Feministinnen und Abtreibung, oder: Biologie als Feind

Manchmal fragt man sich: Wieso sind manche Leute so fanatisch für Abtreibung? Wieso sind sie sogar dagegen, dass Frauen erst einmal Beratung bekommen, um Alternativen zu sehen, wieso greifen sie Pro-Lifer sogar an, wenn wir banale Sachen sagen wie „Männer sollten ihre schwangeren Freundinnen unterstützen“? Vor einiger Zeit habe ich etwa diesen interessanten Tweet entdeckt:

Da regt sich eine Feministin über ein Pro-Life-Plakat auf; so weit, so normal. Aber es ist interessant, was für ein Plakat das ist. Da umarmt ein Mann eine Frau und es heißt: „Ich bin froh, dass ich ihr geholfen habe, sich für das Leben zu entscheiden.“ Botschaft: Er ist fürsorglich und gleichzeitig zurückhaltend, hat bloß ihr geholfen und sie hat entschieden – Pro-Life so feministisch verpackt, wie es nur geht. Aber das ist für die Feministin natürlich nicht genug; es ist immer noch männliche Unterdrückung, dass er irgendeinen Einfluss genommen hat, und sie hätte sich für die Abtreibung entscheiden sollen.

Die Lösung ist einfach: Das Plakat impliziert, dass die Frau sich gegen eine Abtreibung entschieden hat, weil eine Abtreibung falsch gewesen wäre; es ist moralisch richtig, „das Leben zu wählen“. Es ist nicht so, dass Feministinnen generell sagen, dass keine Frau Kinder haben darf. Sie sind zwar oft kinderfeindlich, aber erkennen doch an, dass es vielleicht Frauen geben könnte, die unbedingt Kinder wollen – zumindest Töchter. Und wenn eine Frau das will, dann darf sie das auch, so ist der Grundsatz des Feminismus. Aber eine Frau darf sich nicht für Kinder entscheiden, weil sie sich dazu verpflichtet fühlt; sie darf sich erst recht nicht von anderen überzeugen lassen. Bei einer ungeplanten Schwangerschaft darf sie sich laut Feminismus eigentlich nur gegen eine Abtreibung entscheiden, wenn sie trotz Ungeplantheit absolut begeistert davon ist. Wenn sie Zweifel hat, muss sie abtreiben, weil sie sich sonst dem Patriarchat unterwerfen und etwas tun würde, das ihr eigentlich gerade nicht so gut gefällt.

Das hängt sicher oft mit eigenen Gewissensbissen zusammen: Viele dieser Frauen hatten schon Abtreibungen, und wenn sie sich in dieser oder jener Situation dafür entschieden haben, abzutreiben, darf sich eine andere Frau in ähnlichen oder sogar schwierigeren Umständen nicht aus Gewissensgründen dagegen entscheiden. Es ist dabei egal, dass sie selbst für die Entstehung des Kindes verantwortlich ist; sie hat es nicht als moralisch bedeutsam zu berücksichtigen.

Der Feminismus geht im Grunde davon aus, dass die weibliche Biologie selbst Frauen unterdrückt. Man soll Sex haben, ohne Kinder zu bekommen; Kinder bekommen, ohne sie stillen oder überhaupt „Care-Arbeit“ tun zu müssen; sich auf einen Mann einlassen (denn die meisten Feministinnen wollen doch weder lesbisch noch zölibatär sein), ohne von ihm abhängig zu werden. Es ist kein Wunder, dass der Feminismus erst so spät in der Menschheitsgeschichte aufgekommen ist. Er wird nur mit künstlichen Hilfsmitteln am Leben gehalten: Billige und relativ verlässliche Verhütungsmittel (ab dem 19. Jahrhundert konnten Gummikondome in Serie produziert werden); leicht verfügbare und medizinisch sichere Abtreibungen (auf dem medizinischen Stand von, sagen wir, 1700, waren auch legale Abtreibungen gefährlich, wie alle Operationen); staatlich gesponserte Kinderverwahranstalten; die Möglichkeit, sich selbst zu versorgen, ohne körperlich zu arbeiten (weil andere Menschen und Maschinen das erledigen); Altersrente und Pflegeheime auch für Kinderlose. Und selbst so stößt die Gesellschaft an ihre Grenzen; man braucht eben doch genug Kinder, um in die Rentenkasse einzuzahlen. Dabei fordern richtige Radikalfeministinnen noch wesentlich mehr künstlichen Gesellschaftsumbau, z. B. dass Singlefrauen, die Kinder wollen, kostenlosen Zugang zu Samenbanken bekommen und der Staat (und ggf. der Arbeitgeber) sie mit wesentlich höheren Sozialleistungen als aktuell alimentiert. Man sieht doch: Irgendwie kommt man als Frau und Mutter allein auch nicht ganz aus; aber statt dass man erkennt, dass die Natur wohl nicht ohne Grund so etwas wie Vaterschaft eingerichtet hat, verlangt man einen vergesellschafteten Ersatzvater, der natürlich nur das Geld für das Kind geben kann und niemals Beziehung und Vorbild, und selbst das Geld von seinen Steuerzahlern holen muss (sprich, oft genug von Männern).

Der standardmäßige Feminismus, der den Frauen verkauft wird, ist im Endeffekt sehr kindisch. Nichts darf besser oder schlechter als etwas anderes sein oder unvermeidbare negative Konsequenzen haben, solange eine Frau es will. Man will nicht anerkennen, dass es Pflichten geben kann, jedenfalls keine schwerwiegenden Pflichten, die eine Frau nicht selbst gewählt hat, ebensowenig, dass gesamtgesellschaftlich bestimmte Verhaltensweisen bei der Mehrheit der Menschen nötig sind, damit eine Gesellschaft Bestand hat.

Am Ende hat das Zugehen auf die Feministen doch seine Grenzen. Man kann zwischendurch schon sagen „Abtreibung ist doch auch irgendwo frauenfeindlich, weil viele Frauen auf Drängen ihres Partners abtreiben“ (oder etwas in der Art), aber am Ende ist Abtreibung vor allem deswegen schlecht, weil das Kind ein vollwertiger Mensch ist und es ein grauenvolles Unrecht ist, wenn Eltern ihr Kind töten, das sie zu lieben und um das sie sich zu sorgen hätten. Dabei tragen die Frauen in der Regel auch eine nicht unerhebliche Mitschuld, und die meisten werden sich vage bewusst sein, dass Abtreibung nichts Gutes ist, auch wenn es Schuldminderungsgründe geben kann. Wir sollten nicht ständig versuchen, Aktivisten entgegenzukommen, die bewusst und entschieden dafür eintreten, dass Kinder getötet werden; wenn, dann kann man eher schwankende Leute, die zwischen den Stühlen sitzen, überzeugen. Aber die richtigen Abtreibungsaktivisten? Die sind nicht einfach nur wohlmeinend im Irrtum.

PS: Bevor Kommentare kommen, dass es auch „christliche Feministinnen“ gibt: Ja, natürlich gibt es die, und sie sind eine kleine Minderheit unter den Feministinnen; außerdem sind sie inkonsequent.