apostasie‘ und ‚Häresie‘ fallen da ein), ändert aber an der Tautologie nichts, daß wer Gott verehrt, Gott verehrt.

(Folglich muß ein Katholik, der zum Islam abgefallen ist, beichten ‚ich habe Apostasie begangen‘; er muß aber in der Tat nicht beichten ‚ich habe Götzendienst begangen‘.)“

Die Hindugötter beispielsweise sind tatsächlich Götzen; „Allah“ (das arabische Wort für „Gott“, das, nebenbei bemerkt, auch arabische Christen gebrauchen) ist tatsächlich kein Götze. Es wäre daher nett, wenn christliche Angriffe auf den Islam mit korrekten Begriffen operieren könnten, statt „Allah ist ein Götze“ o. Ä. zu proklamieren, was nun mal leider falsch ist. Anderweitige Angriffsfläche bietet ein gewisser falscher Prophet bekanntlich genug.

(Diese Tatsache, dass Gott nun mal Gott ist, schließt übrigens nicht aus, dass falsche Propheten und Sektenführer, die immerhin noch an Gott glaub(t)en, letztlich auf direkte oder indirekte Weise  von den Dämonen inspiriert waren; selbst immerhin noch christliche Irrlehrer, die sich von der Kirche abspalteten und der vollständigen Wahrheit Adieu sagten, wie beispielsweise Calvin, waren ja vermutlich irgendwie von den Dämonen inspiriert (wie auch sonst viele beim Tun von irgendwelchem Bösem).)

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(Links: Götzendienst; rechts: nicht Götzendienst. (Gemeinfrei.))

 

PS: Anlass für diesen Artikel war, dass man ja schon mal für eine modernistische Götzendienstverharmloserin gehalten wird, wenn man in sozialen Medien die unbestreitbare Tatsache erwähnt, dass Muslime wenigstens Gott ehren.

PPS: Eine interessante Beobachtung, die mir noch in den Sinn gekommen ist: Nicht nur Tradikatholiken, die den Islam angreifen wollen, sondern auch Fundiprotestanten, die den Katholizismus angreifen wollen, haben ja öfter Schwierigkeiten mit der korrekten Definition von „Götzendienst“: Einerseits, was altbekannt ist, werfen sie uns wegen der Heiligenverehrung Götzendienst vor; da können wir noch so oft erklären, dass wir die Heiligen verehren und nicht anbeten; aber komischerweise haben sie mit der tatsächlichen Anbetung der eucharistischen Gestalten (d. h. der gewandelten Hostie und des Weins, die in der Messe zu Leib und Blut Christi werden) durch Katholiken wesentlich weniger Probleme, obwohl das ihrer Lehre nach wirklicher Götzendienst sein müsste, da sie die Hostie für bloßes Brot halten und man Brot ja doch nicht anbeten sollte.

 

 

Moraltheologie und Kasuistik, Teil 6: Das 3. Gebot – der Tag des Herrn

Die praktische moraltheologische Bildung der Katholiken muss dringend aufgebessert werden – ich hoffe, da werden meine Leser mir zustimmen. Und ich meine hier schon auch ernsthafte Katholiken. In gewissen frommen Kreisen wird man heutzutage ja, wenn man Fragen hat wie „Muss ich heute Abend noch mal zur Sonntagsmesse gehen, wenn ich aus Nachlässigkeit heute Morgen deutlich zu spät zur Messe gekommen bin?“ oder „Darf ich als Putzfrau oder Verwaltungskraft in einem Krankenhaus arbeiten, das Abtreibungen durchführt?“ oder „Wie genau muss ich eigentlich bei der Beichte sein?“ mit einem „sei kein gesetzlicher Erbsenzähler!“ abgebügelt. Und das ist nicht hilfreich. Gar nicht. Weil das ernsthafte Gewissensfragen sind, mit denen manche Leute sich wirklich herumquälen können. Und andere Leute fallen ohne klare Antworten in einen falschen Laxismus, weil sie keine Lust haben, sich ewig mit diesen Unklarheiten herumzuquälen und meinen, Gott werde es eh nicht so genau nehmen, und wieder andere in einen falschen Tutiorismus, wobei sie meinen, die strengste Möglichkeit wäre immer die einzig erlaubte.

 Auf diese Fragen kann man sehr wohl die allgemeinen moraltheologischen Prinzipien – die alle auf das Gebot der Gottes- und Nächstenliebe zurückgehen – anwenden und damit zu einer konkreten Antwort kommen. Man muss es sich nicht schwerer machen, als es ist. Und nochmal für alle Idealisten: „Das und das ist nicht verpflichtend“ heißt nicht, dass man das und das nicht tun darf oder es nicht mehr empfehlenswert oder löblich sein kann, es zu tun. Es heißt nur, dass die Kirche (z. B. in Gestalt des Beichtvaters) nicht von allen Katholiken verlangen kann, es zu tun.

 Zu alldem verweise ich einfach mal noch auf einen meiner älteren Artikel. Weiter werde ich mich gegen den Vorwurf der Gesetzlichkeit hier nicht verteidigen.

 Jedenfalls, ich musste öfters lange herumsuchen, bis ich zu meinen Einzelfragen Antworten gefunden habe, und deshalb dachte mir, es wäre schön, wenn heute mal wieder etwas mehr praktische Moraltheologie und Kasuistik betrieben/kommuniziert werden würde; aber manches, was man gerne hätte, muss man eben selber machen, also will ich in dieser Reihe solche Einzelfragen angehen, so gut ich kann, was hoffentlich für andere hilfreich ist. Wenn ich bei meinen Schlussfolgerungen Dinge übersehe, möge man mich bitte in den Kommentaren darauf hinweisen. Nachfragen sind auch herzlich willkommen. Bei den Bewertungen, was verpflichtend oder nicht verpflichtend, schwere oder lässliche oder überhaupt keine Sünde ist („schwerwiegende Verpflichtung“ heißt: eine Sünde, die wirklich dagegen verstößt, ist schwer), stütze ich mich u. a. auf den hl. Thomas von Aquin, ab und zu den hl. Alfons von Liguori, und auf Theologen wie Heribert Jone (1885-1967); besonders auf letzteren. Eigene Spekulationen werden (wenn ich es nicht vergesse) als solche deutlich gemacht. Alle diese Bewertungen betreffen die objektive Schwere einer Sünde; subjektiv kann es Schuldminderungsgründe geben. Zu wissen, ob eine Sünde schwer oder lässlich ist, ist für die Frage nützlich, ob man sie beichten muss, wenn man sie bereits getan hat; daher gehe ich auch darauf ein; in Zukunft muss man natürlich beides meiden.

Wer nur knappe & begründungslose Aufzählungen von christlichen Pflichten und möglichen Sünden sucht, dem seien diese beiden Beichtspiegel empfohlen. (Bzgl. dem englischen Beichtspiegel: Wenn hier davon die Rede ist, andere zu kritisieren, ist natürlich ungerechte, verletzende Kritik gemeint, nicht jede Art Kritik, und bei Ironie/Sarkasmus ist auch verletzende Ironie/Sarkasmus gemeint.)

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/1/19/St_Alphonsus_Liguori.jpg

 (Der hl. Alfons von Liguori (1696-1787), der bedeutendste kath. Moraltheologe des 18. Jahrhunderts. Gemeinfrei.)

Alle Teile hier.

Im 3. Gebot geht es darum, den Tag des Herrn heilig zu halten.

In der Bibel heißt es: „Gedenke des Sabbats: Halte ihn heilig! Sechs Tage darfst du schaffen und all deine Arbeit tun. Der siebte Tag ist ein Ruhetag, dem HERRN, deinem Gott, geweiht. An ihm darfst du keine Arbeit tun: du und dein Sohn und deine Tochter, dein Sklave und deine Sklavin und dein Vieh und dein Fremder in deinen Toren. Denn in sechs Tagen hat der HERR Himmel, Erde und Meer gemacht und alles, was dazugehört; am siebten Tag ruhte er. Darum hat der HERR den Sabbat gesegnet und ihn geheiligt.“ (Ex 20,8-11)

Und in der zweiten Formulierung der Zehn Gebote: Halte den Sabbat: Halte ihn heilig, wie es dir der HERR, dein Gott, geboten hat! Sechs Tage darfst du schaffen und all deine Arbeit tun. Der siebte Tag ist ein Ruhetag, dem HERRN, deinem Gott, geweiht. An ihm darfst du keine Arbeit tun: du und dein Sohn und deine Tochter und dein Sklave und deine Sklavin und dein Rind und dein Esel und dein ganzes Vieh und dein Fremder in deinen Toren. Dein Sklave und deine Sklavin sollen sich ausruhen wie du. Gedenke, dass du Sklave warst im Land Ägypten und dass dich der HERR, dein Gott, mit starker Hand und ausgestrecktem Arm von dort herausgeführt hat. Darum hat es dir der HERR, dein Gott, geboten, den Sabbat zu begehen.“ (Dtn 5,12-15)

Im Unterschied zu den anderen unter den 10 Geboten gehört dieses Gebot nicht ganz zum Naturrecht, sondern teilweise zum positiven göttlichen oder nur zum kirchlichen Recht; d. h. man muss sich daran halten, weil Gott es so eingesetzt und die Kirche es in diesem Sinne näher geregelt hat, es ist nicht von selbst einsichtig. (Gott hätte auch bestimmen können, dass man jeden fünften Tag heiligen sollte, oder die zwei Tage nach jedem Neumond, wenn Er gewollt hätte.) Für die, die es kennen, ist natürlich das positive göttliche Recht ebenso verbindlich wie das Naturrecht, und Katholiken müssen prinzipiell auch dem kirchlichen Recht gehorchen; aber jemand, der noch nie vom christlichen Gott gehört hat, könnte in seinem Gewissen kein Gebot finden, diesen bestimmten Tag zu heiligen, auch wenn er da ein Gebot finden könnte, sich und anderen irgendwelche regelmäßigen Zeiten zu gönnen, um von der Arbeit auszuruhen und (auch gemeinschaftlich) Gott zu ehren und Ihm zu danken.

Im Alten Bund war der Sabbat, also der Samstag geheiligt; im Neuen Bund wurde von Beginn an der Tag danach zum „Tag des Herrn“, da es der Tag der Auferstehung des Herrn war. Am Sabbat feierte man symbolisch den Abschluss der Erschaffung der Welt, am Sonntag feiert man den Abschluss der Neuschaffung, der Erlösung; der Neue Bund bietet eine Art Überhöhung des Alten.

Zur Ausgestaltung des 3. Gebots wurden Mose im Alten Bund genauere Anweisungen übermittelt; im Neuen Bund hat Gott der von Ihm eingesetzten Kirche die genauere Ausgestaltung überlassen. Im CIC – Achtung: manches im Folgenden gilt vielleicht nur für lateinische Katholiken; ostkirchliche unierte Katholiken haben teilweise eigene Regeln – heißt es:

„Can. 1247 — Am Sonntag und an den anderen gebotenen Feiertagen sind die Gläubigen zur Teilnahme an der Meßfeier verpflichtet; sie haben sich darüber hinaus jener Werke und Tätigkeiten zu enthalten, die den Gottesdienst, die dem Sonntag eigene Freude oder die Geist und Körper geschuldete Erholung hindern.“

Die Sonntagsheiligung betrifft also zwei Dinge: Die sog. Sonntagspflicht zur Teilnahme an einer Messfeier (sie ist das Zentrale am Sonntagsgebot, weil der Tag des Herrn auch in einer gewissen Weise ausdrücklich dem Herrn gewidmet sein soll) und die Sonntagsruhe.

Erst einmal zur Messe.

Im Katechismus heißt es in der Kategorie „Kirchengebote“, wo es um die fünf zentralen kirchlichen Gebote, die als Minimum für die Gläubigen festgelegt sind, geht, entsprechend:

2042 Das erste Gebot („Du sollst an Sonn- und Feiertagen der heiligen Messe andächtig beiwohnen“) verlangt von den Gläubigen, an der Eucharistie teilzunehmen, zu der sich die christliche Gemeinschaft am Gedenktag der Auferstehung des Herrn versammelt [Vgl. CIC, cann. 1246-1248; CCEO, can. 881,1.2.4]. […]

2043 Das vierte Gebot („Du sollst die gebotenen Feiertage halten“) vervollständigt das Sonntagsgebot durch die Teilnahme an den liturgischen Hauptfesten, welche die Mysterien des Herrn, der Jungfrau Maria und der Heiligen ehren [Vgl. CIC, can. 1246; CCEO, cann. 881,1,4; 880,3].

(Der CCEO, auf den hier verwiesen wird, ist das Gesetzbuch für die unierten Kirchen.)

Und im CIC heißt es des weiteren:

Can. 1248 — § 1. Dem Gebot zur Teilnahme an der Meßfeier genügt, wer an einer Messe teilnimmt, wo immer sie in katholischem Ritus am Feiertag selbst oder am Vorabend gefeiert wird.

2. Wenn wegen Fehlens eines geistlichen Amtsträgers oder aus einem anderen schwerwiegenden Grund die Teilnahme an einer Eucharistiefeier unmöglich ist, wird sehr empfohlen, daß die Gläubigen an einem Wortgottesdienst teilnehmen, wenn ein solcher in der Pfarrkirche oder an einem anderen heiligen Ort gemäß den Vorschriften des Diözesanbischofs gefeiert wird, oder daß sie sich eine entsprechende Zeit lang dem persönlichen Gebet oder dem Gebet in der Familie oder gegebenenfalls in Familienkreisen widmen.

Das Ganze einzeln aufgedröselt:

1) Etwas Grundsätzliches: Dieses Kirchengebot verpflichtet Katholiken, die den Vernunftgebrauch besitzen, wobei man davon ausgeht, dass Kinder ihn (wenn nicht das Gegenteil deutlich ist, z. B. bei einer geistigen Behinderung) ab 7 Jahren haben. Kleinere Kinder müssen also rein theoretisch noch nicht in die Messe mitgenommen werden; aber es ist natürlich sehr gut für sie. Eine Kinderbetreuung für Kleinkinder parallel zur Messe ist also erlaubt (wenn auch vermutlich eher nicht sinnvoll, einerseits wegen der Kinder selbst, und andererseits, weil die Betreuer dabei ihre Sonntagspflicht wahrscheinlich verletzen, wenn sie nicht noch in eine weitere Messe gehen); aber Siebenjährige müssen an der Messe selbst teilnehmen dürfen.

Es gilt, wie alle bloßen Kirchengebote, nur für Katholiken, d. h. für jeden, der irgendwann einmal katholisch getauft oder nach der Taufe in die katholische Kirche aufgenommen wurde. S. dazu:

„Can. 11 — Durch rein kirchliche Gesetze werden diejenigen verpflichtet, die in der katholischen Kirche getauft oder in diese aufgenommen worden sind, hinreichenden Vernunftgebrauch besitzen und, falls nicht ausdrücklich etwas anderes im Recht vorgesehen ist, das siebente Lebensjahr vollendet haben.“

(Ein Kirchenaustritt vor dem Staat ändert nichts daran; er ist einfach eine schwere Sünde, da er ein öffentlich erklärter Abfall von der katholischen Kirche und von den Bischöfen verboten ist. (Er wäre auch dann eine objektiv schwere Sünde, wenn man nur austreten würde, um die Kirchensteuer zu sparen, und auch dann, wenn man die Kirchensteuer nicht zahlen will, da man meint, die Bischöfe würden sie falsch verwenden, und stattdessen dieselbe Summe an eine katholische Organisation seiner Wahl spenden will – nicht so sehr wegen dem Geld, sondern weil man vor dem Standesbeamten erklärt, dass man nicht mehr katholisch sein will) Ein Kirchenaustritt macht eine Wiederversöhnung mit der Kirche nötig, aber er macht einen eigentlich nicht zum Nichtkatholiken. Semel catholicus, semper catholicus; einmal katholisch, immer katholisch.)

Nichtkatholiken, die im Begriff sind, zum Katholizismus zu konvertieren, verpflichtet die Sonntagspflicht noch nicht, auch wenn sie sich an die Sonntagsruhe halten und den Sonntag irgendwie ein wenig Gott widmen sollten; ein rein kirchliches Gesetz ist das 3. Gebot eben nicht. (Sie dürfen natürlich schon an der Messe teilnehmen, wenn auch ohne Empfang der Kommunion.) Wer noch nicht weiß, was er vom Christentum halten soll und erst einmal nachforscht, ist durch das 3. Gebot noch nicht moralisch gebunden.

2) Man muss eine hl. Messe besuchen; man muss in dieser Messe nicht immer die Kommunion empfangen. (Zur Kommunion s. einen kommenden Artikel.)

Eine Fernsehmesse genügt nicht, man muss körperlich anwesend sein. Fernsehmessen u. Ä. sind eine Hilfe für Leute, die aus guten Gründen (z. B. Krankheit) vom Messbesuch entschuldigt sind, aber trotzdem (und das ist dann freiwillig, aber empfohlen) noch eine gewisse Art von Ersatz haben möchten.

Eine Feldmesse bei einer großen Veranstaltung, wo man den Zelebranten nicht oder nur über Bildschirm sehen / hören kann, gilt allerdings; hier bilden die Gottesdienstbesucher eine Masse und sind gemeinsam an einem Ort versammelt, das ist etwas anderes als eine Fernsehmesse.

Zur Teilnahme gehört generell auch die innerliche Teilnahme. Aber gewöhnliche Ablenkungen und zerstreute Gedanken aus einer gewissen Nachlässigkeit heraus sind höchstens lässliche Sünden. Die hat jeder, die menschliche Konzentrationsfähigkeit ist endlich, und es wäre uferlos, wenn jemand postulieren würde, jeder, der nicht voll konzentriert war, hätte eine schwere Sünde begangen. Etwas anderes ist es, wenn man sich bewusst und gewollt während eines wichtigen Teils der Messe ablenkt, indem man z. B. vom Gloria bis zum Agnus Dei unter der Bank Handyspiele spielt (wenn man z. B. bei den Begrüßungsworten oder während der Predigt kurz aufs Handy schaut, wäre das auch lässliche Sünde).

Wenn man ohne eigene Schuld (z. B. wegen einem quengeligen Kleinkind oder weil einem vom Weihrauch übel geworden ist) während der Messe häufig abgelenkt war oder zwischendurch längere Zeit vor die Tür gehen musste, macht das nichts, in dem Fall ist die Sonntagspflicht erfüllt. Man muss keine zweite Messe mehr besuchen, wenn man es könnte. Man ist hingegangen, war anwesend, und kann sich auch dann, wenn man vor der Kirche draußen steht und wartet, dass das Baby aufhört zu schreien, innerlich mit der Gemeinde drinnen vereinigen, die mit dem Priester das Messopfer darbringt. (Zudem weiß man nicht, ob das Baby bei einer zweiten Messe ruhiger  wäre.)

Wer auf der Empore die Orgel spielt und deshalb abgelenkt ist, oder als Küster ab und zu in der Sakristei ist, oder während  der Messe beichtet, erfüllt auch seine Sonntagspflicht.

3) Man muss eine hl. Messe besuchen. Ein Wortgottesdienst erfüllt diese Pflicht nicht, auch keine Vesper oder Andacht.

Was ist, wenn man eine Messe besuchen will, und es stellt sich heraus, dass nur ein Diakon da ist, der einen Wortgottesdienst mit Kommunionausteilung leitet? Ein Wortgottesdienst, auch einer mit Kommunionausteilung, erfüllt die Sonntagspflicht auch so nicht. Bei jeder Messe geschieht mit der Wandlung noch einmal etwas Eigenes, eine neuerliche Vergegenwärtigung des Kreuzesopfers Christi. (Sonst könnte ein Priester im Grunde genommen einmal einen Haufen Hostien konsekrieren und die dann in den nächsten Wochen oder Monaten nach und nach in Wortgottesdiensten austeilen und müsste nicht jeden Tag wieder neu die Messe lesen – banal ausgedrückt. Den Unterschied zwischen Messe und Wortgottesdienst macht nicht nur die Kommunionspendung, auch wenn einer mit Kommunionspendung besser ist als einer ohne, wenn man nur die Wahl zwischen diesen beiden Alternativen hat.)

Die Frage wäre dann, ob man in diesem Fall noch schauen muss, ob man später noch die Nachbarpfarrei für eine wirkliche  Messe erreichen kann; ich würde sagen, das muss man tun.

Dasselbe gilt wahrscheinlich, wenn eine Messe, die man besucht hat, sicher ungültig war. Zur Gültigkeit ist nicht sehr viel erforderlich; aber vier Bedingungen müssen erfüllt sein:

  • der richtige Spender, also bei der Eucharistie ein gültig geweihter Priester
  • der Priester muss die Intention haben „das zu tun, was die Kirche tut“, wenn sie die Messe feiert. (Er muss nicht an das richtige Konzept davon glauben, was die Kirche hier tut oder was genau überhaupt die Kirche ist. Dass die Intention gegeben sein muss, heißt vor allem, dass die Worte nicht von selber magisch wirken. Wenn er die Worte z. B. als Schauspieler in einem Theaterstück spricht, oder um zu üben, oder um anderen zu zeigen, wie eine katholische Messe aussieht, wird nichts gewandelt.)
  • die verwendete Materie; es müssen Brot aus Weizen und Wein aus Trauben sein. (Völlig glutenfreie Hostien können nicht gültig gewandelt werden; glutenarme schon. Wer gar kein Gluten verträgt, muss den Priester bitten, unter der Gestalt des Weines kommunizieren zu dürfen. Auch Traubensaft ohne Alkohol kann nicht gültig gewandelt werden. (Ein Alkoholiker, der gar kein Gluten verträgt, hat leider keine andere Wahl, als nur geistlich zu kommunizieren.))
  • die Form muss stimmen; die Wandlungsworte müssen halbwegs korrekt sein. Die Worte „Das ist mein Leib“ (für die Konsekration des Brotes) und „Das ist … mein Blut“ (für die Konsekration des Weines) müssen vorhanden sein.

Wenn wegen Priestermangels öfter keine Messe in der eigenen Pfarrei stattfindet, muss man sich in der Umgebung umsehen. Ein guter Richtwert könnte sein: Man sollte für den Weg zur Sonntagsmesse bereit sein, denselben Aufwand auf sich zu nehmen wie für den Weg zur Arbeit. Wenn die nächste Sonntagsmesse weiter weg ist, als man, wenn man keine andere Arbeitsstelle finden würde, zu einer Arbeitsstelle pendeln würde, ist es nicht mehr verpflichtend. Eine halb oder dreiviertelstündige Auto- oder Bahnfahrt sollte also i. d. R. zumutbar sein, eine anderthalb- oder zweistündige dagegen eher nicht mehr. Traditionellerweise zieht man die Grenze bei einem Weg von einer Stunde. Natürlich macht es auch einen Unterschied, ob jemand ganz gesund oder schon eher gebrechlich ist (eine 75-jährige schafft nicht dasselbe wie ein 30-jähriger); ob man ein eigenes Auto oder wenigstens guten Zugang zu öffentlichen Verkehrsmitteln hat; usw.; aber als Richtwert: Eine Stunde muss man auf sich nehmen, mehr nicht.

4) Dann ist noch die Frage, was ist, wenn man zu spät gekommen ist. Zunächst mal ist das (wenn der Grund eigene Schuld/Fahrlässigkeit war) eine lässliche Sünde. Die Sonntagspflicht bezieht sich auf die Mitfeier einer ganzen Messe, aber wenn man immerhin gekommen ist, und nur wegen seiner Trödelei den Anfang verpasst hat, ist das nur minderschwer, und man muss auch keine weitere Messe besuchen. Wenn man allerdings so spät gekommen ist, dass man nicht einmal mehr die Gabenbereitung mitbekommen hat, gilt das auf jeden Fall nicht mehr für die Erfüllung der Sonntagspflicht (andere Theologen sagen: ab dem Evangelium). Den zentralen Teil der Messe muss man mitbekommen.

Wenn man ohne eigene Schuld zu spät gekommen ist (z. B. weil auf der Straße ein Unfall war und man nicht vorwärts gekommen ist, oder wenn man nicht rechtzeitig aufgewacht ist, weil der Wecker wegen Stromausfall nicht geklingelt hat), ist das natürlich überhaupt keine Sünde. Aber wenn man aus solchen Gründen schuldlos die ganze Messe oder einen wichtigen Teil davon versäumt hat und noch eine weitere Messe besuchen könnte, muss man das vermutlich prinzipiell tun.

Wenn man ohne guten Grund ein paar Minuten früher gegangen ist (so wie manche Leute direkt nach der Kommunion gehen), ist das ebenfalls eine lässliche Sünde; wenn man aber noch früher geht – z. B. nach der Predigt oder vor der Konsekration -, eine schwere.

Heribert Jone schreibt (rückübersetzt aus der französischen Übersetzung seines Buches):

„Man begeht eine lässliche Sünde, wenn man willentlich einen nicht wichtigen Teil der Messe verpasst, z. B.: den Beginn bis vor der Gabenbereitung, oder alles, was nach der Kommunion kommt, oder sowohl alles, was vor der Epistel kommt, als auch, was nach der Kommunion kommt.

Man begeht eine  schwere Sünde, wenn man willentlich einen wichtigen Teil verpasst, z. B.: wenn man sowohl alles, was vor dem Evangelium kommt, als auch alles, was nach der Kommunion kommt, versäumt, oder auch den ganzen Teil der Messe, der vom Beginn der Gabenbereitung eingeschlossen an geht, oder auch den ganzen Teil des Kanons, der der Elevation vorausgeht, oder den von der Wandlung bis zum Vaterunser, oder auch die Wandlung allein, aber wahrscheinlich nicht die Kommunion allein. – Wer einen wichtigen Teil verpasst hat, hat die Pflicht, diesen Teil bei einer anderen Messe am gleichen Tag nachzuholen.

[…] Wer vor der Elevation ankommt und nicht noch an einer anderen Messe teilnehmen kann, ist gehalten, bei dieser zu bleiben, da er auf diese Weise noch seine Sonntagspflicht erfüllen kann: aber wer unter den gleichen Bedingungen erst nach der Elevation ankommt, muss nicht bleiben.“

5) Man muss an jedem Sonntag im Jahr und zusätzlich an jedem gebotenen Feiertag eine hl. Messe besuchen. Nicht an jedem Hochfest, sondern an jedem gebotenen Feiertag.

Welche Feiertage außer den Sonntagen geboten sind, kann sich von Land zu Land und Diözese zu Diözese unterscheiden; im CIC heißt es für die Weltkirche:

„Can. 1246 — § 1. Der Sonntag, an dem das österliche Geheimnis gefeiert wird, ist aus apostolischer Tradition in der ganzen Kirche als der gebotene ursprüngliche Feiertag zu halten. Ebenso müssen gehalten werden die Tage der Geburt unseres Herrn Jesus Christus, der Erscheinung des Herrn, der Himmelfahrt und des heiligsten Leibes und Blutes Christi, der heiligen Gottesmutter Maria, ihrer Unbefleckten Empfängnis und ihrer Aufnahme in den Himmel, des heiligen Joseph, der heiligen Apostel Petrus und Paulus und schließlich Allerheiligen.

§ 2. Die Bischofskonferenz kann jedoch, nach vorheriger Genehmigung des Apostolischen Stuhles, einige der gebotenen Feiertage aufheben oder auf einen Sonntag verlegen.“

Wenn die nationale Bischofskonferenz also nichts anderes bestimmt hat, sind Weihnachten (der 25. Dezember), Heiligdreikönig (= Erscheinung des Herrn; 6. Januar), Christi Himmelfahrt, Fronleichnam, Hochfest der Gottesmutter Maria (1. Januar), Mariä Empfängnis (8. Dezember), Mariä Himmelfahrt (15. August), der Josefstag (19. März), Peter und Paul (29. Juni) und  Allerheiligen (1. November) gebotene Feiertage.

In Deutschland gelten einige dieser Feiertage (Mariä Empfängnis, Josefstag, Peter und Paul) nicht als geboten; dafür haben wir ein paar andere zusätzliche, nämlich den 2. Weihnachtsfeiertag, Ostermontag und Pfingstmontag. Manche Feiertage (Heiligdreikönig, Christi Himmelfahrt, Fronleichnam, Mariä Himmelfahrt) gelten in Deutschland nur in einzelnen Diözesen als geboten. Eine hilfreiche Liste gibt es z. B. hier; auch für andere Länder lassen sich diese Listen im Internet leicht finden.

(Wenn sich jemand wundert, wieso Ostern und Pfingsten nicht genannt wurden: diese Feste fallen sowieso auf einen Sonntag.)

Manche Diözesen, v. a. in Ländern, in denen katholische Feste kaum staatliche Feiertage sind, verlegen die Feier eines Festes gelegentlich auf den folgenden Sonntag; dann muss man nur an diesem Sonntag in die Messe gehen. (Das gilt allerdings nicht, wenn z. B. an Fronleichnam eine Pfarrei die große Prozession am Sonntag nachholt und am Fronleichnamsdonnerstag selbst nur eine Messe feiert; zu dieser Messe muss man gehen, wenn Fronleichnam in der entsprechenden Diözese gebotener Feiertag ist.)

Was ist, wenn man gerade auf Reisen in einer anderen Diözese ist, in der ein Feiertag geboten ist, der es in der Heimatdiözese nicht ist, oder einer nicht geboten, der es in der Heimatdiözese ist? Da gilt: Man muss nur in die Messe gehen, wenn der Feiertag sowohl in der Heimatdiözese, als auch in der, die man gerade besucht, geboten ist. Das macht auch Sinn: Wenn man anderswo Urlaub macht, weiß man oft nicht, welche Feiertage dort geboten sind, die es zuhause nicht sind; und für zuhause gebotene Feiertage, die es dort nicht sind, wird man vielleicht keine Messe finden.

[Hier kommt nämlich folgendes kirchliches Gesetz ins Spiel:

Can. 12 — § 1. Allgemeine Gesetze verpflichten überall alle, für die sie erlassen worden sind.

§ 2. Von allgemeinen Gesetzen aber, die in einem bestimmten Gebiet nicht gelten, sind alle ausgenommen, die sich tatsächlich in diesem Gebiet aufhalten.

§ 3. Gesetzen, die für ein besonderes Gebiet gegeben worden sind, unterliegen diejenigen, für die sie erlassen sind, sofern sie dort ihren Wohnsitz oder Nebenwohnsitz haben und sich zugleich dort tatsächlich aufhalten, unbeschadet der Vorschrift des can. 13.

Can. 13 — § 1. Partikulare Gesetze werden nicht als personale, sondern als territoriale Gesetze vermutet, wenn nicht etwas anderes feststeht.

§ 2. Fremde sind nicht gebunden:

1° an partikulare Gesetze ihres Gebietes, solange sie von diesem abwesend sind, es sei denn, daß entweder deren Übertretung im eigenen Gebiet Schaden hervorruft oder es sich um personale Gesetze handelt;

2° an Gesetze des Gebietes, in welchem sie sich aufhalten, mit Ausnahme der Gesetze, die für die öffentliche Ordnung sorgen oder Rechtsförmlichkeiten bestimmen oder die in dem Gebiet gelegene unbewegliche Sachen betreffen.

3. Wohnsitzlose werden verpflichtet sowohl durch allgemeine als auch durch partikulare Gesetze, die an dem Ort gelten, an dem sie sich aufhalten.

Ein allgemeines Gesetz ist z. B., dass der Josefstag ein weltkirchlicher Feiertag ist. In Deutschland ist er das allerdings durch partikulares Gesetz nicht. Wenn sich jetzt ein Deutscher in einem Land, in dem der Josefstag geboten ist, aufhält, ist er gemäß Can. 13 § 2 °2 an kirchliche Gesetze (ob allgemein oder partikular) dieses Landes generell nicht gebunden; also muss er den Josefstag nicht begehen.

Nun sagen wir, jemand kommt aus diesem anderen Land, wo der Josefstag durch allgemeines Gesetz geboten ist, und macht Urlaub in Deutschland, wo er durch partikulares Gesetz nicht geboten ist. Hier kommt Can. 12 § 2 ins Spiel: Er muss also auch nicht zur Messe gehen.

Dass Pfingstmontag in Deutschland geboten ist, ist ein partikulares Gesetz; wenn sich ein Deutscher also am Pfingstmontag in einem anderen Land aufhält, ist er gemäß Can. 13 § 2 °1 (und auch Can. 12 § 3) nicht an partikulare deutsche Gesetze gebunden, muss also in diesem Land keine Messe besuchen.

Sobald man dauerhaft zumindest mit Nebenwohnsitz in eine andere Diözese zieht, oder sich dort ohne Absicht, dauerhaft zu bleiben, drei Monate aufgehalten hat, ist man kein „Fremder“ im kirchenrechtlichen Sinn mehr, ist also an die Bestimmungen der neuen Diözese gebunden:

„Can. 102 — § 1. Der Wohnsitz wird erworben durch jenen Aufenthalt im Gebiet einer Pfarrei oder wenigstens einer Diözese, der entweder mit der Absicht verbunden ist, dort ständig zu bleiben, sofern kein Abwanderungsgrund eintritt, oder sich über einen Zeitraum von fünf vollen Jahren erstreckt hat.

§ 2. Der Nebenwohnsitz wird erworben durch jenen Aufenthalt im Gebiet einer Pfarrei oder wenigstens einer Diözese, der entweder mit der Absicht verbunden ist, dort wenigstens drei Monate zu bleiben, sofern kein Abwanderungsgrund eintritt, oder der sich tatsächlich auf drei Monate erstreckt hat.“]

6) Eine Vorabendmesse erfüllt die Sonntagspflicht ebenso. Vorabendmessen gelten in den meisten Diözesen ab 16 Uhr des Vortages. (Manche traditionelle Gruppen in der Kirche kritisieren die Praxis der Vorabendmessen und finden, man sollte lieber am Sonntag gehen, aber rein kirchenrechtlich genügt das.) Man kann die Sonntagspflicht allerdings nicht verschieben, d. h. man kann z. B. nicht sagen „ich gehe lieber mittwochs in die Werktagsmesse, da ist weniger los“.

7) Die Sonntagspflicht wird durch eine Messe in jedem beliebigen katholischen Ritus erfüllt – d. h. man in eine Messe im römisch-katholischen Ritus, in eine assyrisch-katholische, chaldäisch-katholische, äthiopisch-katholische, melkitisch-katholische, koptisch-katholische usw. Messe gehen. Das gilt nicht für Messen schismatischer, d. h. von Rom getrennter, Ostkirchen. Man kann mal zusätzlich eine koptische oder orthodoxe Messe besuchen, z. B. weil man dort zu einem Fest eingeladen ist (allerdings darf man dort nicht die Kommunion empfangen); aber die Sonntagspflicht wird dort nicht erfüllt, sondern nur z. B. in einer koptisch-katholischen. Ersteres sind zwar gültige Messen, aber eben in von Rom getrennten Kirchen, sie genügen daher nicht. Die Teilnahme an der Messe drückt auch die Gemeinschaft mit den anderen Teilnehmern aus. Erst recht nicht genügen evangelische, anglikanische, baptistische usw. Gottesdienste, die gar keine Messen sind.

Was Messen bei der Piusbruderschaft angeht: Die Piusbruderschaft hat keinen kanonischen (kirchenrechtlichen) Status in der Kirche und daher gelten ihre Priester generell als suspendiert, d. h. sie dürften ihr Amt nicht ausüben, ihre Messen werden von der Kirche als unerlaubt gesehen. Sie sind allerdings nicht von der Kirche abgeschnitten (und der CIC verlangt übrigens nur die Teilnahme an einer Messe „wo immer sie in katholischem Ritus am Feiertag selbst oder am Vorabend gefeiert wird“, und sagt nichts von wegen „erlaubt gefeiert wird“, d. h. auch wenn ein Priester nicht die Erlaubnis hat, die Messe zu feiern, könnte es für einen Katholiken erlaubt sein, die Messe bei ihm zu hören). Die Päpstliche Kommission Ecclesia Dei hat sich zur Frage nach der Erfüllung der Sonntagspflicht bei der Piusbruderschaft einmal geäußert: Streng genommen könne man seine Sonntagspflicht bei der Piusbruderschaft erfüllen, aber es wäre nach Ansicht der Kommission eine Sünde, wenn man vorrangig dorthin gehen würde, um den Ungehorsam der Piusbruderschaft zu unterstützen; wenn jemand dorthin gehen würde, um einfach nur die Messe in der außerordentlichen Form zu hören [oder aus einem ähnlichen nicht verurteilenswerten Grund, z. B. weil das die nächste und am leichtesten zu erreichende Messe für ihn wäre, o. Ä.], wäre das keine Sünde.

Selbst wenn man die Haltung der Piusbruderschaft generell ablehnt, ist es also erlaubt, bei ihnen in die alte Messe zu gehen, weil man z. B. keine andere alte Messe findet; komplizierter wird es, wenn es an die Frage geht, ob sie nicht sogar gerechtfertigterweise ungehorsam sind (wozu man natürlich keine römischen Schreiben zurateziehen kann). Hier können Katholiken unterschiedlicher Ansicht sein; ich bin mittlerweile auf der Seite der Piusbruderschaft, aber das ist hier erst einmal nicht relevant.

8) Was ist, wenn einmal ein gebotener Feiertag auf einen Samstag fällt, oder zwei gebotene Feiertage hintereinander stattfinden, wie der 1. und 2. Weihnachtsfeiertag? Dann muss man zwei Messen besuchen; mit einer Abendmesse am ersten Tag kann man nicht beide abdecken. Mögliche Szenarien wären in dem ersten genannten Fall: 1) Zwei Vorabendmessen (Freitagabend und Samstagabend) 2) Vorabendmesse für den Feiertag und normale Sonntagsmesse (Freitagabend und irgendwann am Sonntag) 3) Normale Feiertagsmesse und Vorabendmesse für den Sonntag (Samstagvormittag und Samstagabend) 4) Zwei normale Messen (irgendwann am Samstag und irgendwann am Sonntag).

9) Wenn man etwa bei Szenario 1 schon in eine Messe für den Feiertag gegangen wäre und dann am Samstagabend noch in eine Vorabendmesse für den Sonntag gehen wollte, dabei aber noch einmal in eine Messe mit den Feiertagslesungen statt den Sonntagslesungen geriete, würde das trotzdem für den Sonntag gelten, weil man die Messe für den Sonntag beabsichtigte und das Gebot nur den Besuch einer Messe, nicht den einer liturgisch passenden Messe vorschreibt.

Auch wenn man eine Messe in einem anderen katholischen Ritus besucht, kann es sein, dass die Feiertage unterschiedlich fallen, weil hier ein anderer Festkalender gilt, und es gilt: Auch eine liturgisch unpassende Messe erfüllt das Gebot, eine Messe zu besuchen. Auch wenn sie nicht ideal ist.

10) Zur Entschuldigung vom Messbesuch reicht ein mittelmäßig wichtiger Grund. Entschuldigt ist man in Fällen von drohendem persönlichem (körperlichem oder geistlichem) Schaden, unzumutbaren Belastungen durch den Messbesuch oder vorrangigen Pflichten der Nächstenliebe, also z. B. dann, wenn man krank ist, arbeiten muss, gezwungen ist, eine Reise zu machen; oder einen sehr weiten Weg zur Messe hätte; oder daheim ein krankes Kind pflegen muss. Wenn man das nur in einem seltenen Ausnahmefall macht, ist auch mal ein Ausflug, zu dem man sonst keine Gelegenheit mehr hätte, eine Entschuldigung (z. B. mit Familienmitgliedern, die nur selten zu Besuch sind). Zu persönlichem Schaden / unzumutbaren Belastungen zählt auch, wenn der Messbesuch für großen häuslichen Unfrieden sorgt, also wenn z. B. eine 18-Jährige, die frisch konvertiert ist und noch zu Hause wohnt, von ihren atheistischen oder protestantischen Eltern jedes Mal schlecht behandelt wird, wenn sie in die Kirche geht. Was Krankheiten angeht: Gerade wenn man eine ansteckende Krankheit hat, sollte man sogar lieber zu Hause bleiben; aber auch bei Krankheiten, bei denen man nicht ansteckend ist (z. B. Migräne oder Schwangerschaftsübelkeit), kann man natürlich zu Hause bleiben, wenn es einem entsprechend schlecht geht. Auch Genesende, die ihre Genesung nicht gefährden sollen, sind nicht zum Messbesuch verpflichtet. Eine vielleicht hilfreiche Faustregel ist: In einer Situation, in der ein normal gewissenhafter Mensch zur Arbeit, zur Schule, zum wöchentlichen Fußballtraining im Verein, zu einer fest vereinbarten Verabredung mit Freunden, die sich nicht verschieben lässt, gehen würde, kann man auch zur Kirche gehen; wenn man aber einen guten Grund hat, wegen dem man sich dort entschuldigen würde, darf man auch von der Kirche zu Hause bleiben.

Auch psychische Erkrankungen können ein Entschuldigungsgrund sein. Sagen wir, jemand hat ein Trauma, an das er immer wieder erinnert wird, wenn er eine Kirche betritt, oder er hat eine Angststörung, eine lähmende Depression, oder etwas Ähnliches. Nicht nur physische Unmöglichkeit, sondern auch sog. „moralische Unmöglichkeit“ (gemeint ist, dass etwas praktisch nicht zumutbar ist) kann von Verpflichtungen entschuldigen. Psychische Krankheiten sind ebenso real wie körperliche, und Gott verlangt nicht mehr als den normalen, humanen Aufwand und Einsatz von einem, um zur Sonntagsmesse zu kommen, wie bei anderen alltäglichen, regelmäßigen, einigermaßen wichtigen Pflichtterminen.

Wenn jemand hier mehr tun will, als streng genommen geboten ist, darf er das natürlich (außer, es geht um vorrangige Pflichten, unangenehme/gefährliche ansteckende Krankheiten, o. Ä.).

Was ist, wenn man im Urlaub ist? Dazu sagt der hl. Johannes Paul II. (Dies Domini, Nr. 49): „Überdies sollen die Bischöfe die Gläubigen daran erinnern, dass sie sich im Fall der Abwesenheit von ihrem festen Wohnsitz am Sonntag um die Teilnahme an der Messe an ihrem Aufenthaltsort kümmern müssen.“

Darf man Reisen unternehmen, bei denen man weiß, dass man nicht die Gelegenheit haben wird, eine Messe zu erreichen, etwa eine Kreuzfahrt im Atlantik, oder eine Wandertour in der Mongolei? Ja, darf man – genauso, wie man auch einen Job annehmen darf, bei dem man voraussehen kann, dass man immer wieder sonntags Dienst haben und nicht in die Messe gehen können wird. Man sollte sich freilich nicht ohne Grund für längere Zeit am Stück der Gelegenheit berauben, die Messe zu besuchen, aber wenn man das mal tut, weil man auch einmal im Jahr Urlaub machen will und schon lange diese Wandertour machen wollte, oder wenn nun mal jemand im Kreiskrankenhaus arbeitet und dann auch alle paar Wochen am Sonntag bei der Arbeit sein muss, dann ist das in Ordnung.

Was ist, wenn man darauf angewiesen ist, dass andere einen in die Kirche fahren? Sagen wir, eine alte Frau kann nicht mehr Auto fahren, und weil es bei ihr auf dem Land keinen öffentlichen Nahverkehr gibt, müsste sie ihre Tochter, die normalerweise nicht zur Kirche geht, bitten, sie zu fahren; oder eine 16-jährige in derselben Gegend ist darauf angewiesen, dass ihre kirchenfernen Eltern sie fahren. Nun: Prinzipiell ist nur das verpflichtend, was man selbst erfüllen kann. Ich würde aber sagen: Wenn man Angehörige hat, die einen auch mal gerne fahren und dann nicht verärgert sind, weil man ihre Pläne für den Samstagabend oder den Sonntag durcheinander gebracht hat, sollte man das doch zumindest ab und zu annehmen, weil es schon wichtig für einen persönlich ist, die Gottesbeziehung durch wenigstens halbwegs regelmäßige Teilnahme an der Messe zu pflegen. Faustregel: Wenn man die Mama am Samstagabend bitten würde, einen zur besten Freundin zu fahren, bei der man einen DVD-Abend machen will, und einen hinterher wieder abzuholen, kann man sie auch bitten, einen zur Vorabendmesse zu fahren und hinterher wieder abzuholen. Dasselbe beim Organisieren von Fahrgemeinschaften mit Leuten, die zur selben Veranstaltung gehen: Man sollte bereit sein, denselben moderaten Aufwand zu betreiben, um zur Messe zu kommen, den man betreiben würde, um zu einer Veranstaltung mit Freunden zu kommen. Man muss keine Fahrgemeinschaften mit Leuten bilden, die man nicht kennt / denen man nicht vertraut, und keine Angehörigen in Anspruch nehmen, die andere Verpflichtungen/Pläne haben.

Wenn man sich am Samstagabend betrinkt und dabei weiß, dass man es wegen seinem Kater voraussichtlich nicht zur Sonntagsmesse schaffen wird, ist das auch eine Sünde gegen die Sonntagspflicht. (Das Betrinken, das so weit geht, dass man nicht mehr des Vernunftgebrauchs mächtig ist, ist außerdem sowieso eine schwere Sünde an sich.)

Wenn man die Messe nun aus einem Grund versäumt hat, bei dem man im Nachhinein sagen würde, „hm, vielleicht hätte ich es doch schaffen können/sollen“, kann das auch einmal einfach eine lässliche Sünde gewesen sein. Eine (objektiv) schwere ist es ganz klar bei offensichtlichen Gründen wie „keine Lust“ und „ich will eben ausschlafen“.

Zuletzt ein kontroverses Thema, zu dem ich meine Meinung auch geändert habe: Was ist, wenn man die einzige erreichbare Messe nicht besuchen will, weil der Priester häufig schwerwiegende liturgische Missbräuche verübt, oder Häresie predigt? Grundsätzlich gilt: Eine Gefahr für den Leib oder die Seele entschuldigt vom Messbesuch; und gerade wenn man selbst sich durch häretische Predigten beeinflussen lassen könnte (z. B. weil man die richtige Lehre und die Irrlehre nicht so genau unterscheiden kann), oder die Kinder, die man in die Messe mitnimmt, sich in dieser Weise beeinflussen lassen könnten, wäre das ein drohender Schaden für die Seele, also ist man nicht verpflichtet, die Messe mit diesen Predigten zu besuchen. Und wenn eine Messe liturgisch so verschandelt wird, dass es sakrilegisch wird, ist man auch nicht mehr verpflichtet, hinzugehen; es gibt keine Verpflichtung, einem Sakrileg beizuwohnen; hier aus Protest zu gehen / fernzubleiben, kann manchmal die bessere Wahl sein.

Dann zu dem anderen Teil des 3. Gebots: dem Thema Sonntagsruhe. Das dritte Gebot soll auch verhindern, dass Menschen zu Workaholics werden und keine Zeit mehr für Gott und die notwendige Ruhe haben. Die Arbeit ist nicht alles; man muss auch mal ruhig werden und direkt auf Gott schauen. Es ist auch gut, sich am Sonntag anderen Menschen zu widmen, für die man unter der Woche keine Zeit hat, z. B. den Großeltern.

Nach dem früheren Kirchenrecht waren ausdrücklich die sog. „knechtliche Arbeit“ (also körperliche Arbeiten, die zu materiellem Nutzen geschehen, wie Putzen, Nähen, Bauarbeiten, Schreinern usw.), der Handel (Kauf und Verkauf), und gerichtliche Handlungen als der Heiligkeit des Sonntags entgegenstehend verboten; der CIC von 1983 ist nicht mehr so klar, sondern nennt nur „jene[…] Werke und Tätigkeiten […], die den Gottesdienst, die dem Sonntag eigene Freude oder die Geist und Körper geschuldete Erholung hindern“ (Can. 1247). Was das genau heißt, dazu habe ich leider keine neueren kasuistischen Ausführungen gefunden.

Man kann dafür plädieren, darunter nicht nur die drei genannten Kategorien (aber sie natürlich auch), sondern auch Erwerbsarbeit, die nicht in körperlicher Arbeit besteht, wie z. B. Buchhaltung, zu verstehen, da der CIC schließlich auch von der Erholung von „Geist und Körper“ redet. Intellektuelle und künstlerische Tätigkeiten galten traditionell als erlaubt; allerdings könnte man sagen, dass es auch hier zumindest besser ist, wenn z. B. Schüler oder Studenten, die nicht dringend für eine Prüfung lernen müssen und das Lernen, sofern es für sie etwas der Arbeit Vergleichbares, Anstrengendes ist, auch auf einen anderen Tag legen könnten, es verschieben, um sich erholen zu können. Handarbeit als Hobby zur Erholung ist wohl nicht zu beanstanden. (Man bezeichnet ja auch z. B. das Wandern nicht als Arbeit, auch wenn es körperlich anstrengt; und Handarbeiten haben auch etwas „Künstlerisches“, nicht nur etwas Praktisches an sich.) Staubsaugen, Waschen, Rasenmähen, Unkrautjäten im Gemüsebeet, Streichen von Wänden u. Ä. (kurz gesagt, das, was Arbeit im eigentlichen Sinn ist) sollte man aber, wenn möglich, auf andere Tage legen. Selbst wenn eine Arbeit einem Spaß macht, sollte man mal davon ausruhen. Sportveranstaltungen sind unbedenklich (nur sollten sie einen nicht von der Messe abhalten).

Entschuldigungsgründe, die Sonntagsarbeit erlaubt machen, können sein:

  • Der Dienst an Gott. Hier ist aber nur der direkte Gottesdienst gemeint (z. B. Küsterdienst, Herrichten der Blumenteppiche am Morgen von Fronleichnam, u. Ä.); das Rasenmähen auf dem Kirchengelände oder das Renovieren des Kirchengebäudes sollte man, wenn möglich, auf andere Tage legen.
  • Eigener Bedarf oder der des Nächsten. Hausarbeiten, die nicht oder nur schwer verschoben werden können, Arbeiten wie die des Arztes oder Altenpflegers, die jeden Tag gemacht werden müssen, Sonntagsarbeit von Leuten, die ohne den Lohn davon nicht auskommen, Sonntagsarbeit in Betrieben, die nur mit großem Schaden am Sonntag stillstehen können, Einholen der Ernte, wenn schlechtes Wetter droht, Hilfe beim Umzug eines Familienmitglieds, das sich entschieden hat, an diesem Tag umzuziehen, karitative Tätigkeiten… das alles ist erlaubt. Wenn jemand von seinem Chef zur Sonntagsarbeit verpflichtet wird, ist er entschuldigt; ein katholischer Chef darf aber, wenn es nicht unbedingt notwendig ist, seine Angestellten nicht zur Arbeit verpflichten. Außerdem muss er ihnen dann natürlich an einem anderen Tag frei geben.
  • Rechtmäßige Gewohnheiten, Landesbrauch. Z. B. sind festliche Jahrmärkte am Sonntag in Ordnung, wo sie üblich sind, oder dass Restaurants sonntags geöffnet haben und Menschen dort essen gehen, was, auch wenn hierfür manche wieder arbeiten müssen, auch eine gewisse Festlichkeit ermöglicht. Wenn es in einem nichtchristlichen/säkularen Land generell üblich ist, am Sonntag zu arbeiten, ohne Rücksicht auf Gottesdienst usw., entschuldigt das zwar die dadurch zur Arbeit genötigten Christen, aber diese Gewohnheit gehört trotzdem eigentlich abgeschafft und der Sonntag gesetzlich geschützt.

Solche Ausnahmen sollten allerdings nicht zur Regel werden, wenn es sich vermeiden lässt, und auch wenn man am Sonntag arbeiten muss, ist es gut, wenn man an diesem Tag mehr betet und an Gott denkt.

(Vgl. hierzu auch Jesu Handlungen und Äußerungen bezüglich der Auslegung des Sabbatgebots, z. B. „Der Sabbat wurde für den Menschen gemacht, nicht der Mensch für den Sabbat. Deshalb ist der Menschensohn Herr auch über den Sabbat.“ (Mk 2,27f.))

Ab einer Dauer von etwa zwei bis drei Stunden wurde unnötige Sonntagsarbeit klassischerweise als schwere Sünde gezählt. Kurze Einkäufe, die man auch hätte verschieben können, u. Ä. sind also nur lässliche Sünden. Auch wenn man das Sonntagsgebot etwas locker auslegt und längere Arbeiten erledigt, für die man schon einen Grund findet, aber einen, bei dem man sich hinterher denkt, dass er vielleicht doch nicht so stichhaltig war wie zuerst gedacht, kann das einfach eine lässliche Sünde gewesen sein. Aber, wie gesagt, unnötige Sonntagsarbeit kann auch schwere Sünde werden.

Am Sonntag zu fasten ist nicht verboten, aber nie verpflichtend und eigentlich nicht üblich, weil es ein festlicher Tag sein soll. (Mehr zum Fasten in einem anderen Artikel.)