Die frühen Christen (bis 200 n. Chr.), Teil 9: Endzeit, Wiederkunft Christi und Weltgericht

Wer wissen will, was es mit dieser Reihe auf sich hat, möge bitte diese kurze Einführung hier lesen; knapp gesagt: ich habe Zitate aus christlichen Schriften vom Jahr 95 bis ca. 200 n. Chr. gesammelt, um einen Eindruck von der frühen Kirche zu vermitteln. (In der Einführung findet sich eine Liste mit allen herangezogenen Werken mitsamt ihrer Datierung.)

Alle bisher veröffentlichten Teile gibt es hier.

Bibelstellen zum Vergleich (Auswahl): Mt 24-25; Lk 21; Mk 13; Offb; 1 Kor 15,51-53; 1 Thess 4,15-17; 2 Thess 2; Dan 7.

Über die Wiederkunft Christi, die stetige Wachsamkeit wegen des unbekannten Zeitpunkts, die Schwierigkeiten der Endzeit, die Tyrannei des Antichrists vor der Wiederkunft des Herrn usw. finden sich etliche Aussagen bei den frühen Christen. Sie glaubten auch (ebenso wie Christen heute) daran, dass dann die leibliche Auferstehung der Toten (wobei ihre Körper sich wieder mit ihren Seelen vereinen) und das Jüngste Gericht, bei dem die Guten und Bösen öffentlich vor allen geschieden werden, folgen werden.

In der Didache, einer Gemeindeordnung von ca. 100 n. Chr., heißt es ganz am Ende über die Prüfungen und Leiden der Endzeit und dann über die Wiederkunft Christi:

„‚Wachet‘ für euer Leben; ‚eure Lampen sollen nicht ausgehen und der Gurt um eure Lenden‘ soll sich nicht lockern, ’seid vielmehr bereit, denn ihr wisset nicht die Stunde, in der unser Herr kommt‘. Ihr sollt fleißig zusammenkommen, indem ihr nach dem strebet, was euren Seelen zukommt; denn es wird euch die ganze Zeit des Glaubens nichts nützen, wenn ihr nicht in der letzten Stunde vollkommen seid. Denn in den letzten Tagen werden sich mehren die falschen Propheten und die Verderber, und die Schafe werden zu Wölfen umgewandelt, und die Liebe wird verwandelt werden in Hass. Wenn nämlich die Gesetzwidrigkeit sich steigert, werden sie einander hassen, verfolgen und ausliefern, dann wird erscheinen der Verführer der Welt, wie der Sohn Gottes wird er auch ‚Zeichen und Wunder tun‘, und die Erde wird in seine Hände überliefert werden, und er wird Greuel verüben, wie sie von Ewigkeit her noch nicht geschehen sind. Dann wird das Geschlecht der Menschen kommen in das Feuer der Prüfung, und ‚viele werden Ärgernis nehmen‘ und zugrunde gehen; die aber ausharren in ihrem Glauben, werden von dem (durch die Verführer) Verfluchten selbst ‚gerettet werden‘. ‚Und dann werden die Zeichen der Wahrheit erscheinen; zuerst das Zeichen, dass der Himmel sich auftut, dann das Zeichen des Trompetenschalles‘ und das dritte: die Auferstehung der Toten, aber nicht aller, sondern, wie gesagt ward: ‚Kommen wird der Herr und alle Heiligen mit ihm‘. ‚Dann wird die Welt den Herrn kommen sehen auf den Wolken des Himmels‘.“ (Didache 16)

Papst Clemens von Rom schreibt um 95 n. Chr.:

„Wahrhaftig, schnell und plötzlich wird sein Wille Vollendung finden, da ja auch die Schrift selbst hierfür Zeugnis gibt: ‚Schnell wird er kommen und nicht zögern, und plötzlich wird einziehen der Herr in seinen Tempel und der Heilige, den ihr erwartet‘.“ (1. Clemensbrief 23,5)

Bischof Ignatius von Antiochia schreibt um 107 n. Chr. in seinen Briefen folgendes:

„Die letzten Zeiten sind da; deshalb wollen wir auf der Hut sein und Furcht haben vor Gottes Langmut, dass sie uns nicht zum Gerichte werde. Entweder müssen wir Furcht haben vor dem kommenden Zorn oder die gegenwärtige Gnade lieben, eins von beiden, nur dass wir in Christus Jesus erfunden werden zum wahren Leben.“ (Brief des Ignatius an die Epheser 11,1)

„Lerne die Zeiten kennen. Den erwarte, der über der Zeit ist, den Zeitlosen, den Unsichtbaren, der unseretwegen sichtbar geworden, den Unbetastbaren, den Leidenlosen, der unseretwegen gelitten hat, der auf alle Arten unseretwegen geduldet hat.“ (Brief des Ignatius an Polykarp 3,2)

Justin der Märtyrer schreibt um 150 n. Chr. in einer Schrift, in der er den christlichen Glauben gegenüber den Heiden verteidigt:

„Die Propheten haben nämlich ein zweimaliges Kommen Christi vorhergesagt, das eine, das schon der Geschichte angehört, als das eines mißachteten und leidensfähigen Menschen, das andere aber, wenn er ihrer Verkündigung gemäß in Herrlichkeit vom Himmel her mit seiner Engelschar erscheinen wird, wenn er auch die Leiber aller Menschen, die je gelebt haben, wieder auferwecken und die der Würdigen mit Unverweslichkeit bekleiden, die der Ungerechten aber in ewiger Empfindungsfähigkeit mit den bösen Geistern ins ewige Feuer verweisen wird.“ (Justin, 1. Apologie 52)

In einer Fortsetzung dieser Schrift schreibt er:

„Darum, nämlich um der zarten Saat des Christentums willen, das Gott als Grund für den Fortbestand der Natur ansieht, verzögert er den Untergang und die Zerstörung der ganzen Welt, durch die dann auch die bösen Engel, Dämonen und Menschen ihr Ende finden würden. Wenn das nicht wäre, so könntet auch ihr nicht mehr solches tun und euch von den bösen Dämonen als Werkzeuge gebrauchen lassen; es hätte vielmehr das herniederfahrende Feuer des Gerichtes schonungslos allein ein Ende gemacht, wie einst die große Flut, die niemanden übrig ließ als den Noe allein mit den Seinen; so nennen wir jenen, während er bei euch Deukalion heißt, von dem dann wieder so viele Menschen entstammt sind, teils schlechte, teils gute.“ (Justin, 2. Apologie 6)

Und in einem Dialog mit einem Juden namens Tryphon sagt er:

„Wenn sich aber zeigt, daß seine Leidensmacht von solchen Wundern begleitet wurde und begleitet ist, wie groß sind erst die Wunder, wenn er in Herrlichkeit erscheint? Denn, wie Daniel offenbarte, wird er als Menschensohn auf den Wolken unter Begleitung von Engeln kommen.“ (Justin, Dialog mit Tryphon 31,1)

Auf die jüdische Ansicht, dass Jesus nicht der Messias gewesen sei, weil er nicht in Macht und Herrlichkeit gekommen sei, erwidert er, dass von den Propheten sowohl ein Leiden als auch ein Triumph des Messias vorhergesagt worden war:

„Die Toren, nicht verstehen sie, was immer wieder dargetan worden ist, daß es nämlich nach den Prophezeiungen zwei Parusien von ihm gibt; bei der einen leidet er, ist er der Herrlichkeit und der Ehre beraubt und wird er gekreuzigt gemäß der Verkündigung; bei der anderen wird er in Herrlichkeit vom Himmel erscheinen. Diese tritt dann ein, wenn der Mann der Apostasie, der auch gegen den Höchsten Ungehöriges predigt, auf Erden Sündhaftes gegen uns Christen wagt, die wir von dem Gesetze und dem Worte, das aus Jerusalem durch Jesu Apostel ausging, Gottesverehrung gelernt und zu dem Gotte Jakobs und dem Gotte Israel unsere Zuflucht genommen haben.“ (Justin, Dialog mit Tryphon 110,2)

Im 2. Clemensbrief heißt es:

„Wisset nämlich, dass bereits der Tag des Gerichtes kommt wie ein glühender Ofen, und ein Teil der Himmel wird schmelzen, und die ganze Erde (wird sein) wie Blei, das auf dem Feuer schmilzt, und dann werden sichtbar werden die geheimen und offenen Werke der Menschen.“ (2. Clemensbrief 16,3)

„Denn der Herr hat gesagt: ‚Ich komme, um alle Völker, Stämme und Sprachen zu versammeln.‘ Damit meint er den Tag seines Erscheinens, wenn er kommen und uns erlösen wird, jeden nach seinen Werken. Und sehen werden seine Herrlichkeit und seine Macht die Ungläubigen, und sie werden verwundert anstaunen das Weltreich Jesu und sagen: Wehe uns, da du warst, und wir wussten es nicht und glaubten nicht und gehorchten nicht den Presbytern, die uns von unserem Heile predigten; und ihr Wurm wird nicht sterben und ihr Feuer nicht erlöschen, und sie werden am Pranger stehen für jegliches Fleisch. Er meinte jenen Tag des Gerichtes, wenn sie diejenigen sehen werden, die unter uns gottlos lebten und die Gebote Jesu Christi übertraten. Wenn aber die Gerechten, die Gutes taten, die Prüfungen bestanden und die Lüste der Seele hassten, sehen, wie die vom Ziele Abgeirrten, die in Wort und Tat Jesus verleugneten, mit schrecklichen Qualen durch das unauslöschliche Feuer gepeinigt werden, werden sie ihren Gott verherrlichen und sprechen: Gute Hoffnung wird sein für den, der Gott aus ganzem Herzen gedient hat.“ (2. Clemensbrief 17,4-7)

Irenäus von Lyon schreibt um 180 n. Chr.:

„Aber für alle zumal ist er der Erhalter und Ernährer, der König und Richter. Denn niemand wird seinem Gerichte entrinnen, nicht Jude noch Heide und kein Sünder aus den Reihen der Gläubigen und kein Engel. Diejenigen, welche jetzt seiner Güte nicht vertrauen, werden im Gerichte seine Macht erkennen, gemäß dem Worte des Apostels: ‚Du weißt nicht, daß die Güte Gottes dich zur Buße führt, sondern sammelst in Halsstarrigkeit und Unbußfertigkeit des Herzens den Zorn für den Tag der Rache und der Offenbarung der Gerechtigkeit Gottes, der jedem vergelten wird nach seinen Werken.'“ (Irenäus, Erweis der Apostolischen Verkündigung 8)

„Auferstanden und erhöht verharrt er zur Rechten des Vaters bis zur vom Vater festgesetzen Stunde des Gerichts über alle seine Feinde nach ihrer Unterwerfung. Die Zahl seiner Feinde in ihrer Gesamtheit besteht aus den abgefallenen Engeln, Erzengeln, Mächten und Thronen, welche die Wahrheit mißachten.“ (Irenäus, Erweis der apostolischen Verkündigung 85)

Über den Antichrist, der in der Endzeit auftreten soll, schreibt Irenäus:

„Weiterhin erweist sich auch aus dem, was unter dem Antichrist geschehen soll, daß der Apostat und Räuber als Gott verehrt werden und als König ausgerufen werden will, obwohl er doch ein Sklave ist. Indem nämlich jener alle Kraft des Teufels annehmen wird, wird er nicht als gerechter König kommen, nicht als gesetzmäßiger in der Unterwerfung unter Gott, sondern als ein ungerechter, gesetzloser, gottloser, als Apostat, Übeltäter, Menschenmörder und Räuber, der die Apostasie des Teufels in sich rekapituliert. Die Götzen wird er abtun und sich selbst als Gott ausgeben, sich als den einzigen Götzen erheben, der in sich den mannigfachen Irrtum der übrigen Götzenbilder enthält, damit die, welche in mancherlei Greueln den Teufel anbeten, ihm in dem einen Götzen dienen. Von ihm spricht der Apostel in dem zweiten Thessalonicherbriefe, wenn er sagt: ‚Zuerst muß der Abfall kommen und der Mensch der Sünde, der Sohn des Verderbens, offenbar werden, der bekämpft und sich erhebt über alles, was Gott heißt oder als Gott verehrt wird, so daß er sitzet im Tempel Gottes, indem er sich selbst zeigt, gleich als ob er Gott sei.‘ Deutlich also hat der Apostel seine Apostasie kundgetan und verkündet, dass er sich über alles, was Gott heißt, erheben wird, oder was als Gott verehrt wird, d. h. über alle Götzenbilder — denn diese werden von den Menschen so genannt, sind es aber nicht —, und daß er nach Tyrannenart versuchen wird, sich als Gott zu zeigen.

Ferner lehrt er auch offenkundig, was wir schon vielfach gezeigt haben, daß der Tempel zu Jerusalem auf Anordnung des wahren Gottes erbaut wurde. Denn der Apostel nennt für seine Person ihn ausdrücklich den Tempel Gottes. Wir haben aber im dritten Buche gezeigt, daß die Apostel für ihre Person niemand Gott nennen als den, welcher in Wahrheit Gott ist, den Vater unseres Herrn, auf dessen Befehl der Tempel in Jerusalem aus den angegebenen Gründen gebaut worden ist. Hier wird der Feind sitzen und versuchen, sich als Christus auszugeben, wie der Herr spricht: ‚Wenn ihr aber sehen werdet den Greuel der Verwüstung, welcher durch den Propheten Daniel verkündet ist, der auf dem heiligen Orte steht, wer es liest, verstehe es, dann mögen fliehen, die in Judäa sind, auf die Berge, und wer auf dem Dache ist, steige nicht herab, etwas aus dem Hause zu holen. Es wird nämlich dann eine große Angst sein, wie sie nicht geschehen ist vom Anfang der Welt bis jetzt, noch geschehen wird.'“ (Irenäus, Gegen die Häresien V,25,1-2)

Außerdem schreibt er über die Zahl 666, die in der Offenbarung des Johannes (Offb 13,18: Wer Verstand hat, berechne den Zahlenwert des Tieres. Denn es ist die Zahl eines Menschennamens; seine Zahl ist sechshundertsechsundsechzig“) mit dem Antichrist verbunden wird (im Griechischen konnten die Buchstaben auch Zahlen bedeuten, und jeder Name konnte daher auch als Zahl, nämlich als Quersumme seiner einzelnen Buchstaben, gelesen werden).

„Wenn daher am Ende die Kirche plötzlich erhöht werden wird, dann wird, wie geschrieben steht, ‚eine Trübsal sein, wie sie von Anfang an nicht gewesen ist, noch sein wird‘. Das ist nämlich der letzte Kampf der Gerechten, in welchem die Sieger mit Unverweslichkeit gekrönt werden.

Deshalb ist das ‚kommende Tier‘ die Zusammenfassung aller Ungerechtigkeit und allen Truges, damit in ihm der Abschluß und die Summe aller apostatischen Macht in den Feuerofen geworfen wird. Entsprechender Weise nun wird auch sein Name die Zahl 666 aufweisen, indem sie in sich alle Bosheit zusammenfaßt, die vor der Sintflut gewesen ist und eine Folge der Apostasie der Engel war. Noe nämlich war 600 Jahre alt, als die Sintflut über die Erde hereinbrach und die Empörung der Erde wegen des ganz verdorbenen Geschlechtes hinwegschwemmte, das zu Noes Zeiten lebte. Und dann rekapitulierte es auch den gesamten Greuel der Götzenbildner nach der Sintflut und die Ermordung der Propheten und die Verbrennung der Gerechten. Denn das von Nabuchodonosor errichtete Götzenbild war 60 Fuß hoch und 6 Ellen breit; und seinetwegen wurden Ananias, Azarias und Misael, die es nicht anbeteten, in den Feuerofen geworfen, indem sie durch ihr Schicksal auf die Verbrennung der Gerechten am Ende der Zeiten hinwiesen. Das Bild als solches aber wies hin auf die Ankunft jenes, der von allen Menschen überhaupt als der Einzige angebetet werden wollte. Die 600 Jahre des Noe also, unter dem die Sintflut wegen der Apostasie hereinbrach, und die Ellenzahl des Bildes, dessentwegen die Gerechten in den Feuerofen geworfen wurden, weist auf die Namenszahl dessen hin, in dem alle Apostasie, Ungerechtigkeit, Bosheit, Pseudoprophetie und List der sechstausend Jahre rekapituliert wird, derentwegen die Feuerflut hereinbrechen wird.“ (Irenäus, Gegen die Häresien V,29,1-2)

„So also verhält sich die Sache, und in allen bewährten und alten Handschriften findet sich diese Zahl; und die, welche Johannes von Angesicht zu Angesicht gesehen haben, bezeugen es, und die Rechnung lehrt es, daß die Namenszahl des Tieres nach griechischer Zählung in den einzelnen Buchstaben die Zahl 666 ergibt, in der die Zehner gleich den Hunderten und die Hunderte gleich den Einern sind. Die Zahl 6, dreimal wiederholt, stellt die Rekapitulation der gesamten Apostasie im Anfang, in den mittleren Zeiten und am Ende dar. So weiß ich nicht, wie einige irrtümlicher Weise, die Zahl um 50 vermindernd, auf 616 gekommen sind. Doch vermute ich einen Fehler der Abschreiber, die den gewöhnlichen griechischen Buchstaben, der 60 bedeutet, für Jota, d. h. 10, genommen haben. Dann haben die einen das ohne Untersuchung angenommen, die andern schlecht und recht den Zehner beibehalten; andere aber wagten dann in ihrer Unwissenheit, auch Namen aufzusuchen, welche diese falsche und irrtümliche Zahl aufweisen. Die nun arglos und in Einfalt dies getan haben, denen wird es Gott Ja verzeihen. Die aber eitlen Ruhmes halber Namen mit dieser falschen Zahl aufstellen, und den von ihnen erfundenen Namen als den Namen desjenigen ausgeben, der da kommen soll, die werden nicht straflos ausgehen, da sie sich selbst und ihre Anhänger verführt haben. Zunächst besteht ihre Strafe darin, daß sie eben von der Wahrheit abgewichen sind und das nicht Seiende als wirklich annehmen; sodann wird notwendig keine geringe Strafe den treffen, der zu der Schrift etwas hinzusetzt oder von ihr etwas fortnimmt. Und schließlich besteht keine geringe Gefahr für die, welche sich fälschlich einbilden, seinen Namen zu wissen. Wenn er nämlich in Wirklichkeit einen andern Namen haben wird, als sie glauben, dann werden sie leicht von ihm verführt werden, so als ob der noch gar nicht da wäre, vor dem sie sich geziemend hüten sollten. […]

Wissen sie aber die von der Schrift angegebene zuverlässige Zahl, d. h. 666, dann mögen sie zunächst die Teilung des Reiches unter die 10 Könige abwarten. Wenn dann diese regieren und anfangen, ihre Sachen auszuführen und ihr Reich zu mehren, und alsdann unvermutet der kommt, der die Herrschaft an sich reißt und die Vorgenannten in Schrecken setzt und den Namen mit der genannten Zahl führt, dann mögen sie diesen in Wahrheit als den Greuel der Verwüstung erkennen. […]

Sicherer und gefahrloser ist es also, die Erfüllung dieser Prophetie abzuwarten, als allerlei Namen zu vermuten und zu weissagen. Gibt es doch viele Namen der genannten Zahl, und somit kommt die Sache nicht weiter. Denn wenn es viele Namen gibt, welche diese Zahl aufweisen, dann bleibt immer die Frage offen, welchen von diesen er führen wird. Dies sagen wir nicht aus Mangel an solchen Namen, sondern aus Gottesfurcht und Liebe zur Wahrheit. Der Name Eythanos hat die gesuchte Zahl, doch wollen wir darüber nichts sagen. Lateinos hat auch die Zahl 666, und es ist sehr wahrscheinlich, daß das letzte Reich so heißen wird. Denn die Lateiner herrschen heute, doch wollen wir uns dessen nicht rühmen. Aber am meisten von allen Namen, die sich bei uns vorfinden, ist der Name Teitan glaubwürdig, die erste Silbe mit den beiden griechischen Vokalen e und i geschrieben. Er weist die genannte Zahl auf und hat sechs Buchstaben, indem jede Silbe aus drei Buchstaben besteht, und ist alt und abgelegen. Denn keiner von unsern Königen hieß Titan, noch trug einer von den griechischen oder barbarischen Götzen diesen Namen. Trotzdem gilt er bei vielen als göttlich, so dass bei den Modernen die Sonne Titan genannt wird, und enthält auch einen gewissen Hinweis auf Rache und einen Rachebringer, weil jener sich den Anschein gibt, die schlecht Behandelten zu rächen. Und auch sonst ist es ein alter, glaubwürdiger, königlicher oder vielmehr tyrannischer Name. Da also der Name Titan soviel Gründe für sich hat, so hat nach all dem es eine gewisse Wahrscheinlichkeit, daß der, welcher kommen wird, vielleicht Titan genannt wird. Doch wollen wir uns nicht in Gefahr begeben und den Anschein erwecken, als ob wir über den Namen des Antichrists etwas Bestimmtes wüßten. Läge nämlich für die Verkündigung desselben im gegenwärtigen Zeitpunkt eine Notwendigkeit vor, dann wäre er gewiß durch den gemeldet worden, der die Apokalypse geschaut hat. Das ist aber vor gar nicht langer Zeit geschehen, sondern soeben erst am Ende der Regierung des Domitian.

Diese Namenszahl offenbarte er, damit wir uns vor seinem Kommen hüten und wissen, wer er ist. Seinen Namen aber hat er verschwiegen, weil er nicht würdig ist, vom Hl. Geiste verkündet zu werden. Wäre er verkündet worden, dann würde er vielleicht für lange bleiben. Nun aber ‚war er und ist nicht, er wird aufsteigen aus dem Abgrunde und geht ins Verderben‘, gleich als ob er nicht wäre. So ist auch sein Name nicht verkündet worden, denn was nicht ist, davon wird auch der Name nicht verkündet. Wenn aber dieser Antichrist alles auf dieser Welt verwüstet haben wird, indem er drei Jahre und sechs Monate regierte und in dem Tempel zu Jerusalem thronte, dann wird der Herr vom Himmel in den Wolken in der Herrlichkeit des Vaters kommen. Jenen wird er samt seinem Anhang in den Feuerpfuhl werfen, für die Gerechten aber wird er die Zeiten des Reiches herbeiführen, d. h. die Ruhe, den heiligen siebenten Tag; wiederherstellen wird er die dem Abraham versprochene Erbschaft, und in diesem Reiche werden nach dem Worte des Herrn ‚viele vom Aufgang und Untergang kommen und mit Abraham, Isaak und Jakob zu Tische sitzen‘.“ (Irenäus, Gegen die Häresien V,30,1-4)

Interessant ist auch die „Offenbarung des Petrus“. Entstanden vermutlich in der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts, gab sie sich als Schrift des Apostels Petrus aus. Ihr Status war umstritten; der Kanon Muratori erkennt sie als Teil der Bibel an; letztlich wurde sie aber nicht in den Kanon aufgenommen. Dennoch wurde sie als rechtgläubig betrachtet.

In diesem Text ist Jesus mit den Aposteln auf dem Ölberg und erklärt ihnen Dinge über das Weltgericht, die Hölle und den Himmel. Dabei zitiert die Petrusapokalypse die kanonischen Evangelien und schmückt deren Texte aus. Ein falscher Messias (der Antichrist) wird für die Endzeit angekündigt, der vor der Wiederkunft Jesu auftreten soll. Ausführlich geht es dann um die leibliche Auferstehung der Toten, und darum, dass alle, die so auferstanden sind, zum Gericht zitiert werden. Ebenso wie bei Paulus wird hier auch eine Bekehrung vieler Juden am Ende der Zeiten vorhergesagt.

„Und indem er auf dem Ölberg saß, traten zu ihm die Seinigen, und wir beteten ihn an und flehten einzeln ihn an und baten ihn, indem wir zu ihm sagten: ‚Tue uns kund, was die Zeichen deiner Parusie [Wiederkunft] und des Endes der Welt sind, damit wir erkennen und merken die Zeit deiner Parusie und die nach uns Kommenden unterweisen, denen wir das Wort deines Evangeliums predigen und die wir in deiner Kirche einsetzen, damit sie, wenn sie es hören, sich in acht nehmen, daß sie merken die Zeit deiner Parusie.‘ Und unser Herr antwortete uns, indem er zu uns sagte: ‚Gebt acht, daß man euch nicht verführe und daß ihr nicht Zweifler werdet und anderen Göttern dienet. Viele werden kommen in meinem Namen, indem sie sagen: ‚Ich bin Christus.‘ Glaubet ihnen nicht und nähert euch ihnen nicht. Denn die Parusie des Gottessohnes wird nicht offenbar sein, sondern wie der Blitz, der scheint vom Osten bis zum Westen, so werde ich kommen auf der Wolke des Himmels mit großem Heer in meiner Herrlichkeit; indem mein Kreuz vor meinem Angesicht hergeht, werde ich kommen in meiner Herrlichkeit; indem ich siebenmal so hell wie die Sonne leuchte, werde ich kommen in meiner Herrlichkeit mit allen meinen Heiligen, meinen Engeln, wenn mein Vater mir eine Krone aufs Haupt setzt, damit ich richte die Lebendigen und die Toten und jedem vergelte nach seinem Tun.

Und ihr – nehmet von dem Feigenbaum das Gleichnis davon: Sobald sein Sproß hervorgekommen und seine Zweige getrieben sind, wird eintreten das Ende der Welt.‘ – Und ich, Petrus, antwortete ihm und sagte zu ihm: ‚Deute mir betreffs des Feigenbaums, [und] woran wir das erkennen, denn alle seine Tage hindurch sproßt der Feigenbaum und jedes Jahr bringt er seine Frucht [und] seinen Herren. Was bedeutet (also) das Gleichnis vom Feigenbaum? Wir wissen es nicht.‘ Und es antwortete mir der Meister und sagte zu mir: ‚Verstehst du nicht, daß der Feigenbaum das Haus Israel ist? Wie ein Mann in seinem Garten einen Feigenbaum gepflanzt hatte und der brachte nicht Frucht. Und er suchte seine Frucht lange Jahre. Und da er sie nicht fand, sagte er zu dem Hüter seines Gartens: ‚Reiß diese Feige aus, damit sie uns nicht unser Land unfruchtbar sein läßt!‘ Und der Gärtner sagte zu Gott: ‚Wir Diener (?) wollen ihn (vom Unkraut) reinigen und den Boden unter ihm umgraben und ihn mit Wasser begießen. Wenn er dann nicht Frucht bringt, wollen wir sogleich seine Wurzeln aus dem Garten entfernen und einen anderen an seiner Statt pflanzen.‘ Hast du nicht begriffen, daß der Feigenbaum das Haus Israel ist? Wahrlich, ich sage dir, wenn seine Zweige getrieben haben am Ende, werden lügnerische Christusse kommen und die Hoffnung erwecken (mit den Worten): ‚Ich bin der Christus, der ich (einst) in die Welt gekommen bin.‘ Und wenn sie die Bosheit seines Tuns sehen, werden sie sich abwenden hinter ihnen her und den verleugnen, dem unsere Väter Lobpreis sagten (?), die den ersten Christus kreuzigten und damit schwer sündigten. Dieser Lügnerische ist aber nicht Christus. Und wenn sie ihn verschmähen, wird er mit Schwertern (Dolchen) morden, und es wird viele Märtyrer geben. Alsdann werden die Zweige des Feigenbaumes, d. h. des Hauses Israels, treiben, allein es werden viele durch seine Hand Märtyrer werden, sie werden sterben und Märtyrer werden. Henoch und Elias werden gesandt werden, um sie zu belehren, daß das der Verführer ist, der in die Welt kommen und Zeichen und Wunder tun muß, um zu verführen. Und deshalb werden diese, welche durch seine Hand gestorben sind, Märtyrer und werden gerechnet zu den guten und gerechten Märtyrern, welche Gott in ihrem Leben gefallen haben.‘

Und er zeigte mir in seiner Rechten die Seelen von allen (Menschen) und auf seiner rechten Handfläche das Bild von dem, was sich am jüngsten Tage erfüllen wird; und wie die Gerechten und die Sünder geschieden werden, und wie diejenigen tun (?) werden, die rechten Herzens sind, und wie die Übeltäter für alle Ewigkeit ausgerottet werden. Wir sahen, wie die Sünder in großer Betrübnis und Trauer weinten, bis alle, die es mit ihren Augen sahen, weinten, seien es Gerechte oder Engel oder auch er selbst. Ich aber fragte ihn und sagte zu ihm: ‚O Herr, erlaube mir, daß ich inbetreff dieser Sünder dein Wort sage: ‚Es wäre ihnen besser, sie wären nicht geschaffen‘.‘ Und der Heiland antwortete mir und sagte zu mir: ‚O Petrus, warum redest du so, ‚das Nichtgeschaffensein wäre ihnen besser‘? Du bist es, der wider Gott streitet. Du würdest dich seines Gebildes nicht mehr erbarmen als er; denn er hat sie geschaffen und hat sie dahin gebracht, wo sie (vorher) nicht waren (wohl = und hat sie aus dem Nichtsein ins Dasein gebracht). Und weil du gesehen hast die Klage, welche die Sünder treffen wird in den letzten Tagen, darum ist dein Herz betrübt, aber ich will dir ihr Tun zeigen, mit dem sie sich an dem Höchsten versündigt haben.

Sieh jetzt, was sie treffen wird in den letzten Tagen, wenn der Tag Gottes kommt. Und am Tage der Entscheidung des Gerichtes Gottes werden alle Menschenkinder vom Osten bis zum Westen vor meinem Vater, dem ewig Lebendigen, versammelt werden, und er wird der Hölle gebieten, daß sie ihre stählernen Riegel öffnet und alles, was in ihr ist, zurückgibt. Und den wilden Tieren und Vögeln wird er gebieten, daß sie alles Fleisch, was sie gefressen haben, zurückgeben, indem er will, daß die Menschen (wieder) sichtbar werden; denn nichts geht für Gott zugrunde und nichts ist ihm unmöglich, da alles sein ist. Denn alles (geschieht) am Tage der Entscheidung, am Tage des Gerichtes mit dem Sprechen Gottes, und alles geschieht, wie er die Welt schafft, und alles, was darin ist, hat er geboten, und alles geschah; ebenso in den letzten Tagen, denn alles ist Gott möglich und also sagt er in der Schrift: ‚Menschenkind, weissage über die einzelnen Gebeine und sage zu den Knochen: Knochen zu den Knochen in Glieder, Muskel, Nerven, Fleisch und Haut und Haare darauf‘. Und Seele und Geist soll der große Urael [ein außerbiblischer Engelsname] auf Befehl Gottes geben. Denn ihn hat Gott bestellt bei der Auferstehung der Toten am Tage des Gerichtes. Sehet und bedenkt die Samenkörner, die in die Erde gesät sind. Wie etwas Trockenes, das seelenlos ist, sät man sie in die Erde. Und sie leben auf, bringen Frucht, und die Erde gibt (sie) wieder wie ein anvertrautes Pfand. Und dieses, was stirbt, was als Same in die Erde gesät wird, lebendig wird und dem Leben zurückgegeben wird, ist der Mensch. Wie viel mehr wird Gott die an ihn Gläubigen und von ihm Erwählten, um derentwillen er (die Erde) gemacht hat, auferwecken am Tage der Entscheidung, und alles wird die Erde wiedergeben am Tage der Entscheidung, weil sie an ihm zugleich mit gerichtet werden soll und der Himmel mit ihr.

Und es wird geschehen am Tage des Gerichtes derer, die abgefallen sind vom Glauben an Gott und die Sünde getan haben: Feuerkatarakte werden losgelassen, und Dunkel und Finsternis wird eintreten und die ganze Welt bekleiden und einhüllen, und die Wasser werden sich verwandeln und gegeben werden in feurige Kohlen und alles in ihr (d. Erde?) wird brennen, und das Meer wird zu Feuer werden; unter dem Himmel ein bitteres Feuer, das nicht verlöscht, und fließt zum Gericht des Zorns. Und die Sterne werden zerfließen durch Feuersflammen, als ob sie nicht geschaffen wären, und die Festen des Himmels werden aus Mangel an Wasser dahingehen und werden wie ungeschaffen. Und nicht (?) mehr werden sein die Blitze des Himmels, und durch ihre Zauberei werden sie die Welt erschrecken (vielleicht: Der Himmel wird zu Blitzen werden, und seine Blitze werden die Welt erschrecken). Und der Geist der Leichname wird ihnen gleichen und auf Befehl Gottes Feuer werden. Und sobald die ganze Schöpfung sich auflöst, werden die Menschen im Osten nach Westen fliehen [und die im Westen] nach Osten fliehen; und die im Süden werden nach Norden fliehen und die im [Norden nach] Süden, und überall wird sie der Zorn schrecklichen Feuers treffen. Und indem eine unverlöschliche Flamme sie treibt, bringt sie sie zum Zorngericht in den Bach unverlöschlichen Feuers, der fließt, indem Feuer darin flammt, und indem seine Wogen sich eine von der anderen im Sieden trennen, entsteht viel Zähneknirschen der Menschenkinder.

Und alle werden sehen, wie ich auf ewig glänzender Wolke komme und die Engel Gottes, die mit mir sitzen werden auf dem Thron meiner Herrlichkeit zur Rechten meines himmlischen Vaters. Der wird eine Krone auf mein Haupt setzen. Sobald das die Völker sehen, werden sie weinen, jedes Volk für sich. Und er wird ihnen befehlen, daß sie in den Feuerbach gehen, während die Taten jedes einzelnen von ihnen vor ihnen stehen. [Es wird vergolten werden] einem jeden nach seinem Tun. Betreffs der Erwählten, die Gutes getan haben, sie werden zu mir kommen, indem sie den Tod verzehrenden Feuers nicht sehen werden (?). Die Bösewichter, Sünder und Heuchler aber werden in den Tiefen nicht verschwindender Finsternis stehen, und ihre Strafe ist das Feuer, und Engel bringen ihre Sünden herbei; und bereiten ihnen einen Ort, wo sie für immer bestraft werden, je nach ihrer Versündigung.“ (Petrusoffenbarung 1-6, in: Edgar Hennecke u. Wilhelm Schneemelcher (Hrsg.): Neutestamentliche Apokryphen in deutscher Übersetzung. 2. Band. Apostolisches, Apokalypsen und Verwandtes, 4. Aufl., Tübingen 1971, S. 472-475.)

(Anschließend werden einzelne Sündergruppen und ihre Strafen aufgezählt; u. a. finden sich da Mörder, Ehebrecher, Eltern, die ihre Kinder abgetrieben haben, Christenverfolger, unbarmherzige Reiche. Dann geht es noch um den Lohn der Auserwählten. Aber zu genauen Vorstellungen von Himmel und Hölle in einem anderen Teil.)

In der Epistula Apostolorum, einer Schrift, die sich als Brief der Apostel ausgibt, sagt Jesus den Jüngern nach Seiner Auferstehung folgendes:

„Und er sprach zu uns: ‚Wahrlich, ich sage euch, ich werde kommen wie die Sonne, die erglänzt, so werde ich, indem ich siebenmal mehr als sie in Herrlichkeit leuchte, während ich auf dem Flügel der Wolke getragen werde in Glanz und indem mein Kreuz vor mir einhergeht, auf die Erde kommen, daß ich richte die Lebendigen und die Toten.

Und wir sprachen zu ihm: ‚O Herr, wie viel Jahre noch?‘ Und er sprach zu uns: ‚Wenn das hundertundfünfzigste Jahr vollendet ist, zwischen Pfingsten und Pascha wird stattfinden die Ankunft meines Vaters.‘ Und wir sprachen zu ihm: ‚O Herr, jetzt hast du zu uns gesagt: Ich werde kommen – und wiederum hast du gesagt: es wird kommen, der mich gesandt hat.‘ Und er sprach zu uns: ‚Ich bin ganz im Vater und der Vater in mir.'“ (Epistula Apostolorum 16(27)-17(28), in: Edgar Hennecke u. Wilhelm Schneemelcher (Hrsg.): Neutestamentliche Apokryphen in deutscher Übersetzung. 1. Band. Evangelien, 4. Auflage, Tübingen 1968, S. 134f.)

Und:

„Wahrlich ich sage euch: ‚Das Fleisch wird auferstehen mit der Seele lebendig, damit sie bekennen und gerichtet werden mit dem Werk, was sie getan haben, es sei Gutes oder Böses, auf daß es werde zu einer Auswahl und Darstellung für die, welche geglaubt und getan haben das Gebot meines Vaters, der mich gesandt hat. Darauf wird das gerechte Gericht stattfinden; denn so will es mein Vater, und er sprach zu mir: Mein Sohn, am Tage des Gerichts sollst du dich vor dem Reichen nicht scheuen und den Armen nicht schonen, sondern übergib einen jeden gemäß seiner Sünde ewiger Bestrafung. Denjenigen aber, die mich geliebt haben und mich lieben und welche mein Gebot getan haben, werde ich Ruhe im Leben verleihen im Reiche meines himmlischen Vaters. Siehe, schaut, was für eine Macht er mir verliehen hat, und er hat mir gegeben, daß, … was ich will und wie ich gewollt habe, … und denen ich Hoffnung erweckt habe.“ (Epistula Apostolorum 26(37), in: Ebd., S. 140f.)

Und:

„Und er sprach zu uns: Dann werden die Gläubigen und auch die, welche nicht glauben werden, ein Horn am Himmel sehen und das Gesicht großer Sterne, die, während es Tag ist, sichtbar sind, und einen Drachen, indem er vom Himmel bis zur Erde reicht und indem Sterne, die wie Feuer sind, herabfallen und große Hagelschlossen von heftigem (?) Feuer, und wie Sonne und Mond miteinander streiten, und beständig der Schrecken von Donner und Blitzen, Donnerkrachen und Erdbeben wie Städte einstürzen und bei ihrer Zerstörung Menschen sterben, beständig Dürre infolge Ausbleiben des Regens, eine große Pest und ein ausgebreitetes und häufiges schnelles Sterben, so daß denen, die sterben, das Begräbnis fehlen wird; und es wird das Hinausgehen (=Hinausgetragenwerden) von Kindern und Verwandten auf einem Bett (=Bahre) geschehen. Und der Verwandte wird sich seinem Kinde nicht zuwenden noch die Kinder ihrem Verwandten, und ein Mensch wird sich seinem Nächsten nicht zuwenden. Die Verlassenen aber, welche verlassen wurden, werden auferstehen und die sehen, welche sie verlassen haben, indem sie sie hinausbrachten, weil Pest (war). Alles ist Haß und Bedrängnis und Eifersucht, und dem einen wird man nehmen und dem anderen schenken, und wie dies wird sein, was nach diesem kommt.

Dann wird mein Vater wegen der Bosheit der Menschen in Zorn geraten; denn zahlreich sind ihre Versündigungen, und der Schauder vor ihrer Unreinheit ist sehr wider sie in der Verderbnis ihres Lebens. […]

Und er sprach zu uns: ‚In jenen Jahren und Tagen (wird) Krieg über Krieg (sein), und die vier Ecken der Welt werden erschüttert werden und werden sich gegenseitig bekriegen. Und darauf (wird eintreten) eine Wolkenbewegung, Finsternis und Dürre und Verfolgung derer, die an mich glauben und (trotzdem) der Bosheit folgen und eitle Lehre lehren. Und diesen wird man folgen und wird sich ihrem Reichtum, ihrer Verworfenheit, ihrer Trunksucht und ihrem Bestechungsgeschenk unterwerfen, und Ansehen der Person wird unter ihnen herrschen.“ (Epistula Apostolorum 34(45)-37(48), in: Ebd., S. 145-147.)

Über Endzeit und Antichrist heißt es im Barnabasbrief:

„Das vollkommene Ärgernis ist nahe gerückt, von dem in der Schrift steht, wie Henoch sagt. Dazu nämlich hat der Herr die Zeiten und die Tage abgekürzt, damit sein Geliebter sich beeile und zu seinem Erbe gelange. Es sagt aber auch der Prophet so: ‚Zehn Königsherrschaften werden herrschen auf Erden, und danach wird ein kleiner König aufstehen, der drei von den Königen auf einmal erniedrigen wird.‘ Ähnlich sagt über denselben Punkt Daniel: ‚Und ich sah das vierte Tier, böse und stark und wilder als alle Tiere des Meeres, und wie aus ihm herauswuchsen zehn Hörner und wie aus ihnen ein kleines Nebenhorn wuchs und wie es auf einmal drei der großen Hörner erniedrigte.'“ (Barnabasbrief 4,3-5)

Wie zu allen Zeiten gab es auch damals schon Vermutungen, wer konkret der Antichrist sein könnte oder wann konkret er kommen werde; der Kirchenhistoriker Eusebius erwähnt folgendes:

„Um diese Zeit gab Judas, ein anderer Schriftsteller, in einer Abhandlung über die siebzig Wochen Daniels eine Chronographie bis zum zehnten Jahre der Regierung des Severus. Er glaubte, das vielbesprochene Erscheinen des Antichrist sei schon damals nahe gewesen. So sehr hatte die damals gegen uns wütende Verfolgung die Gemüter der Massen erregt.“ (Eusebius, Kirchengeschichte VI,7)

(Diese Verfolgung fand ca. um 200 n. Chr. herum statt.)

Die christlichen Sibyllinen (dichterische Weissagungen) sagen über die Endzeit und das Jüngste Gericht folgendes (dabei kommt auch der nicht in der Bibel erwähnte Engelsname Uriel vor):

„Und Gott wird alsdann ein großes Zeichen vollführen.
Denn es erglänzt ein Stern einem leuchtenden Kranze fast ähnlich,
Glänzend und überall leuchtend herab vom strahlenden Himmel
Und nicht wenige Tage hindurch; denn vom Himmel wird er dann
Zeigen am Siegerkranz den Menschen, die ihn sich erkämpfen.
Dann aber kommt auch die Zeit des festlichen großen Triumphzugs
In die himmlische Stadt, und zwar sämtlichen Menschen gemeinsam
Wird auf Erden er sein und den Ruhm der Unsterblichkeit haben.
Und es wird jedes Volk alsdann in unsterblichen Kämpfen
Ringen um herrlichen Sieg; denn nicht wird einer dann schamlos
Dort einen silbernen Kranz um Geld sich können erwerben;
Denn als Ordner des Kampfs mit strenger Gerechtigkeit waltet
Christus: den Besten verleiht er den Kranz, und die Märtyrerkrone
Allen, die treu und beharrlich den Kampf bis zum Tode durchkämpften.
Auch jungfräulichen Seelen, die rühmlich durchmaßen die Laufbahn,
Gibt er den Preis und jedem, der Recht und Gerechtigkeit übte,
Unter den Menschen zumal und den Völkern anderer Länder,
Welche untad’lig gelebt und Gott den Einen erkannten.
Denen jedoch, die lieben die Eh‘ und der Buhlerei fremd sind,
Gibt er reiche Geschenke dazu und ewige Hoffnung.
Denn eine jegliche Seele der Menschen ist göttliche Gabe,
Und kein Recht hat der Mensch, sie mit allerlei Schmach zu beflecken.
Dies ist der Kampf, dies ist das Bemühen und solches der Kampfpreis;
Das ist des Lebens Tür und das der Unsterblichkeit Eingang,
Welchen der himmlische Gott den gerecht befundenen Menschen
Setzte als Siegespreis. Die eher ruhmreich erhalten
Jenen Kranz, die werden durch diesen Eingang hindurchgehen.
Wenn aber einst auf der ganzen Welt dies Zeichen erscheinet,
Kinder von der Geburt an ergraut sind an ihren Schläfen,
Dann überkommt Pest, Hunger und Krieg als Drangsal der Menschen,
Wechsel der Zeiten und Kummer und Leid und zahllose Tränen.
Ach, wie vieler Kinder in allen Ländern verzehren
Jammervoll klagend die Eltern, das Fleisch in die Mäntel gehüllet
Sie im Mutterschoß der Erde bestatten, besudelt
Ganz von Blut und von Staub; ihr elenden, feigen Gesellen,
O des letzten Geschlechts unglückliche Menschen, ihr Frevler,
Merket ihr nicht, verblendetes Volk, sobald zu gebären
Aufhört der Weiber Geschlecht, daß nahe die Ernte?
Nah ist Vernichtung und Ernte, sobald gleich Gottes Propheten
Lügner erscheinen auf Erden und predigen unter den Menschen.
Und auch Beliar kommt und tut viel Zeichen und Wunder
Unter den Menschen. Und dann wird große Verwirrung entstehen
Unter den Frommen und Treuen; Vernichtung der Auserwählten,
Auch der Hebräer erfolgt. Doch gewaltige Wut überkommt sie,
Wenn das Volk, in zwölf Stämme geteilt, von Osten erscheinet,
Um zu suchen das Volk, das Assyriens Sproß hat vernichtet,
Der vereinten Hebräer. Die Heiden dann gehen zugrunde.
Und dann werden beherrschen die übermütigen Menschen
Auserwählte und treue Hebräer, nachdem sie geknechtet
All ihre Feinde wie vordem, da niemals die Kraft sie verlassen.
Und der Höchste im Himmel, der alles und jegliches schauet,
Wird die Menschen in Schlummer versenken, die Lider beschwerend.
O glückselige Knechte, die wachsam, wenn er erscheinet,
Findet der Herr, die den bleiernen Schlaf von den Lidern verscheuchten
Stets sein Kommen erwartend mit nimmer ermüdenden Augen.
Früh wird’s sein oder spät, vielleicht auch mitten am Tage,
Einmal kommt er gewiß und so, wie ich sage, geschieht es.
Schlummernden wird er erscheinen, wenn einst am sternenreichen Himmel
Alle Gestirne am hellichten Tag werden allen sich zeigen
Samt den zwei Leuchten in rasch verlaufender Folge der Zeiten.
Und dann fährt der Thesbite vom Himmel herab auf die Erde,
Lenkend den himmlischen Wagen, und gibt drei Zeichen den Menschen,
Welche die Erde bewohnen, die Zeichen des endenden Lebens. […]
Weh den Unseligen, weh! die den Tag des Grauens erleben!
Denn stockfinstere Nacht umhüllt den unendlichen Erdkreis,
Mitternachtslande zugleich und Morgen und Abend und Mittag.
Dann aber wird ein mächtiger Strom von brennendem Feuer
Fließen vom Himmel herab und vernichten die herrliche Schöpfung:
Trocknes Land und Meer, des Ozeans bläuliche Fluten,
Seen und Flüsse und Quellen, den unerbittlichen Hades
Und das Himmelsgewölbe. Der Mond und die leuchtende Sonne
Fließen zusammen in eins, und alles wird Wüste und Öde;
Denn vom Himmel herab in den Ozean fallen die Sterne.
Sämtliche lebenden Menschen da werden mit Zähnen knirschen,
Brennend im Strom voller Schwefel und von dem anstürzenden Feuer
In der gewaltigen Flur, und Asche wird alles verhüllen.
[Und es veröden zugleich die sämtlichen Weltelemente:
Luft und Erde und Meer, Licht, Himmel und Tage und Nächte]
Nimmer durcheilen die Luft unzähliger Vögel Geschlechter,
Nicht mehr ziehn in den Fluten die Scharen der schwimmenden Fische,
Kein beladenes Schiff fährt über die schaukelnden Wogen,
Nimmer durchschneiden am Pflug die Stiere mit Furchen das Erdreich;
Aufhört das Rauschen der Bäume von Winden geschüttelt. Doch alles
Klumpt sich in eins zusammen und trennt sich zur Läuterung wieder.
Wenn aber nun die unsterblichen Boten des ewigen Gottes,
Michael, Gabriel, kommen zusammen mit Raphael, Uriel,
Die da wissen genau, was vordem Böses begangen
Jeglicher Mensch: die führen sodann aus nebligem Dunkel
Alle die Seelen heran zum Richterstuhl des großen
Ewigen Gottes und Herrn; denn unvergänglich allein ist
Er, der Beherrscher des Alls, und Er ist Richter der Menschen.
Seele und Atem hierauf und Stimme verleiht den Entschlaf’nen
Neuerdings Gottes Geheiß; die Gebeine, verbunden zu Gliedern
Mancherlei Zwecken gemäß, im Fleische die kräftigen Sehnen,
Adern und Haut, die die Muskeln umspannt, das frühere Haupthaar.
Wunderbar kräftig gefügt, beseelt und frei sich bewegend,
werden der Sterblichen Leiber an einem Tage erstehen.
Unerbittlich und unzerreißbar, erbarmungslos ist
Hades‘ Riesenverschluß der ganz aus Erz gefertigten Tore:
Doch Uriel, der gewaltige Bote zerreißt sie und öffnet,
Alle Gestalten voll Trauer er führt zum Gottesgerichte:
Jene Schattenbilder der längst vergang’nen Titanen
Und der Giganten [Anmerkung: mit Titanen und Giganten werden einige der frühesten Menschen gemeint sein], und welche die Sintflut hatte verschlungen,
Und die auf hoher See vernichtet die Woge des Meeres,
Und die die Tiere und Schlangen und Vögel haben zerrissen,
All die wird er jetzt rufen zum Throne des göttlichen Richters;
Wiederum all die Gestalten, die fleischvernichtendes Feuer
Hatte verbrannt, die sammelt und stellt er vor Gottes Gerichtsstuhl.
Wenn er die Toten erwecket, nachdem er ihr Schicksal erfüllet,
Und auf dem himmlischen Thron sich gesetzet und eine gewaltige Säule
Festgefügt Sabaoth Adonai, der Donn’rer der Höhe,
Dann in den Wolken der Ewige selber zum Ewigen kommet,
Christus in all seinem Glanz mit all seinen heiligen Engeln,
Und er setzt sich dem Großen zur Rechten und richtet vom Thron das
Leben der Frommen und auch der gottlosen Männer Gesinnung.
Moses erscheint, der Große, der Freund des unsterblichen Gottes,
Fleischumkleidet, und Abraham selbst, der Große, wird kommen,
Isaak und Jakob zugleich, Elias und Josua, Daniel,
Jonas und Habakuk auch, und die die Hebräer erschlugen.“
(Christliche Sibyllinen II,34-248, S. 504-507)

Und:

„Jedes Geschöpf auf Erden erwartet den Richttag in Angstschweiß.
Endlich erscheint vom Himmel herab der ewige König,
Seiner Verheißung getreu, was Fleisch ist auf Erden, zu richten.
Und es erblicken sodann die Sterblichen, seien sie gläubig,
Seien sie Feinde des Glaubens, am Ende der Zeiten den Höchsten:
Christum, gefolgt von der Heiligen Schar, der alles, was Fleisch ist,
Richtet, sobald verdorrt ist das Land und Dornen nur sprießen.
Ihre armseligen Götzen verwerfen die Menschen, mit Abscheu,
Spähendes Feuer verzehrt den Himmel, die Erd‘ und des Meeres
Tosende Flut und verbrennt die Kerkertore des Hades.
Und an das Licht der Freiheit gelangt von den Toten ein jeder,
So sich im Leben bewährt; die Bösen erwartet das Feuer.
Gründlich und offen bekennt, was er heimlich gesündigt, ein jeder.
Ohne Erbarmen durchleuchtet der Herr des Herzens Geheimnis.
Tausende heulen vor Wut, man hört das Knirschen der Zähne.
Traurig verbleichen die Sterne, der Glanz der Sonne verliert sich.
Ebenso schwindet der Mond. Es wankt das Himmelsgewölbe.
Schluchten und Täler erblickst du nicht mehr, die Berge versinken:
Scheidet ja doch auch Menschen nicht mehr der leidige Rangstreit.
Offenes Land ersetzt die Gebirge, und keines der Meere
Hat jetzt Schiffe zu tragen. Die Erde ist dürr und vertrocknet.
Nicht mehr murmelt der Quell, die rauschenden Ströme versiegen.
Eines nur störet die Stille des Tods: der Klang der Trompete.
Ruchlose Greuel beklagt sie, beklagt den Jammer der Menschheit.
Lüstern nach menschlichem Fleisch gähnt furchtbar des Tartarus Rachen.
Öffentlich flehn um gnädigen Spruch die stolzesten Herrscher.
Schwefliger Dampf, dem Feuer gesellt, ergießt sich vom Himmel.
Ein verläßliches Zeichen, ein kenntliches Siegel indessen
Richtet die Gläubigen auf: das Kreuz, die Säule der Hoffnung;
Kraft verleiht es den Frommen, zum Ärgernis dient es den Bösen,
Rettet und heilt die Erwählten in zwölffach sprudelnder Quelle,
Eint als eiserner Stab in der Hand des Hirten die Völker.“
(Christliche Sibyllinen VIII,217-248, in: Ebd., S. 519)

Und:

„Der Bedrückten nimm dich stets an und hilf dem Erschöpften,
Bring dieses lebende Opfer doch mir, dem lebendigen Gotte,
Jetzt nur säend ins Wasser, damit auch ich dir einst gebe
Unvergängliche Früchte; das ewige Leben sollst du haben,
Unverwesliches Leben, wenn alle ich prüfe im Feuer.
Alles werde ich schmelzen und wieder zur Läuterung scheiden,
Werde den Himmel erschüttern, die Schlünde der Erde eröffnen,
Und dann will ich die Toten erwecken, das Schicksal lösend
Und den Stachel des Todes, und alsbald komm‘ ich zum Gerichte,
Um zu richten das Leben der frommen und gottlosen Menschen;
Und da werd‘ ich dem Widder den Widder, dem Hirten den Hirten,
Und den Stier dem Stier gegenüberstellen zur Prüfung.
Alle, die waren erhöht, überführt bei dem großen Verhör, und
Jedem den Mund verstopften, um selber voll Neid und voll Mißgunst
Alle, die Gutes getan, gleichermaßen zu knechten und schinden,
Schweigen ihnen gebietend, doch nur dem Gewinne nachjagten,
Die werden alle, bei mir nicht bewährt, jetzt abtreten müssen.
Nicht mehr sagst du in Zukunft voll Trauer: ‚Wird’s morgen wohl sein?‘
Oder: ‚Ist’s gestern gewesen?‘ Nicht sorgst du für mehrere Tage;
Frühling, Sommer und Winter und Herbsteszeit gibt es nicht mehr,
Auch keinen Abend und Morgen; verlängern werd ich den Tag jetzt,
Aber auf ewig ersehnt wird das Licht des gewaltigen Gottes.“
(Christliche Sibyllinen VIII,407-428, in: Ebd., S. 523f.)

Komm, Herr Jesus!

Advent heißt Ankunft. Und in der Adventszeit denken wir nicht nur an die Ankunft Jesu vor zweitausend Jahren, sondern auch daran, dass er genau jetzt in unsere Zeit, in unser Leben kommen will, aber ebenso auch an seine bevorstehende Ankunft am Ende aller Zeiten, von der wir in den Lesungen der Adventssonntage hören.

Das ist durchaus kein Randthema. Die letzten Sätze der Bibel, mit denen dieses Buch seine Botschaft abschließt, lauten:

„Er, der dies bezeugt, spricht: Ja, ich komme bald. – Amen. Komm, Herr Jesus! Die Gnade des Herrn Jesus sei mit allen!“ (Offb 22,20f.)

Komm, Herr Jesus! Diese tiefe, hoffnungsvolle Sehnsucht, diese frohe Erwartung… ich muss zugeben, dass ich mir damit oft schwer tue. Ich meine, da werde ich wahrscheinlich nicht die einzige sein: Wer von uns Christen wünscht sich denn wirklich im tiefsten Inneren, wenn er einmal ganz ehrlich mit sich selbst ist, dass der Herr endlich wiederkehren möge, so bald wie möglich, am besten gleich sofort? Ich jedenfalls… meistens nicht. Man fühlt sich nicht bereit. Lieber jetzt noch nicht gleich. Lieber irgendwann später einmal. (Ob man jetzt an die Wiederkunft Christi im Großen, d. h. die sog. Parusie, oder einfach an den eigenen Tod denkt.) Da sind Skrupulanten wie ich wahrscheinlich keineswegs die Einzigen, denen diese Sehnsucht der ersten Christen so fremd ist. (In einem schönen Beitrag zum Blogoezesanen Adventskalender beispielsweise geht es ebenfalls um dieses Thema.)

Aber wieso eigentlich? Wie ist das so gekommen? Wenn wir in die Bibel schauen: Die Menschen, die diese Texte geschrieben haben, sehnten sich nach Gott, liebten ihn, wollten endlich, endlich sein Angesicht schauen. Man lese die Psalmen, die Propheten, die Evangelien (die ersten Kapitel des Lukasevangeliums allein!), die Apostelbriefe, die Offenbarung… Diese Menschen sehnten sich nach Gott. Und dafür hatten sie ja auch guten Grund, denn sie kannten Ihn.

Auch wenn ich mir dank meiner neurotisch geprägten Gottesvorstellung nicht immer so leicht mit dem Gedanken an die nächste Ankunft Jesu tue: Ich mag Weihnachten sehr. Weihnachten ist ein so schönes Fest, so ziemlich mein liebstes im Kirchenjahr. Es ist schön, die Krippe anzuschauen. Es klingt vielleicht blöd, das so zu sagen, aber: Das Jesuskind hat etwas so… Un-Bedrohliches an sich. Es ist so hilflos, liebenswert und kann einem nichts tun, es kann nicht einmal reden; es macht es einem leicht, es lieb zu haben. Ja, ich weiß, gerade in meinen erzkatholischen Kreisen redet man gerne davon, dass Gott kein braver, zahmer Gott ist, den wir uns nach unseren Vorstellungen zurechtmodellieren könnten, und wendet sich gegen eine die Ansprüche des Christentums fallen lassende, verwässerte Wir-kommen-eh-alle-in-den-Himmel-Theologie. Hat ja auch irgendwo seinen Sinn. Aber dieses Verhalten ist bloß eine Reaktion auf eine Übertonung eines Aspekts des Christentums – nicht das Christentum selbst. Wir müssen von der Barmherzigkeit, Güte und Zärtlichkeit Gottes sprechen (ja, auch nachdem das Jahr der Barmherzigkeit vorbei ist!), und uns selber klar werden, uns wirklich bewusst werden, wie groß Seine Liebe zu uns eigentlich ist. Gerade Weihnachten führt uns diese Liebe ja wieder so eindringlich vor Augen.

Ich liebe C. S. Lewis’ „Chroniken von Narnia“, ich habe alle sieben Bücher viele Male gelesen. Das siebte davon, „Der letzte Kampf“, lohnt sich besonders. (Okay, alle lohnen sich, eigentlich ist es unmöglich, eins davon auf diese Weise herauszustellen.) Dieses Buch beginnt damit, dass in Narnia ein machtgieriger, verschlagener Affe einen Esel mit einer Löwenhaut verkleidet und ihn als den wiedergekehrten Aslan ausgibt. Er ist kein zahmer Löwe, das ist der Satz, den der Affe und seine Helfer – und er selbst wird bald nur noch zu einem untergeordneten Helfer der mächtigen Kalormenen, die seinen Betrug für sich zu nutzen wissen – immer wieder im Lauf des Buches wiederholen, um die Tyrannei, die sie mithilfe des falschen Aslan aufzubauen versuchen, gegenüber den Narnianen durchzusetzen. Perfiderweise ist das ein Satz, der schon in den früheren Büchern gelegentlich vorgekommen ist und bei dem alle Narnianen wissen, dass er wahr ist. Viele glauben dem Affen, und auch einige der Hauptfiguren zweifeln anfangs, ob es nicht tatsächlich Aslan sein könnte, der da gekommen ist, als sie zuerst von ihm hören, so etwa König Tirian von Narnia und sein Freund, das Einhorn Kleinod:

„Noch etwas“, sprach der König, „das Pferd meinte, alles sei Aslans Befehl. Von der Ratte hörten wir dasselbe. Alle sagen, Aslan ist hier. Wenn das nun wahr ist?“

 „Aber, Majestät, wie könnte Aslan solche entsetzlichen Dinge anordnen?“

 „Er ist kein zahmer Löwe“, gab Tirian zu bedenken. „Wie sollen wir wissen, was er täte, wir, die wir Mörder sind? [Die beiden haben im Affekt zwei Kalormenen getötet, um ein sprechendes Pferd zu befreien.] Kleinod, ich will umkehren. Ich will mein Schwert ablegen und mich selbst in die Hände dieser Kalormenen begeben. Sie sollen mich vor Aslan bringen und er soll über mich Recht sprechen.“

 „Das wird Euer Tod sein!“, sagte Kleinod.

 „Glaubst du, ich frage danach, wenn Aslan mich zum Tode verurteilt?“, erwiderte der König. „Das macht mir nichts aus. Wäre es nicht besser, tot zu sein, als diese schreckliche Angst zu haben, dass Aslan zwar gekommen ist, aber nicht als der, an den wir geglaubt haben? Es ist, als ginge plötzlich eine schwarze Sonne auf.“

 „Ich weiß“, erwiderte Kleinod. „Oder als ob man Wasser trinken will und das Wasser ist vertrocknet. Ihr habt Recht, Majestät. Das ist das Ende aller Dinge. Wir sollten gehen und uns Aslan ausliefern.“

 „Beide müssen wir nicht gehen.“

 „Wenn wir jemals Freunde waren, dann lasst mich jetzt mit Euch kommen“, sagte das Einhorn. „Wenn Ihr tot seid, was bliebe mir vom Leben?“

Sie liefern sich also den Kalormenen aus und werden vor den Affen gebracht, der den verkleideten Esel in einem Stall verborgen hält und bloß abends bei Dunkelheit kurz herauskommen lässt, damit er sich den Narnianen und Kalormenen zeigt. Als sie dort ankommen, ist der Affe erst einmal damit beschäftigt, die Eichhörnchen herumzukommandieren, damit sie ihm ihre letzten Vorräte an Nüssen bringen:

Ein bestürztes Murmeln kam aus der Reihe der Eichhörnchen. Ihr Anführer sagte mutig: „Bitte, könnte nicht Aslan selbst mit uns darüber sprechen? Oder dürfen wir ihn nicht sehen?“

 „Nein, das wird euch nicht erlaubt“, kreischte der Affe. „Er wird so gnädig sein und heute Abend ein paar Minuten herauskommen. Das ist schon mehr, als die meisten von euch verdienen. […]“

 […]

 Plötzlich hörte man die tiefe Stimme eines zottigen Bären. „Aber warum können wir Aslan jetzt nicht sehen? Wenn er früher in Narnia erschien, konnte jeder mit ihm sprechen, von Angesicht zu Angesicht.“

 „Das glaubst du doch wohl selbst nicht“, entgegnete der Affe. „Aber, selbst wenn es so war, die Zeiten haben sich geändert. Aslan sagt, er sei früher viel zu sanft mit euch gewesen, versteht ihr? Sanft wird er nicht mehr sein. Diesmal wird er euch gehörig zurechtstutzen. Er wird euch den Gedanken, er sei ein zahmer Löwe, schon austreiben!“

Nun, wie genau es weitergeht, will ich jetzt hier nicht verraten, aber vor dem Ende des Buches kehrt dann jedenfalls noch der wahre Aslan zurück: ein ziemlicher Kontrast zu dem Schauspiel des Affen.

Als er noch sprach, erzitterte die Erde. Die milde Luft wurde plötzlich noch milder. Etwas Helles leuchtete hinter ihnen auf. Alle wandten sich um, Tirian zuletzt, weil er Angst hatte. Da stand die Sehnsucht seines Herzens groß und wirklich vor ihm: der Goldene Löwe, Aslan selbst. Schon knieten die anderen im Kreis um seine Vorderpfoten und vergruben ihre Hände und Gesichter in seiner Mähne. Aslan aber beugte sein großes Haupt und streichelte sie mit seiner Zunge. Dann fasste er Tirian scharf ins Auge, und Tirian kam zitternd näher und warf sich dem Löwen zu Füßen. Der Löwe küsste ihn und sagte: „Du hast gute Arbeit geleistet, letzter König von Narnia, der standhielt in seiner dunkelsten Stunde.“

Den Rest bitte selber lesen. Dieses Buch ist so schön.

Es stimmt: Zahm ist Gott tatsächlich nicht – aber Er ist gut. Er lässt sich nicht von uns kontrollieren – aber Er liebt uns mit inniger, zärtlicher Liebe.

„Der Geliebte spricht zu mir: Steh auf, meine Freundin, meine Schöne, so komm doch! Denn vorbei ist der Winter, verrauscht der Regen. Auf der Flur erscheinen die Blumen; die Zeit zum Singen ist da. Die Stimme der Turteltaube ist zu hören in unserem Land. Am Feigenbaum reifen die ersten Früchte; die blühenden Reben duften. Steh auf, meine Freundin, meine Schöne, so komm doch! Meine Taube im Felsennest, versteckt an der Steilwand, dein Gesicht lass mich sehen, deine Stimme hören! Denn süß ist deine Stimme, lieblich dein Gesicht.“ (Hohelied 2,10-14)

„Alles an dir ist schön, meine Freundin; kein Makel haftet dir an. Komm doch mit mir, meine Braut, vom Libanon, weg vom Libanon komm du mit mir! Weg vom Gipfel des Amana, von den Höhen des Senir und Hermon; weg von den Lagern der Löwen, den Bergen der Panther. Verzaubert hast du mich, meine Schwester Braut; ja verzaubert mit einem (Blick) deiner Augen, mit einer Perle deiner Halskette. Wie schön ist deine Liebe, meine Schwester Braut; wie viel süßer ist deine Liebe als Wein, der Duft deiner Salben köstlicher als alle Balsamdüfte.“ (Hohelied 4,7-10)

Ich denke, vielleicht ist Weihnachten gerade das Fest für Skrupulanten und andere, die sich schwer damit tun, Gott zu lieben. Es macht einem irgendwie deutlich, dass Gott es nicht darauf abgesehen hat, uns dranzukriegen, sondern dass Gott auf unserer Seite ist – Er ist gekommen, um uns zu retten.

Hier noch zuletzt ein wunderbares Lied zum Advent, der Zeit, in der wir lernen können, uns auf die Ankunft des Herrn zu freuen:

O come, O come, Emmanuel

And ransom captive Israel

That mourns in lonely exile here

Until the Son of God appear

Rejoice! Rejoice! Emmanuel

Shall come to thee, O Israel.

O come, O come, Thou Lord of might,

Who to Thy tribes, on Sinai’s height,

In ancient times did’st give the Law,

In cloud, and majesty and awe.

Rejoice! Rejoice! Emmanuel

Shall come to thee, O Israel.

O come, Thou Rod of Jesse, free

Thine own from Satan’s tyranny

From depths of Hell Thy people save

And give them victory o’er the grave

Rejoice! Rejoice! Emmanuel

Shall come to thee, O Israel.

O come, Thou Day-Spring, come and cheer

Our spirits by Thine advent here

Disperse the gloomy clouds of night

And death’s dark shadows put to flight.

Rejoice! Rejoice! Emmanuel

Shall come to thee, O Israel.