Vollkommene Liebe vertreibt die Furcht, Teil 5: Was man gegen Skrupulosität tun soll – Ratschläge der Theologen und Kirchenlehrer

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Da wir nun geklärt haben, was Skrupulosität ist, was sie nicht ist und wieso sie nicht gut ist: Was soll man gegen sie tun?

[Wichtiger Einschub: Allgemeine Tipps für Skrupulanten habe ich hier und hier noch zusammengetragen, nachdem ich diese Reihe fertig hatte; besonders, wer keinen guten Beichtvater hat, wird sie brauchen.]

Zuallererst muss man sich wirklich vornehmen, etwas gegen sie zu tun. Realisiert zu haben, dass etwas nicht stimmt, ist schon mal die halbe Miete. Skrupulosität ist grundsätzlich heilbar, aber nicht immer heilt sie ganz, dessen muss man sich auch bewusst sein. Es kann Phasen der Besserung und Phasen des Rückfalls geben, meistens wird es das geben. Das muss man einkalkulieren. Deshalb: Nicht verzagen! Der heilige Ignatius besiegte die Skrupulosität; der heilige Alfons hatte sein Leben lang mit ihr zu kämpfen; aber beide wurden zu Heiligen. Letztendlich haben sie beide gesiegt.

Wie lässt sich Skrupulosität nun konkret besiegen? Der erste Ratschlag, den alle mir bekannten Heiligen und mit diesem Thema beschäftigten Theologen, von Ignatius von Loyola und Alfons von Liguori bis Adolphe Tanquerey, geben, ist: Gehorsam gegenüber einem Beichtvater.

Das Gewissen eines Skrupulanten, sagen diese erfahrenen Männer, funktioniert nicht mehr, wie es sollte. Es irrt. Daher muss sich ein solcher Mensch auf das Gewissen eines anderen verlassen. Er muss sich einen Beichtvater suchen, dem er vertraut, und dann dessen Entscheidungen akzeptieren. Ohne Debatten, ohne Anzweifeln. Wenn der Beichtvater sagt, etwas ist keine Sünde, dann ist es keine Sünde. Was, wenn er irrt? Egal. Diese Möglichkeit muss man vorab berücksichtigen.

Es ist wahrscheinlich eher nicht anzuraten, sich einem Priester anzuvertrauen, der jeden Sonntag in der Predigt seine Hoffnung verkündet, Papst Franziskus werde nun endlich das Frauenpriestertum einführen und homosexuelle Partnerschaften erlauben. Man sollte schon mit jemandem sprechen, auf dessen Urteil man sich verlassen kann. So ein Beichtvater kann heutzutage manchmal schwer zu finden sein; am ehesten wird man bei den Traditionalisten (z. B. der FSSP) fündig.

Aber jetzt gehen wir mal davon aus, man hat einen grundsätzlich vertrauenswürdigen, rechtgläubigen Beichtvater gefunden, der sich auch in der Moraltheologie wirklich auskennt und nicht nur grob nach Gefühl geht. So einem Beichtvater muss man dann vertrauen. Und wenn er sich trotzdem einmal irrt? Dann ist es sein Problem, nicht unseres. Gott wird uns dafür nicht zur Rechenschaft ziehen. Gott will von uns im Moment, dass wir unsere Skrupel überwinden; wenn wir dabei ohne Absicht einem fehlerhaften Urteil vertrauen, wird er es uns nachsehen (wie er auch dieses fehlerhafte Urteil nachsehen wird, wenn es kein böswilliger oder grob fahrlässiger Fehler war). (Wussten Sie übrigens, dass es Heilige gab, die während des Großen Abendländischen Schismas eine Zeitlang auf der Seite eines Gegenpapstes standen, den sie für den legitimen hielten?) Gott verlangt von uns nicht Allwissenheit, sondern redliches Bemühen. In diesem Fall redliches Bemühen, sich von den Skrupeln zu lösen, und deshalb ist es absolut keine gute Idee, sich vorsichtshalber eine zweite Meinung bei einem anderen Priester einzuholen. Wenn man das zur Gewohnheit macht, wird man jedes Mal die strikteste Ansicht anwenden, die man zu hören bekommt – auch wenn gerade diese vielleicht irrig ist. Wenn Priester A sagt, X ist erlaubt, und Priester B sagt, X ist nicht erlaubt, wird man X für nicht erlaubt halten. Wenn Priester A sagt, Y ist nicht erlaubt, und Priester B sagt, Y ist erlaubt, wird man auch Y für nicht erlaubt halten. Damit hat die Skrupulosität wieder gewonnen, und man hätte sich die Ratsuche gleich sparen können.

Der bereits erwähnte Tanquerey gibt in seinem Werk Ratschläge für Priester, die mit Skrupulanten zu tun haben. „Der Seelenführer“, schreibt er, „muss daher zunächst das Vertrauen des Skrupulanten gewinnen, dann aber auch seine Autorität über ihn auszuüben verstehen, um ihn zu heilen. […] Skrupulanten fühlen zwar instinktiv das Bedürfnis nach einer Leitung. Einige jedoch wagen sich ihr nicht vollständig auszuliefern. Sie wollen sich zwar Rat holen, aber auch ihre Gründe auseinandersetzen. Mit einem Skrupulanten darf man sich jedoch nicht in Streitereien einlassen. […] Er lasse zuerst das Beichtkind sich ganz aussprechen und zeige nur hie und da durch Bemerkungen, er habe alles gut verstanden. Darauf stelle er einige Fragen, auf die der Skrupulant nur mit ja oder nein zu antworten braucht und leite so selbst eine methodische Gewissenserforschung. Dann füge er hinzu: ‚Ich verstehe ihren Fall. Sie leiden in dieser oder jener Hinsicht.’ – Für das Beichtkind ist es schon eine sehr große Erleichterung, sich gut verstanden zu wissen. […] Mit dem Gutverstehen muss Hingabe verbunden werden. Der Seelenführer zeige sich daher geduldig. Anfangs wenigstens höre er, ohne auch nur mit den Wimpern zu zucken, die langatmigen Auseinandersetzungen des Skrupulanten an. Er zeige sich gütig, nehme Anteil am Ergehen dieser Seele und äußere den Wunsch und die Hoffnung, sie zu heilen. Sanft. Er spreche nicht in strengem und barschem Tone, sondern mit Güte, selbst wenn er etwas befehlen muss. Nichts ist so sehr geeignet, das Vertrauen zu gewinnen, als Festigkeit mit Güte vermischt. Ist das Vertrauen gewonnen, so muss man seine Autorität zur Geltung bringen und Gehorsam verlangen. Man sage dem Skrupulanten: ‚Wollen Sie geheilt werden, so müssen Sie blind gehorchen. Gehorchen Sie, so sind Sie in größter Sicherheit, selbst wenn sich Ihr Seelenführer irren sollte; denn Gott verlangt gegenwärtig nur eines von Ihnen, den Gehorsam. […]’“

Tanquerey gibt auch einen weiteren Ratschlag: „Ist der geeignete Augenblick gekommen, so soll der Seelenführer den Allgemeingrundsatz einprägen, demzufolge der Skrupulant alle Zweifel verachten muss. Nötigenfalls lasse man ihn in irgend einer Form aufschreiben, etwa wie folgt: ‚Was mich betrifft, gilt als Gewissenspflicht nur die Evidenz, d. h. eine jeden Zweifel ausschließende Gewissheit, ruhige und volle Sicherheit, so klar wie zwei und zwei vier ist. Ich kann daher nur dann eine Todsünde oder lässliche Sünde begehen, wenn ich absolut sicher bin, die betreffende Handlung ist mir unter schwerer oder lässlicher Sünde verboten, und obwohl ich es weiß, sie doch vollziehen will. Ich werde deshalb die Wahrscheinlichkeiten, mögen sie auch noch so stark sein, nicht beachten und mich nur durch klare und sichere Evidenz für gebunden erachten. Ist diese nicht vorhanden, so handelt es sich nicht um Sünde.’“

Die Beziehung zu einem Beichtvater sollte, wie Tanquerey schon andeutet, nicht zu einer Abhängigkeit werden, d. h. man sollte nicht bei jeder kleinsten Entscheidung vorsichtshalber beim Pfarrer nachfragen müssen, ob dieses und jenes erlaubt ist. Das würde nicht helfen. Stattdessen soll man lernen, zu wagen, eigene Entscheidungen zu treffen, und sich dabei an diesen Grundsatz halten. Das Ziel ist, das kaputte Gewissen zu richten, sodass es wieder von selbst funktioniert. Wie in der Schule arbeitet man auf den Tag hin, an dem man den Lehrer nicht mehr brauchen wird.

Man muss sich im Alltag an den Grundsatz halten, Zweifel zu missachten. Das ist das Allerwichtigste. Die Ängste werden nur dadurch verschwinden, dass man sie konfrontiert. Ja, das macht zuerst noch mehr Angst. Ja, es ist scheußlich. Ja, man will es nicht wagen. Ja, es wird nicht immer gelingen. Aber es wird besser, wenn man durchhält.

Wir müssen uns von der Vorstellung lösen, absolute vollkommene Sicherheit haben zu können, wenn wir nur dieses oder jenes tun. Die wird es nicht geben. Aber die größte Sicherheit gibt es, wenn wir uns an diese Dinge halten. Und wir haben die Barmherzigkeit Gottes, auf die wir vertrauen können.

Es ist übrigens wichtig, die Skrupel auch dann schon – je nach ihrem Ausmaß – zu bekämpfen, wenn man meint, so schlimm ist es bei mir ja noch nicht. Skrupulosität ist anfangs nie gleich so schlimm; oft tritt sie phasenweise auf. Auch wenn man sich immer noch zum Vertrauen auf Gott aufraffen kann und immer noch irgendwie Freude an Messe und Anbetung hat, zumindest meistens oder, na ja, relativ oft, sollte man die Angelegenheit ernst nehmen. Wenn ich bei einer Krankheit erst dann Medizin nehme oder zum Arzt gehe, wenn es richtig schlimm geworden ist, wird auch die Heilung länger dauern.

Vollkommene Liebe vertreibt die Furcht, Teil 2: Wieso Skrupulosität nicht gut ist

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Im gegenwärtigen Katholizismus gibt es eine gewisse Tendenz, zu betonen, dass Gott nicht einfach nur „nett“ ist, nicht bloß ein harmloser Opa in den Wolken, dass das Christentum mehr ist als „moralistic therapeutic deism“. Diese Aussagen sind nicht falsch. Aber Skrupulanten verzerren sie dahingehend, dass die Vorstellungen von Gottes bedingungsloser Liebe und einer persönlichen Vertrautheit mit unserem Heiland beiseite gedrängt werden. Man macht es sich nicht so einfach wie die liberalen Wohlfühl-Katholiken mit ihren Gitarren und ihrer „Gradualität“. Man übergeht die harten, anspruchsvollen Aussagen seiner Religion nicht einfach, sagt man sich. Man will es sich auf keinen Fall zu leicht machen.

Aber auf diese Weise gerät man in Gefahr, das Eigentliche des Christentums zu verlieren. Man sieht Gottes Ansprüche, aber nicht die wichtigere Tatsache der Erlösung, die zuerst kommen muss.

Man muss hier die Gefahr beachten, etwas für „traditionellen Katholizismus“ zu halten, das in Wahrheit nicht der Tradition entspricht. Derartige Rigidität entspricht ihr nicht. Alle vorkonziliaren Theologen, die die Moraltheologie und das geistliche Leben behandelten, sahen Skrupel als Gefahr, die man vermeiden muss, als Versuchung, als krankhafte Störung. Und zur katholischen Morallehre gehört auch, dass man nicht immer der strengstmöglichen Meinung folgen muss; wenn man berechtigte, vernünftige Zweifel hat, ob ein Gebot besteht oder auf diesen Fall zutrifft, und man keine Lösung für diese Zweifel findet, darf jeder der Maxime „Ein zweifelhaftes Gesetz bindet nicht“ folgen. (Das betrifft Fälle, in denen die Verpflichtung selbst zweifelhaft ist, nicht die Mittel zweifelhaft sind.*) Im 17. und 18. Jahrhundert, als verschiedene „Moralsysteme“ debattiert wurden, wurden vonseiten des kirchlichen Lehramts sowohl gewisse Ansichten der „Laxisten“ als auch der rigoristischen Jansenisten abgelehnt. Beispielsweise wurde der jansenistische Satz „Es ist nicht erlaubt, einer [wahrscheinlichen] Meinung oder unter wahrscheinlichen der wahrscheinlichsten zu folgen“ im Jahr 1690 vom Heiligen Offizium (der Vorgängerorganisation der Glaubenskongregation) verurteilt. Das heißt: Es ist erlaubt, einer wahrscheinlichen Meinung zu einem moralischen Gebot zu folgen, auch wenn das nicht die strengstmögliche Meinung ist.

Man sehe sich alte Kirchenlieder an: „Dich will ich lieben, o mein Leben, als meinen allerbesten Freund…“ , „mein König und mein Bräutigam, du hältst mein Herz gefangen…“, „Von Gott kommt mir ein Freudenschein / wenn du mich mit den Augen dein / gar freundlich tust anblicken. / Herr Jesus, du mein trautes Gut, / dein Wort, dein Geist, dein Leib und Blut / mich innerlich erquicken…“, und so weiter und so fort. – „Jesus liebt dich“ ist eben nicht die einfache Teddybären-Theologie von 80er-Charismatikern, sondern die christliche Lehre zweier Jahrtausende. (Auch wenn man sich über den Stil streiten kann, in dem sie verkündigt werden sollte.)

Alle Theologen vergangener Jahrhunderte betrachteten ein skrupulöses Gewissen als eine Krankheit, ein Hindernis, eine Versuchung. Skrupulosität ist ein Problem, das auch einige Heilige erlebt und zu dem sie Ratschläge erteilt haben; Ignatius von Loyola (1491-1556) und Alfons von Liguori (1696-1787) sind die bekanntesten Beispiele. Ignatius erlebte eine Phase schlimmer Skrupel, die schließlich sogar zu Selbstmordgedanken führten, die er aber dann besiegte. Während dieser Zeit erschien es ihm sogar als eine Sünde, auf zwei Strohhalme zu treten, die zufällig in der Form eines Kreuzes auf der Erde lagen. Später schrieb er in seinen Anleitungen zur Unterscheidung der Geister:

Nachdem ich auf jenes Kreuz getreten bin und unterdessen irgend etwas anderes gedacht oder gesagt oder getan habe, kommt mir von außen her der Gedanke, ich hätte gesündigt. Anderseits scheint es mir, ich hätte nicht gesündigt, und doch fühle ich mich dabei verwirrt, sofern ich nämlich zweifle und zugleich auch nicht zweifle. Dies nun ist ein eigentlicher Skrupel und eine Versuchung, die der Feind setzt. […]

 Der Feind achtet sehr darauf, ob eine Seele grob oder fein ist. Und ist sie fein, so besorgt er, sie je mehr ins Äußerste zu verfeinern, um sie je mehr zu verwirren und zugrunde zu richten. Wenn er zum Beispiel sieht, dass eine Seele keine tödlichen oder lässlichen Sünden in sich einlässt, noch irgend einen Schein überlegter Sünde, dann besorgt der Feind, wenn er nicht zuwege bringt, sie in etwas fallen zu lassen, was Sünde scheint, sie [wenigstens] eine Sünde sich einbilden zu lassen, dort, wo keine ist; wie etwa bei einen Wort oder einem geringsten Gedanken. Ist die Seele grob, so besorgt der Feind, sie je mehr zu vergröbern […].

 Die Seele, die im geistlichen Leben voranzukommen wünscht, muss immerdar in der dem Feind entgegen gesetzten Weise verfahren. Das heißt: versucht der Feind die Seele zu vergröbern, so besorge die Seele, sich zu verfeinern. Sucht der Feind sie entsprechend bis ins Äußerste zu verfeinern, so besorge sie, sich in der Mitte zu festigen, um in allem ruhig zu werden. […]

 Wenn eine solche Seele den guten Willen hat, etwas zu reden oder zu tun, was im Bereich der Kirche, im Bereich der Meinung unserer Obern liegt und zur Ehre Gottes Unseres Herrn gereicht, und es kommt ein Gedanke oder eine Versuchung von außen, jene Sache nicht zu sagen oder zu tun, Scheingründe vorstellend wie eiteln Ruhm oder irgend etwas anderes usf., dann soll sie ihren Verstand zu Gott ihrem Schöpfer und Herrn erheben, und wenn sie sieht, dass es Sein schuldiger Dienst ist oder wenigstens nicht dagegen verstößt, dann soll sie geradenwegs jener Versuchung entgegenhandeln, und ihr wie Bernhard antworten: ‚Weder fing ich deinetwegen an, noch höre ich deinetwegen auf.’“

Der Kirchenlehrer, Ordensgründer und Bischof Alfons von Liguori hatte sogar sein ganzes Leben lang mit schlimmen Skrupeln zu kämpfen. Aber auch er bemühte sich, sie zu besiegen. Er wandte sich in seinen Schriften gegen den moralischen Rigorismus der Jansenisten und predigte Gottesliebe und hoffnungsvolles Gebet. Niemand in der ganzen Kirchengeschichte – ich wiederhole, niemand – hat diesen Zustand jemals für wünschenswert gehalten.

Skrupulosität gibt es nicht nur unter traditionellen Katholiken, sondern unter Menschen aller Weltanschauungen (dazu in den folgenden Beiträgen mehr), und den meisten Lesern ist sie sicher fremd. Es geht mir hier nur darum, spezielle Schwierigkeiten aus dem Weg zu räumen, die gerade lehramtstreue, zu Skrupeln neigende Katholiken in dieser Frage vielleicht haben.

* „Manchmal sind wir verpflichtet, dem moralisch sichereren Weg zu folgen. Wir müssen das tun, wenn wir sicher verpflichtet sind, einen Zweck mit besten Kräften zu erreichen [Hervorhebung von mir], und unser Zweifel nur die Effektivität der Mittel betrifft, die für diesen Zweck eingesetzt werden. Hier impliziert die unbezweifelbare Verpflichtung, den Zweck zu erreichen, die Verpflichtung, sicher effektive Mittel zu verwenden. Ein Arzt darf kein zweifelhaftes Heilmittel an seinem Patienten zur Anwendung bringen, wenn er ein sicheres zur Hand hat. Ein Anwalt darf sich nicht aussuchen, seinen Klienten mit schwachen Argumenten zu verteidigen, wenn er starke zu präsentieren hat. Ein Jäger darf nicht in die Büsche feuern, wenn er zweifelt, ob das sich bewegende Objekt ein Mensch oder ein Tier ist. Ein Kaufmann darf eine sicher existierende Schuld nicht mit wahrscheinlich gefälschtem Geld zahlen oder wahrscheinlich beschädigte Artikel als Güter erster Klasse verkaufen. In solchen Fällen ist die Verpflichtung der Person klar und sie muss Mittel benutzen, die sie sicher erfüllen.

Aber es gibt andere Fälle, in denen die Verpflichtung selbst zweifelhaft ist [Hervorhebung von mir]. Hier haben wir eine ganz andere Frage vor uns. Der moralisch sicherere Weg, obwohl immer erlaubt, ist oft kostspielig und unangenehm, manchmal heroisch. Aus einem Wunsch heraus, das Bessere zu tun, folgen wir ihm oft ohne Frage, aber, wenn wir verpflichtet wären, ihm in allen Zweifelsfällen zu folgen, würde das Leben unerträglich schwer werden. Um moralisch auf der sicheren Seite zu sein, müssten wir jedem zweifelhaften Anspruch von anderen nachkommen, die kein besseres Recht haben, und so zu Opfern von jedem Gauner und Betrüger werden, dessen Gewissen weniger zart ist als unseres. Solche Schwierigkeiten werden durch den Gebrauch der zweiten Klugheitsregel vermieden: ein zweifelhaftes Gesetz bindet nicht.“ (Austin Fagothey SJ, Right and Reason. Ethics in theory and practice based on the teachings of Aristotle and St. Thomas Aquinas, Charlotte, North Carolina, 2000 (Nachdruck der 2. Ausg., St. Louis 1959), S. 214-222. Mehr: Siehe hier.)