(Ein etwas verspäteter Bericht.)
Am Wochenende vor Dreikönig fand ja auf dem Augsburger Messegelände die vom Gebetshaus Augsburg organisierte MEHR-Konferenz statt; für alle, die noch nicht oder nur am Rand mitbekommen haben, worum genau es da ging: Die MEHR ist eine jedes Jahr oder alle zwei Jahre stattfindende Veranstaltung mit einer Menge christlichen Vorträgen, einer Menge Lobpreismusik, einer Menge Gelegenheit zur Vernetzung für christliche Gruppen, diesmal auch mit etwas Austausch von Berufstheologen, und natürlich immer mit diversen Gottesdiensten; eine gemeinsame Veranstaltung von Katholiken und Evangelikalen; mit heuer um die 12.000 Besuchern. Johannes Hartl, der Gebetshausleiter, ist rechtgläubiger Katholik, aber einer, der durchaus Wert auf die Ökumene mit den Freikirchlern legt, und die Katholiken, für die die MEHR gedacht ist, scheinen eher in die charismatische Richtung zu tendieren, auch wenn auch viele standardmäßig konservative hingehen.
Ich habe es in den letzten Jahren nie geschafft, hinzugehen, aber dieses Mal hat es dann endlich geklappt; wenn auch nur für einen Nachmittag. (Das ganze Programm lief von Freitag bis Montag.) Meine Hauptgründe, hinzugehen, waren eigentlich:
- Ich wollte ein paar Leute, die ich bisher nur aus dem Internet gekannt hatte, mal sehen.
- Ich wollte mir aus Neugier ein Bild davon machen, wie das Ganze so aussieht.
Und wo ich schon mal da war, dachte ich, dass meine Leser auch einen Erfahrungsbericht verdienen.
Am Sonntag, dem 5. Januar, habe ich also einen kurzen Abstecher nach Augsburg unternommen. Weil ich nur für sechs bis sieben Stunden da sein konnte, habe ich keinen kompletten Vortrag gehört; war nicht im Raum der Stille (wo eucharistische Anbetung stattfand); und habe nicht einmal alle Stände angesehen, die im aus zwei Messehallen bestehenden „MEHR-Forum“ aufgebaut waren (aber immerhin einige). Die MEHR ist eben wirklich etwas, für das man sich eigentlich das ganze Wochenende Zeit nehmen müsste. Ein bisschen Lobpreis habe ich mitgekriegt, außerdem die Messe am späten Nachmittag mit Weihbischof Florian Wörner aus Augsburg; und einen großen Teil des Nachmittags habe ich damit zugebracht, mich am Stand des Bistums Trier mit besagten Internetbekannten (u. a. einem anderen katholischen Blogger) endlich mal im realen Leben zu unterhalten.
Mein hauptsächliches Fazit:
- Weihbischof Wörner möge bitte unser nächster Augsburger Bischof werden.
- Internetbekannte treffen ist schön!
- So richtig kann ich mit dem ganzen Evangelikalenkram immer noch nicht.
Aber jetzt mal ein bisschen mehr für neugierige Leser. Den Mittag habe ich hauptsächlich damit verbracht, die Stände im MEHR-Forum anzusehen und überall Flyer einzustecken.


So in etwa sah das MEHR-Forum übrigens aus; an den meisten Plätzen voller als hier, aber ich wollte keine fremden Leute aus der Nähe aufs Photo bringen:

Unter den Besuchern waren, wie nicht anders erwartet, viele jüngere Leute und Familien mit Kindern.
Es waren, was die Stände angeht, natürlich einige Gruppen da, die ich gekannt und mehr oder weniger erwartet hatte. Es gab ein paar Stände von Aktivisten u. Ä.: „Demo für alle“; „Jugend für das Leben“; eine mir bisher unbekannte Organisation namens „Perlenschatz“, die muslimischen Frauen Hilfe bei häuslicher Gewalt usw. anbietet; einen Stand, an dem über Pornosucht informiert wurde.

Als ich zum zweiten Mal am Stand von „Demo für alle“ vorbeigekommen bin, ist mir da übrigens ein Mann aufgefallen, der mir irgendwie bekannt vorkam und bei dem mir im Nachhinein klargeworden ist, dass es Alexander Tschugguel gewesen sein dürfte, der österreichische Katholik, der die Pachamama-Statuen in den Tiber geworfen hat (was ich für ziemlich toll halte) und neuerdings ein „St. Boniface Institute“ gegründet hat, bei dem mir noch nicht ganz klar ist, was es tun soll.
Dann gab es geistliche Gemeinschaften wie die Gemeinschaft Emmanuel, und ein paar wenige Bistümer; außerdem viele Infos über Orientierungsjahre und Freiwilligendienste für Jugendliche/junge Erwachsene. Einige dieser Orientierungsjahre/-halbjahre betitelten sich als „Jüngerschaftsschule“; die waren für gewöhnlich evangelikal, aber es gab sie auch auf Katholisch.

Bei den Freiwilligendiensten, die vorgestellt wurden, hatte ich ein gewisses skeptisches Gefühl, weil man ja öfter die Kritik hört (nicht nur an christlichen Freiwilligendiensten, aber leider besonders an denen, und davon besonders an freikirchlichen), dass dabei Jugendliche schnell mal als Aushilfslehrer oder Kinderbetreuer für Heimkinder in exotische Länder geschickt werden, ohne viel vorbereitet zu werden, und bald wieder durch die nächsten Freiwilligen ersetzt werden. Freilich; ich habe keine großen Anhaltspunkte, inwiefern das auf die Freiwilligendienste zutrifft oder nicht, die sich auf der MEHR vorgestellt haben. Wobei ich grundsätzlich vorsichtig dabei wäre, 18jährige nach Afrika zu schicken.

Es war auch eine (wohl evangelikale) Organisation da, die Glaubensgrundkurse für Menschen mit muslimischem Hintergrund anbietet. Das fand ich wiederum sehr löblich und nachahmenswert.

Es gab christliche Verlage, nett aussehende Kaffee- und Essensstände, an denen ich allerdings nichts gegessen habe, und ein paar Verkaufsstände, wo man Handschmeichler, Tassen, Türschilder oder (übrigens fair gehandelte) T-Shirts erstehen konnte. Ich habe mir mal ein T-Shirt mitgenommen. Gefiel mir. Die Tassen und Türschilder weniger.

Manches war schon etwas überkandidelt.

Nicht, dass ich etwas dagegen hätte, wenn die Freikirchler auf einmal Mittelalterfans werden, aber dieses Coverdesign!
Eine der größten Ausstellungsflächen gehörte Open Doors (einer Organisation, die sich weltweit gegen Christenverfolgung einsetzt), und da war nicht nur ein normaler Tisch mit Flyern, sondern auch eine Art nachgebautes Minigefängnis, wo es viertelstündliche Führungen gab – d. h. einer der Aussteller führte kleine Gruppen in diesen abgedunkelten Raum mit Gitterstäben, und zeigte dort einen Film, in dem ein iranischer Konvertit von seinem Schicksal im Gefängnis erzählte. Der ganze Stand fokussierte sich dieses Jahr auf den Iran, wo Muslime, die zum Christentum konvertieren, regelmäßig langen Gefängnisstrafen inklusive Folter und manchmal Hinrichtungen ausgesetzt sind.
Bevor man das „Gefängnis“ wieder verließ, wurde in der Gruppe für die verfolgten Christen weltweit gebetet (frei gebetet, wobei jeder, der wollte, etwas sagen konnte; sogar eins der in meiner Führung anwesenden Kinder hat ein bisschen vorgebetet); und an dieser Stelle möchte ich meine Leser bitten, das auch kurz zu tun.

Die meisten Stände waren weniger deprimierend. Eine Ausstellungsfläche war ganz originell:

Damit man sich daran erinnert, wer hier der König ist. Auch wenn Er bei Seiner Wiederkunft bitte einen geschmackvolleren Thron bekommen soll.
Wenn man an vielen freikirchlichen Ständen vorbeikommt, entdeckt man allerlei Kurioses, z. B. Bücher, die dazu anleiten sollen, wie man anhand der Bibel Erfolg im Geschäft hat. Ich bin ja sehr für „der Glaube soll alle Lebensbereiche durchdringen“, aber irgendwie hatte das was Naja-weiß-nicht-Mäßiges.

Dass dem Autor und Verlag an dem ausgewählten Titel „Geschäfte mit Gott“ nichts Komisches aufgefallen ist, ist schon auffällig. Aber gut, vielleicht ist hier Humor gewollt gewesen.
In eine entschieden andere (zu andere, dürfte man sagen) Richtung ging es am Stand des anscheinend sehr antikapitalistisch eingestellten „Bruderhofs“ (einer täuferisch inspirierten protestantischen Kommunität, die Säkularisten zweifellos sofort als Sekte betiteln würden, wobei ich mir vorstellen kann, dass sich vermutlich auch Gründe dafür finden lassen würden). Dort gab es auch eine Zeitschrift mitzunehmen (kostenlos), die ich mir gleich mal eingesteckt habe. Und man muss sagen, dass das „Plough Publishing House“ Coverdesign kann. Allerdings bin ich noch nicht dazu gekommen, viel in der Zeitschrift zu lesen; mit einer genaueren Beurteilung muss ich also noch warten. Von David Bentley Hart beispielsweise, einem neuerdings aggressiv die Allerlösung predigenden Orthodoxen, erwarte ich nicht allzu viel.

In der Nähe dieses Standes sah man auch ein paar Frauen in etwas unförmigen langen karierten Kleidern und mit weißen, die Haare halb bedeckenden Kopftüchern. Hat mir irgendwie gefallen – besonders diese „Soll die Welt doch sagen, was sie will“-Einstellung, die das transportiert. Auch wenn ich nicht vorhabe, selber solche Kleider zu tragen.
Es gab aber nicht nur den vorherrschenden „hipper Jugendpastor“-Stil und den in jener Nische zu findenden „Puritaner“-Stil auf der MEHR, sondern auch den „Zeugen-Jehovas-Kitsch“-Stil.

Dann doch lieber Sonnenuntergangspostkarten mit inspirierenden Sprüchen.
Soweit mal ein Best-off MEHR-Forum (nicht wirklich ein Best-off; oft habe ich einfach nicht daran gedacht, Photos zu machen). Im „MEHR-Auditorium“ derweil sah es, während zwischen den anderen Programmpunkten ruhiger Lobpreis gespielt wurde, so aus:

Der Lobpreis war schön; da nimmt man doch mal wieder eine gewisse Dosis „Jesus liebt dich“ mit.
An den Ausgängen des MEHR-Auditoriums könnte man auch für sich beten lassen; ich habe mich allerdings nicht recht zu den Leuten hingetraut, die das in Zweierteams angeboten haben.
Ein bisschen was habe ich im MEHR-Auditorium später auch noch von einem „messianischen Juden“, Asher Intrater, mitgekriegt, der am Samstag als Redner geladen war. Von seinem letzten Workshop/Vortrag eigentlich nur, wie er Leuten beigebracht hat, ein paar Worte auf Hebräisch zu beten, um den Herrn um sein Kommen zu bitten oder so ähnlich. Wenn er nicht gerade Hebräisch sprach, sprach er Englisch, und seine Dolmetscherin musste sich ziemlich beeilen, seine Worte auf Deutsch wiederzugeben, bevor er weiterredete bzw. -schrie. Protestantische Prediger aus anderen Ländern sind wohl enthusiastischer als deutsche katholische.
(Die „messianischen Juden“ sind, knapp gesagt, eine Gruppe jüdischstämmiger Protestanten, die sich lieber „messianische Juden“ als „Christen“ nennen, noch das Gesetz des Mose halten, Judenmission betreiben, was die meisten Kirchen / kirchlichen Gemeinschaften ja leider verschämt aufgegeben haben, und trotz ihrer Bemühungen, alles, was sie antisemitisch finden, aus dem Christentum zu entfernen, bei den nichtchristlichen Juden ganz und gar nicht beliebt sind. (Ist m. E. verständlich: Eine Gegenpartei, die sich als Gegenpartei zu erkennen gibt, ist einem immer lieber als eine, die sich gibt, als wäre sie ganz auf derselben Seite wie man selbst.)

Aber zu den messianischen Juden, zu denen ich auch ein Infoblatt mitgenommen habe, das einer meiner Internetbekannten mir gegeben hat, der es bei ihnen bekommen hatte, würde sich wohl noch ein eigener Beitrag lohnen.
Ich fand es sehr schade, dass ich nicht noch für Johannes Hartls Vortrag am späteren Abend bleiben konnte; ich habe ihn schon einmal bei einer anderen Gelegenheit live gehört und fand ihn damals sehr gut.
Zur Messe war es im MEHR-Auditorium dann richtig voll, und Weihbischof Wörner (mit ein paar Konzelebranten und mindestens dreißig oder vierzig Priestern zum Kommunionausteilen) hat sie schön feierlich gehalten und schön über den Prolog des Johannesevangeliums gepredigt.
Es war etwas seltsam, dass nach dem Einzug der Priester und Ministranten eine Frau (vom Gebetshaus?) auf der Bühne es noch für nötig hielt, den Weihbischof vorzustellen wie vor einem Vortrag; aber gut. Es hatte auch etwas Komisches, dass sich dieselbe Frau hinterher bei ihm noch für (ungefähres Zitat) „das Vorstehen des Gottesdienstes und die Predigt“ bedankte. Was allerdings sehr gut war: Es wurde (ebenfalls von ihr, glaube ich) schon im Vorfeld der Messe ausdrücklich darauf hingewiesen, nur im Gottesdienst der eigenen Konfession die Kommunion zu empfangen.
Meine Meinung zur musikalischen Gestaltung der Messe:
Feierliche Messen sind was Wunderbares. Lobpreisabende können schön sein. Aber beides vermischt passt einfach nicht recht.
Mal hat man den feierlichen, altehrwürdigen Singsang der Liturgie, dann wieder die schnellen, irgendwie schmachtenden Lobpreislieder. Lobpreismusik bringt Konzertstimmung rein; nichts dagegen einzuwenden, wieso nicht religiöse Konzerte haben. Aber eben nicht während der Messe. Was auf irritierende Weise zu dieser Konzertstimmung gepasst hat: Die Kamera, die das Geschehen auf der Bühne auf zwei Leinwände an den Seiten der Halle geworfen hat, damit alle mitbekommen, was passiert, hat sich relativ oft und relativ lang auf das Gesicht des Sängers der Lobpreisband fokussiert.
Wobei man tatsächlich sagen muss, dass die Lobpreisversionen von zwei bekannten alten Kirchenliedern (die zum Einzug und nach der Kommunion gesungen wurden; mir will allerdings partout nicht mehr einfallen, welche Lieder es waren) durchaus etwas hatten.
Mein Gesamtfazit:
Etwas zu evangelikal und charismatisch war es mir doch. Das Evangelikale und das Charismatische hat so etwas Adrettes und Energiegeladenes an sich, neben dem ich mich immer gleichzeitig schlampig, hausbacken, rigide und ein bisschen erschöpft fühle. Gut; so fühle ich mich auch in der Berufsschule oder in der Arbeit, also liegt es wohl nicht nur an den Evangelikalen und Charismatikern.
Trotzdem. Lobpreissänger erinnern mich manchmal zu sehr an Schlagersänger (nicht musikalisch; vom Aussehen der Band her). Da ziehe ich Orgelspieler vor.
Aber es sind nicht nur ästhetische Vorbehalte. Ich schwanke bei Veranstaltungen wie der MEHR immer zwischen der Befürchtung, dass sich Katholiken von evangelikalen Irrtümern verleiten lassen könnten, und der Hoffnung, dass Evangelikale Vorurteile gegenüber der Kirche abbauen könnten. Vermutlich passiert beides bei verschiedenen Leuten.
Und ersteres ist keine Gefahr, die man ganz ausblenden sollte. Es stimmt nun mal leider, dass man sich ziemlich leicht von den Leuten beeinflussen lassen kann (auch ungewollt und unterbewusst), mit denen man seine Zeit verbringt, ganz besonders, wenn man sie als Freunde oder zumindest Verbündete betrachtet; und wenn sich auf so einer ökumenischen Veranstaltung ganz selbstverständlich nicht ganz unproblematische Protestanten präsentieren, nehmen Katholiken, die es mit ihrem eigenen Glauben ernst meinen, aber ihn nicht so genau kennen, sicher unterschwellig einige von deren Ideen als mutmaßlich „einfach nur christlich“ auf. Außerdem ist es eben so ein Kreuz mit den ökumenischen Veranstaltungen, dass sie fast immer, sogar wenn die Veranstalter noch mal das Gegenteil sagen, unterschwellig die Botschaft vermitteln: Eigentlich kommt es ja nicht so sehr darauf an, zu welcher Kirche man gehört, Hauptsache, man ist Christ; eigentlich sind wir doch alle eins. Was leider gerade eine typisch protestantische Irrlehre und kein ökumenischer Konsens ist. Im Apostolischen Glaubensbekenntnis bekennen wir uns auch zu der einen katholischen Kirche, nicht nur zu dem einen Christus, der ihr Begründer und bleibendes Haupt ist. Ich schätze, es wird auch den ein oder anderen Katholiken geben, der den Freikirchlern, die er auf solchen Wegen kennenlernt, einen feurigeren Glauben attestiert als seinesgleichen, v. a. wenn er eine schlechte Pfarrei hat, und dann rüberwechselt, eben weil er das Gefühl bekommt, dass es auf die Konfession ja nicht so sehr ankomme.
Auch von manchen Initiativen unter Evangelikalen und charismatischen Katholiken bin ich erstmal nicht über die Maßen begeistert. Einer meiner Internetbekannten hat die schon erwähnten „Jüngerschaftsschulen“ sehr gelobt und von Bekannten erzählt, die durch solche Schulen richtig gute Christen geworden seien. Da würde man die eigenen Wunden angehen, die eigene Beziehung zu Gott, den Platz im Leben, den Gott für einen gedacht hat. Das kann sein; ich will es gar nicht in Abrede stellen. Mir ist hinterher allerdings auch der Gedanke gekommen: Könnte man dasselbe Ziel nicht evtl. besser mit den langen, traditionellen Ignatianischen Exerzitien erreichen? Manchmal habe ich den Eindruck (nicht nur in diesem Bereich), heutige geistliche Bewegungen in- wie außerhalb der katholischen Kirche versuchen das Rad neu zu erfinden, nachdem irgendjemand in den 60ern entschieden hat, dass wir es nicht mehr brauchen, und sie dann festgestellt haben, dass wir es eben doch noch brauchen; aber weil keiner mehr weitergegeben hat, wie das denn früher gegangen ist mit der Herstellung, kommt irgendetwas annähernd Richtiges, aber Unausgegorenes und Unpräzises heraus. Es ist oft, als hätten wir einen ungenutzten Palast im Keller. Sicher, die Evangelikalen, von denen die Jüngerschaftsschulen kommen, hatten keine nachkonziliare Krise, aber sie sind im Grunde in einer ähnlichen Situation: Ihnen fehlt tradiertes Wissen, die Weisheit der Heiligen, jede neu gegründete Freikirche fängt in etlichen Dingen bei Null an. Und bei uns schaut man dann noch auf die Freikirchen, weil man sowohl die Tradition der Heiligen vergisst als auch nicht so ganz den Mut hat, selber was ganz Eigenes anzufangen.
Das Schöne an der MEHR allerdings war dieses Gefühl, unter tausenden Leuten zu sein, die genauso wenig zur säkularistischen Welt passen wie man selber. Für alle war es normal, zu Jesus zu beten, Jesus für das Wichtigste im Leben zu halten, und überzeugt zu sein, dass sich nicht Gottes Offenbarung der Postmoderne anzupassen hat, sondern die Postmoderne sich Gottes Offenbarung. Das ist eine nette Abwechslung, wenn man die übrige Zeit unter Säkularisten und vom Modernismus beeinflussten Christen verbringt; selbst wenn auf der MEHR noch so einige Häretiker anderer Richtungen dabei sind.
Am Ende ist meine Einstellung zu ihr nach der MEHR wohl dieselbe wie vor der MEHR: Ich bin kein riesiger Fan von ihr, aber auch keine spezielle Gegnerin. Ich würde mir eher eine andere Sorte MEHR wünschen, aber auch so, wie sie ist, kann es sich schon mal lohnen, hinzufahren.
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