Schwere Sünde, lässliche Sünde?

[Update: Dieser Artikel ist ja schon etwas älter, aber wird laut meinen Blogstatistiken immer mal wieder angeklickt; wenn also Google jemanden hierher geführt hat, der konkrete Infos darüber sucht, ob eine bestimmte Sache lässliche Sünde, schwere Sünde oder überhaupt keine Sünde ist, empfehle ich meine (leider noch nicht vollendete) „Moraltheologie und Kasuistik“-Reihe, die ich seitdem begonnen habe, nachdem ich selber mehr über dieses Thema gelernt habe, oder als einen Überblicksartikel mit Beispielen von Sünden und Nichtsünden gegen alle 10 Gebote und die Kirchengebote den hier: Schwere – lässliche – keine Sünde: Beispiele. Ein gutes altes Buch zur Kasuistik gibt es hier herunterzuladen.]

 (Nur ein paar Überlegungen, die vielleicht ein wenig ziellos und unstrukturiert sind. Ich denke in diesem Artikel eher laut nach und würde mich über Ergänzungen und Korrekturen freuen.)

Die katholische Lehre von den schweren und den lässlichen Sünden ist einerseits recht klar. Klar ist das Prinzip: Schwere Sünden, auch Todsünden genannt, zerstören die Beziehung zu Gott, lässliche belasten sie nur – wie man es auch aus menschlichen Beziehungen kennt. Die schwere Sünde ist wie eine tödliche Krankheit, die lässliche wie eine nicht tödliche, die der Körper (oder in diesem Fall die Seele) selbst bekämpfen kann. Für eine schwere Sünde müssen drei Kriterien erfüllt sein: schwerwiegende Materie (die Tat oder Unterlassung ist an sich schlecht genug, um die Gottesbeziehung zu zerstören), klares Wissen um die Schwere der Sünde (schuldhaftes Nicht-Wissen-Wollen mindert die Schuldfähigkeit allerdings nicht; nicht schuldhafter oder nur gering schuldhafter Irrtum schon) und freier Wille (der Wille kann z. B. durch eine Sucht, eine psychische Krankheit, Druck, Nötigung oder Zwang von außen beeinträchtigt sein). Wenn eins dieser Kriterien nicht erfüllt ist, ist die Sünde nur lässlich. Gebeichtet werden müssen von Katholiken nur schwere Sünden; wenn man sich nicht sicher ist, ob eine Sünde schwer war, muss man sie nicht als schwere zählen. Die Beichte der lässlichen Sünden ist freiwillig, wird aber empfohlen; das bedeutet auch, man muss vor der Beichte nicht versuchen, sich krampfhaft an ausnahmslos alle seit der letzten Beichte begangenen lässlichen Sünden zu erinnern.

Andererseits aber ist es nicht immer so klar, was „schwerwiegende Materie“ genau ausmacht; wie man schwerwiegende und lässliche Materie abgrenzt. Das ist es, was auch Skrupulanten wie mich oft mal belastet: Wenn man nicht unterscheiden kann, ob eine Sünde schwer oder lässlich war. (Muss ich beichten? Darf ich zur Kommunion gehen?)

Meistens bekommt man, wenn das Thema erklärt wird, statt allgemeinen Definitionen konkrete Beispiele für schwerwiegende Materie vorgelegt: Tötung eines unschuldigen Menschen (inklusive Abtreibung, Euthanasie, Selbstmord), Ehebruch, Vergewaltigung, Folter, Glaubensverleugnung, Meineid, Raub, Verleumdung, Vorenthalten des gerechten Lohns, Betrug, was so alles unter den Oberbegriff „Unzucht“ fällt, Blasphemie, grundloses Verpassen der Messe an Sonntagen und gebotenen Feiertagen, grundloses Nicht-Einhalten der kirchlichen Fastengebote, künstliche Empfängnisverhütung. (Freilich wiegen auch schwere Sünden nicht alle gleich schwer, wie unschwer einzusehen ist; Mord zum Beispiel ist schlimmer als Raub.) Beispiele für lässliche Sünden: Verlegenheitslügen oder alltägliche Unfreundlichkeiten und Streitereien, Unvorsicht, Ungeduld, Unhöflichkeit, eine gewisse Vernachlässigung des Gebets, eine Verspätung von einigen Minuten bei der Sonntagsmesse… Diese Unterscheidung entspricht auch dem gesunden Menschenverstand (Unfreundlichkeit und Mord sind offensichtlich nicht dasselbe), und sie zeigt sich bereits in der Bibel (1 Johannes 5,16f.).

[Die schweren Sünden oder Todsünden sind übrigens zu unterscheiden von den sieben Wurzelsünden (Hochmut, Habsucht, Neid, Zorn, Unkeuschheit, Unmäßigkeit, Trägheit), die auch manchmal fälschlich als die „sieben Todsünden“ bezeichnet werden, aber grundlegende Haltungen bezeichnen, die zu Sünden führen, keine konkreten Sünden selbst. Eine Sünde ist immer eine konkrete Handlung oder Unterlassung (in Gedanken, Worten oder Werken).]

Eine manchmal gehörte allgemeine Begründung für den Unterschied zwischen den beiden Arten von Sünde wäre: Schwere Sünden verstoßen gegen vorrangige Werte (das Leben, die Ehe, die Gottesverehrung), und lässliche gegen untergeordnete (etwa Wahrheit, Ehre, Eigentum). Diese Begründung funktioniert jedoch offensichtlich nicht: Eine schwere Verleumdung (z. B. die Bezichtigung eines Unschuldigen wegen eines Verbrechens) ist offensichtlich eine schwere Sünde; genauso ein bedeutenderer Diebstahl, ein gewaltsamer Raub oder die Ausbeutung von Arbeitern durch Hungerlöhne. Zudem gibt es minderschwere Verstöße etwa gegen den Wert des Lebens, z. B. eine geringfügige Gefährdung des eigenen Lebens und des Lebens anderer durch noch nicht allzu große Unvorsicht im Straßenverkehr. Diese Begründung funktioniert also nicht.

Eine weitere, beliebtere Begründung wäre: Was gegen die Zehn Gebote (und für Katholiken: die ihnen von der von Christus eingesetzten Kirche auferlegten fünf Kirchengebote) verstößt, ist schwerwiegende Materie. Das funktioniert schon eher; andererseits sind manche der Zehn Gebote aber auch recht allgemein formuliert und geben nicht gleich zu erkennen, welche Verstöße gegen sie wirklich schwerwiegend sind. Ist es eine schwere Sünde gegen das dritte Gebot, wenn man am Sonntag im Garten arbeitet oder Staub saugt? Oder ab wann wird der Neid auf das neue Auto des Nachbarn zu einer schweren Sünde gegen das zehnte? War der Streit mit meinen Eltern ein schwerer Verstoß gegen das vierte? Irgendwo kann man ja auch alle Sünden unter den zehn Geboten subsumieren, wie es in Beichtspiegeln gerne getan wird – Körperverletzung, Unvorsicht im Straßenverkehr oder die Schädigung der eigenen Gesundheit durch Drogen fallen dann unter „Du sollst nicht töten“, Masturbation oder die Vernachlässigung der Beziehung zum Ehepartner unter „Du sollst nicht ehebrechen“, Notlügen und Übertreibungen unter „Du sollst nicht falsch Zeugnis ablegen wider deinen Nächsten“, und das Missachten der Pflichten gegenüber dem Staat oder der Pflichten von Eltern gegenüber ihren Kindern unter „Ehre Vater und Mutter“. Einerseits fällt, wie man daran sieht, nicht alles von dem, was irgendwie mit den Zehn Geboten in Zusammenhang gebracht werden kann (z. B. kleine Übertreibungen), unter die Kategorie „schwere Sünde“; andererseits gibt es auch offensichtlich schwere Sünden, die nicht ganz direkt in den Zehn Geboten angesprochen werden (z. B. schwere Körperverletzung, schweres Mobbing, nicht-ehebrecherische Unzucht).

Vielleicht kann man auch sagen: Schwere Sünden verstoßen entweder direkt gegen einen zentralen Wert (z. B. verstößt die Verleugnung des Glaubens klar gegen die Treue zu Gott und gegen die Pflicht zum Bekenntnis der Wahrheit) oder sie schaden anderen Menschen oder einem selber direkt und gewollt (oder zumindest wissentlich in kauf genommen) in schwerwiegendem Maß (z. B. Mord, Selbstmord, Ehebruch, Raub, Verleumdung); oft auch beides. [Der Unterschied zwischen einer christlichen und einer utilitaristischen Moral wäre, dass die christliche nicht nur das, was direkten, quantifizierbaren Schaden anrichtet, als falsch ansieht – Glaubensverleugnung, Gotteslästerung, wohlmeinende Lügen oder konsensuale Unzucht beispielsweise richten nicht immer direkt beobachtbaren Schaden an. Freilich schaden sie oft indirekt und auf lange Sicht (ein Beispiel: Wenn man jemanden anlügt, um ihn nicht mit der Wahrheit zu beunruhigen, könnte man sich sein Vertrauen verscherzen, wenn er es merkt) und machen einen selbst zu einem von der Sünde beherrschten Menschen, aber der Verstoß gegen die Gottesliebe, die Wahrhaftigkeit oder die Keuschheit ist an sich schon schlimm. Wieso Gottesliebe, Wahrhaftigkeit und Keuschheit so wichtig sind, wäre dann mal noch eigens ausführlicher zu erläutern.] Wenn sie die Gottesbeziehung zerstören, müssen sie ein, wenn auch implizites, Nein zur Liebe, eine bewusste Gleichgültigkeit und Abwendung vom Guten, beinhalten.

Eine allgemeine Definition von Sünde an sich wäre auch: Sünde verstößt gegen den natürlichen Zweck, den Gott in die Dinge hineingelegt hat. Z. B. ist der Zweck der Sprache der Ausdruck und die Weitergabe von Wahrheit; der Zweck des Eigentums ist die Sicherung des Lebensunterhalts für einen selber und die, für die man verantwortlich ist; der Zweck der Sexualität ist die Fortpflanzung und der Ausdruck ehelicher Liebe zwischen Mann und Frau. Sünde verstößt gegen diese Ordnung der Dinge und bringt sie aus dem Gleichgewicht. Papst Benedikt XVI. hat in seiner Rede vor dem deutschen Bundestag von einer „Ökologie des Menschen“ gesprochen, die beachtet werden muss. Bei einer Sünde wird ein Gut einem anderen in ungeordneter Weise vorgezogen. (Niemand tut Böses, nur um Böses zu tun; wenn man z. B. Böses tut, um Geld, Lust oder Macht zu erreichen, zieht man wirkliche Güter anderen, höheren Gütern vor.) Letztlich wird bei einer Sünde immer etwas Geschaffenes Gott (dem letzten Ziel des Menschen) vorgezogen. Sünde kann man also als auch Ungeordnetheit betrachten. Der hl. Thomas von Aquin schreibt dann in diesem Sinne (von mir aus dem lateinischen Text übersetzt – hier findet sich auch eine englische Übersetzung, die besser ist als meine) :

„Der Unterschied aber zwischen einer lässlichen Sünde und einer Todsünde folgt aus dem Unterschied in der Unordnung, die die Art der Sünde ausmacht. Denn diese Unordnung gibt es in zweifacher Weise: eine besteht im Abweichen vom ordnenden Prinzip; die andere, bei der das ordnende Prinzip erhalten bleibt, bewirkt eine Unordnung in den Dingen, die den Prinzipien folgen. So tritt im Körper eines Tieres manchmal eine umfassende Unordnung auf, die bis zur Zerstörung des lebenswichtigen Prinzips führt, und diese führt zum Tod; manchmal aber, wobei das Lebensprinzip gewahrt bleibt, tritt eine gewisse Unordnung in den Körpersäften auf, und dann kommt eine Krankheit. Das Prinzip aber der ganzen Ordnung der moralischen Dinge ist das letzte Ziel, das zu den Handlungen im selben Verhältnis steht wie das unmittelbar gewisse (?) Ziel in spekulativen Dingen, wie in VII Ethic. gesagt wird. Somit ist, wenn die Seele durch die Sünde in Unordnung fällt bis hin zur Abwendung von ihrem letzten Ziel, nämlich Gott, mit dem sie durch die Liebe geeint ist, da Todsünde; wenn sie jedoch in Unordnung fällt ohne Abwendung von Gott, dann ist da lässliche Sünde. So wie nämlich im Körper die tödliche Unordnung, die durch die Beseitigung des Lebensprinzips entsteht, naturgemäß irreparabel ist, die Unordnung einer Krankheit aber repariert werden kann, weil das Lebensprinzip gewahrt bleibt, so steht es mit den Dingen, die die Seele angehen. Denn auch in spekulativen Dingen kann derjenige, der bei den Prinzipien irrt, nicht überzeugt werden, wer aber irrt und dabei die Prinzipien bewahrt, kann durch diese Prinzipien [zur Wahrheit] zurückgebracht werden.“ (Summa Theologiae II/I 72,5)

An einer anderen Stelle schreibt er: „Die Objekte von Akten aber sind deren Ziele, wie aus dem oben Gesagten klar ist. Und deshalb richtet sich der Unterschied der Schwere von Sünden nach dem Unterschied ihrer Objekte. So ist es klar, dass äußerliche Gegenstände auf den Menschen als ihr Ziel ausgerichtet sind; der Mensch aber ist darüber hinaus auf Gott als sein Ziel ausgerichtet. Somit ist eine Sünde, bei der es um die Substanz des Menschen selbst geht, wie Mord, eine schwerere Sünde als eine, bei der es um äußerliche Dinge geht, wie Diebstahl; und fernerhin ist eine noch schwerere Sünde die, die direkt gegen Gott begangen wird, wie Unglaube, Blasphemie und dergleichen.“ (Summa Theologiae II/I 73,3)

An einer wieder anderen Stelle schreibt er über den Unterschied zwischen Todsünde und lässlicher Sünde, die Todsünde verstoße direkt gegen ein Gebot, die lässliche Sünde „non est contra praeceptum, sed praeter praeceptum“, d. h. sie stehe nicht gegen das Gebot, sondern gehe eher an ihm vorbei – man handelt nicht nach dem Prinzip der Gottes- und Nächstenliebe, verstößt aber auch nicht ganz direkt gegen es. (Summa Theologiae II/II 105,1)

Das ist natürlich immer noch etwas schwammig in den Einzelheiten; und fraglich bleibt bei solchen Definitionen auch oft, wo man die „mittelschweren“ Sünden einordnen soll. Sagen wir mal:

  • Leichte Körperverletzung bei einer Prügelei unter Bekannten, die sich dann wieder versöhnen
  • Einnahme der harmloseren Drogen (z. B. Marihuana), in einem Staat, wo das legal ist
  • Längerfristig aufrecht erhaltene Feindseligkeiten und Streitereien innerhalb der Familie
  • Gelegentliche Flirts mit der Sekretärin, weil die Ehe gerade in einer Krise ist, ohne die Absicht, weiterzugehen
  • Gewohnheitsmäßiges Lügen, z. B. weil man unangenehme Tatsachen über sich selbst nicht zugeben will, aber ohne dass damit Schaden für andere angerichtet wird
  • Ladendiebstahl (Waren von geringem Wert)

Wo genau liegt die Grenze, z. B. im Bereich des Diebstahls, zwischen lässlicher und schwerwiegender Materie? Sicher kommt es auf den angerichteten Schaden beim Bestohlenen an (objektiv: Wie teuer war das Gestohlene? subjektiv: Wie sehr leidet der Bestohlene unter dem Verlust?), auf das Motiv des Diebs (Druck von anderen, Mutprobe, keine Lust, sein Geld auszugeben?), ob er so etwas gewohnheitsmäßig, vielleicht sogar gewerbsmäßig, tut oder nicht, etc. Und sicher kann man da nicht immer eine eindeutige Linie ziehen. Dazu spielen zu viele Faktoren hinein; es gibt Fälle, in denen eine Sünde nicht eindeutig schwer oder lässlich, sondern zweifelhaft schwer ist. Hier könnte man vielleicht wieder den Vergleich mit Krankheiten heranziehen: Manche Krankheiten sind gefährlich, aber nicht in jedem Fall tödlich. Ab wann im einzelnen Fall das wirkliche Nein zum Guten da ist, ist nicht immer ganz eindeutig – aber irgendwann ist es da, so wie bei Krankheiten irgendwann der Tod eintritt, auch wenn man nicht immer voraussehen kann, ob eine bestimmte schwere, nicht immer tödliche Krankheit unter diesen Umständen bei diesem Menschen tödlich enden wird.

Dann wären da auch noch zwei bestimmte Kategorien da, bei denen die Bestimmung oft schwierig ist: Die Unterlassungssünden und die Gedankensünden.

In der Rede vom Weltgericht fokussiert Jesus sich auf die Unterlassungssünden: „Dann wird er zu denen auf der Linken sagen: Geht weg von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das für den Teufel und seine Engel bestimmt ist! Denn ich war hungrig und ihr habt mir nichts zu essen gegeben; ich war durstig und ihr habt mir nichts zu trinken gegeben; ich war fremd und ihr habt mich nicht aufgenommen; ich war nackt und ihr habt mir keine Kleidung gegeben; ich war krank und im Gefängnis und ihr habt mich nicht besucht. Dann werden auch sie antworten: Herr, wann haben wir dich hungrig oder durstig oder fremd oder nackt oder krank oder im Gefängnis gesehen und haben dir nicht geholfen? Darauf wird er ihnen antworten: Amen, ich sage euch: Was ihr für einen dieser Geringsten nicht getan habt, das habt ihr auch mir nicht getan. Und diese werden weggehen zur ewigen Strafe, die Gerechten aber zum ewigen Leben.“ (Matthäus 25,41-46) Ab wann wird eine Unterlassung, eine Nachlässigkeit oder Gleichgültigkeit, also zur schweren Sünde?

Anders ausgedrückt könnte diese Frage lauten: Welche Pflichten hat der Einzelne – je nach seinen Möglichkeiten –, die unter schwerer Sünde verpflichten? Hier kann man wieder auf die Zehn Gebote und andere Texte schauen, die Pflichten gegenüber Gott einerseits und dem Nächsten andererseits festschreiben. Der „Nächste“ kann im Grunde genommen jeder werden, mit dem man zufällig zu tun hat, auch ein Fremder (s. das Gleichnis vom barmherzigen Samariter), aber je enger die Beziehung, desto größer in der Regel die Verpflichtungen; deshalb wird auch im vierten Gebot die familiäre Beziehung besonders hervorgehoben. Seine Kinder oder alten Eltern muss man persönlich versorgen; wenn es um Obdachlose in der Innenstadt oder um hungernde Menschen in der Dritten Welt geht, denen man mit Geldspenden helfen könnte, kann man sich im Grunde aussuchen, wem von vielen Bedürftigen man hilft, und ab einem gewissen Grad auch, in welchem Maße (schließlich könnte man sich immer irgendwann sagen „wenn ich mir jetzt nicht noch eine Tasse Kaffee kaufen würde, könnte ich noch ein paar Euro mehr für verfolgte Christen spenden“). Hier gibt es wieder Graubereiche. Es kommt also einerseits darauf an, wie nahe einem jemand steht; und auf der anderen Seite natürlich auch darauf, wie dringend dessen Bedürfnis nach Hilfe ist (z. B. braucht jemand, der in der Straßenbahn zusammenbricht, sofort dringend Hilfe).

[Bei Unterlassungssünden muss man übrigens auch beachten, dass das physisch oder moralisch Unmögliche grundsätzlich nicht verpflichtet. Physisch unmöglich: Ich liege schwer krank im Bett und kann deshalb nicht in die Kirche gehen. Moralisch unmöglich: Ich bin zwar nicht so krank, dass ich es nicht schaffen würde, mich in die Kirche zu schleppen, aber mit meinem Fieber etc. wäre es besser für mich, mich auszuruhen, und außerdem will ich niemanden anstecken, gerade, wenn die vielleicht ein geschwächtes Immunsystem haben. Ein positives Gebot (du sollst etwas tun, z. B. sonntags in die Kirche gehen) unterscheidet sich in dieser Hinsicht von einem negativen (du sollst etwas nicht tun, z. B. unschuldige Menschen nicht direkt töten); letzteres kann immer eingehalten werden, ersteres nur, wenn man dazu die Fähigkeit, die Gelegenheit, die Mittel hat.]

Und dann wären da eben noch die Gedankensünden. In der Bergpredigt sagt Jesus: „Ich aber sage euch: Jeder, der eine Frau ansieht, um sie zu begehren, hat in seinem Herzen schon Ehebruch mit ihr begangen.“ (Matthäus 5,28)  Ab wann werden Gedankensünden schwerwiegend?

Generell kann man sagen: Sünde ist es, sich zu wünschen, eine Sünde begehen zu können (so dass man sie begehen würde, wenn man könnte), sich an der Phantasie einer Sünde, ohne konkrete Absichten, sie auch zu begehen, zu freuen, oder sich am Gedanken an begangene Sünden zu freuen. [Natürlich sind hier bewusste Gedanken gemeint, keine unbewussten, die man gar nicht da haben wollte.] Daraus wird freilich noch nicht klar, wann genau das bewusste Phantasieren oder das Planen schwer sündhaft ist – beides kann es sein, und dabei kommt wohl hauptsächlich darauf an, ob diese Sünde selber schwer wäre, und dann darauf, ob der Gedanke flüchtig oder ernsthaft ist, oder ob man ihn schnell wieder verwirft oder ihn länger im Kopf behält. Wenn man sich ausführlich ausmalt, sich z. B. an jemandem zu rächen, kann das sehr wohl eine schwere Sünde sein; wenn man sich bei dem freudigen, aber noch eher halbherzigen Gedanken an so etwas ertappt und sich nach ein paar Sekunden zusammenreißt und seine Gedanken woanders hin lenkt, ist es eher eine lässliche. (Wenn einem der Gedanke in den Kopf kommen würde, ohne dass man ihn hervorgerufen hätte, und man nichts tun würde, um ihn dazubehalten, wäre es gar keine Sünde.) Bei Gedankensünden im Bereich des 6. Gebots (Unkeuschheit) wird schnell – eigentlich grundsätzlich, wenn man den Gedanken willentlich zustimmt – von schwerer Sünde ausgegangen, weil es hier eben doch um etwas Wichtiges geht, man sich leicht tiefer verstricken lässt und die Tatsünden auch schwer wären.

Ich habe schon mal geschrieben, dass ich wegen solcher praktischer Fragen mit der heute allgegenwärtigen Abneigung gegen die sog. „Kasuistik“ (moralische Fallanalyse) nichts anfangen kann; an älteren, vor dem 2. Vatikanum herausgegebenen Moraltheologiebüchern (von denen ich nur eins besitze, eines aus den 50ern) ist das Praktische, dass die Autoren bei jedem Punkt ihre Meinung dazu sagen, welche schwerwiegenden Verpflichtungen oder möglichen Sünden es hier gebe. Die muss vielleicht nicht immer in jeder Einzelheit richtig sein; aber jedenfalls gehen sie die Frage an.

 Letztlich ist wohl für die Praxis entscheidend: Wenn etwas schwere Sünde ist, muss die Kirche, und i. d. R. auch schon die Bibel, irgendwann schon mal etwas dazu gesagt haben. Wenn die Zehn Gebote da noch nicht ganz klar sind, dann wohl die Propheten, Jesus, Paulus oder der Katechismus. Was nirgendwo als schwer genug erachtet wurde, um ausdrücklich so genannt zu werden, kann nicht so schwer sein. Ja, es wird dann auch nicht immer ganz eindeutig – gerade bei so allgemeinen Geboten wie „Ehre Vater und Mutter“. Aber es gibt immerhin gewisse Richtlinien.

Etwas übers Beten im Stand der Todsünde

Ein paar sehr schöne Worte von Father Mike Schmitz über das Gebet im Stand der schweren Sünde:

Ein kurzes Zitat:

„In fact, the Catholic theology on this is this: Every time you and I go to pray, it’s always gonna be a response. None of us are ever initiators of prayer to God. It’s always God who initiates and invites us to pray, and if you ever pray, ever, it’s always a response to God. Which means a couple of things: One is, you never have to fight to get God’s attention. If you want His attention, that’s because He’s inviting you to give Him your attention. Secondly, when we go to confession, I think sometimes we have this image that when we go to confession, we go before the Lord and say to God: ‚Please please please give me another chance, I promise I’ll – you know – be good, give me another chance.‘ The exact opposite is true. When you go to confession, it’s actually God saying to you: ‚Please, give me another chance. Give me another chance to love you, give me another chance to have mercy on you, give me another chance to bring you into right relationship with me.‘ Why? Because the number one thing God wants with us is, He wants to be in relationship with us.“

(„Tatsächlich ist die katholische Lehre darüber das: Jedes Mal, wenn du und ich beten, wird es eine Antwort sein. Keiner von uns ist jemals Initiator eines Gebets zu Gott. Es ist immer Gott, der die Initiative ergreift und uns zum Gebet einlädt, und wenn du jemals betest, jemals, dann ist es immer eine Antwort an Gott. Was mehrere Sachen bedeutet: Das Erste ist, du musst dich niemals anstrengen, um Gottes Aufmerksamkeit zu erhalten. Wenn du Seine Aufmerksamkeit willst, ist das, weil Er dich einlädt, Ihm deine Aufmerksamkeit zu schenken. Zweitens, wenn wir zur Beichte gehen, ich glaube, dann haben wir manchmal dieses Bild, dass, wenn wir zur Beichte gehen, wir vor den Herrn hintreten und zu Gott sagen: ‚Bitte bitte bitte gib mir noch eine Chance, ich verspreche, ich werde – du weißt schon – brav sein, gib mir noch eine Chance.‘ Das genaue Gegenteil ist wahr. Wenn du zur Beichte gehst, ist es tatsächlich Gott, der zu dir sagt: ‚Bitte, gib mir noch eine Chance. Gib mir noch eine Chance, dich zu lieben, gib mir noch eine Chance, Gnade mit dir zu haben, gib mir noch eine Chance, dich in die richtige Beziehung zu mir zu bringen.‘ Wieso? Weil das Allererste, was Gott mit uns will, ist, Er will mit uns in Beziehung sein.“)

Einige praktische Regeln für Skrupulanten

Anmerkung: Diese Regeln gelten für Menschen mit einem skrupulösen Gewissen. Was das ist: siehe hier. Menschen mit einem normalen oder laxen Gewissen müssen vielleicht in anderer Weise an sich arbeiten. Man sollte freilich weder als zur Laxheit neigender Katholik sich einreden, man sei Skrupulant, noch als Skrupulant, man neige in Wirklichkeit zur Laxheit; am besten ist es, sich auf die Einschätzung eines vertrauenswürdigen Beichtvaters zu verlassen statt auf seine eigene. Manchmal kann es auch sein, dass man sich nur in einzelnen Bereichen skrupulös verhält.

Meine Reihe von Artikeln über Skrupulosität war eher allgemein ausgerichtet; deshalb möchte ich jetzt noch ein paar praktische Regeln nicht unerwähnt lassen, die wir Skrupulanten beherzigen sollten. Die obersten Regeln sind natürlich, wie erwähnt, der Gehorsam gegenüber dem Beichtvater (vorausgesetzt, man findet einen guten, vertrauenswürdigen, der sich theologisch auskennt), und das Ignorieren von Zweifeln (d. h. wenn man zweifelt, ob etwas, das man tun oder unterlassen will, erlaubt ist, ist es erlaubt; wenn man zweifelt, ob etwas, das man getan oder unterlassen hat, Sünde war, war es keine Sünde). Weiter sollte man beachten:

  1. Wegen lässlichen Sünden muss man nicht zur Beichte gehen, nur wegen schweren. (Das gilt für alle Katholiken und sollte bekannt sein.) Es ist gut, sie in der Beichte zu erwähnen, aber man muss sie nicht alle erwähnen, und man muss nur wegen ihnen nicht vor dem nächsten Kommunionempfang zur Beichte gehen.
  2. Als schwer gilt eine Sünde für uns Skrupulanten nur dann, wenn wir vor Gott schwören könnten, dass es an sich eine schwere Sünde ist, dass wir uns dessen im Voraus bewusst waren, und dass wir aus freiem Willen gehandelt haben. Wenn wir das nicht könnten, müssen wir nicht zur Beichte gehen und können (sollen!) die Kommunion empfangen.
  3. Sünden, die man schon einmal gebeichtet hat, werden nicht erneut gebeichtet, wenn man zweifelt, ob man genau und ausführlich genug war. (Zweifel sind, wie gesagt, generell zu ignorieren.)
  4. Nur klare und sicher feststehende Sünden werden gebeichtet. Wenn man zweifelt, ob man eine Tat begangen hat, oder ob eine begangene Tat eine Sünde war, wird sie nicht gebeichtet.
  5. In der Beichte sind nicht sämtliche Details notwendig; man muss nur das nennen, was die Art der Sünde betrifft, was aus einer bestimmten Sünde eine andere macht (z. B. wird aus einer Lüge, die unter Eid gesprochen wurde, ein Meineid; in diesem Fall muss man in der Beichte sagen, dass man einen Meineid begangen hat, es genügt nicht ein „ich habe einmal gelogen“), und ihre Zahl, soweit man sich daran erinnert oder sie abschätzen kann.
  6. Das Bußgebet nach der Beichte wird nicht wiederholt, auch wenn man glaubt, man war beim ersten Mal nicht andächtig genug. (Die Sünde ist im Übrigen schon mit der Absolution weg. Die Buße ist eine Wiedergutmachung.) Das Nicht-Wiederholungs-Gebot gilt zudem für alle Gebete, die man verrichtet.
  7. Wenn man nicht Essen in den Mund steckt und es schluckt, oder etwas trinkt (was nicht Wasser und Medizin ist, das ist erlaubt), indem man eine Flasche oder ein Glas an die Lippen nimmt und schluckt, kann man das Fasten vor der Kommunion nicht brechen. Zum Brechen dieses Gebots gehört, dass etwas von außen aufgenommen wird (wenn man Zahnfleischbluten hat und Blut verschluckt, gilt es nicht, auch nicht, wenn man Speisereste verschluckt, die schon länger zwischen den Zähnen stecken), es muss geschluckt werden (wenn man also kurz probiert, ob etwas gut gewürzt ist und es dann wieder ausspuckt, gilt es nicht), und es muss ein Akt des Essens/Trinkens vorliegen (wenn einem eine Fliege in den Mund fliegt und man sie reflexhaft schluckt, gilt es nicht). Das Fastengebot gilt im Übrigen für ältere Menschen und für Kranke nicht. (Essen aus Versehen (z. B. weil man sich in der Zeit geirrt hat oder zerstreut war) gilt allerdings; dann sollte man von der Kommunion fernbleiben. (Man hat aber durch das Essen an sich keine Sünde begangen, auch weil keine Pflicht besteht, in jeder Messe zur Kommunion zu gehen; wenn man nicht vorhat, zur Kommunion zu gehen, darf man immer etwas essen. Nur wenn man vorhat, zur Kommunion zu gehen, und trotzdem bewusst etwas isst, ist es Sünde.))
  8. Gedanken, Wünsche, Gefühle, Fantasien, die man nicht mit Absicht herbeiholt bzw. mit Absicht im Kopf behält bzw. ihnen willentlich zustimmt, können keine Sünde sein. Solche Dinge tauchen oft ohne eine eigene Willensentscheidung im Kopf auf und lassen sich manchmal schwer vertreiben. Im Zweifelsfall soll man davon ausgehen, dass man diesen Gedanken etc. nicht zugestimmt hat. Außerdem würden die belastenden Gedanken dadurch, dass man ewig darüber nachgrübelt, ob man ihnen zugestimmt hat, erst recht wieder hochkommen.
  9. Generalbeichten werden nicht abgelegt. Evtl. einmal bei Exerzitien und dann absolut nie wieder. Auch nicht bei einem anderen Beichtvater.
  10. Das, was immer nötig ist, ist Vertrauen auf Gottes Barmherzigkeit, Güte und Liebe. Er liebt uns mehr, als wir es uns vorstellen könnten. Er will uns bei sich haben. Wieso sollte er so einfach zulassen, dass wir von ihm getrennt werden?

Einige weitere Tipps aus meiner persönlichen Erfahrung wären:

  1. Wenn man denkt, dass man beichten gehen muss, genügt es auf jeden Fall bei der nächsten wöchentlichen Beichtgelegenheit in der Pfarrei. Man muss nicht schnellstmöglichst den nächsten Priester abpassen. Genau genommen ist es sogar nur einmal im Jahr verpflichtend, seine schweren Sünden zu beichten; es besteht keine kirchenrechtliche Pflicht, sofort nach einer schweren Sünde zur Beichte zu gehen. Man begeht keine weitere Sünde, wenn man z. B. abwartet, bis man zu dem Beichtvater gehen kann, bei dem man immer ist, oder es einfach einige Zeit nicht zur Beichte schafft.
  2. Wenn man gebeichtet hat, sollte man zumindest eine Woche lang den Beichtstuhl komplett vermeiden.
  3. Generell wäre die Beichte evtl. alle vier Wochen anzuraten. Regelmäßige Beichte ist gut, aber ein Abstand von vier Wochen reicht.
  4. Regelmäßig beten (das ist sowieso wichtig), und zwar zu festgesetzten Zeiten. Eine Viertelstunde morgens, eine Viertelstunde abends, zum Beispiel. Ich weise noch einmal auf das Stundenbuch hin, das es auch als App im Playstore gibt, und dessen Texte wirklich wunderbar dafür geeignet sind, einem Gottes Liebe vor Augen zu führen.
  5. Wenn bestimmte Eingebungen, Gedanken, Bücher etc. einen unruhig und verängstigt zurücklassen und einen fast an der Möglichkeit, jemals in den Himmel zu kommen, verzweifeln lassen, dann sollte man sie meiden. Das ist kein billiger Ausweg. Jeder muss die Medizin nehmen, die zu seiner Krankheit passt, und unsere Krankheit ist nicht moralische Gleichgültigkeit, also werden uns manche aufrüttelnden Texte und Ideen eher in Verwirrung, Mutlosigkeit und Verzweiflung treiben, als dass sie uns anspornen. Wenn einem ein Gedanke kommt, der nur diese Gefühle in uns hervorruft – zum Beispiel „Ich kann Gott nicht wirklich lieben, also nützt doch alles nichts, was ich tue, schließlich halte ich Seine Gebote nur aus Furcht, wenn ich es überhaupt tue“ – dann kann er nicht von Gott kommen. (Das ist übrigens nicht meine Idee; dasselbe sagt z. B. Giovanni Battista Scaramelli SJ (1687-1752), wenn er von der Unterscheidung der Geister spricht.) Gott bringt einem Licht, Klarheit, Frieden und Hoffnung; also beschäftigen wir uns mit den Ideen und Texten, die in uns diese Dinge hervorrufen. [Ach ja: Eine Antwort auf diesen speziellen Gedanken von oben wäre übrigens: Man will Gott lieben und das ist schon der Anfang der Gottesliebe; außerdem ist es kein Wunder, dass man keine oder wenig Liebe zu Gott spürt, wenn man von einem von Furcht überlagerten Gottesbild geplagt wird. Wenn man sich erst einmal klar gemacht hat, was Gott für einen getan hat, wird das schon noch kommen (wobei die Stärke der Gefühlsregungen auch dann nicht unbedingt ein Indikator für die Stärke der Liebe ist; Gefühle kommen und gehen). Und diese Furcht ist auch keine Sünde. Wenn man sich sagt „wenn ich nicht in die Hölle käme, würde ich natürlich lügen und betrügen“ ist das eine Sünde, aber wenn man weiß, dass Lügen und Betrügen falsch ist und das nicht tun will, der größte motivierende Faktor dabei, es nicht zu tun, aber die Furcht vor der Hölle ist, ist das nicht schlimm. Die Kirche selbst hat festgestellt, dass z. B. in der Beichte die „Furchtreue“ genügt und schon ein von Gott gegebener Anfang ist. Sie ist nicht das Bestmögliche, aber trotzdem an sich gut; Furcht vor gerechter Strafe ist nicht falsch.]
  6. Rom ist auch nicht an einem Tag erbaut worden. Daran muss man immer denken; es braucht kleine Schritte. Gott hat Geduld mit uns. Daher nicht ungeduldig und mutlos werden.
  7. Wenn einem der Gedanke kommt, man müsse andere vor irgendetwas warnen oder sie auf eine mögliche Sünde hinweisen, dann sollte man es meistens lassen, oder jedenfalls die Situation erst einmal ganz in Ruhe durchdenken. Angenommen, man möchte zum Beispiel seinen Bruder davor warnen, dass auf diesem Apfel da Bakterien sein könnten, obwohl man weiß, dass der Bruder diese Phobie vor Bakterien für völlig bescheuert hält und noch nie auf einen gehört hat, wenn man meinte, auf diesen oder jenen Lebensmitteln seien vielleicht Bakterien (und dass er trotzdem noch nie von den entsprechenden Lebensmitteln krank geworden ist). In diesem Fall kann man sich sagen, es wäre sinn- und aussichtslos, die Warnung auszusprechen – selbst wenn da schädliche Bakterien wären, würde der Bruder nicht darauf hören. Oder man bekommt mit, dass eine Bekannte die Pille nimmt oder mit ihrem Freund zusammenziehen will. Nun ist sie nicht einmal katholisch (oder jedenfalls nicht überzeugt katholisch), und wenn man nun versucht, sie auf dieses Thema anzusprechen und ihr die katholische Sexualmoral näherzubringen, wird sie das wahrscheinlich einfach als nervige und unangebrachte Einmischung in ihr Privatleben empfinden und dem Katholizismus dadurch nicht einen Schritt näher kommen. Sicher, man tut so etwas nur, um ihr zu helfen.Aber man sollte durchdenken, wie solche Ermahnungen wahrscheinlich aufgenommen werden und ob sie überhaupt Erfolgsaussichten haben. Es ist für uns Skrupulanten, die wir eher zu viel tun als zu wenig und dabei einen falschen Eindruck hinterlassen können (nämlich den von Besserwisserei und Intoleranz), wahrscheinlich besser, im Bekanntenkreis vielleicht dann Zeugnis für Christus abzulegen, wenn man gefragt wird oder ein mit dem Glauben zusammenhängendes Thema aufkommt; vielleicht auch mal zu Nightfever einzuladen oder zu ähnlichen Veranstaltungen, auf denen es um Gott selber geht, nicht um ein bestimmtes katholisches Aufregerthema.  (Freilich ist es illusorisch, zu erwarten, dass man Menschen mit der richtigen Methode immer und überall einfach und schnell zu Christus bekehren könne. Da müssen die erstens selber nämlich auch mitmachen, und zweitens braucht so etwas immer Zeit, und wird manchmal gar nichts. Wir haben jedenfalls nicht für alles und jeden Verantwortung. Genaueres zur brüderlichen Zurechtweisung in diesem Artikel.)