Pater Davide Pagliarani, der Generalobere der Piusbruderschaft, hat im Dezember nach einem Vortrag in den USA auf Nachfragen spontan einiges zum Umgang mit Corona gesagt, speziell dazu, wieso die Piusbruderschaft so vorsichtig dabei ist, sich hier zu positionieren. An meiner Kapelle hat heute der Priester ein wenig darüber gepredigt, und den Text am Eingang ausgelegt. Ich dachte, das könnte für einige Leser ganz interessant sein – vielleicht gehen ja auch ein paar meiner Leser wie ich zu Pius-Kapellen, oder interessieren sich einfach nur dafür, was die Piusbrüder dazu zu sagen haben, auch wenn es nur ein paar spontane Gedanken des Generaloberen waren. Von der Seite des Papstes und der meisten deutschen Bischöfe hört man ja zurzeit immer nur: „Impfenlassen! Impfenlassen!“ Und das fast schon mit Höllendrohungen gegen Ungeimpfte.
Die Piusbruderschaft hat sich ja schon länger einmal zur moralischen Seite der Corona-Impfungen geäußert: Die Testungen an Zelllinien von abgetriebenen Kindern waren absolut illegitim und unmenschlich, aber es ist aus einem ernsthaften Grund erlaubt, an solchen Zelllinien getestete Medikamente zu nehmen. (Um das vielleicht für zweifelnde Leser noch einmal deutlicher zu machen: Man stelle sich vor, China entwickelt ein Medikament und testet es dabei an politischen Gefangenen und macht auch Experimente mit deren Leichen. Nun ist das Medikament bereits auf dem Markt, und es gibt einen ernsthaften Grund, es zu nehmen (z. B. dass man sonst einem großen medizinischen Risiko ausgesetzt ist, aber z. B. auch, dass man wegen einer staatlichen Vorgabe seinen Job verlieren würde, wenn man es nicht nimmt). Darf man es nehmen? Ja. Man war nicht beteiligt an diesen Grausamkeiten und dieser Leichenschändung, man hätte sie verhindert, wenn man es könnte. Aber nun ist das Medikament nun mal da, man kann nichts an der Situation ändern. Manchmal darf man es in Kauf nehmen, von den Schandtaten anderer Menschen zu profitieren – das kann man auch nicht immer ganz verhindern.) Es wäre freilich etwas anderes, sich direkt mit embryonalen Stammzellen, also Leichenteilen, behandeln zu lassen – das wäre quasi Kannibalismus. Hier wäre man selbst es, der etwas Böses täte. Natürlich darf man es aber auch bei diesen Impfungen weiterhin ablehnen, sich auf irgendeine Verbindung zu dieser Leichenschändung einzulassen. Aber eine Sünde ist das Impfen nicht. (Auch wenn ich einen einzelnen FSSPX-Priester an einer Nachbarkapelle schon mal in dieser Weise habe predigen hören. Der Pater an meiner Kapelle hat heute noch einmal betont, Jesus werde uns nicht nach dem Impfstatus beurteilen.)
Aber zur medizinischen Seite und zur Frage nach einer Impfpflicht war von offizieller Seite der FSSPX bisher nicht viel zu hören. Daher jetzt zu Pater Pagliaranis Antwort.
Er erkennt einige Probleme ausdrücklich an:
„Dahinter steckt ein großes Geschäft. Die Nebenwirkungen einer noch nicht genügend erforschten Impfung sind nicht ausreichend bekannt. Das ist ein Problem. Aber es gibt ein weiteres. Es scheint, dass die Impfung nicht lang genug wirkt, nicht ausreichend schützt. Wir haben also hier eine medizinische Seite des Problems und damit verbunden eine politische Seite. […]
Man spricht ja jetzt schon viel über die dritte Impfung und dann über eine jährliche Booster-Impfung. Wie lange wird das Problem dauern? Ist das alles kompliziert? Ja! Ist das alles etwas verrückt? Ja! Ist der Stress, der auf der ganzen Menschheit lastet, verständlich? Ja! Ist es erlaubt, über all diese Probleme Fragen zu stellen? Ja! Ist es legitim, gegen verpflichtende Impfungen zu sein? Ja! Aber …!
Aber dieses große Problem ist mit einem medizinischen Thema verbunden. Das ist der Hauptgrund, warum die Bruderschaft sich nicht direkt zu diesem Thema äußert. Natürlich kann jeder Priester einen Rat geben. Aber die Priesterbruderschaft St. Pius X. als solche wird sich auf diese Debatte nicht einlassen. Die Mission der Bruderschaft liegt nicht in der Behandlung medizinischer Fragen, nicht darin, Antworten zu geben zu den möglichen gesundheitlichen Folgen der Impfung. Das gilt nicht nur für Covid, sondern für alle anderen Arten von Medikamenten. […] Nehmen wir an, es wäre ein Medikament gegen Erkältung entwickelt worden, das anscheinend kein Problem darstellte. Stellen wir uns vor, die Bruderschaft würde dieses Medikament empfehlen und man würde anschließend feststellen, dass dieses Medikament allergische Reaktionen hervorriefe – in diesem Fall wäre die Bruderschaft verpflichtet, Antworten zu diesen Allergien zu geben. Was wäre der Fehler hier gewesen? Die Bruderschaft hätte sich selbst in eine drückende Situation gebracht und müsste auf eine Frage antworten, die nicht zu ihrer Mission gehört. Das ist der Hauptgrund, warum wir uns nicht direkt äußern.“
Das ist ja tatsächlich eine gut verständliche Vorgehensweise; erhält sicher auch leichter einen gewissen Frieden.
Dann geht er darauf ein, dass manche Leute jetzt hier kritischer gegenüber der Politik geworden sind, geeinte Kräfte am Werk sehen, die weltweit dieselbe Impfung verpflichtend machen wollen. Und hier sagt er interessanterweise nicht „alles Quatsch“ – sondern weist darauf hin, „dass die Verschwörung gegen die Kirche schon vor dreihundert Jahren begann. Was ist denn der Globalismus? Es ist die Idee, das Projekt, die Absicht, die katholische Kirche durch eine andere universale Autorität zu ersetzen. Sie wissen alle sehr gut, wovon ich spreche. Wir dürfen nicht vergessen, wo der Ursprung dieser Verschwörung gegen die Kirche liegt, die die ganze Menschheit betrifft. Wir müssen diese aktuellen Probleme in diesem größeren Rahmen sehen. Wir können das ganze Bild aber nicht sehen, wenn wir uns auf das aktuelle Problem fokussieren.“
Hier werden sich jetzt einige wahrscheinlich abwenden, weil es so „verschwörungstheoretisch“ klingt. Aber ich denke nicht, dass hier unbedingt ein Geheimclub aus Bill Gates und Xi Jinping gemeint sein muss, sondern es ist einfach eine (mehr oder weniger) geeinte, „verschworene“ Bewegung gemeint, die seit dem 18. Jahrhundert die Kirche bekämpft, Gottesleugnung oder Gotteshass verbreitet, für eine angebliche Autonomie der menschlichen Welt von Gott eintritt, für eine selbergemachte Moral. Und diese Bewegung hat immer und immer wieder in der Praxis für wahnsinniges Unrecht gesorgt („der Zweck heiligt die Mittel“), und für das Auftauchen von geld- und machtgierigen Eliten, die nicht viele Skrupel hatten, weil sie nicht mehr an Gott glaubten. Natürlich gab es auch Spaltungen in dieser Bewegung – z. B. von Liberalismus und Kommunismus. Aber eine solche Bewegung gab und gibt es, diesen grundsätzlichen Wunsch, autonom sein zu wollen von Gott.
Und heute hat man es hier auch nicht mehr nötig, allzu viel geheim zu halten, auch wenn politische Eliten natürlich immer ihre vertraulichen Absprachen und kleinen Geheimnisse haben, und es solche geheimniskrämerischen liberalen Karrierenetzwerke wie die Freimaurer auch immer noch irgendwo gibt. Der Liberalismus und seine Tochterideologien sind tonangebend genug geworden, um ziemlich offen operieren zu können. (Und auch wenn die einzelnen Menschen sich nicht absprechen, sprechen die Dämonen, die sie zu beeinflussen versuchen, sich sicherlich auch ab, sodass auch Leute, die einander nicht kennen, in ähnliche falsche Richtungen gelenkt werden. Satan will ja lieber eine geeinte Attacke führen als viele widersprüchliche.)
Politiker wie Klaus Schwab („The Great Reset“), die davon träumen, die Welt umzuformen, muss man jedenfalls nicht toll finden, um kein „Verschwörungstheoretiker“ zu sein. Dass Politiker sich an massenhafte Kontrollmaßnahmen gewöhnen und sie auch nach dieser Pandemie wohl noch weiter einsetzen wollen könnten (dann mit dem Vorwand „des Klimas“ o. Ä.), sogar in Richtung eines chinesischen Social-Credit-Systems gehen wollen könnten, damit man Bürger aus unliebsamen politischen Richtungen und mit unliebsamen Verhaltensweisen von vornherein klein hält, ist auch nicht gerade weit hergeholt. Menschen, die Macht haben, werden von Macht korrumpiert, und vor allem korrumpierte Menschen suchen nach Macht und arbeiten sich in Parteienintrigen hoch. Und diese Menschen verhalten sich entsprechend, wollen die Macht für sich sichern. Und das alles passt schon auch in deren politische Agenden, die sie seit langem verfolgen. Dazu müssen sie keine übermächtigen, dämonenhaften James-Bond-Schurken sein.
Weiter meint Pater Pagliarani dazu interessanterweise:
„In diesem Jahr konnten – da die Aufmerksamkeit aus verschiedenen Gründen auf der ganzen Welt auf das Impfthema gerichtet war – in sehr, sehr vielen Ländern die schlimmsten Gesetze gegen die sittliche Ordnung erlassen werden. In Westeuropa ist jetzt fast überall die ‚Ehe‘ unter Personen gleichen Geschlechts eingeführt. In einem Land wird darüber noch ‚debattiert‘. Aber unser Fokus liegt nicht darauf, sondern woanders. Daher ist es viel einfacher, solche staatlichen Gesetze einzuführen und voranzutreiben. Der Hauptausdruck des Globalismus, nämlich die Zerstörung des natürlichen Sittengesetzes und der Ordnung, die die Kirche bewahrt und geschützt hat, ist die Schaffung einer neuen ‚Welt‘ mit neuen ‚Gesetzen‘, mit einer neuen Autorität. Mit oder ohne Covid, mit oder ohne Impfung. Dieser Globalismus begann nicht erst vor einem Jahr. Er ist viel älter.“
Das ist sicher auch bedenkenswert. In Deutschland z. B. soll ja jetzt ein „Selbstbestimmungsgesetz“ durchgepeitscht werden, das es jedem jederzeit erlauben wird, sein Geschlecht ohne irgendwelche Vorgaben rechtlich zu ändern (was heißt, dass wir uns, wie schon in England, auch hier auf Männer mit speziellen sexuellen Vorlieben in Frauenkrankenzimmern, auf Frauentoiletten und in Frauengefängnissen gefasst machen dürfen). Eine weitere Lockerung des Abtreibungsrechts steht uns auch bevor. Ich kann mir schon vorstellen, dass das unter normalen Umständen evtl. mehr Aufmerksamkeit bekommen und mehr Widerstand erzeugen hätte können (soweit die Deutschen eben zu Widerstand fähig sind). Da ist Corona eine willkommene Ablenkung für die Politiker.
Außerdem betont Pater Pagliarani aber, dass man auch die übernatürliche Seite des Geschehens sehen müsse. Und hier spricht er ein von anderen Theologen selten angesprochenes Thema an: Leid als Strafe.
„Ein anderer Punkt, der sehr wichtig ist: Bewahren wir einen übernatürlichen Blick auf die Realität. Man wird einwenden: ‚Ja, ihr Priester sprecht ständig über die Übernatur, aber hier geht es um die Impfung. Hier geht es um eine Flüssigkeit, nicht um das Übernatürliche.‘ Vorsicht, so antworte ich: Covid ist wie jede andere Krankheit in der Geschichte eine Strafe, die durch die göttliche Vorsehung erlaubt wird, um uns zu reinigen. Es gibt eine Gefahr, die ich in meinem Vortrag vorhin erwähnt habe. Wir haben zwar die Tradition bewahrt, wir sind aber deshalb noch keine besseren Menschen als die anderen. Wir sind nur arme Sünder. Wenn es eine universale Züchtigung gibt, dann auch für uns. Wenn Gott Covid erlaubt hat, dann nicht nur wegen der Sünden der anderen, sondern auch wegen unserer Sünden. Auch Traditionalisten und traditionstreue Katholiken sterben an Covid!“
Natürlich ist es so, dass irdisches Unglück oft auch mehr und anderes ist als eine Strafe. Aber Gott kann es – zumindest für viele Menschen – auch als Strafe nutzen, die sie natürlich auch bessern und zur Einsicht bringen soll. Und wer es annimmt, für den wird es zur Sühne, die reinigt. Ich finde es gar nicht schlecht, dass das auch mal gesagt wird.
Dann spricht Pater Pagliarani noch einen anderen Punkt an, nämlich dass die FSSPX sich auch wegen der Allianz der Impfgegner zurückhalte, unter denen in einigen Ländern auch Linksextreme seien. Und bei seinen Ausführungen hier kann ich ihm teilweise nicht zustimmen. Er sagt:
„Wenn solche gegen die Impfung sind, dann in welchem Namen? Im Namen von individueller Freiheit, von Menschenwürde und Menschenrechten. In einem Satz: ‚Mein Körper gehört mir!‘ Mit meinem Leben mache ich, was ich will. Deshalb entscheide ich selbst, ob ich mich impfen lassen will oder nicht. Wir finden dieselben Slogans der 60er und 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts – ‚Mein Bauch gehört mir‘ – bei einer gewissen ‚Frauenbewegung‘. Die Prinzipien der ’neuen Weltordnung‘ finden wir aber schon 300 Jahre vorher im Namen der ‚Menschenrechte‘ und ‚Menschenwürde‘. Seien wir vorsichtig! Auf der anderen Seite des Spektrums, bei den Impfbefürwortern, finden wir sie aber auch. Ich glaube, es ist nicht schlecht, wenn wir auf diesen Punkt hinweisen. Es scheint paradox, aber sie kämpfen im Namen der gleichen Prinzipien, im Namen der ‚Menschenrechte‘ und im Namen der ‚Freiheit‘. Die Prinzipien sind die gleichen, aber nicht die Schlussfolgerungen. Sie wollen eine Impfflicht, um zur ‚Normalität‘ zurückzukehren. Die Impfbefürworter fühlen sich durch die Impfgegner in ihrer Freiheit verletzt und eingeschränkt. Durch diese Leute werde man jetzt am Reisen und am Urlaub, am Geldverdienen und am Genuss des Lebens gehindert. Wegen ‚der anderen‘ müsse man noch Maske tragen oder vielerlei Einschränkungen auf sich nehmen. Deshalb fordert man im Namen der ‚Menschenrechte‘ die Zwangsimpfung. Keine Einschränkung meiner Freiheit durch andere! Deshalb müssen wir alle geimpft werden. Es ist, wie gesagt, ein scheinbares Paradox: Im Namen der gleichen Prinzipien steht man auf der einen oder der anderen Seite.“
Hier muss man m. E. unterscheiden. Es gibt eine grundfalsche Idee von Freiheit, die etwa so aussieht: „Die Menschheit soll selber entscheiden, was sie tun will und welche Rechte und Freiheiten Menschen haben sollen, von Gott kommt da nichts, sondern wir erklären zu Recht und Gerechtigkeit, was wir wollen. Und vor allem darf jeder alles tun, womit er nicht diese vereinbarten Freiheiten anderer verletzt, er darf sich auch selbst zerstören, oder jemand anderen zur Selbstzerstörung überreden, alles in Ordnung – es ist ja sein Problem. Überhaupt sind wir keine Gemeinschaft, sondern navigieren eben so aneinander vorbei und maximieren unsere jeweilige Freiheit.“ Das ist die falsche Idee des Liberalismus, die die Kirche immer verurteilt hat.
Aber es gibt auch viel ältere, kirchliche Ideen von Rechten und Freiheiten, von „natürlichen Rechten“, die Gott in unsere Natur gelegt hat, weil wir als Menschen eine hohe Würde haben. Dass die Begriffe „Menschenrechte“ und „Menschenwürde“ von eingebildeten Libertins des 18. Jahrhunderts gekapert wurden, sollte uns als Tradis nicht dazu bringen, sie ihnen kampflos zu überlassen; sie gehören eigentlich uns. Und im Bereich der Medizin sieht es jetzt mit Rechten und Pflichten erst mal so aus:
Jeder Mensch hat sein Leben von Gott erhalten und soll normale, vernünftige Sorgfalt darauf anwenden, es zu erhalten – er darf sich z. B. nicht selber umbringen, auch nicht durch einen Hungerstreik o. Ä., oder durch Russian Roulette sein Leben riskieren, oder sich seine Gesundheit total mit Drogen ruinieren. Er hat auch die Pflicht, anderen gegenüber Rücksicht zu nehmen, sie nicht auf unvernünftige, unnötige Weise in Gefahr zu bringen. Diese Pflichten können es in einigen Fällen zumindest sehr empfehlenswert, vielleicht auch moralisch verpflichtend machen, sich sichere Impfungen geben zu lassen. Aus katholischer Sicht kann man sogar sagen, dass ein Staat aus gewichtigen Gründen theoretisch eine Impfpflicht einführen könnte – aber eben doch nur aus wirklich gewichtigen Gründen, bei Abwägung aller Risiken und mit wirklichen Ausnahmen für Gefährdete. Bei einer so unwirksamen und nebenwirkungsreichen Impfung wie der Coronaimpfung ist es angesichts der vergleichsweise geringen Gefahr durch Corona natürlich auf den ersten Blick ersichtlich, dass keine staatliche Impfpflicht in Frage kommen könnte.
Denn eins muss man eben doch sagen: Es ist im Normalfall der einzelne, der abwägen muss, was vernünftige Sorge für seinen Körper ist, und welche unter den übermäßig gefährlichen oder anstrengenden oder nicht unbedingt notwendigen Maßnahmen er auf sich nehmen oder ablehnen will. Auch wenn sein Leben ihm nur anvertraut ist, es ist eben vorrangig ihm anvertraut, nicht anderen oder dem Staat. Nur in sehr ernsten Fällen sollten andere eingreifen. Dass für medizinische Eingriffe die informierte Zustimmung des Patienten nötig ist – außer in sehr seltenen Fällen, sagen wir mal, er ist schwer depressiv, hat versucht, sich umzubringen, und will lieber sterben, als sich eine Bluttransfusion geben zu lassen – gehört auch zur katholischen Medizinethik; erst recht, wenn es um Menschenversuche mit einem unerprobten Medikament geht, wo keiner eine Pflicht zur Teilnahme hat. Man hat eben eine Freiheit, besonders eine Freiheit gegenüber dem Staat. (Es wäre auch da, wo es nicht an sich falsch wäre, doch für gewöhnlich sehr gefährlich, medizinische Entscheidungen, die Menschen zutiefst betreffen, dem Staat zu überlassen.)
Und was das schlechte Gefühl bei dem Slogan „Mein Körper gehört mir“ angeht: Die Abtreibungsbefürworter, die damit argumentieren, lügen ja gerade, weil sie eben nicht über ihren, sondern vor allem über den Körper des Kindes entscheiden. Natürlich könnte man auch in ähnlichen Zusammenhängen „Mein Körper gehört mir“ falsch verwenden – z. B. wenn man für Sterilisation oder Kondome argumentieren würde, was die Kirche ja auch ablehnt [Operationen, die als Nebeneffekt die Sterilisation haben, z. B. eine medizinisch notwendige Entfernung einer von Krebs befallenen Gebärmutter, sind nicht mitgemeint]. Hier kommt natürlich wieder das Prinzip ins Spiel: Für seinen Körper soll man sorgen, ihn nicht verstümmeln; die natürlichen Kräfte seines Körpers soll man nicht künstlich kaputt machen. Mit seinem Körper darf man auch nicht alles machen. Insofern verstehe ich schon, wenn man als Katholik diesen Slogan nicht mag. Er wäre aber an sich zumindest keine Werbung für Abtreibungen, sondern zeigt eher auf, wie heuchlerisch und verlogen Abtreibungsbefürworter sind.
Das Bestehen auf der eigenen Freiheit und Selbstbestimmung muss jedenfalls nicht egoistisch und liberal sein; das ist es, was ich damit sagen will, und ich finde, man sollte darauf achten, es nicht so klingen zu lassen.
Zuletzt: Ich fände es tatsächlich besser, wenn die FSSPX sich wegen dieser medizinethischen Abwägungen ein bisschen eindeutiger auch offiziell als Gemeinschaft gegen die Impfpflicht (nicht gegen die Impfung selbst) positionieren würde, und auch gegen solche sicher unverhältnismäßigen und schädlichen Maßnahmen wie weitgehende Besuchsverbote in Krankenhäusern oder die Kündigung ungeimpfter Pflegekräfte. Sich in allen politischen Fragen, wo Katholiken theoretisch unterschiedlicher Meinung sein können, auch wenn die in der Praxis korrekte Meinung sich einem sehr deutlich zeigt, irgendwie durchzuwurschteln und auf Neutralität zu machen ist gute kirchliche Tradition – so scheint sich die Kirche z. B. bei den meisten Kriegen zwischen christlichen Ländern verhalten zu haben -, aber vielleicht kann man es mit dieser Tradition auch mal übertreiben.
Andererseits, als Laiin hat man da leicht reden. Ich muss ja keine Priesterbruderschaft leiten. Und diese Neutralität hat auch ihre definitiven Vorteile, z. B. erlaubt sie einen gewissen Frieden zwischen Laien, die unterschiedliche Meinungen haben, und man verketzert andere nicht zu schnell.
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[Kleines Update: In einem Kommentar hat mich jemand gefragt, ob ich in derselben Kapelle war wie er/sie (?) heute. Ich habe den Kommentar nicht freigeschaltet, weil er ein bisschen verklausuliert den Ortsnamen enthielt, und ich in diesem Internet vielleicht etwas übertrieben auf Anonymität bedacht bin. Aber ja, lieber/liebe L. S.: Das war dieselbe Kapelle. In Zukunft würde ich mich über so was aber lieber über die Contact-Seite austauschen 🙂 ]