Papst emeritus Benedikt XVI. ist tot. Nicht überraschend bei einem 95jährigen, aber trotzdem, man trauert.
Benedikt hat vielen Menschen geholfen; darunter auch mir, als ich ca. 2011 richtig zum Glauben gefunden habe. Er war sehr klug, und freundlich, hat vieles in schönen Worten erklärt. Er hat damals 2011 den YOUCAT herausgegeben, und man hat plötzlich eine Alternative zu dem Schwachsinn im Reliunterricht in der Schule gesehen. Er hat einem verstehen geholfen, dass der Glaube nicht ein Gegensatz zur Vernunft ist, hat einem in seinen Büchern erklärt, was Naturrecht ist. (Das nehmen ihm natürlich viele übel, und kaum ein Journalist kann sich Seitenhiebe gegen ihn verkneifen.*) Man hat ihn richtig idealisiert, praktisch schon zum lebenden Heiligen erklärt. Er hat so freundlich und verständnisvoll geschrieben und geredet.

In den letzten paar Jahren habe ich ihn weniger unkritisch gesehen, aber man muss ihn trotzdem mögen. Der Gegensatz zu Papst Franziskus, der sich so ungefähr gar nicht um uns schert, ist krass. Sein theologischer Fehler war meiner Ansicht nach, dass er meinte, bestimmte neue Ideen (z. B. säkularisierte Staaten als Ideal) gut mit der Tradition der Kirche vereinen zu können, dass er das 2. Vatikanum retten wollte, auch wenn es ein Pastoralkonzil ohne unfehlbare Aussagen war. „Hermeneutik der Kontinuität“, wie er es nannte. (Die bessere Strategie wäre aus meiner Sicht gewesen, zu sagen: „Ok, das war eine dumme Phase mit ‚pastoral‘ sein wollendem Gelaber, mit dem wir zu weit auf die gottfeindliche Welt zugegangen sind. Diese Phase beenden wir jetzt und kehren wieder ganz zur Tradition zurück.“ Auch ein Papst, der so etwas getan hätte, hätte natürlich nicht alles auf einmal zum Guten wenden können, aber er hätte einen Anfang machen können: Z. B. die alte Messe in allen Priesterseminaren lehren lassen können, auch in der neuen Messe wieder die Mundkommunion verpflichtend machen können, o. Ä.)
Aber hier sieht man trotzdem, dass er eben katholisch war. Für ihn war der Grundsatz, dass die Kirche vom Herrn gestiftet wurde und geleitet wird, früher und jetzt. Er wollte die Tradition nicht aufgeben, er irrte sich nur darin, wie weit man sie umdeuten könnte. Er hing etwas zu sehr am Konzil, das er mitgeprägt hatte, er hatte in den 60ern irgendeinen Aufbruch sehen wollen, aber er war nicht bereit, deswegen den ganzen Glauben aufzugeben. Er war wirklich gläubig und behandelte Gott als Realität, nicht als Theorie für den Hörsaal; und das ist viel mehr als man über manche andere Bischöfe sagen kann (jedenfalls, soweit man irgendeinen Menschen von außen beurteilen kann).
Benedikt war milde und freundlich; manchmal vielleicht zu sehr. Er hat auch seinen Gegnern immer Respekt entgegengebracht. Das ist auf der einen Seite schön und gut; aber er hätte diese Seite seines Charakters vielleicht manchmal überwinden und härter sein müssen. Er hätte vielleicht andere Männer zu Bischöfen und Kardinälen machen können (er hat einige wirklich gute ernannt, aber auch ein paar schlechte oder feige), sich stärker ihrer unbedingten Loyalität zum Glauben versichern können, hätte universitäre Theologen stärker maßregeln können, hätte sich in der Kurie mit wirklichen Getreuen umgeben können. Hier geht es ja nicht um kleinliche Parteienkämpfe, sondern um die Gläubigen, die er als Hirte vor den Wölfen zu beschützen hatte. Es ist von außen natürlich schwer zu sagen, wie viel Spielraum er hatte; vielleicht ist das auch ein oberflächliches Urteil.
Benedikt hat für uns viel Gutes getan. Er hat ein Ordinariat für ehemalige Anglikaner gegründet und ihnen damit den Übertritt zur Kirche erleichtert. Er hat die alte Messe freigegeben und die (angebliche) Exkommunikation der Weihbischöfe der Piusbruderschaft aufgehoben. Er hat immer wieder klare Aussagen zur katholischen Lehre getroffen. Er hat als Präfekt der Glaubenskongregation auch stärker bei Kindesmissbrauch eingegriffen, soweit ich weiß.** Er wollte uns Gutes, und hatte es nicht immer leicht. Der Teufel lauert dem Papst besonders auf, und böse Menschen tun dasselbe; in der Kurie gab es sicher auch genug Widerstand gegen ihn.
Trotzdem hat er Fehler begangen, das kann man auch nicht ganz unter den Teppich kehren. Er hat nicht genug dafür Sorge getragen, dass wir in Sicherheit sind, wenn er nicht mehr persönlich da ist. Wenn er 2013 nicht zurückgetreten, sondern bis jetzt Papst gewesen wäre, hätte viel Böses verhindert werden können. Selbst wenn er hauptsächlich krank im Bett gelegen hätte: Die Gläubigen wären nicht in solche Verwirrung gestürzt und von der Kirche weggetrieben worden, wie es durch Franziskus geschehen ist, und er hätte noch einige neue, bessere Kardinäle ernennen können, sodass eine Papstwahl nach seinem Tod vielleicht anders ausgegangen wäre. Ich frage mich, wie viel er noch von dem schrecklichen Zustand der Kirche unter Franziskus mitbekommen hat. Vielleicht hat man ihn eher davon abgeschirmt; vielleicht hat er es auch mitbekommen, und hat gedacht, wenn er mehr dazu sagt, würde es die Sache noch schlimmer machen, und hat stattdessen einfach für uns alle gebetet. Offenbar hat er aber schon ein paar Dinge getan; jetzt wurde bekannt, dass er der Petrusbruderschaft nach Traditionis Custodes einen privaten Brief mit Ermutigungen geschrieben haben soll. Vielleicht hat er sich später selber gewünscht, er wäre nicht zurückgetreten. Aber wahrscheinlich dachte er zum Zeitpunkt seines Rücktritts wirklich, dieser Rücktritt wäre das Beste; auf jeden Fall ist es eine tragische Situation. Vielleicht haben wir auch zu wenig für ihn gebetet, als er noch Papst war (was sich ja jetzt nachholen ließe). Vielleicht sehen wir ihn mal im Himmel wieder und können ihn dann nach alldem fragen.
Seine letzten Worte sollen gewesen sein: „Jesus, ich liebe dich.“ Und diese Liebe ist es ja, worauf es ankommt.
Es bleibt abzuwarten, wie es jetzt ohne ihn wird, wenn im Vatikan nicht mehr irgendwo ein Schatten von Rücksicht auf den konservativen Ex-Papst genommen werden muss.
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* Manche ausländische Journalisten bringen sogar ihren alten Talking Point von wegen „Benedikt war in der Hitlerjugend“ wieder auf. Ja, genau, war er: er hat so lange vermieden, der Hitlerjugend beizutreten, bis es verpflichtend für alle deutschen Jungen ab 14 wurde, und hat es sogar dann noch geschafft, die meisten Treffen zu meiden.
** Seine Rolle bzgl. diesem Thema in seinen paar Jahren als Erzbischof von München-Freising ist nicht ganz geklärt. Ihm wurde vor einem Jahr von einem Gutachten vorgeworfen, bei drei (noch eher minderschweren) Fällen informiert gewesen zu sein, aber nicht genug eingegriffen zu haben; er erklärte, er wäre nicht informiert gewesen. Es ist schwer, hier Genaues zu sagen.
Danke für Ihre persönlichen Einschätzungen über den verstorbenen Papst. Wenn es stimmt, dass die letzten Worte Benedikts „Jesus ich liebe dich“ waren, dann kommen wir wieder an den Anfang des Papsttums, wo Petrus dies seinem Herrn Jesus dreimal versichert hat. Was seinen Rücktritt angeht, so habe ich seid längerem die Spekulation über die wahren Gründe darüber abgelegt. Im Grunde genommen geht das niemanden etwas an. Die Feststellung Ratzingers, dass er diesen Schritt mit seinem Gewissen vor dem Herrn getan hat, sollte uns genügen. Erstaunlich ist, dass wir in der katholischen Kirche, trotz der grossen Papstgestalten, von Johannes 23. – Benedikt 16. einen in der Geschichte einmalige Vorgang der Säkularisierung und Niedergangs des Glaubens in der westlichen Welt erlebt haben und erleben. In Asien, Afrika oder zum Teil auch in Südamerika sieht das ganz anders aus. Das widerum liegt für mich in der Vorsehung Gottes, der aus diesem Umstand neues und bleibendes schaffen will. Im übrigen sind wir immer noch eine kleine Herde, die sich um die Zukunft der Kirche und der Welt keine Sorgen machen muss. Hier gilt das Wort des Herrn: „Fürchtet euch nicht!“
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Na ja – in Südamerika werden große Massen von den Evangelikalen abgeworben, Synkretismus und Befreiungstheologie sind Probleme, und in Afrika wächst die Kirche auch eher durch Bevölkerungswachstum als Konversionen. Die sind den neueren Problemen auch nicht entgangen.
Und so ganz „das geht uns nichts an“ – na ja, wir sind ja betroffen davon.
Klar hat der Herr freilich alles in der Hand!
– Crescentia
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„Und so ganz „das geht uns nichts an“ – na ja, wir sind ja betroffen davon.“
Wir können immer noch „frommer“ sein als jeder Papst.
😉
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Es geht ja nicht ums Frömmersein. Gerade die zu wenig Frommen brauchen einen guten Papst.
– Crescentia
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Die letzten Päpste vor Franziskus waren allerdings in meinen Augen sehr gute Hirten.
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Nein. Johannes Paul II. hat vieles falsch gemacht – er hat z. B. mit den Gebetstreffen in Assisi viele verstört und verwirrt. Ich sage nicht, dass sie schlechte Menschen waren, aber sie waren keine vorbildlichen Päpste.
– Crescentia.
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Liebe nolite t
Ich stimme Ihnen zu!
Ja, das mit dem Rücktritt bleibt problematisch, ich glaube, daß er erpresst wurde.
Und daß man im Amt bleiben kann, sieht man an Queen Elisabeth.
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Wobei Queen Elisabeth nur repräsentative Rollen bekleidet hat und über eine stabile Gesundheit bis zu ihrem Tod verfügte.
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Es gibt meines Wissens keine Stellungnahme (man korrigiere mich), wo er sich explizit für den säkularen Staat als dem katholischen vorzuziehendes Ideal ausgesprochen hat. Es mag sein, daß ich mich täusche, aber seine Haltung dürfte doch eher so beschrieben sein: „1. Das Thema ist mir aus Gewichtungsgründen und Realismus intellektuell nicht besonders wichtig (emotional vielleicht sogar schon). 2. Wenn aber die Frage danach kommt, ist mein Ideal der Staat, in dem die Bevölkerung mit einer derartigen Selbstverständlichkeit katholisch sind, daß so natürlich auch die Politik gestaltet wird, ohne daß man darum besonders kämpfen müßte, was sich durchaus auch im staatlichen Bereich äußern wird. 3. Dieser Staat wird tolerant sein, weil das katholische Pflicht ist.“
Das ist aber kein säkularer Staat. Ja, ich weiß, daß die Piusbruderschaft die Nr. 3 bestreitet; aber unabhängig davon, wer hier denn nun Recht hat: ein *säkularer* Staat ist *jedenfalls* etwas anderes. Ein säkularer Staat singt nicht „Gott mit dir, du Land der Bayern“, hat (der Idee nach: umgesetzt ist das, Gott sei Dank, so nicht einmal in Frankreich) keine Sonntage als Feiertage und schon gar kein Fronleichnamsfest.
So sehr wie Papst Benedikt erkennbar an solchen deutlich dem säkularen Staat entgegenstehenden Dingen hing, halte ich es doch für abwegig zu sagen, er habe der Idee angehangen, der säkularen Staat sei das ideal.
(*Das war in Papst Benedikts Jugend tatsächlich der Fall – man denke nur, wie Wilhelm Hoegner, SPD, für den Gottesbezug stritt. Noch früher beeilten sich sogar die mehr oder weniger anarchistischen Traumtänzer der ersten 1919er Revolution – ihre weit weniger sympathischen kommunistischen Nachfolger von der zweiten 1919er Revolution denke ich eher nicht, weiß aber auch das nicht genau -, mit der ihnen eigenen Großspurigkeit dem Apostolischen Nuntius ihre ehrerbietige Aufwartung zu machen.)
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Na ja, Papst Benedikt hat tatsächlich in einem seiner Bücher, Jesus von Nazareth Band I, das christliche Kaisertum, als Versuchung, die es nicht mehr gebe, bezeichnet. Da betont er, dass Macht so gefährlich für das Christentum sei. Das führt schon in eine falsche, verworrene Richtung, finde ich. War der hl. Heinrich II. einer Versuchung des Teufels erlegen?
– Crescentia.
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Oh! Danke für die Korrektur. Dann nehme ich das zurück. Ja, das war falsch.
(Ich würde freilich selbst einem so gescheiten Mann wie Papst Benedikt hier eher Inkonsequenz des Denkens unterstellen als daß er das wirklich so gemeint hätte…)
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Inkonsequenz des Denkens kann gut sein. Ich muss das ganze Kapitel über die Versuchungen Jesu noch mal lesen, vielleicht hab ich auch den Kontext irgendwie falsch gedeutet, aber er ist wohl schon etwas zu „anti-integralistisch“.
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„Ich sage nicht, dass sie schlechte Menschen waren, aber sie waren keine vorbildlichen Päpste.“
Mit dem ersten Papst gab es ja auch einige Probleme. Mir ist nicht bekannt, dass Benedikt und J.P. Christus explizit drei mal verleugnet hätten. In einer oberfächigen Gesamtschau gilt das wohl für alle Päpste, die auf dem Stuhl Petri gesessen haben. Alles keine schlechten Menschen, aber auch keine vorbildlichen Päpste. Das tut m.E. auch nichts zur Sache. Wenn es nur vorbildliche Hirten geben würde, hätte Gott ja nichts mehr zu tun.
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Einige andere Päpste sind ihrer Verantwortung aber objektiv besser gerecht geworden. Zumindest haben sie eher mal nichts gesagt und sind bloß im Vatikan gesessen, anstatt alles mögliche zu sagen und die Kirche in Verwirrung zu stürzen. Das ist eine Tatsache, auch wenn man freundlich gegenüber Paul VI. oder Johannes Paul II. sein will. Ich meine, andere Päpste hatten vielleicht mit geringeren Problemen zu kämpfen, das kann auch sein.
– Crescentia
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