Moraltheologie und Kasuistik, Teil 10a: Das 4. Gebot – Eltern und Kinder

Die praktische moraltheologische Bildung der Katholiken muss dringend aufgebessert werden – ich hoffe, da werden meine Leser mir zustimmen. Und ich meine hier schon auch ernsthafte Katholiken. In gewissen frommen Kreisen wird man heutzutage ja, wenn man Fragen hat wie „Muss ich heute Abend noch mal zur Sonntagsmesse gehen, wenn ich aus Nachlässigkeit heute Morgen deutlich zu spät zur Messe gekommen bin?“ oder „Darf ich als Putzfrau oder Verwaltungskraft in einem Krankenhaus arbeiten, das Abtreibungen durchführt?“ oder „Wie genau muss ich eigentlich bei der Beichte sein?“ mit einem „sei kein gesetzlicher Erbsenzähler!“ abgebügelt. Und das ist nicht hilfreich. Gar nicht. Weil das ernsthafte Gewissensfragen sind, mit denen manche Leute sich wirklich herumquälen können. Und andere Leute fallen ohne klare Antworten in einen falschen Laxismus, weil sie keine Lust haben, sich ewig mit diesen Unklarheiten herumzuquälen und meinen, Gott werde es eh nicht so genau nehmen, und wieder andere in einen falschen Tutiorismus, wobei sie meinen, die strengste Möglichkeit wäre immer die einzig erlaubte.

 Auf diese Fragen kann man sehr wohl die allgemeinen moraltheologischen Prinzipien – die alle auf das Gebot der Gottes- und Nächstenliebe zurückgehen – anwenden und damit zu einer konkreten Antwort kommen. Man muss es sich nicht schwerer machen, als es ist. Und nochmal für alle Idealisten: „Das und das ist nicht verpflichtend“ heißt nicht, dass man das und das nicht tun darf oder es nicht mehr empfehlenswert oder löblich sein kann, es zu tun. Es heißt nur, dass die Kirche (z. B. in Gestalt des Beichtvaters) nicht von allen Katholiken verlangen kann, es zu tun.

 Zu alldem verweise ich einfach mal noch auf einen meiner älteren Artikel. Weiter werde ich mich gegen den Vorwurf der Gesetzlichkeit hier nicht verteidigen.

 Jedenfalls, ich musste öfters lange herumsuchen, bis ich zu meinen Einzelfragen Antworten gefunden habe, und deshalb dachte mir, es wäre schön, wenn heute mal wieder etwas mehr praktische Moraltheologie und Kasuistik betrieben/kommuniziert werden würde; aber manches, was man gerne hätte, muss man eben selber machen, also will ich in dieser Reihe solche Einzelfragen angehen, so gut ich kann, was hoffentlich für andere hilfreich ist. Wenn ich bei meinen Schlussfolgerungen Dinge übersehe, möge man mich bitte in den Kommentaren darauf hinweisen. Nachfragen sind auch herzlich willkommen. Bei den Bewertungen, was verpflichtend oder nicht verpflichtend, schwere oder lässliche oder überhaupt keine Sünde ist („schwerwiegende Verpflichtung“ heißt: eine Sünde, die wirklich dagegen verstößt, ist schwer), stütze ich mich u. a. auf den hl. Thomas von Aquin, ab und zu den hl. Alfons von Liguori, und auf Theologen wie Heribert Jone (1885-1967); besonders auf letzteren. Eigene Spekulationen werden (wenn ich es nicht vergesse) als solche deutlich gemacht. Alle diese Bewertungen betreffen die objektive Schwere einer Sünde; subjektiv kann es Schuldminderungsgründe geben. Zu wissen, ob eine Sünde schwer oder lässlich ist, ist für die Frage nützlich, ob man sie beichten muss, wenn man sie bereits getan hat; daher gehe ich auch darauf ein; in Zukunft muss man natürlich beides meiden.

Wer nur knappe & begründungslose Aufzählungen von christlichen Pflichten und möglichen Sünden sucht, dem seien diese beiden Beichtspiegel empfohlen. (Bzgl. dem englischen Beichtspiegel: Wenn hier davon die Rede ist, andere zu kritisieren, ist natürlich ungerechte, verletzende Kritik gemeint, nicht jede Art Kritik, und bei Ironie/Sarkasmus ist auch verletzende Ironie/Sarkasmus gemeint.)

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 (Der hl. Alfons von Liguori (1696-1787), der bedeutendste kath. Moraltheologe des 18. Jahrhunderts. Gemeinfrei.)

Alle Teile hier.

Im 4. Gebot – „Du sollst Vater und Mutter ehren“ – geht es um die Familie; obwohl hier nach dem Wortsinn nur die Pflichten der Kinder gegenüber den Eltern erwähnt werden, hat man darunter auch die Pflichten der Eltern gegenüber ihren Kindern miteinbegriffen, und im erweiterten Sinn auch die Pflichten in größeren Gesellschaften, v. a. dem Staat. In diesem Gebot geht es eigentlich darum, was es bedeutet, als Gemeinschaftswesen zu leben.

Daher hier erst mal ein paar allgemeinere Begründungen:

Nach der katholischen Naturrechtslehre ist es für Menschen natürlich, in Gesellschaft zu leben; Menschen sind auf Kontakt mit anderen ausgerichtet, kommen allein meistens nicht zurecht und werden schon in einer Gemeinschaft geboren (der Familie), die sie sich nicht selber ausgesucht haben und in die sie sich eingliedern müssen. Ohne eine Gemeinschaft können Menschen ihre typisch menschlichen Fähigkeiten (rationales Denken, Sprache, etc.) nicht ausbilden.

Der Moraltheologe Austin Fagothey definiert eine Gesellschaft als „eine bleibende Vereinigung einer Anzahl von Personen, die moralisch verpflichtet sind, unter einer Autorität für ein Gemeinwohl zusammenzuarbeiten“ (Austin Fagothey SJ, Right and Reason. Ethics in theory and practice, 2. Ausg., St. Louis 1959, S. 356). Das Gemeinwohl ist nicht nur die Zusammenfassung des Privatwohls der einzelnen Mitglieder (z. B. dass jeder einzelne von ihnen jeweils genug Nahrung und Besitz hat), sondern etwas, das sie alle gemeinsam genießen können und das nicht dadurch verringert wird, dass man es mit anderen teilt. Güter wie Freundschaft, Ordnung oder Wissen werden nicht dadurch verringert, dass andere auch an ihnen teilhaben, sondern eher vergrößert. Das höchste „Gemeingut“ in gewisser Weise, dem alle Menschen zustreben, ist Gott, die Summe alles Guten.

Die Kirche unterscheidet natürliche Gesellschaften, übernatürliche Gesellschaften und künstliche Gesellschaften. Natürliche Gesellschaften sind Gesellschaften, bei denen es von Gott gewollt ist, dass es sie gibt, und die Menschen nicht komplett beliebig umformen können, und die zunächst einmal auf rein natürliche Ziele ausgerichtet sind (ein friedliches Leben in Gemeinschaft, Ordnung, Gerechtigkeit… und als höchstes Ziel die natürliche Erkenntnis Gottes). Das sind zwei Gesellschaften: Familie und Staat. Die einzige übernatürliche Gesellschaft ist die Kirche; sie ist auf noch direktere Weise von Gott eingesetzt worden und auf ein übernatürliches Ziel ausgerichtet, nämlich auf die Anschauung Gottes, darauf, ihre Mitglieder in den Himmel zu führen, und hat die direkte Offenbarung von Gott zur Hilfe, nicht nur die natürlichen Kräfte der Vernunft. Dann gibt es noch quasi „künstliche“ Gesellschaften; das sind alle anderen Gesellschaften. Künstlich ist hier nicht abwertend gemeint; es sagt einfach nur, dass sie von Menschen begründet wurden und abänderbar sind. Dazu gehören z. B. Gewerkschaften und Vereine.

Ein wichtiger Unterschied zwischen den künstlichen Gesellschaften auf der einen Seite und den natürlichen und übernatürlichen Gesellschaften auf der anderen Seite ist, woher die Autorität in ihnen kommt. Bei Staat, Familie und Kirche ist diese Autorität direkt von Gott gewollt und man kann sich nicht aussuchen, ob man überhaupt eine Autorität haben will oder nicht. Das heißt nicht, dass der Inhaber der Autorität direkt von Gott ausgewählt wird. Um den Unterschied deutlich zu machen: Wenn jemand ein Kind zeugt, wird er dadurch zum Vater und hat eine gewisse Autorität und Fürsorgepflicht in Bezug auf das Kind, und Gott stützt und bejaht diese konkrete Autorität und Verantwortung dieses konkreten Vaters, unabhängig davon, ob es eine gute Idee für ihn war, Kinder zu bekommen, oder ob er als Vater auch Fehler macht (diese Fehler unterstützt Gott nicht, aber sie machen ihn nicht zum Nicht-Vater). Und genauso sieht es aus, wenn jemand Staatsoberhaupt oder Regierungsmitglied wird: Damit bekommt er eine objektive Autorität und Verantwortung, für die ihn Gott wiederum zur Verantwortung ziehen wird und die Gott auch stützt. Er hat damit einen Anspruch auf Gehorsam vonseiten der Staatsbürger, die irgendwer anders nicht hat. (Jedenfalls solange er keine Gesetze einführen will, die gegen Gerechtigkeit und Allgemeinwohl verstoßen: „Ein ungerechtes Gesetz ist kein Gesetz“. Gegen solche Gesetze ist zumindest passiver Widerstand erlaubt, und im alleräußersten Notfall, wenn eine Regierung sich völlig gegen das Gemeinwohl wendet und nur noch willkürlich und tyrannisch ist, während sie ihre eigentlichen Aufgaben vernachlässigt, wäre auch die Absetzung einer Regierung und die Einführung einer neuen Staatsverfassung erlaubt – genauso, wie man, wenn es entsprechend schlimm wird, Kinder aus ihrer Familie nehmen und die Vormundschaft jemand anderem übertragen darf, weil die Eltern durch die Verletzung ihrer Pflichten ihre Rechte verspielt haben.)

Wie Familien ihre Angelegenheiten unterschiedlich regeln können, können das auch Staaten. Ob es eine Monarchie oder eine Republik ist, oder ein parlamentarisches oder präsidiales System, ist nicht so wichtig. Ein Staatsoberhaupt kann durch Erbfolge bestimmt werden, durch ein Gremium oder eine Gruppe gewählt werden, durch das Volk gewählt werden, oder sonstwie bestimmt werden. Aber in jedem Fall ist dann seine Autorität von Gott gewollt und gestützt, genau wie die Autorität der Eltern von Gott gewollt und gestützt ist, egal auf welche Weise sie Eltern geworden sind und wie genau sie ihre Familie leiten.

Bei einer künstlichen Gesellschaft dagegen bekommt die Autorität ihre Berechtigung durch die Mitglieder: z. B. dadurch, dass sie denjenigen wählen, oder sich damit einverstanden erklären, dass er durch Losentscheid bestimmt wird, oder einen Arbeitsvertrag mit ihm unterschreiben.

Jetzt also zu den Pflichten in der Familie.

Es geht bei den Pflichten speziell gegenüber den Eltern nicht nur um Respekt und Gehorsam in der Kindheit – das natürlich auch – sondern auch um Respekt und Fürsorge für die Eltern, wenn man erwachsen ist und sie alt sind. Die richtige Haltung gegenüber den Eltern wird als die Tugend der pietas (Pietät) bezeichnet, was meint, die Eltern besonders zu ehren, da man von ihnen herkommt, und Dankbarkeit für ihre Mühen usw. einschließt. Die Eltern wiederum haben vor allem Pflichten in Bezug darauf, ihre Kinder zu lieben, für sie zu sorgen, sie auf ihr Leben vorzubereiten, und vor allem, ihnen den Glauben zu vermitteln; sie haben sie ja als abhängige, schwache Wesen in die Welt gebracht. In der Familie gibt es natürlich auch Pflichten zwischen Ehemann und Ehefrau; aber auf dieses Thema, und anderes, was die Ehe angeht, will ich in einem anderen Artikel eingehen.

Heribert Jone schreibt über die Familie:

Viertes Gebot

Das vierte Gebot bestimmt ausdrücklich die Pflichten, welche die Kinder gegen die Eltern haben. Damit verwandt sind die Pflichten gegen alle jene, die an der elterlichen Autorität irgendwie Anteil haben, sowie die Pflichten, welche Eltern und Vorgesetzte gegen ihre Untergebenen haben, also alle Pflichten in der Familie und im Staate.

Erstes Kapitel

Die Pflichten in der Familie

I. Die Pflichten der Kinder gegen die Eltern. Aus Pietät schulden die Kinder den Eltern:

1. Ehrfurcht, und zwar sowohl in der inneren Gesinnung als auch im äußeren Betragen.

Eine Verletzung der Ehrfurcht findet statt durch innere Verachtung, beleidigende Reden, geringschätzige Haltung, Schlagen. Auch eine unbedeutende aber ernsthafte Mißhandlung kann schwere Sünde sein. [Gemeint ist hier: Eine Misshandlung, die den Eltern nicht stark körperlich schadet – z. B. leichtes Schlagen, Stoßen o. Ä. -, das aber schwere Verachtung verkörpert, was sehr leicht einzusehen ist.] Gegen die Ehrfurcht sündigt man auch, wenn man sich seiner Eltern schämt, sie verleugnet wegen ihres niedrigen Standes, wegen ihrer ärmlichen Kleidung und dergl. – Nicht gegen die Ehrfurcht aber ist es, wenn jemand seine Eltern, welche den Verstand verloren haben (z. B. wegen Irrsinn, Alter, Trunkenheit) in guter Absicht mit Gewalt, aber ohne innere Verachtung an etwas hindert. Dasselbe gilt, wenn jemand aus einem gerechten Grund (z. B. Verbrechen der Eltern) die Eltern nicht bei sich haben will, vorausgesetzt, daß er ihnen die nötige Unterstützung zukommen läßt.

2. Liebe in der Gesinnung und in der Tat.

Sünden gegen die schuldige Liebe sind: Unwille, Haß, Verwünschung, üble Nachreden, kränkende Worte und Handlungen, Verursachung von Kummer, Unterlassung des Gebetes sowie der Unterstützung bei seelischer und leiblicher Not. – Befinden sich die Eltern in schwerer Not, so dürfen die Kinder nicht ins Kloster gehen, wenn sie ihnen durch das Verbleiben in der Welt helfen können (vgl. auch Nr. 255). – Eine Pflicht, nach dem Tode der Eltern ihre Schulden zu bezahlen, besteht nicht, wenn man von den Eltern nichts geerbt hat, selbst dann nicht, wenn die Schulden für die Erziehung der Kinder gemacht wurden (vgl. auch Nr. 321).

3. Gehorsam in allen erlaubten Dingen [gemeint ist mit „erlaubten Dingen“: Dinge, die keine Sünde sind], die sich auf ihre Erziehung, sowie auf die häusliche Ordnung beziehen.

Ungehorsam ist eine schwere Sünde, wenn es sich um etwas Wichtiges handelt und die Eltern ein wirkliches Gebot geben. – In Erziehungsfragen dauert die Pflicht des Gehorsams bis zur Großjährigkeit. – Minderjährigen ist es daher nicht erlaubt, gegen den Willen der Eltern eine bestimmte Arbeit zu übernehmen oder in Dienst zu gehen. In der Berufswahl aber sind sie frei. [Gemeint dürfte sein: Auch wenn man einen bestimmten Ausbildungsvertrag bei einem bestimmten Arbeitgeber nicht gegen den Willen der Eltern unterzeichnen darf, darf man sich selbst aussuchen, dass man Bäcker werden will und nicht Schreiner, wenn die Eltern wollen, dass man Schreiner wird.] – Auch Großjährige müssen, solange sie im Elternhause wohnen, gehorchen in Dingen, die sich auf die häusliche Ordnung beziehen, z. B. abends zeitig nach Hause kommen. – Vor der Heirat sollen die Kinder den Rat ihrer Eltern einholen. Wenn sie aber selbst auf einen vernünftigen Rat nicht hören, begehen sie gewöhnlich nur eine lässliche Sünde.“ (Heribert Jone, Katholische Moraltheologie, Nr. 199)

Als schwere Sünden hätten wir also Dinge, die in schwerwiegender Weise gegen Ehrfurcht, Liebe oder Gehorsam verstoßen, z. B.:

  • Ungehorsam bei einem wirklichen Befehl in wichtigen Dingen
  • Jede Form von körperlicher Misshandlung
  • Zeigen von deutlichem Hass oder Verachtung, z. B. den Eltern wünschen, dass sie tot umfallen, oder sich gezielt mit etwas über sie lustig machen, bei dem man weiß, dass es sie schwer verletzt
  • Vernachlässigung bei schwerer seelischer oder materieller Not (Vernachlässigung in schwerer seelischer Not wäre z. B., den sterbenden katholischen Eltern keinen Priester zu rufen)
  • ihnen schwere Sorgen bereiten, z. B. weil man sie komplett aus seinem Leben ausschließt, nachdem sie irgendeine Lebensentscheidung von einem nicht gutgeheißen haben
  • nie für sie beten

Als lässliche Sünden hätten wir Dinge, die in leichterer Weise gegen Ehrfurcht, Liebe oder Gehorsam verstoßen, z. B.:

  • unnötige Streitereien mit den Eltern im „normalen“ Rahmen, nicht ernst gemeinte Beleidigungen im Affekt, wenig schwerwiegende Beleidigungen
  • rein innerliche Verachtung (wobei es möglich ist, dass die in besonders schwerwiegenden Fällen schwerwiegend wird)
  • missmutiger Gehorsam
  • Ungehorsam in wenig wichtigen Dingen
  • Handlungen, von denen man weiß, dass die Eltern sie nicht so gut finden, die sie aber nicht wirklich verbieten wollten (wenn diese Handlungen nicht schon von sich aus Sünde sind)
  • ein paar Tage nicht für die Eltern beten, weil man wegen einem Streit mit ihnen beleidigt ist
  • den Eltern leichte Sorgen bereiten, weil man in schulischen Dingen etwas zu nachlässig ist
  • eine gewisse Nachlässigkeit oder Unsensibilität gegenüber den Eltern

Keine Sünden sind z. B.:

  • eine andere Meinung haben als seine Eltern, mit ihnen friedlich darüber diskutieren (wobei man als Minderjähriger ihre praktischen Entscheidungen am Ende akzeptieren muss)
  • über eine ungerechte Entscheidung der Eltern innerlich wütend sein
  • sich als Erwachsene nicht von seiner alten Mutter in allen Einzelheiten vorschreiben lassen, wie man den Haushalt erledigt
  • seinen Eltern nicht alle persönlichsten Gefühle erzählen wollen
  • nicht viel Kontakt zu seinen alten Eltern haben, die einen nur kritisieren und heruntermachen und immer eins ihrer anderen Kinder vorgezogen haben
  • jemanden zu heiraten, den die Eltern aus ungerechtfertigten Gründen nicht mögen
  • versehentlicher „Ungehorsam“ aus Vergesslichkeit

Zur Unterscheidung von schwerwiegenden und noch lässlichen Beleidigungen schreibt der hl. Alfons von Liguori: „Daher sagt Roncaglia richtigerweise, dass in der Praxis jener nicht von Todsünde entschuldigt ist, der seine Mutter ‚verrückt‘, eine ‚Trinkerin‘, eine ‚Schlampe‘, eine ‚Hexe‘ oder eine ‚Diebin‘ nennt, und ähnliche Dinge. Aber einer, der nur sagt, sie sei ‚alt‘, ‚dumm‘ oder ‚ahnungslos‘ und ähnliche Dinge, kann, denke ich, nicht absolut wegen einer Todsünde verurteilt werden, es sei denn, die Eltern würden durch diese Worte schwer verletzt. Außerdem würde der Sohn schwer sündigen, der seinen Eltern ständig eine schlechte Gesinnung zeigt, oder auf bittere Weise mit ihnen spricht, um ihnen zu zeigen, dass er sie hasst.“ (Alfons von Liguori, Theologia Moralis – Moral Theology, Bd. 2, Buch IV, ins Englische übersetzt von Ryan Grant, Mediatrix Press 2017, S. 362 (Übersetzung ins Deutsche von mir).) D. h. im Endeffekt, es kommt darauf an, ob Beleidigungen (auch je nach Kultur) als schwer verletzend verstanden werden, wirklich starke Abneigung kommunizieren, oder eben nicht; und auch, ob man eine konstante verletzende Haltung zeigt, oder einem nur ab und zu in einem Streit eine Beleidigung herausrutscht. (Es geht hier darum, ob etwas objektiv eine schwere Verletzung ausdrückt; es gibt ja auch Leute, die auch dann schwer beleidigt sind, wenn ein anderer nur ganz leichte Kritik angedeutet hat.) Außerdem sagt der hl. Alfons, dass Verwünschungen, mit denen man nicht ernstlich Böses wünscht, lässliche Sünde, und solche, mit denen man Böses wünscht, schwere Sünde sind.

Zum Ungehorsam sagt er: „Ein Sohn sündigt schwer gegen den Gehorsam: a) wenn er in einer wichtigen Angelegenheit ungehorsam ist in Bezug auf jene Dinge, die die Ordnung des Hauses, die guten Sitten oder das Seelenheil betreffen […]

Daher ist ein Sohn gehalten, seinen Eltern zu gehorchen in den Dingen, die gerade erörtert wurden, und er sündigt schwer durch eine eigene Art von Sünde, die in der Beichte erwähnt werden muss, wenn die Angelegenheit wichtig war und die Eltern auf eine ernsthafte Weise ein ausdrückliches Gebot gegeben haben. Es ist anders, wenn die Eltern sie nur gewarnt haben, wie die Autoren sagen […] Cardinal de Lugo, de poenit. d. 16 n. 226 und Bonacina eod. tit. part. 6 n. 3, mit Navarre und Rodriguez, fügen hinzu, dass der Sohn diese spezielle Sünde begeht, wenn die Eltern etwas befehlen, bei dem sie beabsichtigen, ihn zum Gehorsam zu verpflichten. Oder vielmehr sagen die Autoren, dass der Sohn dann sündigt, wenn er dieses Gebot für gewöhnlich übertritt; es ist anders, wenn es gelegentlich einmal aus Nachlässigkeit geschieht […].

Anbei müssen wir hier darauf hinweisen, dass die Söhne nicht in den Dingen gehorchen müssen, die die Wahl eines Standes betreffen. Daher sündigen Eltern schwer, wenn sie ihre Söhne, selbst indirekt, gegen ihren Willen zwingen, einen Stand zu wählen, ob Ordensleben, Klerikerstand oder Ehe, oder auf der anderen Seite, wenn sie sie ungerechterweise, selbst ohne Gewalt oder Täuschung, ohne gerechten Grund von Ordensleben, Klerikerstand oder Ehe fortzwingen, da Eltern besonders verpflichtet sind, das geistliche Wohl ihrer Söhne im Auge zu haben […] Daher darf ein Sohn, wenn er denkt, dass er von Gott zu Ordensleben oder Klerikerstand berufen ist und weiß, dass seine Eltern ihn ungerechterweise daran hindern werden, die Sache verheimlichen und den göttlichen Willen ausführen.“ (Alfons von Liguori, Theologia Moralis, S. 365-367)

Dominikus Prümmer meint über den Gehorsam: „Es ist schwierig, zu bestimmen, was schwerwiegende Materie bei Verstößen gegen den geschuldeten Gehorsam ausmacht. Wenn allerdings der Akt des Ungehorsams den Eltern oder dem Kind bedeutenden Schaden verursacht, ist die Sünde sicher schwer.“ (Dominikus Prümmer, Handbook of Moral Theology, aus dem Lateinischen ins Englische übersetzt von Gerald W. Shelton, Mercier Press 1956, S. 212 (Übersetzung ins Deutsche von mir).)

Es wurde gesagt, dass Ungehorsam dann Sünde ist (lässlich oder schwer), wenn die Eltern ihren minderjährigen Kinder etwas bezüglich der Erziehung oder der häuslichen Ordnung befehlen, das keine Sünde ist. Eltern haben also eine ziemlich weite, aber keine unbegrenzte Befehlsgewalt: Sie können einen z. B. nicht zwingen, ihnen alles zu erzählen, das man vorhin seinem Beichtvater erzählt hat. Generell ist es außerdem so, dass – wie bei jeder Autorität – Befehle, die völlig nutzlos, schädlich, entwürdigend sind, nicht im Gewissen verpflichten; freilich wird man in vielen Fällen sagen müssen, dass die Eltern wahrscheinlich besser wissen, was schädlich und was nicht schädlich ist und das Kind vielleicht gar nicht verstehen kann, wieso es etwas scheinbar Nutzloses jetzt tun soll. Aber natürlich gibt es auch Fälle, wo etwas ganz klar schädlich ist (z. B. wo ein Kind durch den Rat sämtlicher anderer Vertrauenspersonen, sagen wir, des Priesters und zweier erwachsener Geschwister und der Tante, wissen kann, dass etwas ziemlich sicher schlecht ist). Sagen wir, eine 17jährige nimmt seit Jahren Medikamente gegen eine chronische Krankheit, die ihr sehr helfen, und plötzlich ist ihre Mutter der Meinung, sie solle sie absetzen, weil alle „Chemie“ schlecht wäre. In dem Fall wäre die Tochter im Recht, wenn sie die Medikamente heimlich weiter nehmen würde. Auch bei physischer oder moralischer Unmöglichkeit verpflichten Gebote nicht. (Moralische Unmöglichkeit bedeutet in etwa: Die Beobachtung eines Gebots erfordert völlig unverhältnismäßige Mühe, kann jemandem nicht zugemutet werden.) Die Eltern haben ihre Autorität dafür, für das Wohl des Kindes zu sorgen, und wenn sie sie entgegen diesem Zweck verwenden, verlieren sie den Anspruch auf Gehorsam.

Es wurde gesagt, dass die Kinder in der Standeswahl frei sind; aber solange sie noch minderjährig sind, dürfen die Eltern ihnen tatsächlich manches verbieten, was auf die Standeswahl vorbereitet (z. B. sich weiter mit einem Freund zu treffen, den sie für einen schlechten Einfluss halten; in dem Fall muss man auch davon ausgehen, dass die Eltern mehr Weitblick haben); auch ihren minderjährigen Kindern dürfen sie aber natürlich keine Standeswahl aufzwingen oder sie endgültig von einer abhalten. (Da fällt mir übrigens eine schöne Geschichte über den jungen J. R. R. Tolkien ein: Als er noch minderjährig war, traf er sich öfter mit einem Mädchen, das etwas älter als er und außerdem Protestantin war; sein Vormund verbat ihm schließlich den Kontakt mit ihr. Tolkien gehorchte. An seinem 21. Geburtstag (damals war man mit 21 volljährig) schrieb er ihr wieder, sie trafen sich, ein Jahr später konvertierte Edith zum Katholizismus, zwei weitere Jahre später heirateten sie und hatten eine sehr lange, glückliche Ehe.)

Bei der Versorgung der alten Eltern ergeben sich manche Fragen: Was ist z. B., wenn die Kinder die Eltern nicht bei sich zu Hause haben wollen, weil sie aus weniger wichtigen Gründen keine Lust darauf haben, aber ihnen einen Heimplatz bezahlen? Da hier die Gefahr von Vereinsamung und Vernachlässigung nicht gerade abwegig ist, würde ich das nicht als einfach so in Ordnung sehen, aber weiß nicht, ob man es schon als schwere Sünde bezeichnen kann; freilich müssten die Kinder ihre Eltern zumindest öfter besuchen, auch, um einigermaßen sicherzustellen, dass das Pflegepersonal anständig mit ihnen umgeht, aber auch dann wäre es zumindest aus meiner subjektiven Sicht noch problematisch. Seine Eltern in ein Heim zu geben, weil sie ständige Pflege brauchen, die man selbst nicht leisten kann, oder weil ihnen selber das sogar lieber ist, ist offensichtlich keine Sünde (wobei es auch da eine Sünde wäre, sie nie zu besuchen, wenn man es kann); es ist auch keine Sünde, wenn man aus gerechtfertigten Gründen nicht mit ihnen zusammenleben will (z. B. bei Eltern, die einen immer schlecht und geringschätzig behandelt haben).

Für katholische Kinder mit nichtkatholischen oder nur kulturkatholischen Eltern könnte sich auch die Frage ergeben: Vernachlässige ich meine Eltern in seelischer Not, wenn ich nicht genug Mühe aufwende, sie vom Glauben zu überzeugen? Ich denke, das Wichtigste hier ist, sie ins tägliche Gebet einzuschließen, und offen dafür zu sein, mit ihnen über Gott zu reden, wenn sie offen dafür sind – durchaus auch mal von sich aus, sie z. B. in die Kirche einzuladen, aber man muss nicht ständig Diskussionen vom Zaun brechen, wenn man merkt, dass sie nicht bereit dafür sind und schlecht reagieren. (Dasselbe gilt bei anderen Familienmitgliedern.)

Franz von Defregger, Tischgebet. Gemeinfrei.

Dann zu den Pflichten der Eltern. Jone schreibt:

II. Die Pflichten der Eltern gegen die Kinder.

1. Liebe.

Die Liebe ist die Grundpflicht, welche die Eltern gegen die Kinder haben. Aus ihr ergeben sich alle anderen Pflichten.

2. Sorge für Leben, Gesundheit und Fortkommen.

Vor der Geburt muß alles vermieden werden, was der Leibesfrucht schädlich ist. Nach der Geburt soll die Mutter selbst ihr Kind stillen. Durch Nichterfüllung dieser Pflicht wird dem Kinde gewöhnlich ein großer Schaden zugefügt; trifft diese Voraussetzung zu, dann sündigt die Mutter schwer, wenn sie sich ihrer Pflicht entzieht, trotzdem sie durch keinen entsprechend schwerwiegenden Grund entschuldigt ist. – Hierher gehört auch die Sorge für Nahrung, Kleidung und Wohnung, sowie die Pflicht, durch Arbeit und Sparsamkeit womöglich eine materielle Sicherung für die Zukunft der Kinder zu schaffen. – Für den Unterhalt der unehelichen Kinder müssen an sich Vater und Mutter in gleicher Weise aufkommen. In den meisten Staaten aber ist durch das Gesetz in erster Linie dem Vater die Pflicht auferlegt, für das uneheliche Kind zu sorgen. Nach erfolgtem Richterspruch ist der Vater auch im Gewissen dazu verpflichtet. Näheres vgl. Nr. 357.

3. Erziehung der Kinder

Die Eltern haben ein naturhaftes, unverletzliches Recht und die Pflicht zur guten Erziehung ihrer Kinder. Kraft dieser Pflicht müssen die Eltern ihre Kinder standesgemäß ausbilden lassen, sie frühzeitig an Arbeit und Selbsttätigkeit gewöhnen, besonders aber für ihr sittliches [=moralisches] und ewiges Wohl sorgen. Besonders aus letzterer Pflicht entspringt auch die Pflicht eines guten Beispiels, der Zurechtweisung und der Wachsamkeit. Im Interesse einer katholischen Erziehung ist auch der Besuch katholischer Schulen Pflicht. Nach can. 1347 [im alten Codex des Kanonischen Rechts] dürfen katholische Kinder keine akatholischen, neutralen oder Simultanschulen besuchen. Nur der Ortsordinarius [=Bischof] kann entscheiden, unter welchen Umständen und Vorsichtsmaßnahmen der Besuch derartiger Schulen geduldet werden kann.

Anmerkung. Dadurch, daß die Eltern den Lehrern und Erziehern einen Teil ihrer Autorität übertragen, entstehen zwischen letzteren und den Kindern in manchen Punkten ähnliche Pflichten wie zwischen Eltern und Kindern.

Die Kinder schulden den Lehrern daher Ehrfurcht, Liebe und Gehorsam in Dingen, die sich auf das Studium und die guten Sitten beziehen. – Die Lehrer haben die Gerechtigkeits- und Liebespflicht, den Kindern die entsprechenden Kenntnisse und eine gute Erziehung zu vermitteln.“ (Heribert Jone, Katholische Moraltheologie, Nr. 200)

Der hl. Alfons schreibt u. a.:

„Eine Mutter ist gehalten (aber unter lässlicher Sünde) ihr Kind mit ihrer eigenen Milch zu stillen, außer sie hat eine gerechte Entschuldigung. […] Aber dann ist sie unter schwerer Sünde gehalten, eine gute Amme zu suchen. […] Der Vater ist gehalten, für den Lebensunterhalt seiner Kinder zu sorgen, nicht nur der ehelichen, sondern auch der unehelichen (wo wir sehen, dass das bürgerliche Gesetz vom kirchlichen korrigiert wird, nach Cum haberet), das heißt, für Essen, Trinken, Kleidung und anständige Kenntnisse, je nach ihrem Stand. […] Zuletzt ist er gehalten, eine Mitgift für seine Tochter bereitzustellen.“ (Alfons von Liguori, Theologia Moralis, S. 368f.) Außerdem sagt er, dass die Eltern nur aufgrund eines besonderen Grundes ihre Kinder aus dem Haus werfen (und ihnen dann aber ihren Unterhalt für ein Leben außerhalb bereitstellen) dürften.

Zur Erziehung sagt er: „Eltern sind durch eine schwerwiegende Verpflichtung gehalten, ihre Kinder persönlich oder durch andere in Angelegenheiten zu belehren, die zum Heil notwendig sind. Daher sündigen sie schwer: a) Wenn sie nicht zusehen, dass ihre Kinder moralisches Verhalten lernen, die christliche Lehre oder die Grundlagen des Glaubens lernen, die Gesellschaft schlechter Kinder vermeiden, die Gebote Gottes und der Kirche beachten, die Sakramente empfangen und Sünden vermeiden (Azor, Filliuci, Bonacina, l. c.); b) Wenn sie sie nicht von Gelegenheiten zur Sünde abkehren oder ihnen erlauben, Zeit an verdächtigen Orten oder Häusern zu verbringen (Trullenchus, t. 1 d. 3 n. 4); c) Wenn ihre Kinder durch ihren Rat oder ihr schlechtes Beispiel verdorben werden; d) Wenn sie zügellose Kinder nicht ermahnen und züchtigen, aber maßvoll.“ (Alfons von Liguori, Theologia Moralis, S. 371)

Die rein irdischen Pflichten sind relativ offensichtlich und werden ja auch von den meisten Eltern erfüllt: Nahrung, Kleidung, Wohnung, Sorge dafür, dass das Kind einen anständigen selbstständigen Platz in der Gesellschaft finden kann, wenn es erwachsen ist (was z. B. heißt, dass die Eltern darauf schauen sollen, dass die Kinder in der Schule einigermaßen mitarbeiten, sich Gedanken um einen Ausbildungsplatz machen, usw.; und früher z. B. bei Töchtern auch hieß, ihnen eine Mitgift bereitzustellen, wie der hl. Alfons erwähnt). Am schwierigsten ist wahrscheinlich zu bestimmen, wie es mit den Sünden bei der Sorge für ungeborene Kinder oder Säuglinge aussieht, weil die relativ leicht zu gefährden sind – z. B. wenn eine Mutter in der Schwangerschaft öfter gegen den Rat des Arztes schwere Sachen hebt oder das Kind mit der Flasche füttert, statt es zu stillen. Ich bin keine Ärztin oder Hebamme oder Mutter und kann nicht bestimmen, wie gut heute Milch aus der Flasche ist, aber da generell bei mit der Flasche gefütterten Kindern manche Krankheiten häufiger sind, wäre es wohl schon zumindest eine lässliche Sünde, ein Kind nicht zu stillen, wenn es vernünftigerweise machbar ist. Bei ungeborenen Kindern kann man sagen, dass alles, was das reale Risiko einer Fehlgeburt mit sich bringt, nur aus ernsthaftem Grund getan werden dürfte. Natürlich kann man nicht alle Risiken vermeiden und auch bei einer vorsichtigen Mutter kann es eine Fehlgeburt geben.

Das Gebot der Liebe verlangt natürlich mehr als nur die rein materielle Versorgung, sondern auch Interesse, Zuwendung. „Die Liebe, die sie zu zeigen verpflichtet sind, muss sowohl affektiv [gefühlsmäßig] als auch effektiv [in Taten] sein, sodass Eltern nicht nur allen Hass und Übelwollen vermeiden müssen, sondern ihren Kindern auch Gutes wollen müssen, sie gut behandeln und ihnen in Not helfen müssen.“ (Prümmer, Handbook of Moral Theology, S. 213)

Als schwere Sünden könnte man sich z. B. folgendes vorstellen, was die Liebe schwer beeinträchtigt:

  • Vernachlässigung (z. B. Unterernährung, mit dem Kind fast nie zum Arzt gehen, wenn es krank ist)
  • Gewohnheitsmäßiges Hintansetzen und verbales Piesacken eines Kindes und Vorziehen eines anderen
  • Rauchen und Trinken in der Schwangerschaft

Leichte Sünden wären so etwas wie:

  • Gelegentliche Ungeduld mit den Kindern
  • Meistens Fertigessen auf den Tisch bringen
  • Mal nicht viel Aufmerksamkeit für ihre Fragen über die Hausaufgaben aufbringen, weil man gerade Zeug auf Instagram lesen will

Die Eltern müssen dann (was schwieriger ist), was Glaube und Moral angeht, darauf schauen, dass ihre Kinder wissen, was und wieso sie glauben sollen, sie zu anständigem Verhalten anhalten, dafür sorgen, dass sie getauft und gefirmt werden, mit zur Messe kommen, auch mal zur Beichte gehen, sie von schlechten Freunden fernhalten, ihnen ein gutes Beispiel geben (z. B. gemeinsam mit der Familie beten, Verzeihung üben, ehrlich sein…): sprich, ihren Kindern eine gute Chance auf den Himmel mitgeben. Einfach zu sagen, dass ein Kind später selber herausfinden soll, was es glauben will und was gut für es ist, wäre eine extreme Vernachlässigung; wie wenn man Kindern keine Liebe zeigt, damit sie sich später selbst für Liebe entscheiden, oder ihnen keine Sprache beibringt, weil sie selber wissen müssten, welche Sprache sie lernen wollen. Eltern sind natürlich nicht allmächtig; und es kann immer auch mal passieren, dass Kinder vom Glauben abfallen, obwohl sie alle Gründe dafür kennen und gute Vorbilder hatten, weil sie sich z. B. anpassen wollen. Aber Eltern haben hier eine wichtige Pflicht und können viel bewirken.

Auch hier ist es natürlich eine Frage des Grades, was schwere und was lässliche Sünden sind, und die Abgrenzung wird manchmal nicht so einfach sein. Eine schwere Sünde könnte es z. B. vermutlich sein, sich gar nicht dafür zu interessieren, wo die Kinder ihre Zeit verbringen; oder sich zu denken, dass sie schon im Religionsunterricht das Wichtigste über den Glauben lernen werden und man selber sich da heraushalten kann; oder ihnen einfach durchgehen zu lassen, dass sie andere Kinder mobben und irgendwann kriminell werden; oder sie nicht taufen zu lassen. (Die Taufe sollte so bald wie möglich nach der Geburt stattfinden. „Nach vielen Autoren ist es eine Todsünde, wenn die Taufe ohne Grund über einen Monat verschoben wird, oder mit Grund über zwei Monate.“ (Heribert Jone, Katholische Moraltheologe, Nr. 476))

Man müsste auch hinzufügen, dass die Eltern eine ganz besondere Pflicht in Bezug darauf haben, den Internetgebrauch ihrer Kinder zu regeln, da inzwischen Kinder im Durchschnitt mit elf oder zwölf Jahren auf Pornographie stoßen und v. a. Jungen sehr schnell davon abhängig werden, und es ja auch sonstige Gefahren gibt, wie Grooming durch Pädophile. (Es braucht natürlich Internetfilter, auch wenn die nicht perfekt sind. Außerdem könnte man ihnen z. B. keine internetfähigen Handys kaufen und ihnen nur erlauben, an einem Computer, der fest im Wohnzimmer steht, ins Internet zu gehen, wobei nur die Eltern das Passwort kennen und sie ihn nicht einschalten können, wenn sie allein zu Hause sind (als Beispiel). Aber natürlich muss man auch früh genug mit den Kindern über solche Dinge reden, sie über Gefahren aufklären und eine vertrauensvolle Beziehung zu ihnen aufbauen, sollte aber auch nicht unterschätzen, wie neugierig, naiv und leicht beeinflussbar auch gut aufgeklärte Kinder sein können.) In dem Fall bringt es nichts, zu sagen, hier soll man nicht paranoid sein; in manchen Situationen ist die Welt eben verdreht genug geworden, dass man ein bisschen paranoid sein muss. Und es ist besser, dass ein Junge sich mit 13 beschwert, dass er kein Smartphone bekommt, als dass er mit 19 dagegen kämpfen muss, eine langjährige Pornosucht loszuwerden.

Mit der katholischen Erziehung und Bildung ist es heute natürlich generell ziemlich schwierig; früher konnte man bei der örtlichen katholischen Schule einfach darauf vertrauen, dass im Grunde schon nichts Falsches unterrichtet werden würde, und die Kirche bestand auch gegenüber den Regierungen darauf, dass katholische Schulen für katholische Kinder zur Verfügung stehen müssten. Heute ist die Situation eher so, dass man darauf vertrauen kann, dass die durchschnittliche Schule dem Kind schaden wird, und man wenige Alternativen hat.

Daher ein paar persönliche Überlegungen, die im Grunde nichts mit Moraltheologie zu tun haben, aber vielleicht ein paar Leuten helfen könnten, die schon mal hier sind:

Wenn man keine gute Schule in der Nähe zur Verfügung hat, kann man das natürlich durch andere katholische Gruppen ausgleichen, in denen die Kinder mit anderen katholischen Kindern und Jugendlichen zusammenkommen – z. B. die KPE (Katholische Pfadfinderschaft Europas; mit der FSSP (Petrusbruderschaft) verbunden), die Christkönigsjugend (auch mit der FSSP verbunden) oder die KJB (Katholische Jugendbewegung; von der FSSPX (Piusbruderschaft)*). (Eine Möglichkeit, Kindern wenigstens theoretisches Glaubenswissen zu vermitteln, wäre der Fernkatechismus der Ordensschwestern der FSSPX.) Wenn man weniger tradimäßig unterwegs ist, wäre die Jugend2000 mit ihren Prayerfestivals etc. gut. Auch nicht rein kirchliche Gruppen, in denen man sich für etwas engagieren kann, wie die Jugend für das Leben, gäbe es noch. Natürlich kommen gute Gruppen in einzelnen Pfarreien hinzu; aber dass man sich auf die Ministrantengruppen in der Durchschnittspfarrei nicht verlassen kann, versteht sich von selbst. Dass das Kind nicht nur von seinen Eltern, von denen es sich irgendwann abgrenzen wird, das Richtige theoretisch lernt, sondern auch von Gleichaltrigen praktisch unterstützt wird, ist schon wichtig.

Aber wenn man wirklich für eine katholische Bildung sorgen will und dafür zu „radikaleren“ Schritten bereit ist, gäbe es z. B. folgende Möglichkeiten:

1. Kindergärten und Schulen der FSSPX (Piusbruderschaft). Für Eltern mit geringem Einkommen kann das Schulgeld erlassen werden. Man kann in die Nähe einer der Schulen ziehen und/oder die Kinder ab der 5. Klasse in eins der Internate geben, wenn man nicht in der Nähe der Schule wohnen kann (alle Zweige außer Förderschule im deutschsprachigen Raum vorhanden; hier ein Schaubild). Ich habe von einer Familie aus dem Saarland schon von sehr guten Erfahrungen mit diesen Schulen gehört; auch die pädagogischen Konzepte (nach dem hl. Don Bosco und Maria Montessori) wirken überzeugend.

2. In ein Land ziehen, in dem Homeschooling erlaubt ist, wie Österreich, die Schweiz (je nach Kanton), Liechtenstein (mit Einschränkungen), oder auch andere mit deutschsprachiger Minderheit wie Luxemburg, Frankreich (Elsass-Lothringen), Italien (Südtirol). Für manche könnten auch englischsprachige Länder eine Alternative sein.

Homeschooling ist tatsächlich in fast allen Ländern außerhalb von Deutschland erlaubt, sorgt im Durchschnitt für überdurchschnittliche Lernergebnisse, man kann auf die Eigenheiten der Kinder eingehen, das Lerntempo anpassen und Begabungen fördern; und das Kind geht nicht in einer Klasse unter und hat auch weniger Stress. Und die Sozialisation? Ja, sperrt man seine Kinder denn ein? Homeschool-Kinder kommen meistens schneller mit dem Stoff durch und haben mehr Zeit für Vereine, Freunde und Hobbies. Außerdem haben sie meistens Geschwister, mit denen sie sich beim Homeschooling mehr beschäftigen werden. Homeschoolfamilien vernetzen sich auch untereinander. Damit entgeht man auch all den Problemen, die es in Schulen mit Mobbing geben kann; Kinder können doch sehr grausam sein.

Ggf. kann man zwischen diesen beiden Varianten wechseln, wenn z. B. ein Kind sich im Internat nicht wohl fühlt oder ein anderes statt Homeschooling mehr Kontakt zu anderen Kindern will.

Vielleicht wären an manchen Orten evangelikale Privatschulen, die auch Kinder anderer Konfessionen aufnehmen, das geringere Übel gegenüber staatlichen Schulen, aber auch hier muss man natürlich vorsichtig sein, dass die Kinder nicht von der ganzen evangelikalen Atmosphäre geprägt werden, und man keine Glaubensstatements unterschreiben muss, die man nicht teilt.

Wären Dinge wie Homeschooling oder Internate nicht eher radikale Schritte? Die Sache ist eben die, dass a) jeder sich eher seiner Peergroup anpasst als seinen Eltern (das ist vollkommen normal) und b) man auch durch den Unterricht in der Schule sehr geprägt werden kann. Jedes Kind bildet sich irgendwann seine eigenen Urteile und plappert nicht mehr einfach seine Eltern nach, aber dabei wird es natürlich auch von anderen sehr beeinflusst, zum Guten oder zum Schlechten. Und das ganze normale schulische Umfeld ist nicht nur nichtchristlich, sondern positiv christentumsfeindlich, auch normale katholische Privatschulen sind da nicht so sehr anders. Es ist nicht leicht, an etwas festzuhalten, dem ständig entgegengewirkt wird und für das es kein Verständnis gibt; und ein einzelnes verlorenes Kind an einer Schule wird an der Atmosphäre dort nichts ändern. Erst recht wird es nicht im Glauben gestärkt.

Manche Katholiken versuchen sich diese Situation schönzureden, indem sie dann sagen, dass die katholischen Kinder an den normalen Schulen ja „Sauerteig sein“ könnten. Sorry, nein. Es ist nicht die Aufgabe eines 11-jährigen Kindes, seine Mitschüler, geschweige denn seine Lehrer, zu bekehren, funktionieren tut das in aller Regel sowieso nicht. Es soll ruhig eine unbeschwerte Kindheit haben dürfen, erst einmal selbst stabil in den Glauben hineinwachsen und die Gründe dafür kennenlernen, Freunde finden können, die seinen Glauben teilen, und nicht ständig in die Defensive geraten. Wenn mehrere gläubige Kinder an einer Schule sind und Gruppen bilden – wie das ja oft genug bei den Moslems der Fall ist – ist es schon einfacher, aber das löst auch nicht alle Probleme.

Ein anderes, besseres Argument ist, dass die Kinder so gleich besser lernen, sich in einer säkularen Umgebung zu behaupten; dass sie hier quasi geimpft werden und mit der Unterstützung der Eltern gleich lernen, den Säkularismus zu durchschauen. Das stimmt manchmal, aber manchmal auch nicht; manchmal ist das Kind zu schwach oder die Umgebung zu stark. Bei einer Impfung werden erregerähnliche Stoffe verabreicht, die die allermeisten nicht wirklich krank machen können; das hier hat eher etwas von der Strategie „lassen wir das Kind gleich Masern und Keuchhusten durchmachen, dann ist es später immun“. Das Umfeld kann sehr stark krank machen. Auch im Homeschooling etc. kann man Kinder darüber informieren, was Säkularisten denken – und sie werden auch so oder so oft mit denen zusammenkommen. Aber sie sind nicht jeden Tag den großen Teil des Tages in einem solchen Umfeld verloren, wo sie wissen, dass man sie eigentlich nicht so will, wie sie und ihre Familie sind.

Probleme machen in den normalen Schulen ja auch der Religionsunterricht, in dem man sich manchmal eher mit Grausen von dem abwendet, was da als Religion präsentiert wird, und die Lehrer manchmal ziemlich genau durchblicken lassen, dass sie selber nicht wirklich dran glauben, und die mittlerweile sehr übergriffige Frühsexualisierung schon in der Grundschule. Daran lässt sich kurzfristig nichts ändern; und man ist zuallererst für seine konkreten eigenen Kinder verantwortlich, nicht für die Schule im Ort.

Es ist auch oft besser, schon vorhandene gute Strukturen zu fördern, als sich als Einzelkämpfer in schlechten Strukturen aufzureiben; und je mehr Schüler z. B. die FSSPX-Schulen bekommen, desto mehr Schulen an mehr Orten wird die FSSPX aufbauen können; je mehr Eltern Homeschooling verlangen, desto mehr muss die Politik eventuell ihre Unterdrückungsmaßnahmen dagegen zurückfahren.

Aber das waren jetzt alles, wie gesagt, persönliche Überlegungen, keine Moraltheologie. Seine Kinder in ein Internat zu geben oder umzuziehen kann ja schon schwieriger sein; und eine katholische Gruppe außerhalb der Schule kann zusammen mit einer guten Familie schon viel ausrichten, sodass die Kinder ausreichend gestärkt werden.

Soweit mal dazu. Im nächsten Teil dann zu den Pflichten im Verhältnis Bürger-Staat und dann im übernächsten weiter mit dem 5. Gebot.

* Die Piusbruderschaft hat keinen anständigen kirchenrechtlichen Status (mehr), aber auch der Vatikan hat inzwischen ausdrücklich erlaubt, zu ihnen zur Messe zu gehen, zu beichten und zu heiraten, kurz gesagt, ihre Seelsorge in Anspruch zu nehmen. Sie sind definitiv gut katholisch, keine Schismatiker, und dazu, ob ihre praktische Herangehensweise gegenüber Rom richtig ist oder immer richtig war oder zum Teil richtig ist, können Katholiken im Grund sehr unterschiedlicher Ansicht sein. Hier mehr zu dem Thema; ich möchte auch noch mal was dazu schreiben; aber das gehört eigentlich nicht hierher. (Update: Ich habe hier etwas dazu geschrieben.)

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24 Gedanken zu “Moraltheologie und Kasuistik, Teil 10a: Das 4. Gebot – Eltern und Kinder

  1. Klasse! Komplett meine Linie. Auch finde, ein Kind sollte gleich in einem katholischen Umfeld geprägt werden. Dieser Unsinn mit dem Sauerteig – das ist Quatsch, und die Kirche hat sich stets für katholische Schulen ausgesprochen. Freilich läuft ja so Einiges seit dem Konzil anders, aber ich halte die Entwicklung seit 65‘ eh für eine riesige Katastrophe. Einige sagen dann „Ja, aber an katholischen Schulen läuft es teilweise schlimmer als an staatlichen.“
    Das mag sein – gleichzeitig würde ich diese Schulen aber ohnehin nicht mehr als „katholisch“ bezeichnen. Homeschooling (in Deutschland ungerechtfertigt verboten) und Schulen der Tradition sind für mich die derzeit einzig wirklichen Wege, Kinder ungestört katholisch erziehen zu können. Ich selbst komme aus der Diaspora. Auf dem Gymnasium haben Lehrer die Traktate von Dan Brown als autenthische Schilderung der Kirche und ihrer Lehre vermittelt…
    Mal abgesehen davon, dass einige dachten, die Kirche vertrete die 7-Tage Schöpfung wortwörtlich. Also, verlorener Posten.

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  2. „Also, verlorener Posten.“

    Nein.

    Argumente wie „Sauerteig“ sind in der Tat Unsinn, aber ich würde schon dafür plädieren, eher darum zu kämpfen, dass der Staat und die Schule vor Ort weltanschauliche Neutralität wahren (und Konfessionsschulen auch Konfessionsschulen bleiben) anstatt Kinder in einer traditionalistischen Blase zu erzielen. Wie man gerade in diesen Tagen gesehen hat, lohnt sich die Auseinandersetzung nach wie vor. Noch ist Polen nicht verloren – es wird keine Pseudo-Kinderrechte im GG geben. Und die Anzeichen, dass die kulturmarxistische Linke den Bogen überspannt, scheinen sich langsam aber stetig doch zu mehren. Als Katholik bestehe ich darauf, dass meine Stimme im Staat genauso gehört und respektiert wird wie alle anderen.

    Wer sagt Ihnen denn, dass das, was Sie als Garantie für eine katholische Erziehung halten, Ihnen plötzlich nicht vollkommen um die Ohren fliegt, wenn Ihre Kinder mal 20 Jahre alt sind, flügge werden und in die Welt hinaus müssen? Die Kinder sich vielleicht ganz entsetzt abwenden, obwohl Sie es gut mit Ihnen gemeint haben? Ich selbst bin ziemlich kirchenkritisch erzogen worden und meine Mutter wundert sich heute, warum ich so „fromm“ geworden sei. Es gibt genügend Leute, die fromm erzogen worden sind und heute auf die Kirche spucken. Sie haben keinerlei Garantie. Und vor 1965 war die Welt auch nicht besser, auch in der Kirche nicht.

    Meiner Meinung nach hält sich bei den meisten Leuten der Schaden der Schule genauso in Grenzen wie der Nutzen. Am besten scheint es mir, wenn Kinder frühzeitig kapieren, dass ihre Lehrer die gleichen Flaschen sind wie alle anderen Leute auch.

    Leider gibt es heute in der Gesellschaft zwei Bereiche, wo man sich mit Unbildung brüsten kann, ohne dabei rot zu werden: Religion und Mathematik. Ständig gegen den Strom religiöser Indifferenz oder des Kulturmarxismus anschwimmen zu müssen ist ziemlich zermürbend, und ich kann verstehen, wenn man das bei den Kindern nicht auch schon haben will…

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    1. Man kann den politischen Kampf doch genauso weiterkämpfen, auch wenn man seine Kinder aus dem Schlachtfeld heraushält. Ich sehe das Argument hier nicht. Ich war auch froh (und überrascht) über das mit den Kinderrechten, aber das heißt nicht, dass Schulen jetzt auf einmal gut werden.

      Und natürlich kann es einem passieren, dass die Kinder sich später abwenden – aber es geht darum, die Gefahr zu minimieren, und dafür zu sorgen, dass das nicht passiert, weil die Kinder den Glauben nur nicht kennen oder eine falsche Version davon erlebt haben.

      – Crescentia.

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      1. Dass die Schulen jetzt auf einmal gut würden, das habe ich nicht gesagt. Lediglich habe ich zu anzuregen versucht, den angeblichen Einfluss von Schulen nicht zu überschätzen. Zumindest spricht meine Lebenserfahrung und alles, was ich aus meiner Familie und meinem Freundeskreis höre, ziemlich deutlich dafür. (Immerhin beschweren sich die Sozialisten ja ständig, das Schulsystem in D sei ungerecht und zementiere soziale Unterschiede.) Ich selbst habe auch große Sympathie dafür, künftig Kinder, sollten sie in absehbarer Zeit kommen, auf eine katholische Schule zu schicken, die diesen Namen verdient, das ist keine Frage. Aber ich finde schon, dass Sie hier beide zum Rückzug blasen – und das finde ich nicht richtig. Ich sehe nicht ein, warum ich mich als Angehöriger einer Konfession, der weltweit über eine Milliarde Menschen angehören, mich in einem Staat, in dem ich meine Steuern bezahle, in eine Gegenkultur zwingen lassen soll, weil er seine verfassungsmäßigen Pflichten vernachlässigt.

        In Michael Pascalis Haltung vom „verlorenen Posten“ liegt meiner Meinung nach eine gehörige Portion Überheblichkeit.

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      2. Sokleidas, ich bedaure, dass Sie diesen Eindruck hatten, aber so war es sicher nicht(!) gemeint. Im Übrigen verstehe ich Ihr Problem jetzt nicht wirklich. Was hat die gut katholische Schulausbildung von Kindern mit „Rückzug“ zu tun? Die Kirche hat stets darauf gedrängt, die Kinder auf katholische Schulen zu schicken. Also wo ist Ihr Problem? Das mit der Gegengesellschaft finde ich ja auch falsch, aber die haben wohl kaum wir Katholiken provoziert. Vielmehr werden wir in diese Gegengesellschaft gedrängt. Sie meinen, ich wäre überheblich – gut, ich meine, Sie sind eine gehörige Portion naiv!

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      3. Anmerkung: Sie können sich gerne mit meinen ehemaligen Lehrern über die Kirche unterhalten, wenn Sie das mit dem verlorenen Posten anders sehen. 🙂 Es war halt meine Erfahrung.

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      4. @Michael Pascalis:
        „Sie können sich gerne mit meinen ehemaligen Lehrern über die Kirche unterhalten…“

        Ich weiß nicht, welcher Generation Sie angehören, aber offen gestanden verstehe ich wiederum nicht, weshalb Sie irgendwelchen dahergelaufenen Lehrern solches Gewicht beimessen. In meiner Schulzeit (Abitur 1997) waren die meisten Lehrer entweder Spät-68-er oder Friedensbewegte, denen die Beamtenstelle beim Staat dann doch ganz bequem war. Einer der Religionslehrer war ein wegen einer Frau abgesprungener Pfarrer, der wohl von der (aus seiner Sicht) Folgenlosigkeit des II. Vaticanum vollkommen frustriert war. Er hat ständig von „Aggiornamento“ geredet (damals keine Ahnung, was das bedeutet) und uns erklärt, dass das Wort „Geschlecht“ von germanisch „gesläte“ („Einschlag“) abstamme. Ansonsten kann ich mich da an kaum mehr erinnern. Als ich Abitur gemacht habe, war ich baff überrascht, wer aus dem Jahrgang da plötzlich Lehrer in welchen Fächern werden wollte. An der Uni sind in meinen Seminaren die Studenten, die das Lehramt anstreben, sehr häufig auch nicht die hellste Kerze auf der Torte. Ich bin gerne in die Schule gegangen, aber als ich draußen war, hat das Leben mit seinen Höhen und Abgründen erst angefangen. An dem, was ich geworden bin und was mich geprägt hat, hat die Schule eher geringeren Anteil…

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  3. Nô, das sind zwei interessante Themen. Später mehr. Einmal ist es aber – auch wenn Du das an sich ganz gut auseinanderhältst – vielleicht trotzdem nicht ganz überflüssig, trotzdem nochmal zu beleuchten, daß es hier *einmal* wie in der Reihe löblicherweise üblich um das „Was muß ich tun, um das vierte Gebot irgendwie erfüllt zu bekommen“ geht und *einmal* „was empfiehlt sich so als katholisches Elternteil mit den Kindern zu tun“.

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  4. Zu Ihren Schlussfolgerungen würde ich gerne noch einen weitenden Blick ergänzen, gemäß des berühmten Ausspruchs des Hl. Augustinus “ Hochachte, schätze und dann tue, was du willst“. Wenn die Eltern im Blick behalten, dass ihr Kind von Gott kommt und sie den Leib geben, werden sie es nicht als ihr Eigentum betrachten, sondern verantwortlich und mit Weisheit dafür sorgen, dass die Grundlagen für ein erfülltes Leben in der Erziehung gelegt werden. Wenn das Kind weiß, das seine Eltern und die früheren Generationen näher an Gott sind (und nicht näher am Affen, wie die „Welt“ meint), dann wird es sie respektieren und achten.
    Ein Sünden-und Pflichtenkatalog steht in Gefahr leider etwas im Außen hängen zu bleiben, sprich, wer ihn liest, braucht ihn nicht und wer ihn bräuchte, liest ihn nicht ;-).
    Noch ein Gedanke zum Umgang der Kinder: meiner Erfahrung nach erfassen Kinder sehr gut Ordnungen und können problemlos zwischen außen und innen unterscheiden. Wenn in der Familie die Eltern den Glauben mit aufrichtigem Herzen praktizieren (das heißt jetzt nicht frömmlerisch und skrupulös), sondern einen natürlichen und vertrauten Umgang mit dem lieben Gott pflegen und gemeinsam beten, prägt das die Kinder. Die Schule ist schon Außenwelt und die Kinder lernen dort, mit sehr unterschiedlichen Charakteren umzugehen, (keiner kennt Lehrer besser als die Schüler). Wenn die Kinder die erlebten Außenerfahrungen daheim erzählen können (das heißt , da ist dann auch Raum und Zeit und eine Person, der sie es erzählen können), sind sie in der Regel gut aufgehoben. Immer ist zu bedenken, wenig bzw. schlecht gebundene Kinder sind in Gefahr, Vorsicht bei sogenannten „Respektspersonen“ außerhalb der Familie. So gilt auch für Familien: „Seid klug wie die Schlangen und arglos wie die Tauben“ aus dem Matthäus Evangelium. Eine gute Schule mit qualifiziertem Lehrpersonal und einsichtigem pädagogischen Konzept sollte es schon sein, verantwortungsvolle Eltern wissen das aber selbst.

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    1. „Ein Sünden-und Pflichtenkatalog steht in Gefahr leider etwas im Außen hängen zu bleiben, sprich, wer ihn liest, braucht ihn nicht und wer ihn bräuchte, liest ihn nicht ;-).“

      Das sehe ich vollkommen anders. Viele gute Christen können sich wegen irgendwas ein unnötig schlechtes Gewissen machen, oder sich fragen, ob was, das sie schon gemacht haben, eine schwere oder nur eine lässliche Sünde war und sie das beichten müssen. Und jeder kommt mal in irgendwelche Dilemmasituationen.

      – Crescentia.

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    2. „Wenn in der Familie die Eltern den Glauben mit aufrichtigem Herzen praktizieren (das heißt jetzt nicht frömmlerisch und skrupulös), sondern einen natürlichen und vertrauten Umgang mit dem lieben Gott pflegen und gemeinsam beten, prägt das die Kinder. Die Schule ist schon Außenwelt und die Kinder lernen dort, mit sehr unterschiedlichen Charakteren umzugehen, (keiner kennt Lehrer besser als die Schüler). Wenn die Kinder die erlebten Außenerfahrungen daheim erzählen können (das heißt , da ist dann auch Raum und Zeit und eine Person, der sie es erzählen können), sind sie in der Regel gut aufgehoben.“

      Das ist sehr viel schöner gesagt als mein eigenes kritlerisches Gerede von oben! Zustimmung, so sehe ich das auch.

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  5. Lassen Sie mich so antworten: echte Reue fällt keinem Zweifel anheim, und ein erfahrener Beichtvater wird den Pönitenten, der versucht ist, einen Sündenkatalog abzuhaken, um ein guter Christ (???) zu sein, behutsam oder auch robust weiterführen in seiner Herzensentwicklung. Wer eine lässliche Sünde beichtet wird bestimmt nicht des Beichtstuhls verwiesen und zur hl. Kommunion muss man nur einmal im Jahr gehen. Zu Nebenwirkungen fragen sie ihren Priester oder Vikar.

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    1. Das ist leider ziemlicher Unsinn, tut mir leid. Und mit solchen Redensarten redet man Leuten nur noch zusätzliche unnötige Schuldgefühle ein, dafür, dass Sie – oh Graus! – wissen wollen, was sie jetzt richtig oder falsch gemacht haben.

      Wieso um alles in der Welt sollte jemand, der echte Reue hat, keinen Zweifel haben können? Bedeutet Reue Allwissenheit?

      Ich hab zum Glück seit kurzem einen Beichtvater, der einem sagt „das war jetzt nicht ok, aber machen Sie sich weiter keine Sorgen, das und das waren jetzt aber Skrupel“ 🙂

      – Crescentia.

      Gefällt 1 Person

  6. Ich habe den Eindruck, ich habe Sie überfordert. Ihre Zusammenstellungen sind zum Einstieg gewiss hilfreich. Es ist eine gute Fügung den passenden Beichtvater zu bekommen, das ist ein schönes Merkmal für die Weite der katholischen Kirche.

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    1. Wenn man anderer Meinung ist als Sie, ist man also einfach mit Ihrer Meinung „überfordert“, aber wird zum Glück in der „Weite der katholischen Kirche“ noch toleriert? Aha.

      Im Ernst: Was würden Sie zu jemandem in einem schwierigen Gewissenskonflikt sagen, der zwischen zwei Möglichkeiten hin- und hergerissen ist?

      – Crescentia.

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  7. Kann es sein, dass die Moraltheologie der Kirche vor einigen hundert Jahren es nicht gerne sah, wenn Mütter ihre Säuglinge stillten? Evtl. Grund: Sexuelle Reize an der Brust durch das Stillen?

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    1. Ganz im Gegenteil: Man sah es als eine Verpflichtung für Mütter, ihre Kinder selbst zu stillen. Der hl. Alphons schreibt: „Eine Mutter ist verpflichtet (aber unter lässlicher Sünde), mit ihrer eigenen Milch zu stillen, außer sie hat eine gerechte Entschuldigung. … Aber dann ist sie unter schwerer Sünde verpflichtet, eine gute Amme zu suchen.“

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      1. Ich arbeite an einem historischen Projekt über die hohe Säuglingssterblichkeit im 18. und 19. Jahrhundert. Wissenschaftliche Erkenntnisse bestätigen eindeutig, dass mit ein Grund für die hohe Mortalität war, dass die Mütter meistens nicht gestillt haben. Breifütterung und Verabreichung von Zuckerwasser war üblich, hieß es hier. Die Bauersfrauen auf dem Land hatten zum Stillen keine Zeit, wegen der strengen Arbeit in der Landwirtschaft. Ammen konnten sich nur Reiche und Adlige leisten. In den Städten soll dies logischerweise anders, d. h. besser gewessen sein.Ich habe gehört, die Katholische Kirche sei damals aus den genannten Gründen dagegen gewesen, dass die Frauen gestillt hätten? Ich habe dazu aber noch kein literarisches Quellmaterial gefunden. Deshalb meine Frage hier im Blog.

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  8. Ich arbeite an einem historischen Projekt über die hohe Säuglingssterblichkeit im 18. und 19. Jahrhundert. Wissenschaftliche Erkenntnisse bestätigen eindeutig, dass mit ein Grund für die hohe Mortalität war, dass die Mütter meistens nicht gestillt haben. Breifütterung und Verabreichung von Zuckerwasser war üblich, hieß es hier. Die Bauersfrauen auf dem Land hatten zum Stillen keine Zeit, wegen der strengen Arbeit in der Landwirtschaft. Ammen konnten sich nur Reiche und Adlige leisten. In den Städten soll dies logischerweise anders, d. h. besser gewessen sein.Ich habe gehört, die Katholische Kirche sei damals aus den genannten Gründen dagegen gewesen, dass die Frauen gestillt hätten? Ich habe dazu aber noch kein literarisches Quellmaterial gefunden. Deshalb meine Frage hier im Blog.

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    1. Interessant, davon hatte ich auch noch nichts gehört. Auf dem Land sollen die Frauen nicht gestillt haben? Interessant. Für die Zubereitung von Zuckerwasser braucht man doch genauso lang…

      Also, davon bzgl. der Kirche habe ich jedenfalls noch überhaupt nichts gehört. Ich habe bis jetzt immer nur bei Moraltheologen gelesen, dass sie diskutiert haben, ob es eine Pflicht für die Mutter gibt, zu stillen, da war kein einziges Wort dagegen. Ich suche die Stelle bei Alphons morgen noch mal vollständig raus.

      – Crescentia.

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