Die frühen Christen (bis 200 n. Chr.), Teil 5b: Die Kirche – Ortskirchen und Weltkirche

Wer wissen will, was es mit dieser Reihe auf sich hat, möge bitte diese kurze Einführung hier lesen; knapp gesagt: ich habe Zitate aus christlichen Schriften vom Jahr 95 bis ca. 200 n. Chr. gesammelt, um einen Eindruck von der frühen Kirche zu vermitteln. (In der Einführung findet sich eine Liste mit allen herangezogenen Werken mitsamt ihrer Datierung.)

Alle bisher veröffentlichten Teile gibt es hier.

Bibelstellen zum Vergleich (Auswahl): Apg 8-28; 1 Kor 1,1f.; 1 Kor 16; 2 Kor 1; 2 Kor 8-9; 2 Kor 11,7-10; 2 Kor 13; Röm 16; Gal 1; Phil 2,19-30; Phil 4; Kol 4; 1 Thess 1-3; 2 Thess 1,1-3; 2 Tim 4; Tit 1,5; Tit 3,12-15.

Heute nur ein kurzer Beitrag dazu, was man davon hört, wie die einzelnen Ortskirchen miteinander verbunden waren und wie weit die Kirche bereits ausgedehnt war.

Die Rolle Roms klammere ich hier wieder aus, weil dazu ein eigener Beitrag kommt.

Auch die Ortskirchen werden, wie gesagt, Kirche genannt. So schreibt beispielsweise Papst Clemens im Jahr 95 n. Chr.:

„Die Kirche Gottes, die zu Rom in der Fremde lebt, an die Kirche Gottes, die zu Korinth in der Fremde lebt, den Berufenen, nach dem Willen Gottes durch unseren Herrn Jesus Christus Geheiligten, Gnade sei euch und Friede in reicher Fülle von dem allmächtigen Gott durch Jesus Christus.“ (1. Clemensbrief, Anrede)

Polykarp von Smyrna schreibt in einem Brief, der kurz nach den Ignatiusbriefen geschrieben wurde:

„Polykarp und seine Presbyter an die Kirche Gottes, die in Philippi weilt; Erbarmen und Friede sei mit euch von dem allmächtigen Gotte und unserem Erlöser Jesus Christus in reicher Fülle.“ (Brief Polykarps an die Philipper, Anrede)

Auch bei Ignatius heißt es (um ein Beispiel herauszunehmen):

„Ignatius, der auch Theophorus (heißt), der Kirche Gottes des Vaters und des geliebten Jesus Christus, die Erbarmen gefunden in jeglicher Gnadengabe, die vollendet ist in Glaube und Liebe, die keiner Gnadengabe ermangelt, der gotteswürdigen und Mutter von Heiligen, die zu Smyrna in Asien ist, herzliche Grüße in untadeligem Geiste und Werke Gottes.“ (Brief des Ignatius an die Smyrnäer, Anrede)

Man beachte: Hier wird die Kirche auch als „Mutter“ bezeichnet.

Davon, wie die einzelnen Gemeinden durch Briefe und Gesandtschaften verbunden waren, bietet Ignatius‘ Geschichte Anschauungsmaterial. Als er von Antiochia nach Rom gebracht wurde, damit ihm dort wegen seines Christseins der Prozess gemacht wurde (römische Bürger hatten ein Recht darauf, dort vor Gericht gestellt zu werden), schickten die Gemeinden auf seinem Weg durch Kleinasien und Griechenland Gesandte zu ihm, die ihn trafen und ihn teilweise ein Stück begleiteten, und er schrieb auf späteren Stationen seines Weges Briefe zurück an die Gemeinden, durch die er gekommen war (und außerdem einen voraus nach Rom), und bat sie, auch noch Gesandte zu seiner Gemeinde in Syrien zu schicken. Er schreibt an Bischof Polykarp von Smyrna:

„Da die Kirche von Antiochien in Syrien, wie mir mitgeteilt wurde, auf euer Gebet hin Friede hat, wurde auch ich freudiger gestimmt in sorglosem Vertrauen auf Gott, wenn ich nur durch meine Leiden zu Gott gelange, damit ich bei der Auferstehung als euer Jünger erfunden werde. Es wäre angebracht, gottseliger Polykarp, dass ihr eine gottgefällige Versammlung veranstaltet und einen Mann wählet, den ihr gar sehr liebet, einen unermüdlichen, den man Gottesläufer nennen kann; dass ihr diesen beehret, nach Syrien zu reisen, damit er eure unverdrossene Liebe kund tue zur Ehre Gottes. […]

Da ich nun allen Kirchen nicht mehr schreiben konnte wegen der plötzlichen Abreise von Troas nach Neapel, wie es (Gottes) Wille gebietet, so schreibe du, da du mit Gottes Gesinnung ausgestattet bist, den vorderen Kirchen, dass auch sie das gleiche tun, dass nämlich die einen, denen es möglich ist, Gesandte, die anderen aber durch die von dir abgeordneten Boten Briefe schicken, damit ihr verherrlicht werdet durch ein bleibendes Werk, wie du es ja verdienst. Ich grüße alle bei Namen, besonders die Frau des Epitropus mit ihrem ganzen Hause und ihren Kindern. Ich grüße meinen geliebten Attalus. Ich grüße den, der die Ehre haben wird, nach Syrien zu reisen. Die Gnade soll mit ihm sein in allem und mit Polykarp, der ihn abschickt. Ich sage euch für immer Lebewohl in unserem Gott Jesus Christus, in dem ihr verharren möget, geeint mit Gott und unter seinen Augen. Ich grüße Alke, den mir lieben Namen. Lebet wohl im Herrn!“ (Brief des Ignatius an Polykarp 7-8)

Polykarp schreibt dann später an die Philipper:

„Sowohl ihr habt mir geschrieben als auch Ignatius, dass, wenn jemand nach Syrien reise, er auch euren Brief mitnehmen solle; das werde ich besorgen, wenn ich günstige Zeit habe, sei es persönlich oder durch einen Boten, den ich auch in eurem Namen abordnen werde. Die Briefe des Ignatius, die er an uns geschickt hat, und andere, die wir bei uns haben, schicken wir euch zu, wie ihr verlangt habt; sie sind diesem Briefe beigefügt; ihr werdet großen Nutzen aus ihnen ziehen können. Denn sie handeln von Glaube, Geduld und jeglicher Erbauung, die auf unseren Herrn abzielt. Auch möget ihr, was ihr über Ignatius selbst und seine Begleiter Sicheres erfahren habet, (uns) kund tun.“ (Brief Polykarps an die Philipper 13)

Aus dem kirchlichen Leben des späteren 2. Jh. findet man Zeugnisse bei dem Kirchenhistoriker Eusebius von Cäsarea, der um 300 schreibt. Da schreibt er z. B. über den Umgang mit dem Montanismus (einer Abspaltung von der Kirche, deren Anhänger einen gewissen Montanus für einen Propheten hielten – auch zwei Frauen namens Priscilla und Maximilla traten als montanistische Prophetinnen auf – und sehr streng in ihrer Glaubenspraxis waren, z. B. die Wiederheirat von Witwen & Witwern ablehnten):

„Die Schriften des Apollinarius, die gegen die genannte Sekte gerichtet sind, werden von Serapion erwähnt, der nach der Überlieferung zu jener Zeit nach Maximinus Bischof der Kirche von Antiochien war. Er gedenkt dessen in seinem Briefe an Karikus und Pontius, worin auch er dieselbe Sekte behandelt und dabei also spricht: ‚Damit ihr aber wißt, daß das Treiben dieser lügenhaften Genossenschaft, welche sich als neue Prophetie bezeichnet, von allen Brüdern der Erde verachtet wird, übersende ich euch Briefe des Klaudius Apollinarius, des heiligen Bischofs von Hierapolis in Asien.‘ In diesem Briefe des Serapion finden sich auch Unterschriften verschiedener Bischöfe. Einer derselben unterzeichnet sich also: ‚Ich, Aurelius Quirinius, Märtyrer, bete, daß es euch gut gehe.‘ Eine andere Unterschrift lautet: ‚Älius Publius Julius aus der Kolonie Debeltus in Thrazien, Bischof: so wahr Gott im Himmel lebt, hat der selige Sotas in Anchialos1 den Dämon der Priscilla austreiben wollen, aber die Heuchler haben es nicht zugelassen.‘ Auch noch von mehreren anderen Bischöfen, welche mit diesen Männern übereinstimmten, finden sich eigenhändige Unterschriften in dem erwähnten Briefe.2 Soviel über die Frage des Montanismus.“ (Eusebius, Kirchengeschichte V,19)

An einer anderen Stelle schreibt er:

„Was Dionysius betrifft, ist zunächst zu bemerken, daß er den bischöflichen Thron der Kirche in Korinth erhalten hatte und daß er an seinem gottbegeisterten Eifer nicht allein seine Untergebenen, sondern neidlos auch bereits fremde Diözesanen teilnehmen ließ. Besonders nützlich machte er sich allen durch seine katholischen Briefe an die Kirchen. Von diesen Briefen ist einer an die Lacedämonier gerichtet; in demselben lehrt er den rechten Glauben und mahnt zu Friede und Einigkeit. Ein anderer Brief wendet sich an die Athener. In diesem sucht er Glauben und evangelisches Leben zu wecken und macht er den Athenern den Vorwurf, daß sie dies vernachlässigt haben und fast von der Lehre abgefallen seien, seitdem ihr Bischof Publius — es war zu seiner Zeit — den Martertod erlitten hat. Er gedenkt (daselbst) des Quadratus,1 der nach dem Martyrium des Publius ihr Bischof geworden war, und stellt ihm das Zeugnis aus, daß die Athener dank seinem Eifer sich wieder gesammelt haben und zu neuem Glaubensleben erwacht seien. Ferner teilt er (daselbst) mit, daß Dionysius der Areopagite, der nach dem Berichte der Apostelgeschichte2 von dem Apostel Paulus für den Glauben gewonnen worden war, zum ersten Bischof der Kirche in Athen erwählt wurde. Ein weiterer, noch vorhandener Brief des Dionysius ist an die Bewohner von Nikomedien gerichtet. In demselben bekämpft er die Häresie des Marcion und stellt sich auf den Boden des wahren Glaubens. In einem Briefe, der an die Kirche zu Gortyna und zugleich an die übrigen Kirchen auf Kreta gerichtet ist, belobt er deren Bischof Philippus, daß sein Sprengel sich durch blühendes Tugendleben auszeichne, und warnt vor Verführung durch die Häretiker. In dem Briefe, den er an die Gemeinde in Amastris und zugleich an die Gemeinden des Pontus geschrieben, gedenkt er des Bacchylides und Elpistus, sofern sie Anlaß des Schreibens waren, und gibt darin Erklärungen zu Bibelstellen und erwähnt ihren Bischof namens Palmas. Auch richtet er an sie zahlreiche Mahnungen bezüglich der Ehe und Jungfräulichkeit und fordert sie auf, alle jene, welche sich von irgendeinem Falle, einem Irrtum oder selbst von einer Häresie bekehren, wieder aufzunehmen.“ (Eusebius, Kirchengeschichte IV,23)

(Marcion war ein Sektengründer, der, grob gesagt, das Alte Testament ablehnte und lehrte, dass der Gott des AT und der Gott des NT verschiedene Götter seien, d. h. der Gott des AT eigentlich nur ein untergeordnetes böses Wesen.)

Über die Ausdehnung der Kirche schreibt Ignatius:

„Denn auch Jesus Christus, unser untrennbares Leben, ist der Wille des Vaters, wie auch die Bischöfe, die bis an die Grenzen der Welt aufgestellt sind, im Willen Jesu Christi sind.“ (Brief des Ignatius an die Epheser 3,2)

Darüber, wie weit die Apostel herumgekommen waren, liest man etwas bei Eusebius:

„Markus soll als erster in Ägypten das von ihm niedergeschriebene Evangelium gepredigt und in Alexandrien selbst als erster Kirchen gegründet haben. […]

Im achten Jahre der Regierung Neros übernahm Annianus als erster nach dem Evangelisten Markus die Leitung der Kirche in Alexandrien.“ (Eusebius, Kirchengeschichte II,16 u. 24)

„Die heiligen Apostel und Jünger unseres Erlösers aber hatten sich über die ganze Erde zerstreut. Nach der Überlieferung hatte Thomas Parthien (als Wirkungskreis) erhalten, Andreas Scythien, Johannes Asien, wo er nach längerem Aufenthalt in Ephesus starb. Petrus hatte offenbar im Pontus, in Galatien, Bithynien, Kappadozien und Asien den Diasporajuden gepredigt;1 schließlich kam er auch noch nach Rom und wurde seinem Wunsche entsprechend mit dem Kopfe nach unten gekreuzigt. Was soll ich von Paulus sagen, der ‚von Jerusalem bis Illyrien das Evangelium Christi verkündet hatte‘2 und später in Rom unter Nero gemartert wurde? So berichtet wörtlich Origenes im dritten Buche seiner Erklärungen zur Genesis.3(Eusebius, Kirchengeschichte III,1)

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(Hier eine Karte, damit man die Namen der Regionen einigermaßen zuordnen kann; sie zeigt allerdings das Römische Reich noch ein paar Jahrzehnte v. Chr. Das Partherreich lag östlich des Römischen Reiches (hier rot) und dehnte sich weit nach Osten aus. Illyrien war auf dem Balkan, mit Asien ist immer nur Kleinasien (heutige Türkei) bzw. auch nur ein Teil davon gemeint, die Skythen lebten nördlich des Schwarzen Meeres. Bildquelle: Wikimedia Commons, eingestellt von Borsanova.)

Ihre Nachfolger:

„Daß Paulus durch seine Predigt an die Heiden den Grund zu den Kirchen ‚von Jerusalem und dessen Umgebung bis nach Illyrien‘1 gelegt hat, dürfte sich aus seinen eigenen Worten sowie aus dem Berichte des Lukas in der Apostelgeschichte ergeben. In wievielen Provinzen Petrus denen aus der Beschneidung die frohe Botschaft von Christus gebracht und die Lehre des Neuen Bundes überliefert hat, dürfte sich deutlich aus den Worten Petri, nämlich aus dem erwähnten, allgemein anerkannten Briefe desselben ergeben, in welchem er an die Hebräer der Diaspora im Pontus, in Galatien, Kappadozien, Asien und Bithynien schreibt.2 Wieviele und welche Personen zu den rechtmäßigen Nachfolgern von Paulus und Petrus gehörten, so daß sie würdig befunden wurden, die von diesen gegründeten Kirchen zu weiden, ist nicht leicht zu bestimmen, abgesehen von ausdrücklichen Angaben des Paulus. Zahlreich waren ja dessen Mitarbeiter und, wie er sie selber nannte,3 Mitstreiter. Die meisten derselben hat er eines Andenkens gewürdigt, das nicht vergessen werden wird; ein unverfängliches Zeugnis hat er über sie in seinen Briefen niedergelegt. Doch auch Lukas erwähnt in der Apostelgeschichte die Schüler des Paulus und nennt sie mit Namen. Wie berichtet wird, wurde Timotheus zum ersten Bischof der Kirche von Ephesus4 und Titus zum ersten Bischof der Kirchen von Kreta5 ernannt. Lukas, der aus Antiochien stammte und von Beruf Arzt war, lebte meist in der Gesellschaft des Paulus, verkehrte aber auch eifrig mit den übrigen Aposteln. Beweise der Seelenheilkunde, welche er von den Aposteln erlernt hatte, hinterließ er uns in zwei inspirierten Schriften. Die eine ist das Evangelium, welches er nach seiner Versicherung entsprechend den Überlieferungen ausgearbeitet hat, die ihm die ersten Augenzeugen und Diener des Wortes gegeben haben, denen er allen, wie er sagt, von Anfang an gefolgt ist.6 Die andere Schrift ist die Apostelgeschichte, in welcher er nicht mehr Gehörtes, sondern persönlich Erlebtes aufgezeichnet hat. Wenn Paulus den Ausdruck gebraucht ’nach meinem Evangelium‘7 und damit den Schein erweckt, als hätte er selbst ein Evangelium geschrieben, dann soll er auf das Evangelium nach Lukas verweisen wollen. Von den übrigen Schülern des Paulus reiste Krescens, wie der Apostel erklärt,8 nach Gallien, Linus aber, von dem er im zweiten Briefe an Timotheus erzählt,9 daß er sich bei ihm in Rom befinde, erhielt zunächst nach Petrus den bischöflichen Stuhl der Kirche in Rom, wie ich schon oben10 gesagt habe. Klemens, der dritte Bischof der Kirche in Rom, wird von Paulus selbst als sein Mitarbeiter und Mitkämpfer erklärt.11 Ferner war der bekannte Areopagite, namens Dionysius, von welchem Lukas in der Apostelgeschichte12 schrieb, daß er nach der von Paulus auf dem Areopag an die Athener gehaltenen Rede zuerst den Glauben angenommen habe, der erste Bischof der Kirche von Athen, wie einer von den Alten, ein anderer Dionysius, der Hirte der Kirche von Korinth, berichtet. Die weiteren im Laufe der Jahre sich ablösenden Nachfolger der Apostel werden wir im Verlaufe unserer Kirchengeschichte bei Gelegenheit erwähnen. Gehen wir nun auf das Folgende über!“ (Eusebius, Kirchengeschichte III,4)


(Noch eine Karte, die eine späteren Zustand des Reiches zeigt. Bildquelle: Wikimedia Commons, eingestellt von Andrei nacu, deutsche Version von Furfur.)

„Zu gleicher Zeit machten sich noch mehrere andere einen Namen, welche den ersten Rang unter den Nachfolgern der Apostel einnahmen. Diese bauten als gottesfürchtige Schüler so großer Männer auf dem von den Aposteln überall gelegten kirchlichen Grunde weiter, mehr und mehr ihre Predigttätigkeit ausdehnend und weithin auf dem ganzen Erdkreis den heilbringenden Samen vom Reiche Gottes ausstreuend. Sehr viele von den damals lebenden Jüngern zogen nämlich, nachdem sie, vom göttlichen Worte zu heißer Liebe für Philosophie2 begeistert, in Befolgung eines Erlöserwortes3 ihr Vermögen an die Armen verschenkt hatten, in die Ferne und waren als Evangelisten tätig und eifrig bemüht, denen, die noch gar nichts von der Glaubenslehre gehört hatten, zu predigen und ihnen die Schriften der göttlichen Evangelien zu bringen. Nachdem sie auf fremdem Boden nur erst den Grund des Glaubens gelegt hatten, stellten sie andere Männer als Hirten auf, um diesen die Pflege der Neubekehrten anzuvertrauen. Sodann zogen sie wieder in andere Länder zu anderen Völkern, von Gottes Gnade und Kraft unterstützt; denn damals wirkten noch in ihnen zahlreiche Wunderkräfte des göttlichen Geistes, so daß ganze Scharen gemeinsam schon bei der ersten Predigt bereitwillig den Glauben an den Weltschöpfer von Herzen annahmen. Da es uns nicht möglich ist, alle jene Männer namentlich aufzuzählen, welche am Anfange der nachapostolischen Zeit irgendeinmal in den Kirchen des Erdkreises als Hirten oder Evangelisten aufgetreten sind, so erwähnen wir in unserer Geschichte füglich nur die Namen derer, deren apostolische Lehre uns bis auf den heutigen Tag in Denkmälern überliefert ist.“ (Eusebius, Kirchengeschichte III,37)

„Damals taten sich in der Kirche hervor: Hegesippus, den wir oben kennengelernt haben, Dionysius, Bischof von Korinth, Pinytus, Bischof auf Kreta, ferner Philippus, Apolinarius, Melito, Musanus, Modestus und schließlich Irenäus. Diese haben uns die wahre Lehre des gesunden, von den Aposteln gepredigten Glaubens in Schriften überliefert.“ (Eusebius, Kirchengeschichte IV,21)

Über die Ausdehnung der Kirche im späten 2. Jahrhundert berichtet Eusebius:

„Damals leitete ein wegen seiner Gelehrsamkeit sehr berühmter Mann, namens Pantänus, die Schule der Gläubigen in Alexandrien. Alter Sitte gemäß sollte dort eine Anstalt für den Unterricht in den heiligen Wissenschaften bestehen, die bis in unsere Tage sich erhalten und, wie wir wissen, mit guten philosophischen und theologischen Kräften besetzt war. Unter diesen soll sich damals Pantänus ganz besonders hervorgetan haben. Er war aus der Philosophenschule der sog. Stoiker hervorgegangen. Wie man erzählt, zeigte er solchen Feuereifer für die göttliche Lehre, daß er als Verkünder des Evangeliums Christi unter den Völkern des Ostens auftrat und sogar bis Indien zog. Es gab nämlich tatsächlich damals noch Wortverkündiger die Menge, die das Verlangen hatten, ihren göttlichen Eifer, die Apostel nachzuahmen, in Ausbreitung und Vermehrung des göttlichen Wortes zu betätigen. Zu ihnen gehörte Pantänus, der nach Indien gekommen sein soll, wo er, wie berichtet wird, bei einigen dortigen Bewohnern, die von Christus Kenntnis hatten, das schon vor seiner Ankunft dorthin gelangte Matthäusevangelium vorgefunden habe. Bartholomäus, einer der Apostel, soll diesen gepredigt und ihnen die Schrift des Matthäus in hebräischer Sprache hinterlassen haben, die denn damals noch erhalten gewesen sei. Auf Grund zahlreicher Verdienste wurde Pantänus schließlich Vorsteher der Katechetenschule in Alexandrien,1 wo er mündlich und schriftlich2 die Schätze der göttlichen Lehren auslegte.“ (Eusebius, Kirchengeschichte V,10)

Lieber persönliche Barmherzigkeit statt Wohlfahrtsstaat?

(Ein evtl. etwas polemischer Beitrag; Diskussion gerne erwünscht.)

Bei Neocons und Libertären, gerade bei solchen, die gleichzeitig auch noch an der Religion hängen oder zumindest eine gewisse Sympathie dafür haben, hört man manchmal die Argumentation: Der Wohlfahrtsstaat hat viel zu viel übernommen, Barmherzigkeit und Nächstenliebe sollte keine staatliche Sache sein, sondern das, wozu einzelne aufgerufen sind, statt unpersönlicher Programme sollte es persönliche Hilfe geben, die der erdrückende Sozialstaat nur unmöglich macht, indem er eine hohe Steuerlast aufbürdet.

Was ich dann höre, ist erstmal: Schade, dass der Arbeitslose oder der Erwerbsunfähige auf geregelte Weise seine Wohnung und sein Geld für Essen und Kleidung bekommt, er sollte doch viel lieber auf der Straße betteln und in der Suppenküche anstehen müssen. Das mag nur eine schnell dahingesagte Phrase sein; aber worauf sollte es sonst hinauslaufen?

(Anmerkung: Ich gehöre nicht zu denen, die Betteln für unwürdig/ehrlos halten, diese Einstellung ist eine neuzeitliche Erfindung: Es ist niemandem vorzuwerfen, Bettelei zu betreiben, der nichts hat, und es ist auch nicht entwürdigend, wenn man „milde Gaben“, „Almosen“ annehmen muss, genausowenig, wie es entwürdigend ist, ansonsten auf Hilfe angewiesen zu sein. Aber es ist trotzdem nicht angenehm, das tun zu müssen.)

Jesus hat (was dann gerne herangezogen wird) gesagt, dass wir die Armen immer bei uns haben werden, aber nicht, dass wir diesem Zustand nicht entgegenarbeiten sollen. Das ist eine Voraussage, kein Ideal. Es gibt – vor allem weltweit – immer noch mehr als genug Arme und bis zum Jüngsten Tag wird die Menschheit es nicht schaffen, Armut vollkommen verschwinden zu lassen, aber man kann darauf hinarbeiten.

Der Staat kann einiges dafür tun, indem er bloß für gerechte Regeln unter den Leuten sorgt, die einigermaßen für sich selbst sorgen können – Mindestlöhne, Kündigungsschutz, Förderung von Gewerkschaften und Innungen, Gesetze gegen Kartellbildung usw. -, aber es wird immer auch diejenigen geben, die nicht für sich selbst sorgen können. Kranke, Alte, Behinderte, Arbeitslose, die kein eigenes Vermögen haben und vielleicht nichts hätten ansparen können, die vielleicht auch keine Familie haben, die helfen kann. Und inwiefern kann es eine schlechte Sache sein, dafür zu sorgen, dass die gar nicht erst in totale Armut geraten (aus der sie dann umso schwerer herauskommen würden), sondern eine Sicherung haben, auf die sie sich verlassen können?

NGOs, die Spendengelder sammeln, oder Freundeskreise, oder Nachbarschaftshilfsprojekte, sind einfach nicht besonders gut dafür geeignet, das regelmäßige Einkommen von Behinderten, deren Werkstättenlohn nicht reicht, von Langzeitarbeitslosen oder armen Rentnern sicherzustellen. Es gibt sicher einige sehr gut funktionierende Organisationen mit Ehrenamtlichen; die Tafeln zum Beispiel. Und ich habe sicher nichts dagegen, wenn die Tafeln die Sozialhilfe ergänzen, vor allem, wenn sie dafür sorgen, dass Leute mal abwechslungsreicheres Essen finden oder anderswo ein paar Euro sparen können, aber man kann offensichtlich nicht alles über solche Organisationen bewirken. Abgelaufenes Essen zu spenden kostet niemanden viel: Wenn es z. B. um Krankenversorgung oder Wohnungen geht, sind hohe Kosten da, die irgendwer übernehmen muss, und zwar in geregelter Weise. Wollen wir amerikanische Verhältnisse, wo wegen hoher Eigenbeteiligung – und freilich enorm überhöhter Kosten für Behandlung und Medikamente – Krebskranke hoffen müssen, über ein GoFundMe Geld zusammenzubekommen, um nicht obdachlos zu werden und in Schulden zu versinken?

Arme sind auch normale Menschen, die nicht darauf erpicht sein werden, ständig von der „persönlichen Hilfe“ anderer abhängig zu sein, die gerade etwas geben wollen bzw. können oder auch nicht. Es ist Aufwand genug, sämtliche Anträge, Nebenkostenabrechnung, Kontoauszüge usw. usf. beim Sozialamt einzureichen.

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Michiel Sweerts, Porträt eines alten Bettlers. Gemeinfrei.

Persönliche Hilfe ist v. a. da gut, wo es auch um Persönliches geht. Dafür, dass die Wohnung eines Rentners mit zu geringer Rente geheizt ist, genügt eine Überweisung vom Sozialamt; wenn der Rentner einsam ist und keine Familie mehr hat, sind Pfarrgemeinde und Nachbarschaft gut. Freilich kann die Tatsache, dass materiell für das Wichtigste gesorgt ist, verschleiern, dass es jemandem trotzdem schlecht gehen kann; aber das heißt nicht, dass es besser wäre, wenn für das Materielle nicht gesorgt wäre. Sollte der Rentner lieber im Kalten sitzen oder gleich seine Wohnung verlieren?

Gerade in schlechten wirtschaftlichen Zeiten können Staaten sicher nicht immer so viel tun wie wünschenswert wäre, und private Initiativen sind zu allen Zeiten noch notwendig; aber wieso sollte er kaum etwas tun, wenn er etwas tun kann?

Von Libertären, die sich als katholisch verstehen, wird gerne das Subsidiaritätsprinzip aus der katholischen Soziallehre zitiert: Aber genau dieses Prinzip beweist doch, dass es hier Hilfe vom Staat braucht. Es sagt, dass größere Einheiten (wie der Staat) da unterstützend eingreifen sollen, wo kleinere Einheiten (Einzelner, Familie, Gemeinde) es nicht allein schaffen; dass die größeren Einheiten nicht alles an sich reißen und zentralisieren sollen. Aber da, wo es die kleineren Einheiten schlecht schaffen, sollen die größeren eben auch helfen: Subsidium heißt gerade Hilfe, Beistand, Reserve.

Abgesehen davon ist auch das Solidaritätsprinzip Teil der katholischen Soziallehre.

In der libertären Gedankenwelt ist der Staat ein Feind oder ein notwendiges Übel, das so wenig wie nur möglich tun soll, außer vielleicht die Freiheit des einzelnen sicherzustellen. Aber in der katholischen Soziallehre gibt es so etwas wie das Allgemeinwohl und es ist natürlich für die Menschen, in einer staatlichen Gemeinschaft zu leben. Und wieso sollte sich diese Gemeinschaft dann aus einem Teil, der so wichtig für das Gemeinwohl ist, völlig oder sehr stark heraushalten?

Tatsache ist einfach, kein Libertärer hat mehr das 19. Jahrhundert vor Augen gehabt, wo Arbeiter extrem geringe Löhne und schlechte Bedingungen akzeptieren mussten und es bestenfalls noch Armenhäuser für diejenigen gab, die nichts mehr hatten. Mir ist ein „Wohlfahrtsstaat“ doch lieber als Slums oder massenhafte Obdachlosigkeit. Dass der Markt alles regeln wird, ist letztlich ein Aberglaube. Über viele Einzelheiten kann man streiten, vielleicht meinen manche, die sich als liberal oder libertär sehen, auch nur Dinge, die noch völlig im Rahmen sind und lassen sich bloß zu übertriebenen Phrasen hinreißen; aber wenn Leute ein grundlegendes – wie man so sagt – „soziales Netz“ ablehnen, das Hunger und Obdachlosigkeit mit ziemlicher Sicherheit verhindert, begreife ich einfach nicht, wieso.

Ausgefeiltere Versionen libertärer Ideen werden natürlich mit freiwilligen Verbänden kommen, wo man Mitglied sein und sich z. B. gegen Arbeitslosigkeit oder für die Rente versichern und dabei zwischen verschiedenen Programmen wählen soll, aber wo ist hier noch der große Unterschied zum Staat? Es handelt sich um eine größere Gemeinschaft, wo alle einen gewissen, gar nicht so geringen Teil ihres Einkommens einzahlen, und der einzelne im Notfall etwas herausbekommt. Und das Argument von wegen „unpersönlich“ und „bürokratisch“ kann man hier definitiv nicht bringen: Nichts ist unpersönlicher und bürokratischer und unfreundlicher gegenüber den Kunden als eine private Versicherung.

(Und: Was ist mit denen, die das nicht können oder einfach vernachlässigt haben (ja, Menschen sind so dumm)? Was macht man mit dem psychisch Kranken oder Alkoholabhängigen, der sein Leben nicht auf die Reihe bekommen hat, oder mit dem, der sich einfach zu sicher war, dass er nie arbeitslos werden würde und sein Geld deswegen nicht für eine Versicherung hinauswerfen wollte? In der Obdachlosigkeit kann man auch den nicht enden lassen.)

Von „Instrumentalisierung“, Phrasen, und den Zielen von Terroristen

Als „Instrumentalisierung“ würde man es im normalen Sprachgebrauch bezeichnen, wenn jemand etwas rein taktisch-rhetorisch als Werkzeug benutzt, um etwas nicht oder kaum damit Zusammenhängendes durchzusetzen, und sich für diese Sache selber eigentlich nicht interessiert. Nach jedem islamischen Terroranschlag wird heutzutage denjenigen „Instrumentalisierung“ vorgeworfen, die Analysen und Lösungsvorschläge anbieten.

Da heißt es dann auf der einen Seite ungefähr:

„Menschen werden getötet, und das liegt daran, dass in der Vergangenheit das und das hier falsch gelaufen ist (das hätte man wissen können und manche haben es auch gewusst). Wenn wir wollen, dass nicht noch mehr Menschen getötet werden, müssen wir für die Zukunft endlich xyz tun.“

Und von der respektablen Seite kommt dann eine Antwort, die etwa auf das hier hinausläuft:

„Wie kannst du nur die Toten verunehren, indem du Lösungsvorschläge anbietest? Worauf es jetzt ankommt, ist, die immer gleichen Betroffenheitsphrasen abzuspulen, daher: Wir stehen fest an der Seite unserer Freunde in xyz, wir verurteilen diesen feigen und sinnlosen Terroranschlag, wir stehen zusammen und lassen uns durch Terror und Gewalt nicht einschüchtern, unser Mitgefühl ist bei den Angehörigen der Opfer. So, und jetzt husch-husch weitermachen wie bisher. Wir wollen doch die Terroristen nicht gewinnen lassen, nicht wahr? Und wehe, einer erwähnt den Hintergrund. Terror gibt es in allen Religionen. Das Problem ist Fundamentalismus.“

Da hört man dann auch oft Phrasen wie „Terroristen wollen die Gesellschaft spalten und Hass säen“: Eine unglaublich dumme Erklärung.

Kein Terrorist ist ein hirnloses Monster, das „muss hasserfüllte Gesellschaft haben“ vor sich hin murmelt. Terrorismus ist nicht sinnlos (und normalerweise auch nicht feige: Es erfordert schon Mut, auf andere Menschen loszugehen und sich selbst der Todesgefahr durch Polizeikugeln oder die eigene Bombe auszusetzen; Terroristen kann man pervers, gefühllos, mörderisch, selbstgerecht, hochmütig nennen, aber feige m. E. nicht). Terroristen wollen mit ihrem Terror konkrete Ziele durchsetzen.

Im Fall islamischer Terroristen wollen sie die Gesellschaft einschüchtern und sie mit der Bedrohung durch weiteren Terror davon abbringen, den Islam zu kritisieren oder gegen den wachsenden Einfluss des Islam in der Gesellschaft vorzugehen. Sie wollen Allah oder Mohammed zugefügte Beleidigungen rächen, indem sie konkrete Ungläubige töten. [In diesem Fall halte ich übrigens das schnodderige Gegenargument „dein Gott muss aber schwach und empfindlich sein, wenn du jemanden töten musst, der ihn beleidigt“ für ziemlich schlecht. Jemandem, der sagen würde, „wer meine Mutter beleidigt, den schlag ich zusammen, dass alle seine Knochen gebrochen sind“ würde man auch nicht entgegnen „deine Mutter ist aber empfindlich“. Das wäre noch ein bisschen etwas anderes als Mord und dieser Vergleich soll auch nicht im Entferntesten Sympathie für Mord ausdrücken (Vergleiche sind nun mal keine Gleichsetzungen, auch wenn der Durchschnittsmensch das immer weniger auseinanderhalten kann), sondern einfach klarmachen, dass das Argument nicht zieht.] Sie wollen vielleicht auch ihre eigenen Verbündeten bestärken, indem sie ihre Stärke beweisen und zeigen, dass sie Städte in Angst und Schrecken versetzen können. Und ihr Endziel ist die islamische Weltherrschaft, ganz einfach, das wird offen gesagt. „Weltherrschaft“ klingt immer so nach Zeichentrickfilmschurke, aber eigentlich will ja jeder, dass seine Ideale irgendwann auf der ganzen Welt angenommen werden; andere Leute wollen eben, dass irgendwann die ganze Welt liberal und demokratisch (was übrigens zwei verschiedene Sachen sind) ist. Radikale Muslime wollen, dass auf der ganzen Welt der Islam herrscht, islamische Regeln gelten und die verbliebenen Ungläubigen sich unterwerfen und die Schutzsteuer zahlen, oder einfach konvertieren.

Und hätten sie denn gewonnen, wenn man nicht weitermacht wie bisher? Man kann nicht einfach weitermachen wie bisher, in der Hinsicht, dass man sich einredet, dass es ja nur Einzelfälle sind und man nicht viel machen kann, das schuldet man den Opfern und möglichen zukünftigen Opfern; hier hätten sie gewonnen, wenn man weitermacht wie bisher. Und in anderer Hinsicht wird jetzt bereits nicht weitergemacht wie bisher, trotz aller Phrasen, dass man sich nicht einschüchtern lässt: Je mehr Terror und Gewalt, desto weniger öffentliche Kritik am Islam wird man hören, weil Einzelne das nicht mehr wagen. Die Leute, die davon reden, dass die Gesellschaft sich ihr Leben durch Terror nicht kaputt machen lassen wird, lassen sich vom Terror vielleicht nicht davon abhalten, vom Islam (manchmal zu Recht) als verdorben gesehene Lebensweisen weiter zu leben, aber sehr wohl davon, Mohammed öffentlich als falschen Propheten zu bezeichnen.

Terroristen sagen deutlich, was sie wollen; aufschlussreich z. B. eine Veröffentlichung des IS („Why we hate you and why we fight you“, ab S. 30 – Warnung, weiter unten in anderen Artikeln sind sehr brutale Bilder). Der erste Grund für Kampf und Terror gegen den „Westen“ – ausdrücklich wird gesagt, dass die westliche Außenpolitik ein untergeordneter Punkt ist – ist, dass man Gott verunehre, indem man ihm einen Sohn an die Seite stelle. Islamische Terroristen hassen sicherlich den Säkularismus und Liberalismus (wie sie dann auch an zweiter Stelle, ebenfalls vor der Außenpolitik, sagen), aber sie hassen zuerst auch das Christentum (und manchmal scheinen sie beides kaum auseinanderzuhalten). Illustriert wird dieser Teil des Textes mit einem Bild aus einer traditionellen lateinischen Messe, nicht gerade Ausdruck moderner Dekadenz.

Da helfen auch keine von vierzigjährigen Sozialpädagoginnen durchgeführten Programme zur Demokratiebildung oder Deradikalisierung, über die jeder Sechzehnjährige lachen wird, der sie über sich ergehen lassen muss.

Wenn man will, dass Leute nicht dem radikalen Islam verfallen, muss man ihnen etwas Ernstzunehmendes bieten; das (richtige) Christentum wäre hier nötig, und manchmal funktioniert das auch, aber viele Muslime sind dagegen leider schon zu sehr „geimpft“: Christentum ist Polytheismus, weil man Allah einen Sohn an die Seite stellt, eins ist nicht drei, und Allah kann ja wohl nicht leiden, weiter wird nicht gedacht und nicht diskutiert, obwohl es wunderbare Antworten auf das alles gäbe.

Tatsache ist, in jeder muslimischen Gesellschaft wird es viele Muslime geben, die ihren Glauben ernst nehmen, und die es daher z. B. für unbedenklich halten, in der Polygamie zu leben, die mit enormer Wut auf Mohammedkritik oder -karikaturen reagieren (anbei: mit Charlie Hebdo, diesem Atheistenblatt, kann ich auch nicht viel anfangen), die finden, dass in einer idealen islamischen Gesellschaft die Christen etc. Dhimmis sein sollten, und die es nicht über sich bringen, den historischen Dschihad zu verurteilen. Freilich werden die meisten von denen immer noch finden, dass heutige Terrorgruppen keine rechtmäßige Autorität sind, die den Dschihad ausrufen kann, und werden willkürliche Morde an Zivilisten in Friedenszeiten normalerweise ablehnen – auch wenn sie nicht allzu sehr trauern, wenn ganz gezielt jemand getötet wurde, der Blasphemie gegen den Islam betrieben hat. Aber es wird auch immer eine Minderheit geben, die da fanatischer ist, und die irgendwann Terroranschläge verübt.

Und deswegen muss das Ziel erst mal sein, dass der Anteil der Muslime an der Bevölkerung in Europa nicht immer weiter wächst, denn diese Minderheit ist in allen islamischen Ländern da. Viele Muslime kommen noch durch Einwanderung, daher wären logische Möglichkeiten solche Dinge wie weniger Einwanderung, auch weniger legale; Abschiebung Ausreisepflichtiger; höhere Hürden für Einbürgerungen; Anreize zur freiwilligen Ausreise; Verlust der Aufenthaltsgenehmigung bei vielen Verbrechen; usw. Es gäbe viele gute denkbare Möglichkeiten, mit denen etliche Länder schon lange arbeiten, und die niemandes Rechte verletzen, die ihm geschuldet sind. Dann haben Muslime oft eine höhere Geburtenrate; das ist ihnen nicht vorzuwerfen, denn Kinderkriegen ist gut und ein natürliches Recht, aber man kann auch Anreize für eine höhere Geburtenrate bei Nichtmuslimen schaffen. Wenn die Gesellschaft kinderfreundlich ist, geht die Geburtenrate oft wenigstens ein Stück weit hoch, weil die Leute eigentlich doch ein bisschen mehr Kinder wollen, als sie derzeit haben (nicht in allen Industrienationen ist sie so niedrig wie in Deutschland; Frankreich hat 2 Kinder pro Frau und Israel 3, mehr als einige seiner islamischen Nachbarstaaten). Demographische Fakten sind nun mal mächtig, egal, ob einem das gefällt oder nicht. Dann gibt es auch Konversionen von Nichtmuslimen zum Islam; die verhindert man am besten durch glaubwürdige Alternativen, d. h. die Kirche hat endlich mal wieder ernsthaft das zu verkünden, was sie zu verkünden hat, ohne sich dafür zu schämen oder es zu verwässern. Natürlich müsste man auch diejenigen Moscheen schließen und Imame ausweisen, bei denen Terror verherrlicht wird, strenger gegen Polygamie, Kinderehen und dergleichen vorgehen, und allgemein klarmachen, dass der Islam als etwas Fremdes geduldet wird, aber nicht die Gesellschaft zu prägen hat („christliche Leitkultur“, wie das dann so genannt wird).

Über solche Mittel zur Abwehr oder Eindämmung des radikalen Islam muss man reden. Wenn Säkularisten „Radikalisierung“ verhindern wollen, indem sie versuchen, Muslimen eine verwässerte Version ihrer Religion als modernen Islam unterzujubeln, der kaum mehr als Äußerlichkeiten mit der ursprünglichen Version gemein hat, oder wenn sie muslimische Mädchen zwingen wollen, gegen ihren Willen Kleidungsstücke abzulegen, dann ist das nicht nur bescheuert, sondern auch moralisch falsch. Und mit stärkerer Kontrolle durch Polizei und Verfassungsschutz kann man zwar was tun, aber irgendwann ist das einfach nicht mehr genug. Wenn die Seele raus ist, kann man den Körper nicht mehr reanimieren.