Widerstand aus der Weltkirche: Eine neue Folge der Franziskus-Saga

Die meisten werden es mitbekommen haben: Es wurde am 18. Dezember wieder einmal ein typisches Franziskus-Dokument (Titel: Fiducia supplicans) vom Vatikan veröffentlicht, und jeder hat sich gedacht „bitte nicht schon wieder“. Diesmal geht es um Segnungen für homosexuelle Paare und Paare „in irregulären Situationen“ (z. B. wiederverheiratet-Geschiedene). Ausdrücklich heißt es diesmal „Paare“, nicht nur Einzelpersonen.

Es gibt natürlich viel Um-den-heißen-Brei-herum-Gerede. Es wird klargestellt, dass so etwas nicht mit einer Ehe verwechselt werden dürfe, und auch nicht gutgeheißen wird. Es wird sogar davon geredet, dass ein Segen doch auch eine Bitte an Gott um ein besseres Leben sei. Aber dann wird doch gesagt: Priester können solche Paare segnen – beide Personen gemeinsam segnen, nicht nur Einzelpersonen segnen. Es soll freilich nicht geregelt sein! Es soll eine spontane Sache sein; wenn ein Paar kommt, kann es der Priester als pastoral bewerten, es privat zu segnen.

Mit anderen Worten: Immer wieder dasselbe.

Aber eine Sache ist anders: Diesmal regt sich deutlicher Widerstand in der Weltkirche. Und dieser Widerstand nimmt gerade immer mehr an Fahrt auf.

Auch bei Amoris Laetitia usw. gab es viel Unmut. Es gab Bischöfe, die sich geäußert haben. Aber sie haben sich mit Dubia geäußert; haben Fragen an den Papst gestellt, ob man dieses und jenes nicht so oder so zu verstehen habe, ob hier nicht ein Missverständnis geklärt werden müsste? Es war keine allzu offene Kritik – auch wenn sie verteufelt wurden, als wären sie die schlimmsten antipäpstlichen Rebellen. Man wollte dem Papst noch nicht unterstellen, dass er bewusst diese Zweideutigkeiten von sich gibt. Es gab sicher auch einige Bischöfe, die Amoris Laetitia ignoriert haben, ohne etwas zu sagen. Aber jetzt wird es viel deutlicher.

Ein drastisches Statement kam schon am 19. Dezember aus Kasachstan, von Bischof Tomash Peta und seinem bekannteren Weihbischof Athanasius Schneider aus Astana. „Die Tatsache, dass das Dokument keine Erlaubnis für die ‚Heirat‘ von gleichgeschlechtlichen Paaren gibt, sollte Hirten und Gläubige nicht über die große Täuschung und das Übel hinwegtäuschen, das in der bloßen Erlaubnis, Paare in irregulären Situationen und gleichgeschlechtliche Paare zu segnen, liegt. […] Als Nachfolger der Apostel […] ermahnen und verbieten wir Priestern und Gläubigen der Erzdiözese St. Maria in Astana, jegliche Form eines Segens für Paare in irregulären Situationen und gleichgeschlechtliche Paare anzunehmen oder zu spenden. […] Mit ehrlicher brüderlicher Liebe und dem schuldigen Respekt wenden wir uns an Papst Franziskus, der – indem er die Segnung von Paaren in irregulären Situationen und von gleichgeschlechtlichen Paaren erlaubt – ’nicht geradlinig nach der Wahrheit des Evangeliums wandelt‘ (s. Gal 2,14), um Worte zu borgen, mit denen der heilige Apostel Paulus den ersten Papst in Antiochia öffentlich zurechtwies. Daher bitten wir Papst Franziskus im Geist bischöflicher Kollegialität, die Erlaubnis zurückzunehmen, Paare in irregulären Situationen und gleichgeschlechtliche Paare zu segnen, damit die katholische Kirche deutlich als ‚Säule und Fundament der Wahrheit‘ (1 Tim 3,15) für alle aufscheine, die ehrlich suchen, den Willen Gottes zu erkennen und das ewige Leben zu erlangen, indem sie ihn erfüllen.“

Gerade Weihbischof Schneider ist ja als traditionell gesonnen bekannt; aber es blieb nicht nur bei diesen beiden. Von einem Kontinent kommen jetzt immer zahlreichere Wortmeldungen, nämlich aus Afrika.

Die Bischofskonferenzen von Malawi (19. Dezember) und Sambia (20. Dezember) haben ebenfalls schnell reagiert, aber etwas zurückhaltender. In ihren Dokumenten machen sie zuerst auf „was das Dokument eigentlich gemeint hat“ und stellen klar, dass dort schließlich steht, dass solche Beziehungen auf keinen Fall mit einer Ehe verwechselt werden dürfen, dass es um spontanen Segen für Leute gehen soll, die sich Gottes Begleitung wünschen etc. Dann aber heißt es klipp und klar:

  • „Nachdem wir das Obige gesagt haben, und um Verwirrung unter den Gläubigen zu vermeiden, bestimmen wir, dass aus pastoralen Gründen jede Art von Segnung für jede Art von gleichgeschlechtlicher Verbindung in Malawi nicht erlaubt ist.“
  • „Um jede pastorale Verwirrung und Zweideutigkeit zu vermeiden […], stellt die [Bischofs]Konferenz fest, dass die Erklärung […] als Anstoß für weitere Reflektion angenommen wird und nicht zur Umsetzung in Sambia bestimmt ist.“

Während die Bischöfe aus Kasachstan den Papst direkt angehen und sagen „das ist falsch, du musst bereuen“, verhalten sich diese afrikanischen Bischöfe diplomatischer. Sie finden ein Schlupfloch, das es dem Vatikan schwerer macht, sie anzugreifen, indem sie sagen „das mögen ja nette Überlegungen sein, aber bei uns setzen wir die aus pastoralen Gründen nicht um – hey, ihr seid doch so auf alles Pastorale bedacht“.

Die Bischofskonferenz von Nigeria – die größte afrikanische Bischofskonferenz – reagiert am 20. Dezember ganz ähnlich – sie betont nur noch mehr, was doch eigentlich in dem Dokument gemeint sei und schreibt am Ende: „Daher gibt es in der Kirche keine Möglichkeit, gleichgeschlechtliche Verbindungen und Aktivitäten zu segnen.“ Eine ähnliche Äußerung kommt am 21. Dezember aus Ghana: „Die Segnungen, von denen die Erklärung sagt, dass sie jedem gegeben werden können, beziehen sich auf Gebete, die Menschen erbitten. Für diejenigen im Stand der Sünde sind diese Gebete dazu gedacht, sie zur Bekehrung zu führen. Daher sind die Gebete für Personen in gleichgeschlechtlichen Beziehungen nicht dazu gedacht, ihre Lebensweise zu legitimieren, sondern sie auf den Weg der Bekehrung zu führen (s. Paragraphen 38, 42-45). Abschließend möchten wir wiederholen, dass Priester keine gleichgeschlechtlichen Beziehungen oder Ehen segnen können.“

Die Bischofskonferenz von Kamerun meldet sich ziemlich empört am 21. Dezember zu Wort. Sie geht gar nicht darauf ein, dass das Dokument doch nicht so gemeint sei, sondern schreibt direkt mehrere Absätze mit einer sehr energischen, teilweise drastisch ausgedrückten Verurteilung homosexueller Handlungen. Dann geht sie darauf ein, dass Segnen Gutheißen bedeutet, und es keine solchen Segnungen geben könne. „Außerdem ist es heuchlerisch, zwischen liturgischen und nicht-liturgischen Kontexten zu unterscheiden, um Segnungen auf gleichgeschlechtliche Paare anzuwenden. Der Akt des Segnens, ob in einer liturgischen Versammlung oder im Privaten durchgeführt, bleibt ein Segnen. […] Daher verbieten wir offiziell alle Segnungen von ‚homosexuellen Paaren‘ in der Kirche von Kamerun.“ Zuletzt richtet sie sich an Homosexuelle selbst, und fordert sie auch auf, keine Opfermentalität zu pflegen.

Simbabwe zieht am 22. Dezember nach und verbietet Segnungen mit Verweis auf Verwirrung und Ärgernis.

Am 20. Dezember bittet Kardinal Ambongo, der Präsident der Vereinigung der afrikanischen Bischofskonferenzen, die einzelnen Bischofskonferenzen des Kontinents um Input für ein gemeinsames Statement. Der Erzbischof von Ougadougou in Burkina Faso kündigt am 21. Dezember ein Statement seiner Bischofskonferenz an und erklärt, dass sich die Lehre nicht ändere.

Ich bin kein Fan von bombastischen Statements wie „die Kirche in Afrika wird uns retten“. Die Kirche in Afrika hat auch ihre Probleme, auch dort gibt es viele Leute, die zwar ganz selbstverständlich an Gott glauben, aber nicht wirklich christlich leben, es gibt Polygamie und Synkretismus, die Kirche wächst mehr durch Bevölkerungswachstum als durch Mission, und nicht jeder afrikanische Bischof ist vom Kaliber eines Kardinal Sarah. Aber in diesem Fall sind afrikanische Christen tatsächlich viel stabiler als europäische und nordamerikanische, und es ist wunderbar zu sehen, wie der Widerstand dort immer mehr an Fahrt aufnimmt.

Ein anderes Schlupfloch findet Erzbischof Sviatoslav Shevchuk, Oberhaupt der ukrainischen griechisch-katholischen Rituskirche (einer Teilkirche, die in Gemeinschaft mit Rom steht, also katholisch ist): Er erklärt einfach, das Dokument beträfe nur die lateinische Teilkirche, und in den Ostkirchen bedeute Segnen ein Gutheißen, weshalb es nicht möglich wäre. (Natürlich bedeutet es dasselbe in der Westkirche, aber er bemüht sich offensichtlich um Diplomatie, und verweist daher auf die kirchenrechtliche Sonderstellung seiner Gemeinschaft.) Er drückt aber auch eine allgemeine Missbilligung aus: „Offensichtlich hat der Segen eines Priesters immer eine evangelisierende und katechetische Dimension […]. Die pastorale Klugheit drängt uns, zweideutige Gesten, Ausdrücke und Konzepte zu vermeiden, die Gottes Wort und die Lehre der Kirche verzerren oder falsch darstellen würden.“

Die polnische Bischofskonferenz macht es wieder anders: Sie erklärt einfach, es könnte sowieso nur um die Segnung von Homosexuellen gehen, die enthaltsam leben. „Wir sprechen also von einzelnen Menschen, die in völliger Abstinenz leben. Um jedoch Verwirrung darüber zu vermeiden, dass dies die Zustimmung zu gleichgeschlechtlichen Beziehungen bedeutet, muss dies auf private Weise erfolgen, außerhalb der Liturgie und ohne Analogie zu sakramentalen Riten.“ Das ist auch etwas „kreativ“, denn in Fiducia supplicans geht es offensichtlich um sexuell aktive Menschen, von denen man höchstens erklärt, dass man hoffe, sie durch entgegenkommendes Segnen usw. auf den Weg der Bekehrung zu führen; aber es ist eine Weise, um um das Dokument herumzukommen.

Auch die polnische Kirche ist, wie das manchmal dargestellt wird, meines Erachtens nicht der große Retter der Kirche und hat immer wieder ihre Probleme, die dort teilweise nur etwas zeitverzögerter auftreten als in anderen Ländern; aber auch hier muss man sagen: Sehr gut gemacht.

Auch von einzelnen Gruppen kommen Statements. Eine britische Priestervereinigung mit mehr als 500 Mitgliedern schreibt etwa: „Dennoch sehen wir keine Situation, in denen eine solche Segnung eines Paares recht und angemessen von einer gewissen Art von Billigung unterschieden werden könnte. Daher würde sie unweigerlich zum Ärgernis führen – für die betroffenen Personen – für die direkt oder indirekt an der Segnung Beteiligten – oder für den Spender selbst. […] [A]us unserer eigenen Erfahrung als Hirten schließen wir, dass solche Segnungen pastoral und praktisch nicht zulässig sind.“

Ähnlich eine amerikanische Priestervereinigung: „Selbst der Anschein der Billigung irgendeines moralischen Übels muss unter allen Umständen vermieden werden, damit man nicht folgert, dass derjenige, der den ‚Segen‘ spendet, auch ein formal Mitwirkender am Bösen ist, was immer verboten ist. […] Wenn man unehelich zusammenlebende Paare (heterosexuell oder homosexuell) zusammen segnet, vermittelt es den Eindruck, dass ihre Beziehung in den Augen der Kirche akzeptabel wäre, was sie nicht ist.“

Der deutsche Kardinal Müller äußert sich ebenfalls in einem langen, genauen, lesenswerten und deutlichen Text: „Darüber hinaus handelt es sich um einen Sprung in der Lehre. … Die Kirche verlangt nicht die gleichen moralischen Bedingungen für einen Segen wie für den Empfang eines Sakraments. Dies geschieht zum Beispiel für einem Büßer, der seine Sündensituation nicht aufgeben möchte, der aber demütig um einen persönlichen Segen bitten kann, damit der Herr ihm Licht und Kraft gibt, um eines Tages die Lehren des Evangeliums zu verstehen und zu befolgen. Dafür wäre keine neue Art von Segen erforderlich. … Die Sache ist die, dass der Segen im traditionellen Sinne, obwohl er über die Sakramente hinausgeht, nur Segnungen von ‚Dingen, Orten oder Zufälligkeiten‘ erlaubt, ‚die nicht dem Gesetz oder dem Geist des Evangeliums widersprechen‘ (FS 10, unter Berufung auf das Rituale Romanum). Und das ist der Punkt, der überwunden werden soll, denn man will Umstände segnen, die der Norm und dem Geist des Evangeliums widersprechen, etwa eine stabile Beziehung zwischen Menschen des gleichen Geschlechts. … Selbst wenn diese Segnung durchgeführt würde, bestünde ihre einzige Wirkung darin, die Menschen zu verwirren, die sie empfangen oder an der Segnung teilnehmen, weil sie denken würden, dass Gott gesegnet hat, was Er nicht segnen kann. Es ist wahr, dass Kardinal Fernández in Erklärungen gegenüber Infovaticana schon klargestellt hatte, dass es nicht erlaubt ist, die Ehe zu segnen, sondern das Paar – aber das ist ein Wortspiel, da das Paar genau durch ihre Verbindung definiert wird. … Es wird auch gesagt, dass das Bitten um den Segen das mögliche Gute ist, das diese Menschen in ihren Konditionen erreichen können, als ob das Bitten um den Segen bereits eine Offenheit für Gott und eine Umkehr darstellen würde. Das gilt zwar vielleicht für den Menschen, der um den Segen für sich selbst bittet, nicht aber für den Menschen, der um den Segen seiner Beziehung oder seines Partners bittet, denn dieser will dann die Beziehung selbst vor Gott rechtfertigen, ohne sich dessen bewusst zu sein, dass genau eine solche Beziehung ihn von der Person Gottes distanziert. … Angesichts der Einheit zwischen Zeichen und Wort im christlichen Glauben kann man nur dann akzeptieren, dass es gut ist, diese Verbindungen in irgendeiner Weise zu segnen, wenn man davon ausgeht, dass solche Verbindungen nicht objektiv gegen das Gesetz von Gott verstoßen. Daraus folgt, dass Papst Franziskus, solange er weiterhin bekräftigt, dass homosexuelle Beziehungen immer im Widerspruch zum Gesetz Gottes stehen, implizit bekräftigt, dass solche Segnungen nicht gegeben werden können. Die Lehre der FS steht daher im Widerspruch zu sich selbst, was einer weiteren Klärung bedarf. … Tatsächlich müssten diese Segnungen nicht von jemandem erfolgen, der Priester Christi ist, sondern von jemand, der Christus abgeschworen hat. Nun, der Priester, der diese Verbindungen segnet, stellt sie mit seinen Gesten als einen Weg zum Schöpfer dar. Deshalb begeht er eine sakrilegische und blasphemische Tat gegen den Plan des Schöpfers und gegen den Tod Christi für uns (damit wir den Plan des Schöpfers zur Vollendung bringen können). Auch der Diözesanbischof ist davon betroffen. Als Pfarrer seiner Ortskirche ist er verpflichtet, diese sakrilegischen Taten zu verhindern, sonst würde er sich daran beteiligen und auf den Auftrag verzichten, den Christus ihm gegeben hat, seine Brüder im Glauben zu stärken.“)

Ebenso ablehnend äußert sich Bischof Marian Eleganti (Schweiz). „Man kann nicht ein Paar segnen, aber nicht ihre Verbindung, ein Paar segnen, aber nicht ihre objektiv sündhafte Lebensweise ‚konvalidieren‘ (vgl. FS), wie das versucht wird. Das sind Klimmzüge, die in der Praxis nie aufgehen. Das Gegenteil wird der Fall sein. Die Presse hat die entsprechenden fetten Titel bereits hinausgeblasen. Sie zeigen, wie die Sache an der Basis ankommt. … Segnungen ohne die rechte innere Disposition des Spenders und des Empfängers sind wirkungslos, weil Segnungen nicht ex opere operato wirken wie die Sakramente. Sie sind Sakramentalien. Diesbezüglich gibt es kein neues, erweitertes Verständnis, nur falsche Behauptungen. … . ‚Der HERR schenke Dir rechte Einsicht, bestärke Dich im Guten und festige Dich in Deiner Entscheidung, Seine Gebote zu halten. Er begleite Dich in Deiner Umkehr mit Seiner Gnade!‘ Alles, was über das Gesagte hinausgeht, ist Sophistik und hält nicht an der Lehre der Kirche fest, sondern unterspült sie.“

Der emeritierte Erzbischof Chaput von Philadelphia (USA) äußert sich kritisch und geht dabei auch mit Franziskus‘ generellem Verhalten ins Gericht. „Verworrene Lehre ist jedoch eine andere Sache. Sie ist nie entschuldbar. […] Das Dokument ist eine doppelzüngige Übung darin, die katholische Lehre über die Natur von Segnungen und ihre Anwendung auf ‚irreguläre‘ Beziehungen gleichzeitig zu bestätigen und zu unterminieren. […] Beschwerden über ‚rigide ideologische Positionen‘ sind jetzt die Standardantwort des Heiligen Stuhls auf alle vernünftigen Vorbehalte gegenüber oder ehrlicher Kritik an seinen Handlungen. Jeder Papst hat persönliche Vorlieben, Abneigungen und Reizbarkeiten. Das ist die Natur des menschlichen Lehms. Wie ich anderswo und oft gesagt habe, hat Papst Franziskus wichtige pastorale Stärken, die unserer Unterstützung im Gebet bedürfen. Aber seine öffentlichen Beschwerden verringern die Würde des petrinischen Amtes und des Mannes, der es innehat. Sie missachten auch den kollegialen Respekt, der den Brüdern im Bischofsamt gebührt, die den aktuellen Kurs des Vatikans infragestellen. Und noch einmal, sie sind nicht von Gott. Treue zum katholischen Glauben und Praxis als ‚ängstlich an Regeln kleben‘ – die Worte stammen von PBS, aber die Absicht ist eindeutig die des Papstes – zu charakterisieren ist unverantwortlich und falsch. Die Gläubigen verdienen Besseres als eine solche Behandlung. Man darf auch bemerken, dass das Gehen von ‚unerforschten Wegen und neuen Straßen‘ einen leicht in die Wüste anstatt nach Bethlehem führen kann. Im letzten Jahrzehnt wurde Zweideutigkeit in Bezug auf gewisse Angelegenheiten katholischer Lehre und Praxis ein Muster für das derzeitige Pontifikat. Die Kritik des Papstes an amerikanischen Katholiken war zu oft ungerecht und uninformiert. Ein großer Teil der deutschen Kirche ist effektiv im Schisma, und doch hat Rom zuerst unklugerweise Deutschlands ’synodalen Weg‘ toleriert, und dann zu langsam reagiert, um die negativen Ergebnisse zu verhindern.“

Das sind natürlich nicht die einzigen Aussagen – es kamen sehr freudige Reaktionen über das Dokument aus Österreich, Belgien, Deutschland. Außerdem gibt es aber viele Bischöfe, die sich ein wenig winden und erklären, dass das Dokument richtig verstanden werden müsse (z. B. aus England, Kanada, Frankreich, Italien). Hier gibt es einen Überblick über einige Reaktionen. Aber es wird deutlich: Es gibt einiges an Ablehnung, deutlich ausgedrückte Ablehnung. Und das ist etwas Neues in diesem Pontifikat. Man hat immer versucht, irgendwie mit dem Papst auszukommen, an ihm vorbei katholisch zu sein, ohne seinen Zorn auf sich zu ziehen (ja, ich weiß, wie bescheuert das klingt). Schon für Geringfügigkeiten wurden ja ein paar Gegner des Papstes im Vatikan von ihren Posten abgesetzt. Jetzt wird klar: So geht es nicht weiter. Das Fass ist am Überlaufen.

(Es ist übrigens interessant, wie die Öffentlichkeit reagiert. Freilich gibt es die erwartbaren enthusiastischen Reaktionen im Sinne von „endlich bewegt sich weiter was in der Kirche“, die der Gegenstand all der Kritik sind: Die New York Times etwa hat den einschlägig aufgefallenen Priester James Martin SJ dabei fotografiert, wie er ein schwules Paar segnet, und die Sache groß gefeiert. Aber es gibt auch negative Reaktionen. Da findet man doch Äußerungen wie: „Also im Grunde wird Schwulen erlaubt, den Priester zu bitten, das Schwulsein wegzubeten. Verstehe ich das richtig?“ Manche Leute scheinen zu merken, dass in der Kirche selbst vom liberalsten Papst aller Zeiten nicht mehr zu holen ist als schwache, zweideutige Zugeständnisse – und vielleicht langsam die Erwartung zu verlieren, dass sich das in Zukunft „weiterbewegen“ wird?)

Eine erste Reaktion aus dem Vatikan kam jetzt von Kardinal Fernández, Präfekt der Glaubenskongregation, der das ganze Chaos zu verantworten hat: In Äußerungen gegenüber einer katholischen Onlinezeitung erklärt er, es sei nicht erlaubt, wie das manche Bischöfe schon tun, Rituale für solche Segnungen festzulegen; er kündigt sogar eine Reise nach Deutschland an, um solche Fragen zu klären; und überhaupt, auch wenn man zwei Leute gemeinsam segne, segne man nicht ihre Verbindung. Angesprochen auf die Reaktionen der afrikanischen Bischöfe windet er sich: Jeder Bischof sei natürlich verantwortlich für seine eigene Diözese; man könne Dinge je nach Ort unterschiedlich umsetzen; aber es könne kein „totales Verbot dieses Schritts, um den Priester gebeten werden“ bedeuten – also doch eine Missbilligung. Dann jedoch erfindet er einfach eine Erklärung: Die afrikanischen Bischöfe wollten bestimmt nur verhindern, dass homosexuelle Personen einer Strafverfolgung und eventuellen Gefängnisstrafe ausgesetzt wären, wo homosexuelle Handlungen illegal sind – was freilich keinen Sinn macht, denn wenn es wirklich nur um private Segnungen gehen sollte, könnte ja niemand wissen, ob zwei vom Priester gesegnete Männer miteinander sexuelle Handlungen vollziehen, und bei Frauen ist es auch in afrikanischen Ländern i. d. R. nicht strafbar. Er sagt weiter: „Was wichtig ist, ist, dass diese Bischofskonferenzen keine andere Lehre vertreten als die der Erklärung, die vom Papst unterzeichnet wurde, weil es dieselbe Lehre ist wie immer, sondern sie erklären eher die Notwendigkeit von Überlegung und Unterscheidung, um in diesem Kontext mit pastoraler Klugheit zu handeln. Ich kann nicht mehr als das sagen, weil ich anerkenne, dass die Rezeption dieser Dokumente Zeit braucht, und eine ernsthafte und lange Reflektion.“

Ich würde sagen, in unserer Kirche steckt noch Kraft. Und wir können uns jetzt mal zurücklehnen und beobachten, wie der Vatikan weiter reagiert, und wie die Weltkirche weiter antwortet.

So weit, so gut! Und mit dieser Hoffnung wollen wir das Weihnachtsfest feiern.

Updates:

  • Bereits am 20. Dezember hat sich auch die Bischofskonferenz von Togo gegen solche Segnungen ausgesprochen.
  • Die ungarische Bischofskonferenz beruft sich ebenfalls auf die pastorale Situation und erklärt, man könne Einzelpersonen segnen, aber keine Paare (27. Dezember).
  • Bischof Paul Kariuki Njiru der Diözese Wote in Kenia erklärt solche Segnungen für „absolut inakzeptabel“, verweist auf Erzbischof Shevchuks Aussagen, und meint, der Vatikan hätte vorher mehr Rat einholen sollen. Er erklärt, die Bischöfe könnten, anders als Kardinal Fernandez meine, solche Segnungen sehr wohl verbieten, und untersagt sie seinen Priestern ausdrücklich. Fiducia supplicans müsse voll und ganz abgelehnt werden. (27. Dezember)
  • Kardinal Sturla, Erzbischof von Montevideo in Uruguay, sagt in einem Interview mit einer Zeitung, das am 24. Dezember veröffentlicht wird, das Dokument verursache Verwirrung, und da es so unklar sei, verstehe er die Situation so, dass man weiterhin nur einzelne Personen segnen könne, aber keine Paare.
  • Kardinal Zen, Bischof emeritus von Hong Kong, kommentiert am 28. Dezember Kardinal Sturlas Aussage auf Twitter anerkennend und sehr knapp mit „ein guter salesianischer Kardinal“.
  • Michel Aupetit, Erzbischof emeritus von Paris, schreibt am 22. Dezember auf Twitter (ohne sich eindeutig auf Fiducia supplicans zu beziehen), die Kirche könne nur den Sünder segnen, der von Gott geliebt sei, aber niemals die Sünde, die von Gott trenne.
  • Ebenfalls schon am 22. Dezember haben sich die Bischöfe der beiden Diözesen im US-Bundesstaat South Dakota zu Wort gemeldet: Sie drücken ihre Besorgnis aus, dass ernsthafte Sünde normalisiert werden könnte. Personen, die in Sünde leben, könnten Segnungen mit der Bitte um Bekehrung erhalten, aber Segnungen, die den Anschein erwecken, ihre Sünde gutzuheißen, seien nicht zu spenden.

Menschenwürde: Christentum vs. Säkularismus

Das Wort „Menschenwürde“ ist wahrscheinlich einer der am meisten verwendeten und am meisten höhnisch missbrauchten und inhaltsleersten Begriffe in der Politik. Eigentlich schade; denn es hatte einmal eine sinnvolle Bedeutung, als es noch von Christen verwendet wurde.

Das christliche Konzept der menschlichen Würde beruht zunächst darauf, dass der Mensch nach dem Abbild Gottes geschaffen ist. Und was bedeutet das konkret? Dass er mit Vernunft und Willen begabt ist, das Wahre, Gute und Schöne erkennen und sich dafür entscheiden kann. (Das trifft auch auf die Menschen zu, die aktuell nicht den Vernunftgebrauch haben, z. B. kleine Kinder, Behinderte, Demente, Schlafende; denn er ist in ihrer Seele angelegt und wird sich spätestens dann zeigen, wenn ihre Seele im Jenseits nicht mehr von einem kaputten/ruhenden/unentwickelten Körper gehemmt ist.) Aber da ist nicht nur die Gottesebenbildlichkeit, sondern erst recht die Tatsache, dass Gott die Menschen so sehr liebt, dass Er selbst eine menschliche Natur mit Seiner göttlichen Natur vereinigt hat, um für uns zu sterben und aufzuerstehen. In der alten Messe wird bei der Vermischung des Weines mit ein wenig Wasser – ein Zeichen dafür, dass die Menschen in Christus eingehen wie das Wasser in den Wein – vom Priester gebetet: „Gott, du hast den Menschen in seiner Würde wunderbar erschaffen und noch wunderbarer erneuert; lass uns durch das Geheimnis dieses Wassers und Weines teilnehmen an der Gottheit dessen, der Sich herabgelassen hat, unsere Menschennatur anzunehmen, Jesus Christus“ usw. Unsere Würde kommt uns also dadurch zu, wie Gott uns gemacht hat, aber auch dadurch, wie Er uns erlöst hat und wozu Er uns noch erheben will.

Das christliche Konzept enthält daher auch einen Anspruch an die Menschen: Sie sollen sich ihrer Würde entsprechend verhalten und nicht auf das Niveau vernunftloser Tiere herabsinken. (Die Tiere haben ihren Platz; aber wir sind nicht sie.) Es ist eine Rechenschaftspflicht gegenüber Gott da; sie sollen mit Seinen Gaben sorgsam umgehen, sich ihrer Aufgabe in der Welt bewusst sein und sich auf ihren Endzweck (eben Gott selbst) ausrichten. Daher sind nach der christlichen Ansicht z. B. auch Selbstmord, Masturbation oder Trunksucht gegen die menschliche Würde.

Freilich ist diese Würde auch ein Schutz gegen Verzweckung durch andere Menschen. Ein im Mittelalter verwendetes Argument gegen die Sklaverei/Leibeigenschaft bzw. für die Rechte von Sklaven/Leibeigenen lautete z. B., dass der Mensch vorrangig Gott gehöre, da er Gottes Abbild trage, wie die Münze mit dem Abbild des Kaisers vorrangig dem Kaiser gehöre. „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist“, hatte Jesus bekanntlich den Pharisäern geantwortet, die ihn gefragt hatten, ob man dem Kaiser Steuern zahlen dürfe.

Das säkulare Konzept ist nicht ganz klar; es beinhaltet anscheinend u. a. das vage Gefühl, dass Strafen nicht zu hart sein dürften und jeder ein Mindestmaß an Sozialleistungen bekommen sollte.

Sozialleistungen sind natürlich erst einmal gut, aber sind tatsächlich keine unbedingte Folgerung aus der Menschenwürde: Wenn ein Volk insgesamt sehr arm oder unterentwickelt ist, kann es auch keine staatlich verteilten Sozialleistungen finanzieren; ebenso ist es in Ordnung, diese an vernünftige Bedingungen zu knüpfen. Armut ist der Ausgangszustand, und aller Wohlstand muss erst durch Arbeit von einzelnen Menschen erschaffen werden. Aber gut: Es entspricht tatsächlich der Menschenwürde, dass nach Möglichkeit keiner hungrig auf der Straße sitzen sollte – vor allem unschuldig hungrig auf der Straße sitzen sollte -, wenn man es vermeiden kann.

Beim Thema Strafen ist die Diskussion interessanter, denn eine Bibelstelle zum Thema Menschenwürde behandelt gerade dieses Thema, nämlich Gen 9,6. Gott sagt nach der Sintflut zu Noah u. a.: „Wer Menschenblut vergießt, dessen Blut soll auch durch Menschen vergossen werden. Denn nach Gottes Bild hat Gott den Menschen geschaffen.“ Hier wird die Todesstrafe für Mörder gerade mit der Menschenwürde ihrer Opfer begründet: Sie sind wertvoll, und deswegen verdienen sie auch volle Sühne; ihnen soll Gerechtigkeit widerfahren. (Man könnte solche Strafen sogar mit der Würde der Täter begründen: Denn sie sind vernunftbegabte Menschen, hätten es besser wissen müssen, und müssen nun voll und ganz die Verantwortung übernehmen und für ihr Verbrechen geradestehen. Die Todesstrafe ist aus Sicht keines Theologen verpflichtend für Mörder, es kann Gründe für Begnadigungen oder andere Strafen geben, aber sie ist eine mögliche angemessene Strafe.) Harte Strafen sind jedenfalls im Allgemeinen nicht gegen die Menschenwürde von Mördern, Vergewaltigern, Brandstiftern oder Entführern; man könnte z. B. gegen früher verwendete grausame Arten von Hinrichtungen eher argumentieren, dass sie eine schlechte Wirkung auf die Henker haben, sie an Grausamkeit gewöhnen, aber gegen humane Formen der Todesstrafe kann man auch das nicht einwenden.

[Die Todesstrafe ist ein sehr kontrovers diskutiertes Thema, wobei natürlich die Frage hineinspielt, welche Art der Strafe dem Täter eher zur Reue verhilft, und ob man auf härtere Strafen verzichten sollte, wenn man den Schutz der Gesellschaft durch geringere Strafen sicherstellen kann. Ich will das hier in diesem Artikel nicht im einzelnen diskutieren, sondern mich darauf beschränken, festzustellen: Die Todesstrafe ist nicht per se gegen die Menschenwürde und zu allen Zeiten und unter allen Umständen abzulehnen, auch wenn ein Volk z. B. in seiner Verfassung entscheiden kann, sie in der Praxis nicht mehr anzuwenden und man als Christ gegen ihre heutige Anwendung sein kann. Wer mehr zu dem Thema aus katholischer Sicht lesen will, dem sei das Buch „By man shall his blood be shed“ von Edward Feser und Joseph M. Bessette empfohlen.]

Außerdem taucht im säkularen Konzept oft die Ansicht auf, wegen der Menschenwürde brauche es unbegrenzte Freiheit, jeder müsse sich selbst definieren können (auch z. B. sein eigenes Geschlecht aussuchen dürfen). Aber das ist noch viel weniger Würde, sondern Irrsinn. Wir haben gerade keine unbegrenzte Herrschaft über die Welt, sondern müssen erst einmal nehmen, was auf uns einprasselt, ob es angenehm ist oder nicht. Und wenn man sich selbst völlig selbst definieren könnte, was wäre man dann noch? Dann hätte man kein Wesen, sondern wäre nur ein instabiles formloses Etwas – nein, nicht mal das, man wäre überhaupt nicht. Man kann Würde nur als das haben, was man ist.

Richtige Menschenwürde gibt es nur als Würde durch und unter Gott; nicht, wenn man sich selbst zu Gott macht.

Denn was bleibt von der säkularen Menschenwürde letztlich übrig? Sie ist auf Sand gebaut, genauer, auf den noch verbliebenen vagen christlichen Hinterlassenschaften einer Gesellschaft, die Christus ablehnt. Was würde der typische Säkularist sagen, wenn jemand ihn auffordern würde, seine Anschauung zur Menschenwürde von Grund auf zu erklären? Er würde vielleicht mit Art. 1 Grundgesetz kommen; aber das ist natürlich Blödsinn. Die Verfasser des Grundgesetzes waren selbstverständlich der Ansicht, mit Art. 1 GG etwas anzuerkennen, das in der Realität bereits existiert, nicht, eine neue Realität zu schaffen, an die man sich eben halten müsste, nur weil sie es sagen. Wie würde ein Säkularist also begründen, dass Menschenwürde unabhängig vom Grundgesetz existiert und schon vor ihm oder außerhalb seines Geltungsbereiches existierte?

Viele Säkularisten versuchen es mit dem Schlagwort „Empathie“: Schmerzen und unangenehme Gefühle sind etwas offensichtlich Schlechtes; keiner mag sie, und man sollte auch anderen nicht das zumuten, was man selbst nicht will. So weit, so gut; aber ohne weitere Prinzipien gerät man schnell an Grenzen. Soll jeder das bekommen, was er selbst will, auch wenn es ihm schadet (z. B. Drogen)? Oder soll jeder das bekommen, was ihm am wenigsten unangenehme Gefühle bereitet, auch wenn er es nicht will? Damit könnte man z. B. auch begründen, einen leidenden kranken Menschen gegen seinen Willen schmerzlos zu töten. Sollen Tiere und Menschen gleich behandelt werden, weil sie alle Schmerzen spüren können? Aber dann müsste man entweder allgemein den Mord erlauben, oder Katzen auch daran hindern, Mäuse zu töten. Reine Empathie ist auch nicht das gleiche wie Würde; sie gibt einem nichts Wertvolles, Erfüllendes, auf das man sein Leben ausrichten soll – Schmerzvermeidung ist nicht Lebenssinn.

Die säkulare Menschenwürde ist am Ende nicht haltbar. Wieso sollte ein begabter, erfolgreicher säkularer Mensch nicht in einer verdrehten Denkweise sagen „ha, ich leiste doch mehr als so mancher mit Behinderung, also halte ich mich auch für mehr wert“? Oder wieso sollte ein deprimierter säkularer Mensch nicht sagen „wir sind offensichtlich nur winzige Wesen, die bald wieder zu Staub zerfallen und von Maden gefressen werden; wieso sollten wir irgendetwas wert sein? Also dröhne ich mich mit Drogen zu und hoffe, bald tot zu sein“? Die menschliche Würde muss auch einen Sinn und Zweck haben, und den hat sie in Gott.

Ecce homo – Seht, da ist der Mensch.

Hochmut rechts und links

Der Hochmut ist eine allgegenwärtige Sünde; er ist die Sünde der gefallenen Engel, er lag der Sünde von Adam und Eva zugrunde, und er taucht immer wieder, manchmal schön verkleidet, in den Sünden aller Menschen auf. Wir sind sehr dafür anfällig, mehr zu sein wollen, als wir sind. Aber dieser Hochmut zeigt sich auf verschiedene Arten.

Der offenkundige, klassische Hochmut auf der einen Seite schaut so aus: Man hält sich selbst für den Größten, man glaubt nur an Stärke, Vitalität, brutale Durchsetzung, man verachtet die Schwachen. Die Eugeniker des 20. Jahrhunderts, die glaubten, dass es im „Kampf ums Dasein“ das Natürlichste und Beste wäre, Behinderte umzubringen oder Arme zwangszusterilisieren, finden sich ebenso auf dieser Seite wie klassische Schlächter à la Dschingis Khan, Attila der Hunnenkönig, oder die assyrischen Großkönige des alten Orients.

Es ist ein sehr banaler Hochmut, und er kommt immer ans Ende, sobald der Hochmütige z. B. von einer Krankheit oder einem Unfall getroffen wird, und natürlich, wenn er stirbt. Derjenige will nicht wahrhaben, dass er das, was er hat, nicht aus sich selbst hat, sondern dass es ihm gegeben wurde und jederzeit wieder genommen werden kann. Kurz gesagt: Man will sich nicht an seine Grenzen halten, und will sich nicht sagen lassen, dass man Tod und Leid manchmal annehmen muss. Stark, schön oder klug zu sein, ist etwas sehr Gutes – besonders wenn man etwas Gutes daraus macht -; aber man müsste sich darüber freuen, statt sich etwas darauf einzubilden.

Dieser Hochmut lässt sich oft mit politisch sog. Rechtsextremen assoziieren, aber diese Assoziation ist nicht zwangsläufig; auch politisch Linke zeig(t)en ihn, wenn sie z. B. glauben, die Natur austricksen zu können und Menschen im Labor schaffen und umformen wollen (künstliche Befruchtung, Leihmutterschaft, Versuch der Schaffung von Tier-Mensch-Mischwesen, geschlechts“angleichende“ Operationen).

(Assyrische Krieger neben den abgeschlagenen Köpfen von Feinden, ca. 7. Jh. v. Chr. Bildnachweis: Osama Shukir Muhammed Amin FRCP(Glasg), CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons hier.)

Es gibt aber auch einen Hochmut auf einer anderen Seite, und der sieht so aus: Man kann es nicht ertragen, dass andere besser sind als man selbst und will sie daher auf sein eigenes Niveau herunterziehen. Es ist ein neidischer, missgünstiger Hochmut; man erkennt irgendwo, dass man selber armselig ist, will es aber nicht zugeben, sondern erklärt sich zum armen Opfer und in Wahrheit Bewundernswertem. Es geht einem nicht so sehr darum, dass man selbst mehr haben will, sondern dass andere weniger haben sollen. Man will sich selber im Elend einrichten, und andere zu sich herunterziehen.

Dieser Hochmut ist viel stärker mit politisch Linken assoziiert, und findet sich sowohl bei jetzigen Wokisten, die sich bei ihrer Opferhierarchie nicht einigen können, ob „Queere“ oder „People of color“ nun am benachteiligsten sind, als auch bei klassischen Kommunisten: Pol Pot ließ in Kambodscha Leute ermorden, die lesen oder zwei Sprachen sprechen konnten, weil elitär.

(Spanische Sozialisten schießen auf eine Herz-Jesu-Statue während des „Roten Terrors“, 1936.)

Die besten Mittel gegen beide Formen müssten die Dankbarkeit, die Demut und die Freude sein. Man ist dankbar über das Schöne, das man hat, und freut sich über das Schöne, das auch andere haben. Und: Man vergisst nicht, von wem man es hat.

In Rom nichts Neues

Papst Franziskus hat wieder einmal das getan, was er am besten kann: Unklares, vages Gelaber unterschrieben, das keinen zufriedenstellt, aber bei allen für mehr Verwirrung sorgt, das bei den Liberalen die ungeduldige Erwartung auf weitere Zugeständnisse erweckt, bei konservativen Gläubigen eine gewisse Verzweiflung an ihrer eigenen Kirche, und bei Außenstehenden den Eindruck, dass die katholische Kirche eventuell endlich zugibt, dass sie bisher immer falsch lag und sich ändern muss, also offensichtlich grundsätzlich nicht verlässlich ist und man sie ignorieren kann.

Diesmal hatten fünf Kardinäle Fragen (Dubia) an Papst Franziskus gestellt, die die Entwicklung der Glaubenslehre und speziell die Frage der Segnung homosexueller Partnerschaften, der Synodalität, des Frauenpriestertums und des Sakraments der Beichte betrafen. Von der Kongregation für die Glaubenslehre wurden ellenlange Antworten formuliert und von Papst Franziskus abgesegnet. Die Kardinäle haben daraufhin die Dubia noch einmal neu gestellt, um klare Ja/Nein-Antworten zu erhalten, aber bisher keine Antwort bekommen. Und was steht in den vorhandenen Antworten?

Erstes Dubium: Die Entwicklung der Glaubenslehre im Allgemeinen. Da heißt es, die göttliche Offenbarung sei unveränderlich, aber die Kirche könne sie immer besser verstehen und neue Implikationen entdecken. Manche Texte der Bibel und des Lehramts müssten im Kontext ihrer Zeit verstanden werden und alles im Kontext des gesamten Glaubens; man müsse außerdem unterscheiden, was essentiell den Glauben beträfe und was nicht. Das meiste in dieser Antwort ist nicht direkt falsch, aber könnte falsch verstanden werden – z. B. so, dass nur einige Dogmen wirklich Dogmen wären, und solche, die weniger „zentrale“ Wahrheiten betreffen, nicht, oder dass man frühere Aussagen durch „Interpretation“ komplett loswerden könnte. (Natürlich sind auch frühere Aussagen nicht alle unfehlbar, aber hier ist keine klare Unterscheidung vorhanden.)

Zweites Dubium: Die Segnung homosexueller Partnerschaften. Hier wird es nun haarig.

Zunächst wird gesagt, die Ehe sei nur eine Verbindung von Mann und Frau, andere Partnerschaften ihr nicht ebenbürtig. Die Kirche vermeide alle Riten, die implizieren könnten, Nicht-Ehen wären Ehen. So weit, so gut; und dann kommt das Problem (hier eine Übersetzung von Vatican News):

„d) In unserer Beziehung zu den Menschen dürfen wir jedoch die pastorale Liebe nicht vernachlässigen, die alle unsere Entscheidungen und Haltungen durchdringen muss. Die Verteidigung der objektiven Wahrheit ist nicht der einzige Ausdruck dieser Nächstenliebe, die auch aus Freundlichkeit, Geduld, Verständnis, Zärtlichkeit und Ermutigung besteht. Deshalb dürfen wir keine Richter sein, die nur verneinen, ablehnen und ausgrenzen.“

Es wird also impliziert, eine Verteidigung der objektiven Wahrheit sei oft mit einem Mangel an Nächstenliebe verbunden, und damit, „nur zu verneinen“.

„e) Dementsprechend muss die pastorale Klugheit richtig einschätzen, ob es Formen der Segnung gibt, die von einer oder mehreren Personen erbeten werden und die nicht eine falsche Vorstellung von der Ehe vermitteln. Denn wenn man um einen Segen bittet, drückt man eine Bitte um Hilfe von Gott aus, eine Bitte, besser leben zu können, ein Vertrauen auf einen Vater, der uns helfen kann, besser zu leben.“

Hier kommt der entscheidende Absatz: Vielleicht könnte man ja doch ein schwules Paar segnen, so lange man nicht so tut, als wäre das eine Eheschließung; denn man würde ja nicht direkt ihre Beziehung segnen, sondern ihnen nur allgemein Gottes Liebe vermitteln, sogar verbunden mit einer Bitte, besser zu leben (wer als konservativer Katholik noch irgendwie eine orthodoxe Interpretation hineinbringen will, kann das sogar so interpretieren, dass gemeint sei, ohne Unkeuschheitssünden zu leben, aber es wird natürlich nicht klar gesagt).

„f) Auch wenn es Situationen gibt, die aus objektiver Sicht moralisch nicht annehmbar sind, verlangt andererseits dieselbe pastorale Nächstenliebe von uns, andere Menschen, deren Schuld oder Verantwortung durch verschiedene Faktoren, die die subjektive Zurechenbarkeit beeinflussen, gemildert werden kann, nicht einfach als ‚Sünder‘ zu behandeln (vgl. Johannes Paul II., Reconciliatio et Paenitentia, 17).“

Dass subjektive Schuldfähigkeit gemindert sein kann, ist jedem bekannt (und wir wollen um des ewigen Heils der Leute mal darauf hoffen, dass es heutzutage in all der Verwirrung oft der Fall ist); aber die Bezeichnung „Sünder“ ist nun mal objektiv richtig – für jeden Menschen übrigens. Hier wird aber impliziert, wenn bei Leuten die Schuldfähigkeit gemindert sei, könne man ihnen nicht mehr sagen, dass sie XYZ trotzdem lassen sollten. Aber genau das würde ja jemand, der wirklich guten Willens ist, wollen: Gewissensklarheit, damit er nicht mehr aus Unwissenheit Falsches tut.

„g) Entscheidungen, die unter bestimmten Umständen Teil der pastoralen Klugheit sein können, müssen nicht notwendig zur Norm werden. Das heißt, es ist nicht angebracht, dass eine Diözese, eine Bischofskonferenz oder irgendeine andere kirchliche Struktur auf Dauer und offiziell Verfahren oder Riten für alle möglichen Angelegenheiten genehmigt, denn alles, ‚was Teil einer praktischen Unterscheidung angesichts einer bestimmten Situation ist, kann nicht zur Norm erhoben werden‘, weil dies ‚zu einer unerträglichen Kasuistik führen würde‘ (Amoris laetitia 304). Das Kirchenrecht soll und kann nicht alles abdecken, und auch die Bischofskonferenzen mit ihren verschiedenen Dokumenten und Protokollen können dies nicht tun, da das Leben der Kirche durch viele Kanäle neben den normativen fließt.“

Hier wird es erst recht unerträglich: Es könne im Einzelfall pastoral klug sein, dass ein Priester ein schwules Paar segne, aber es soll keine Leitlinien oder Riten geben, wann oder wie er es tun soll. Das Problem wird auf die einzelnen Priester abgeschoben. Man kann sich leicht ausrechnen, was passiert, wenn ein schwules Paar zu einem Priester kommt, und dieser es als pastoral unklug beurteilt, es zu segnen, sich evtl. sogar darauf beruft, solche Segnungen sollten schließlich „nicht zur Norm werden“ – das Paar wird sich beim Bischof beschweren oder den Priester öffentlich bloßstellen, er wird als der Unbarmherzige gelten.

Man muss sich nichts vormachen: Die Leute, die sich wegen Segnungen beim Pfarrer melden würden, sind keine unglücklichen tieffrommen Leute, die für sich persönlich endlich wieder das Gefühl wollen, dass Gott sie liebt, sondern einfach Leute, die noch irgendwo eine familiäre Bindung an die Kirche haben, vielleicht als Kinder ministriert haben, und nicht einsehen, wieso sie nicht eine schöne Zeremonie und das OK der kirchlichen Gemeinschaft für ihre Beziehung haben sollten. Gott, sofern es Ihn gebe, werde doch sowieso nichts dagegen haben; darüber, was Gott über Sexualität denkt, hat man sich nie ernsthaft Gedanken gemacht.

Man kann nun darauf pochen, dass der Papst in diesem Schreiben nichts in sich Häretisches gesagt hat, dass seine Unfehlbarkeit nicht berührt ist. Das ist korrekt, und es ist durchaus gut, es zu betonen, wenn irgendwelche Protestanten oder Orthodoxen uns jetzt sagen wollen: „Ha! Euer Papst ist also doch nicht unfehlbar, und sagt heute so, morgen so.“ (Und wir stehen immer noch extrem gut da, wenn wir die Konsistenz der katholischen Kirche mit der anderer kirchlicher Gemeinschaften vergleichen – ja, gerade auch der orthodoxen, s. z. B. das Thema der Wiedertaufe oder der künstlichen Verhütungsmittel.) Der Papst ist nur unter bestimmten Umständen unfehlbar, nämlich wenn er ex cathedra mit seiner Autorität als Nachfolger Petri etwas für die ganze Kirche Bindendes in Sachen des Glaubens und der Moral verkündet. Er ist nicht davor geschützt, unkluge praktische Entscheidungen zu treffen, oder etwas zu sagen, das sehr nahe an den Irrtum gerät. In der Regel wird die konstante Praxis der Kirche verlässlich sein und gravierende Fehler werden selten vorkommen; aber sie sind nicht unmöglich.

Aber man kann mit dieser Argumentation nicht Papst Franziskus persönlich verteidigen – als werde er nur wieder einmal von den bösen Medien missverstanden. Es ist ganz offensichtlich, dass die Unterscheidung „wir segnen ja nur die Leute, aber es ist doch kein Segen für ihre Beziehung“ für viele keinen Sinn ergeben wird. Wenn ein einzelner Homosexueller bei einem Primizsegen mit nach vorne geht, ist es noch einmal etwas anderes; hier wird klar die Person gesegnet, und der Priester weiß normalerweise gar nichts von ihren Verhältnissen. Aber wenn beide Partner zusammen mit einem solchen Anliegen zu einem Priester kommen, ist es klar, dass sie einen Segen für ihre Beziehung wollen, und dass ein Segen, den der Priester ihnen erteilt, so verstanden werden wird, auch wenn er vorher noch mal exklamiert „aber bitte nicht missverstehen“. („Es ist nicht das, wonach es aussieht!“) Und natürlich hat die Kirche immer gut daran getan, Menschen, die in offenkundiger schwerer Sünde leben, Segnungen zu verweigern. Sie beurteilt damit nicht die Herzen, denn die kann sie nicht sehen; sie beurteilt die offenkundigen Taten, denn die sieht sie und die machen auch einen Eindruck auf andere. Sollte die Kirche einen verheirateten Mann zusammen mit seiner Geliebten segnen, oder eine Ortsgruppe einer kommunistischen Partei? Es ist pastoral offensichtlich extrem unklug, mit dieser Praxis zu brechen.

Eine solche Praxis würde auch Katholiken mit homosexuellen Neigungen, die diese nicht ausleben, oder zumindest merken, dass das Ausleben nicht gut ist und damit aufhören wollen, nicht in geringster Weise nützen. Hier wird (dem Anschein nach) das gesegnet, was ihnen schadet, nämlich die Sünde, die sie nicht begehen oder von der sie loskommen wollen. Die Welt könnte zu einem zölibatären homosexuellen Katholiken jetzt sagen „mach dich doch nicht selber unglücklich, leb das ruhig aus, sogar die Kirche hat immer weniger dagegen“. Ebenso wenig würde es säkularen Leuten in einer homosexuellen Beziehung, die langsam beginnen, sich für die Religion zu interessieren und zu merken, dass es „mehr“ geben muss, nützen, denn die stehen noch sehr am Anfang ihres Weges zu Gott und sind sehr in der Gefahr, sich zu sagen, dass etwas, was die Kirche nicht mehr deutlich verurteilt, ein Punkt sein muss, bei dem die Glaubenslehre sich noch entwickeln muss und kann.

Vor allem jedoch hält ein solches Verhalten sehr viele andere Leute, die von dem einzelnen Thema gar nicht betroffen sind, davon ab, die Kirche ernst zu nehmen. Eine trotzig traditionalistische Institution, die stur an jedem i-Tüpfelchen festhält, wird man wenigstens in gewisser Weise respektieren, auch solange man sie aus Vorurteilen ablehnt, und wenn man sie näher kennenlernt, wird man vielleicht ihre Anziehungskraft sehen. Aber eine Institution, die sich selbst verleugnet und um Anerkennung bettelt und vage Statements abgibt, um sich nur ja nicht festlegen zu müssen, die wird keiner ernstnehmen. Viele Menschen werden solche Änderungen nur als Eingeständnis sehen, dass die Kirche sich geirrt habe und keine wirklich von Gott eingesetzte Institution sei – und ebenso haben sie schon alle Änderungen der letzten 60 Jahre wahrgenommen. Ah, die Kirche gibt also endlich ihr komisches Latein auf. Ah, die Kirche lässt endlich Mädchen als Ministranten zu. Ah, die Kirche veranstaltet endlich Gottesdienste mit den Evangelischen. Ah, die Kirche stellt endlich weniger Bedingungen für gemischtkonfessionelle Ehen. Man sieht sich darin bestätigt, irgendwann werde es schon noch so kommen, dass die Kirche endlich eingestehe, nur eine menschliche Institution zu sein, die sich auf menschliche Traditionen über einen gewissen Jesus berufe, der gesagt habe, dass Gott uns möge und wir einander mögen sollten, und vielleicht irgendwie eine besondere Verbindung zu Gott gehabt habe.

Auf das dritte Dubium, das sich auf die Frage der Synodalität bezieht, und darauf hinweist, dass die synodalen Delegierten nicht das ganze Bischofskollegium vertreten könnten, wird nur mit vagen Sätzen über die Wichtigkeit von Beteiligung, und darüber, dass man die konkrete Form der Synode nicht einfrieren wolle, geantwortet. Letztlich unwichtig.

Das vierte Dubium betrifft dann das Frauenpriestertum. Darauf wird geantwortet, dass das rein männliche Weihepriestertum die Frauen ja nicht herabsetze, keine größere Heiligkeit für Männer bedeute usw. – schön und gut, freilich etwas defensiv. Es wird keineswegs gesagt, Papst Franziskus plane eine Einführung des Frauenpriestertums. Dann allerdings wird die Klarstellung von Johannes Paul II. betreffs dieser Frage in Zweifel gezogen: „Es handelt sich nicht um eine dogmatische Definition, obgleich sie von allen akzeptiert werden muss. Niemand darf ihr öffentlich widersprechen, und doch kann sie Gegenstand von Untersuchungen sein, wie im Fall der Gültigkeit von Weihen in der Anglikanischen Gemeinschaft.“ Das ist ganz offenkundig falsch: Der Wortlaut von Ordinatio Sacerdotalis ist sehr eindeutig und endgültig, und impliziert eine unfehlbare Entscheidung, auch wenn immer wieder gesagt wurde, es sei kein Dogma: „Damit also jeder Zweifel bezüglich der bedeutenden Angelegenheit, die die göttliche Verfassung der Kirche selbst betrifft, beseitigt wird, erkläre ich kraft meines Amtes, die Brüder zu stärken (vgl. Lk 22,32), daß die Kirche keinerlei Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden, und daß sich alle Gläubigen der Kirche endgültig an diese Entscheidung zu halten haben.“ Es steht also auch keinem Theologen frei, privat zu untersuchen, ob es nicht doch möglich sei. Auch hier wieder: Zweifel durch die Hintertür, Scheinzugeständnisse.

Das fünfte Dubium betrifft die Notwendigkeit der Reue und des guten Vorsatzes zur Erteilung der Absolution, dass ein Priester jemandem die Absolution verweigern muss, der diese Reue nicht zu erkennen gibt. Auch hier wird zunächst die offenkundig richtige Lehre bejaht: „Reue ist notwendig für die Gültigkeit der sakramentalen Absolution und setzt die Absicht voraus, nicht wieder zu sündigen.“ Aber natürlich folgt ein Aber: „Aber hier gilt keine Mathematik, und ich möchte Sie noch einmal daran erinnern, dass der Beichtstuhl keine Zollstation ist. Wir sind nicht die Herren, sondern wir sind demütige Verwalter der Sakramente, die die Gläubigen nähren, denn diese Gaben des Herrn sind keine Reliquien, die man hüten muss, sondern Hilfen des Heiligen Geistes für das Leben der Menschen.“ Auch hier wieder dasselbe: Wir weigern uns, euch klare Richtlinien zu geben, aber implizieren, dass ihr bisher etwas falsch gemacht habt, und hüllen das in wohlformulierte Beleidigungen, die implizieren sollen, ihr hättet bisher den Leuten Hilfen des Heiligen Geistes vorenthalten.

Dann werden aber doch etwas konkretere Fälle genannt: „Es gibt viele Möglichkeiten, Reue auszudrücken. Bei Menschen mit einem sehr verletzten Selbstwertgefühl ist das Schuldbekenntnis oft eine grausame Folter, aber der bloße Akt, zur Beichte zu gehen, ist ein symbolischer Ausdruck der Reue und der Bitte um göttliche Hilfe. […] Schließlich muss klar sein, dass alle Bedingungen, die üblicherweise bei einer Beichte aufgestellt werden, im Allgemeinen nicht anwendbar sind, wenn sich die Person in einer Situation der Agonie befindet oder wenn ihre geistigen und psychischen Fähigkeiten sehr eingeschränkt sind.“ Auch hier bleibt jedoch die Frage: Was genau ist nun gemeint? Sind Fälle gemeint, in denen ein psychisch schwer kranker Mensch ansatzweise beichtet und Reue zu erkennen gibt, aber es z. B. nicht zu schaffen scheint, diese Reue ganz deutlich zu zeigen oder genau genug zu beichten? Die Kirche kannte tatsächlich schon lange Bestimmungen für Randfälle – z. B. schreiben alte Moraltheologiebücher darüber, dass ein Priester einem Sterbenden, der nicht mehr vollständig beichten kann, die Absolution geben kann, dass man von der vollständigen Beichte entschuldigt ist, wenn man nur durch einen Dolmetscher beichten könnte oder sonstige Dritte es mithören könnten, oder dass ein Priester jemandem, der an extremer Skrupulosität leidet, sagen kann, er solle nur allgemein und nicht im einzelnen seine Sünden beichten. Aber es ist fraglich, ob hier nur auf solche Situationen Bezug genommen wird.

Die Frage der Kardinäle war offensichtlich nicht auf solche Fälle ausgerichtet. Sie lautete folgendermaßen:

„Zweifel angesichts der Aussage ‚Vergebung ist ein Menschenrecht‘ und des Beharrens des Heiligen Vaters auf der Verpflichtung, jedem und immer die Absolution zu erteilen, so dass die Reue keine notwendige Bedingung für die sakramentale Lossprechung wäre.

Gefragt wird, ob die Lehre des Konzils von Trient noch in Kraft ist, nach der für die Gültigkeit der sakramentalen Beichte die Reue des Beichtenden notwendig ist, die darin besteht, die begangene Sünde zu verabscheuen und nicht mehr sündigen zu wollen (Session XIV, Kapitel IV: DH 1676), so dass der Priester die Lossprechung aufschieben muss, wenn klar ist, dass diese Bedingung nicht erfüllt ist.“

Es war eine generelle Frage: Kann man Leuten auch die Absolution geben, wenn sie eine bestimmte Sünde nicht beenden wollen? Ist die Reue generell nötig? Muss man sich zumindest irgendwie von der Sünde abwenden? Und die Antwort des Vatikans leugnet nicht, dass ein Mindestmaß an Reue sehr wohl immer nötig ist. Aber es wird ein Eiertanz aufgeführt und Sonderfälle werden angeführt, als wollte man die klare Antwort verschleiern. Auch in Sonderfällen kann ja jemandem, der sagt, eine Sünde gar nicht aufgeben zu wollen, die Absolution nicht gespendet werden.

Es ist am Ende alles nichts Neues – es ist genau dieselbe Situation, wie wir sie schon seit Amoris Laetitia haben. Und wieder und wieder wird Schaden an den Gläubigen angerichtet, und wir müssen notdürftig versuchen, die Probleme zu beseitigen, die der Papst uns eingebrockt hat.

Feministinnen und Abtreibung, oder: Biologie als Feind

Manchmal fragt man sich: Wieso sind manche Leute so fanatisch für Abtreibung? Wieso sind sie sogar dagegen, dass Frauen erst einmal Beratung bekommen, um Alternativen zu sehen, wieso greifen sie Pro-Lifer sogar an, wenn wir banale Sachen sagen wie „Männer sollten ihre schwangeren Freundinnen unterstützen“? Vor einiger Zeit habe ich etwa diesen interessanten Tweet entdeckt:

Da regt sich eine Feministin über ein Pro-Life-Plakat auf; so weit, so normal. Aber es ist interessant, was für ein Plakat das ist. Da umarmt ein Mann eine Frau und es heißt: „Ich bin froh, dass ich ihr geholfen habe, sich für das Leben zu entscheiden.“ Botschaft: Er ist fürsorglich und gleichzeitig zurückhaltend, hat bloß ihr geholfen und sie hat entschieden – Pro-Life so feministisch verpackt, wie es nur geht. Aber das ist für die Feministin natürlich nicht genug; es ist immer noch männliche Unterdrückung, dass er irgendeinen Einfluss genommen hat, und sie hätte sich für die Abtreibung entscheiden sollen.

Die Lösung ist einfach: Das Plakat impliziert, dass die Frau sich gegen eine Abtreibung entschieden hat, weil eine Abtreibung falsch gewesen wäre; es ist moralisch richtig, „das Leben zu wählen“. Es ist nicht so, dass Feministinnen generell sagen, dass keine Frau Kinder haben darf. Sie sind zwar oft kinderfeindlich, aber erkennen doch an, dass es vielleicht Frauen geben könnte, die unbedingt Kinder wollen – zumindest Töchter. Und wenn eine Frau das will, dann darf sie das auch, so ist der Grundsatz des Feminismus. Aber eine Frau darf sich nicht für Kinder entscheiden, weil sie sich dazu verpflichtet fühlt; sie darf sich erst recht nicht von anderen überzeugen lassen. Bei einer ungeplanten Schwangerschaft darf sie sich laut Feminismus eigentlich nur gegen eine Abtreibung entscheiden, wenn sie trotz Ungeplantheit absolut begeistert davon ist. Wenn sie Zweifel hat, muss sie abtreiben, weil sie sich sonst dem Patriarchat unterwerfen und etwas tun würde, das ihr eigentlich gerade nicht so gut gefällt.

Das hängt sicher oft mit eigenen Gewissensbissen zusammen: Viele dieser Frauen hatten schon Abtreibungen, und wenn sie sich in dieser oder jener Situation dafür entschieden haben, abzutreiben, darf sich eine andere Frau in ähnlichen oder sogar schwierigeren Umständen nicht aus Gewissensgründen dagegen entscheiden. Es ist dabei egal, dass sie selbst für die Entstehung des Kindes verantwortlich ist; sie hat es nicht als moralisch bedeutsam zu berücksichtigen.

Der Feminismus geht im Grunde davon aus, dass die weibliche Biologie selbst Frauen unterdrückt. Man soll Sex haben, ohne Kinder zu bekommen; Kinder bekommen, ohne sie stillen oder überhaupt „Care-Arbeit“ tun zu müssen; sich auf einen Mann einlassen (denn die meisten Feministinnen wollen doch weder lesbisch noch zölibatär sein), ohne von ihm abhängig zu werden. Es ist kein Wunder, dass der Feminismus erst so spät in der Menschheitsgeschichte aufgekommen ist. Er wird nur mit künstlichen Hilfsmitteln am Leben gehalten: Billige und relativ verlässliche Verhütungsmittel (ab dem 19. Jahrhundert konnten Gummikondome in Serie produziert werden); leicht verfügbare und medizinisch sichere Abtreibungen (auf dem medizinischen Stand von, sagen wir, 1700, waren auch legale Abtreibungen gefährlich, wie alle Operationen); staatlich gesponserte Kinderverwahranstalten; die Möglichkeit, sich selbst zu versorgen, ohne körperlich zu arbeiten (weil andere Menschen und Maschinen das erledigen); Altersrente und Pflegeheime auch für Kinderlose. Und selbst so stößt die Gesellschaft an ihre Grenzen; man braucht eben doch genug Kinder, um in die Rentenkasse einzuzahlen. Dabei fordern richtige Radikalfeministinnen noch wesentlich mehr künstlichen Gesellschaftsumbau, z. B. dass Singlefrauen, die Kinder wollen, kostenlosen Zugang zu Samenbanken bekommen und der Staat (und ggf. der Arbeitgeber) sie mit wesentlich höheren Sozialleistungen als aktuell alimentiert. Man sieht doch: Irgendwie kommt man als Frau und Mutter allein auch nicht ganz aus; aber statt dass man erkennt, dass die Natur wohl nicht ohne Grund so etwas wie Vaterschaft eingerichtet hat, verlangt man einen vergesellschafteten Ersatzvater, der natürlich nur das Geld für das Kind geben kann und niemals Beziehung und Vorbild, und selbst das Geld von seinen Steuerzahlern holen muss (sprich, oft genug von Männern).

Der standardmäßige Feminismus, der den Frauen verkauft wird, ist im Endeffekt sehr kindisch. Nichts darf besser oder schlechter als etwas anderes sein oder unvermeidbare negative Konsequenzen haben, solange eine Frau es will. Man will nicht anerkennen, dass es Pflichten geben kann, jedenfalls keine schwerwiegenden Pflichten, die eine Frau nicht selbst gewählt hat, ebensowenig, dass gesamtgesellschaftlich bestimmte Verhaltensweisen bei der Mehrheit der Menschen nötig sind, damit eine Gesellschaft Bestand hat.

Am Ende hat das Zugehen auf die Feministen doch seine Grenzen. Man kann zwischendurch schon sagen „Abtreibung ist doch auch irgendwo frauenfeindlich, weil viele Frauen auf Drängen ihres Partners abtreiben“ (oder etwas in der Art), aber am Ende ist Abtreibung vor allem deswegen schlecht, weil das Kind ein vollwertiger Mensch ist und es ein grauenvolles Unrecht ist, wenn Eltern ihr Kind töten, das sie zu lieben und um das sie sich zu sorgen hätten. Dabei tragen die Frauen in der Regel auch eine nicht unerhebliche Mitschuld, und die meisten werden sich vage bewusst sein, dass Abtreibung nichts Gutes ist, auch wenn es Schuldminderungsgründe geben kann. Wir sollten nicht ständig versuchen, Aktivisten entgegenzukommen, die bewusst und entschieden dafür eintreten, dass Kinder getötet werden; wenn, dann kann man eher schwankende Leute, die zwischen den Stühlen sitzen, überzeugen. Aber die richtigen Abtreibungsaktivisten? Die sind nicht einfach nur wohlmeinend im Irrtum.

PS: Bevor Kommentare kommen, dass es auch „christliche Feministinnen“ gibt: Ja, natürlich gibt es die, und sie sind eine kleine Minderheit unter den Feministinnen; außerdem sind sie inkonsequent.

Barbiegirl outside of a Barbie world

Wozu sieht man schlechte Filme, wenn nicht, um sie zu verbloggen: Also kommt auch von mir noch ein Kommentar zu Greta Gerwigs „Barbie“, denn es ist zwar schon alles zu diesem Film gesagt worden, aber vielleicht noch nicht von jedem.

Kurz zusammengefasst: Man bekommt die feministische Botschaft wirklich mit dem Holzhammer serviert. Subtilität ist neuerdings nicht Hollywoods Stärke, und der Film macht glasklar, was man über ihn denken soll. So ganz funktioniert das allerdings nicht, wenn man die Geschichte genauer anschaut, und er hat seine interessanten Seiten.

Zunächst also die Handlung (Achtung, Spoiler):

Es beginnt damit, dass eine Erzählerin aus dem Off berichtet, dass vor Barbie Mädchen nur mit Babypuppen spielen hätten können (was nicht stimmt, aber egal), wobei man kleine Mädchen sieht, die in der roten amerikanischen Wüste mit Babypuppen spielen, und diese dann zerschlagen, als eine riesengroße Barbie im Badeanzug auftaucht. (Wirklich, ich denke mir das nicht aus.) Daraufhin wird erklärt, dass die Barbies im Barbieland überzeugt seien, dank ihnen wäre die Welt jetzt anders und für Frauen perfekt, und Feminismus und Gleichberechtigung hätten sich vollends durchgesetzt, und die Szenerie wechselt zu: Barbieland.

Elegante Wachspuppe, ca. 1880.

Eine Welt aus Plastik und mit sehr viel Rosa; und eine blonde Barbie (gespielt von Margot Robbie) wacht in ihrem Barbie-Traumhaus auf. Sie ist „die stereotypische Barbie“ (Selbstbezeichnung) und scheint keine besondere Aufgabe zu haben, während es auch eine (schwarze) Präsidentin-Barbie oder eine Nobelpreis-Gewinnerin-Barbie oder Bauarbeiterinnen-Barbies gibt. In den ersten Minuten wird ihr traumhafter Tag im Barbieland gezeigt; sie hat tolle Kleider und fährt in einem hübschen Auto durch die Plastikstraßen; und überall heißt es „Hi Barbie“, „Hi Ken“, „Hi Barbie“.

In der Barbiewelt sind nämlich auch einige Kens unterwegs; alles gutaussehende junge Männer. Sie geht schließlich zum Strand, wo sie „ihren“ Ken – gespielt von Ryan Gosling mit blondierten Haaren – trifft, der sich blamiert, als er ihr zeigen will, wie er surfen kann, und sich dabei verletzt (denn natürlich sind die Wellen aus Plastik, was er scheinbar vorher nicht gewusst hat (?)). Ken wird von zwei Barbie-Ärztinnen im Nu gesund gemacht und erhält Barbies Erlaubnis, zu ihrer abendlichen Party zu kommen. Selbige ist natürlich toll und die Barbies sind glücklich, aber Ken weniger; er will an Barbie herankommen und lässt sich von anderen Kens provozieren und wird schließlich von ihr weggeschickt, als sie ihm erklärt, dass jetzt Mädelsabend sei. Jeden Abend ist Mädelsabend, sagt er melancholisch; ja, sagt sie freundlich lächelnd. Ken ist ein eher dümmlicher Typ, unsicher und unreif, und Barbie duldet eher seine Anwesenheit als dass sie ihn mag; insofern passt nicht einmal die Zeile aus Kens späterem Lied „Where I see love she sees a friend“ („Wo ich Liebe sehe, sieht sie einen Freund“), denn Barbie behandelt ihn nicht als Freund. Obwohl sie ihn nicht ermutigt, sagt sie ihm allerdings auch nicht deutlich, dass sie ihn nicht mag; als er sie einmal küssen will, steht sie nur lächelnd da und geht nicht darauf ein. Die Kens sind insgesamt Randfiguren in der Barbiewelt – sie spielen z. B. Cheerleader für die Sportlerinnen-Barbies – und Barbie weiß, wie sie später erwähnt, nicht einmal, wo sie wohnen.

Hier sieht man schon eine Abweichung von der Puppen-Vorlage, die einem leicht entgehen könnte: Natürlich sind die Kens meistens Randfiguren, wenn Mädchen mit Barbies spielen, denn diese sind eben Mädchenspielzeug. Aber wenn sie im Spiel überhaupt auftauchen, dann als Männer, von denen umschwärmt und auf Dates ausgeführt zu werden den Barbies gefällt und derer sie sich sicher nicht zu schämen brauchen. Ryan-Gosling-Ken ist aber trotz seines guten Aussehens eher lästiges als schmückendes Beiwerk.

Puppenjungen.

Aber nun weiter mit der Handlung. In Barbies Traumwelt kommt ein Riss; Dinge funktionieren nicht mehr. Ihre Füße, die immer fest auf Zehenspitzen waren, fallen nach unten; ihr Toast ist verbrannt; und sie bekommt Todesgedanken. Auf Anraten der anderen Barbies geht sie zur „komischen Barbie“; einer Barbie, die in einem einsam stehenden Haus wohnt, kurze Haare und ein grell geschminktes Gesicht hat und ständig im Spagat ist, denn mit ihr wurde von einem Kind in der echten Welt zu heftig gespielt. Sie erläutert Barbie, dass auch sie davon beeinflusst sein muss, wie jemand in der echten Welt mit ihr spielt, und dass sie in diese Welt gehen muss, um die Sache wieder in Ordnung zu bringen. (Zwischenzeitlich, was im Trailer gezeigt wird, gibt sie Barbie zum Schein die Wahl, einfach in ihr altes Leben zurückzukehren oder in die echte Welt zu gehen, ist dann aber verärgert, als Barbie das alte Leben wählt, und erklärt ihr, sie müsse unbedingt in die reale Welt gehen, um die Situation zu reparieren und habe gar nicht die Wahl.)

Also macht sich Barbie auf den Weg in die echte Welt, der durch ein paar Barbielandlandschaften und dann auf den Strand von Los Angeles führt. Auf dem Weg entdeckt sie, dass Ken sich heimlich auf dem Rücksitz ihres Wagens versteckt hat; sie ist genervt, aber lässt ihn mitkommen. In der echten Welt angekommen findet sie heraus, dass sie Zugang zu Erinnerungen des Menschen hat, der mit ihr gespielt hat, sieht darin ein kleines Mädchen, das dann größer wird, und findet dieses Mädchen, Sasha, in einer Junior High School. Sasha jedoch ist arrogant und fies, die pure Verkörperung des mean girl aus dem amerikanischen Film, hält sie für eine Verrückte, und als sie darauf besteht, Barbie zu sein, hält Sasha ihr einen Vortrag darüber, wie Barbie Frauen ein falsches Körperbild vermittelt habe und an diesem und jenem schuld sei und betitelt sie als Faschistin. Barbie geht hinaus und weint.

Ken unterdessen geht gelegentlich seiner eigenen Wege und ist völlig fasziniert von der echten Welt: Da laufen Männer herum, Männer, die offensichtlich geachtet und wichtig sind und Anweisungen geben. Er sieht Werbebanner mit Männern und eine Frau fragt ihn – wirklich! – nach der Uhrzeit! (!!!) Er klaut sich ein paar Bücher über berühmte Männer aus der Schulbibliothek und verschwindet vorerst.

Doch währenddessen sind einige dieser mächtigen Männer in der realen Welt auf Barbie aufmerksam geworden. Ein amerikanischer Geheimdienst informiert Mattel, die Herstellerfirma, dass (was schon einmal passiert sei) eine Puppe aus der Barbiewelt entkommen sei und sofort jagen sie mehrere Männer mit schwarzen Autos. Sie finden sie vor der Schule und Barbie geht willig mit ihnen.

Im Hauptquartier der Firma angekommen, will Barbie erst einmal die verantwortlichen Frauen sehen. Doch der ganze Firmenvorstand besteht aus Männern in Anzügen und der CEO stottert herum, dass sie schließlich genderneutrale Toiletten hätten und irgendwann schon einmal eine Direktorin gehabt hätten. Barbie überlegt sich jetzt jedoch, dass sie noch ihren Menschen treffen muss, und haut wieder ab; 10-20 Männer in Anzügen jagen ihr durchs Gebäude hinterher. Dort entwischt sie in einen kleinen Raum, wo sie in einer gemütlichen, altmodischen Küche eine alte Frau trifft, die ihr freundlich den weiteren Weg weist.

Alte Puppe.

Barbie entkommt auf die Straße und dort wartet schon ein Fluchtauto auf sie: Denn Sashas Mutter Gloria, die bei Mattel im Vorzimmer arbeitet und gerade ihre Tochter von der Schule abgeholt hat, hat Barbie vor der Schule gesehen und die knappen Bemerkungen ihrer Tochter über diese Verrückte gehört. Sie hat realisiert, was passiert ist, und ist den Männern, die Barbie weggebracht haben, zum Mattel-Hauptquartier gefolgt. Es folgt eine wilde Verfolgungsjagd, bei der sie die Verfolger schließlich abschütteln; Sasha ist das alles peinlich und sie verhält sich ablehnend und genervt, wenn auch ein bisschen beeindruckt von den Fahrkünsten ihrer Mutter. Gloria erzählt, dass sie mit einer alten Barbie ihrer Tochter gespielt hat und ihre negativen Gedanken dabei hat einfließen lassen; sie ist offenbar einsam, frustriert und verletzt durch die Ablehnung ihrer Tochter.

Die drei machen sich auf den Weg ins Barbieland, doch da erwartet sie ein Schock: Die ganze Gesellschaft ist verwandelt, denn Ken ist vor ihnen angekommen und hat ein Patriarchat errichtet. Jetzt sind die Kens die Sportler und die Barbies die Cheerleaderinnen, und die ehemalige Präsidentin oder Nobelpreisträgerin ist damit beschäftigt, ihrem jeweiligen Ken ein Getränk zu bringen; sie sind damit auch völlig zufrieden, und es heißt, man hätte sie einer Gehirnwäsche unterzogen. Aus Barbies Villa ist jetzt Kens „Mojo Dojo Casa Haus“ geworden, und er tritt ihr dort entgegen. Sie ist völlig geschockt, will natürlich den alten Zustand wiederherstellen, ist aber bald daran, aufzugeben, und voller Selbstzweifel. In zwei Tagen wollen die Kens eine neue Verfassung beschließen. Sasha und Gloria machen sich auf den Weg, in die echte Welt zurückzukehren, da Barbie so mutlos geworden ist, kehren aber wieder um und wollen es noch einmal versuchen. Sie treffen Barbie im Haus der komischen Barbie, und Gloria regt sich auf und hält einen Monolog über die widersprüchlichen Erwartungen der Gesellschaft an Frauen. Literatur-Nobelpreisträgerin-Barbie, die auch anwesend ist, erwacht urplötzlich aus ihrer Gehirnwäsche und erinnert sich an ihre eigenen Errungenschaften. Also beschließt die kleine Gruppe von Verbündeten, die anderen Barbies einzeln zu entführen und Glorias feministischen Monologen auszusetzen, woraufhin sie alle wieder wie vorher werden. Als es so weit ist, beschließen sie einen perfiden Plan. Die Barbies spielen zunächst den Kens romantisches Interesse vor, sitzen mit ihnen am Strand und hören sich deren Lieder an. Auch hier darf die feministische Predigt nicht fehlen: Ken singt ein konfuses Lied über seinen Wunsch nach Liebe, in dem u. a. die Zeilen „I wanna push you around, well, I will, well, I will … I wanna take you for granted“ („Ich will dich herumstoßen, ja, das werde ich, ja das werde ich … Ich will dich für selbstverständlich nehmen“) auftauchen. Dann jedoch wenden sich die Barbie auf einmal anderen Kens zu; die Kens werden so gegeneinander aufgehetzt, rüsten sich zum Kampf und treffen sich schließlich am Strand, wo sie mit diversen Gerätschaften aufeinander einschlagen. Währenddessen setzen die Barbies die alte Verfassung wieder ein. Die Kens sind bedröppelt und müssen aufgeben. Ken gesteht Barbie seine Verzweiflung, und dass er nicht ohne sie sein könne. Sie sagt irgendetwas davon, dass er seine Identität in sich selbst finden müsse. will ihn ein wenig trösten. Auf der politischen Ebene geht es ähnlich aus: Einer der Kens fragt die Präsidentin, ob die Kens nicht einen Sitz im Supreme Court bekommen könnten, und sie stellt einen möglichen Sitz an einem niedrigeren Gericht in Aussicht.

Boxende Zinnfiguren, Quelle: Wikimedia Commons, Thomas Quine.

Jetzt tauchen auch die Herren von Mattel auf, die Barbie verfolgt haben. Gloria schlägt ihnen, ermuntert von Sasha, vor, doch eine neue Barbie herauszubringen: Eine „gewöhnliche Barbie“, eine, die Mutter oder Präsidenten oder beides oder keins davon sein könnte, und „einfach nur den Tag überstehen will“. Der Vorstand sieht eine Chance auf Gewinn und freut sich. Dann taucht der Geist von Barbiegründerin Ruth Handler auf, denn sie war es, die Barbie im Mattel-Hauptquartier getroffen hat. Barbie entscheidet sich, ein Mensch zu werden, und Ruth bringt sie zu ihrer Verwandlung. Dabei sieht Barbie Szenen von Menschenleben, u. a. auch Mütter mit Kindern, an sich vorbeiziehen.

Es endet damit, dass Barbie als Mensch in der echten Welt ist, und Sasha, Gloria, und Glorias Ehemann sie im Auto irgendwohin bringen. Der Ehemann, der ganz nett und harmlos wirkt, will Barbie ermutigen und blamiert sich mit seinen Versuchen, Spanisch zu sprechen (er ist Weißer, Gloria Latina, und er bemüht sich, Spanisch zu lernen); als er irgendeinen politischen spanischen Spruch sagt, wirft Sasha ihm kurz und herablassend „kulturelle Aneignung“ vor. Barbie geht dann in ein Gebäude, und stellt sich dort mit dem Namen „Barbara Handler“ vor: Sie sei zu ihrem Termin mit ihrer Gynäkologin da.

Und damit endet der Film.

Die beabsichtigte Botschaft ist eigentlich sehr einfach: Männer sind schlecht, Frauen sind gut; hört zu und prägt euch das ein.

Puppen, die Schule spielen.

Dabei bleibt aber einiges unklar und verworren, etwa: Wie genau haben sich die Barbies „gehirnwaschen“ lassen? Die einzige Erklärung, die man im Film bekommt, ist ein hastiger Kommentar von Gloria, dass die Barbies, weil sie es nicht kannten, keine Abwehrkräfte gegen das Patriarchat hätten, wie die amerikanischen Ureinwohner keine gegen die Pocken hatten. Aber Lebensweisen und Einstellungen sind kein Virus, das man einfach aufschnappt; sie müssen irgendeinen, wenn auch nur scheinbaren Reiz haben, von dem man sich verlocken lassen kann. Welchen Reiz hatte die neue Lebensweise für die Barbies? Wollten sie vielleicht gar nicht mehr die ganze Zeit im Mittelpunkt stehen, oder wollten sie einfach richtige Beziehungen mit den Kens haben? Aber diese Beziehungen geben sie extrem schnell auf, als ihnen nur erzählt wird, dass es in der realen Welt – und jetzt, ist die Implikation, auch im „Kendom“ – widersprüchliche Erwartungen an Frauen gebe. Ryan-Gosling-Ken wirkt auch nicht gerade wie einer, der dutzenden Frauen im Handumdrehen eine völlige Gehirnwäsche verpassen kann; was also ist ihm bei diesem Meisterwerk an Manipulation zu Hilfe gekommen?

Die Unlogik löst sich auf, wenn man einfach anschaut, was der Film sagen will. Die gehirngewaschenen Barbies stehen für die Frauen, die sich einfach nicht besondern für den Feminismus interessieren oder ihn gar ablehnen, die einen Mann ehrlich lieben, respektieren und bewundern, die vielleicht sogar drei oder vier Kinder haben und Hausfrau sein wollen. Die müssen „gehirngewaschen“ sein, sich einbilden, sie wären mit ihrer eigenen Erniedrigung zufrieden, und müssten nur mal die feministischen Theorien deutlich vor Augen geführt kriegen, damit sie auch zu wahren Feministinnen werden. Feministinnen können sich nicht vorstellen, dass man ihre Ansichten kennen und ablehnen kann.

Elegante Puppe.

Es ist aber nicht einmal ganz klar, welche Form von Feminismus der Film vertritt. Barbie wird einerseits dafür kritisiert, nicht feministisch genug zu sein; aber am Ende wird doch die Barbiewelt als das feministische Paradies dargestellt, als etwas, das zu traumhaft ist, um in der echten Welt verwirklicht zu werden, wo die wahre Macht immer noch bei Männern (Mattel!) läge, und die Frauen ein paar Trostpreise abbekämen – wie die Kens in Barbieland, wird gesagt.

Gloria beschwert sich darüber, dass Fauen es anderen nie recht machen könnten, aber der Film zeigt auch, wie schwer man es Feministinnen recht machen kann: Frauen sollen alles haben und können und erfolgreich sein, aber wenn sie dabei mit Glamour und Glitzer und dünn und hübsch dargestellt werden, ist das wieder nicht gut, weil man auf diese Weise Frauen abwertet, die hässlich oder dick sind (siehe Sashas woke Vorhaltungen gegenüber Barbie; lustigerweise gibt es allerdings sogar eine dicke Barbie in Barbieland – allerdings keinen dicken Ken).

Gloria beschwert sich über widersprüchliche Erwartungen an Frauen, aber einige dieser Erwartungen kommen letztlich einfach von verschiedenen Leuten, und die Seite, der man nicht zustimmt, muss einem einfach egal sein – Feministinnen wollten immer von Frauen, dass sie Karriere machen, und haben dabei sehr viel Nachsicht für Vernachlässigung der Familie, während Konservative immer das Muttersein als wichtiger sahen und die Karriere als nebensächlich. Der Feminismus stellte dabei sogar eher mehr Ansprüche an Frauen als vorher, denn er sagte eine Weile: Du kannst alles gleichzeitig erreichen, du musst auf nichts verzichten, das Leben lässt sich so einrichten, wie es dir gerade passt, während Konservative eher sahen, dass Leben und Zeit Grenzen haben. Das zeigt sich am Ende auch in Glorias Idee von einer „gewöhnlichen Barbie“: Es waren Feministinnen, die zahlreiche der Ansprüche an Frauen geschaffen haben, aber am Ende sind sie selber davon erschöpft, wollen etwas, mit dem sie sich identifizieren können, und das ist eine Frau, die einfach nur den Tag überstehen will und die alles oder auch gar nichts machen kann. Andere Erwartungen wiederum, die Gloria kritisiert, sind nicht widersprüchlich, sondern einfach die normale goldene Mitte, die jeder finden muss. „Du sollst ein Boss sein, aber nicht gemein; du sollst führen, aber nicht die Ideen anderer unterdrücken“ oder „Du sollst dünn sein, aber nicht zu dünn. Und du darfst niemals sagen, dass du dünn sein willst. Du musst sagen, dass du gesund sein willst, aber du musst auch dünn sein“ – ähm, ja, natürlich; wer ein Boss ist, sollte gut und nicht tyrannisch führen; und gesund sein beinhaltet auch, dünn, aber nicht zu dünn zu sein.

Auf der anderen Seite könnten auch die Männer sich über widersprüchliche Erwartungen beschweren: „Männer sollen ihre Gefühle zeigen, aber wenn sie es tun, sind sie weinerlich; sie sollen selbstbewusst sein und Frauen ansprechen, aber dabei nicht creepy sein, sie sollen muskulös und trainiert sein, aber nicht totale Fitnessfreaks, sie sollen zuvorkommende Gentlemen sein, aber Frauen nicht bevormunden“ usw. usf. – so könnte ein frustrierter Mann reden. Auch auf solche Beschwerden kann man teilweise antworten, dass unterschiedliche Leute einfach unterschiedliche Erwartungen an Männer haben, nicht immer ist da also ein Widerspruch bei der einzelnen Person; aber tatsächlich sind die, die die wirklich widersprüchlichsten Erwartungen an Männer haben, mal wieder Feministinnen. Da wäre eben der Punkt „Männer sollen auch Gefühle zeigen und schwach sein dürfen“ – aber wenn Männer Gefühle zeigen, die die Feministinnen nicht gemeint haben, ist das schnell wieder vorbei. Man hat manchmal den Eindruck, als wäre „ihr dürft auch Gefühle zeigen“ von manchen Feministinnen eher gemeint als „zeigt uns eure Schwachstellen, damit wir euch noch mehr verachten können, wir wissen eh, dass ihr erbärmlich seid“. (Dass Männer z. B. ihrer Liebsten gegenüber Gefühle zeigen dürfen, war eh immer allen normalen Menschen klar.) Feministinnen scheinen z. B. sehr schnell dabei zu sein, gegenüber Männern, die ihnen sachlich widersprechen, Kommentare darüber abzugeben, der Mann würde bestimmt keine Frau finden oder habe unzureichende Genitalien, was so ziemlich auf dem Niveau von Kindergartenmobbing ist.

Es ist irrsinnig, als wie dumm Ken manchmal dargestellt wird; seine einzige Beschäftigung ist „Beach“, aber nicht einmal das kann er. Auch Sashas Vater ist nur dazu da, die Nutzlosigkeit von Männern zu verdeutlichen, und man hat weder den Eindruck, dass seine Tochter ihn liebt – geschweige denn respektiert -, noch dass seine Frau das tut. Er ist so bedeutungslos und geht im Film so unter, dass ich sogar schon einen Kommentar zu Barbie gesehen habe, der davon ausging, Gloria wäre alleinerziehend.

Natürlich ist die Barbiewelt bei alldem eins: Unreal, „Life in plastic“.

Ken will ausdrücklich das „Patriarchat“ aufrichten, aber das Zentrale fehlt: Die Paternitas, die Vaterschaft. Alle Barbies und Kens und übrigen Randfiguren – oder fast alle, denn ganz am Rande wird eine einzelne Puppe erwähnt, die einmal als „Barbies schwangere Freundin“ verkauft wurde – existieren unter einer Glasglocke ohne Eltern, ohne Großeltern, ohne Kinder und ohne Enkelkinder. Ken will Barbie als seine „unverbindliche Langzeitfernbeziehungsfreundin ohne Verpflichtungen“ – so etwas wie Ehe scheint auch nicht zu existieren.

Auch Leid gibt es nur in knappen Dosierungen – die „Schlacht“ der Kens am Strand ist ein Witz.

Soldatenpuppe, frühes 20. Jh.

Die Barbies arbeiten eigentlich nicht. Die Ärztin erklärt einfach, dass ihr Patient geheilt ist; die Präsidentin erzählt allen in ihrem Büro, wie toll alles ist und wie lieb sie alle hat; die Bauarbeiterinnen schieben ein paar Maschinen auf der Plastikstraße herum. Als sie in Los Angeles ankommt, erwartet Barbie, an einer Baustelle ein paar nette auskunftsfreudige Frauen zu finden; natürlich findet sie nur Männer, die unverschämte Kommentare abgeben, aber diese Männer befinden sich zumindest in ihrer Mittagspause von wirklicher Arbeit.

Und hier stellt sich auch die Frage: Welchen Sinn sollen Ken – und die anderen Kens – eigentlich am Ende finden? „In sich selbst“, heißt es, soll Ken danach schauen. Es ist natürlich sinnvoll, sich in seinen Überzeugungen nicht ständig anderen anzupassen oder ständig nach Lob zu schielen; aber wer findet den Sinn seines Leben darin, nur um seinen eigenen Bauchnabel zu kreisen? Menschliches Leben bedeutet auch Gemeinschaft und Hilfe für andere; und wenn es nicht die Gemeinschaft der Liebe zwischen Mann und Frau ist, muss es wenigstens eine andere Gemeinschaft und eine andere Hilfe sein. Man muss irgendeinen Zweck haben. Die Barbiewelt ist schon fertig, und es scheint, dass man wenig neu aufbauen oder entdecken oder verbessern kann.

Nonnenpuppe.

Für eine Sache hat der Film überhaupt keinen Platz: Liebe zwischen Mann und Frau. Keine einzige der Barbies wendet gegen Barbies Täuschungsplan ein, dass sie eine liebevolle Beziehung mit ihrem Ken wolle; vielleicht nicht so, dass nur sie ihm zujubelt und ihn bedient, aber doch eben Liebe. Dass Männer und Frauen irgendwie aufeinander hingeordnet wären und einander ergänzen könnten – diese Idee lässt man kaum zu. (Nun ja: Ganz am Ende gibt es eine Barbie und einen Ken, die sich wieder einander zuwenden.) Was Ken will, ist sehr verständlich: Liebe, Zuwendung, Achtung, Anerkennung wünscht sich jeder normale Mensch, und die meisten auch von einem Menschen des anderen Geschlechts. Der Feminismus hat immer versucht, dazwischen einen Keil zu treiben, und die im Film gezeigte Weise, Liebe als Täuschungsmanöver zu benutzen, ist schon besonders hinterhältig. Die Barbies treten nicht etwa auf einem Protestzug den Kens entgegen und verlangen eine Abstimmung mit allen Bewohnern von Barbieland o. Ä.; nein, sie machen auf hinterlistige Bitch.

Am Ende ist eines klar: Man will nicht die Gleichberechtigung und Zusammenarbeit, macht nicht auf „unter dem Patriarchat leiden Männer ja auch“, wie das manche Feministinnen noch tun. Man will einfach die Frauenherrschaft und die Männer sind doof, oder zumindest relativ doof, und müssen ein bisschen zurückgestutzt werden. Das ist wenigstens mal ehrlich.

Optisch ist der Film gut gemacht; das rosarote Barbieland und der Kontrast der realen Welt kommen gut zur Geltung, und einiges ist so überdreht, dass es einfach lustig ist (z. B. das düstere Firmengebäude und die unkoordinierte Jagd des Firmenvorstands nach Barbie). Einige Kleinigkeiten stören allerdings, was die Kohärenz der Handlung angeht, unabhängig von der beabsichtigten Botschaft. Die Handlung ist unausgegoren, die zeitliche Abfolge unlogisch. Ken verwandelt das Barbieland innerhalb extrem kurzer Zeit in ein Patriarchat; die Mattel-Bosse brauchen ewig, um ins Barbieland zu kommen, und kommen etwa zwei Tage nach Barbie und ihren Begleiterinnen an, die nur kurze Zeit vor ihnen den Weg begonnen haben. Es ist unklar, inwieweit es Einfluss auf die Barbies und Kens hat, wie mit ihnen gespielt wird. Barbieland hat nur eine kleine Bevölkerung; jede Barbie entspricht einer Ausgabe der Barbiepuppe, aber von jeder Ausgabe wurden schließlich abertausende hergestellt, und es scheint keinen Einfluss zu haben, dass tausende Kinder auf verschiedene Weise mit derselben Art von Barbie spielen. Es gibt nur eine einzige „komische Barbie“, während sicher viele Kinder ihren Puppen auch mal die Haare abschneiden, oder gar die Beine ausreißen, oder sie einfach irgendwann auf dem Dachboden vergessen. Man hat den Eindruck, dass die Macher sich am Ende keine rechte Mühe mehr machen wollten.

Elegante Puppe, 16. Jh.

Eine Sache ist jedenfalls eine Konstsante des Films: Egal was passiert, Mattel gewinnt damit und macht Geld (worauf mich eine Freundin, die den Film vor mir gesehen hat, aufmerksam gemacht hat). Als Ken sein Mojo Dojo Casa Haus aufbaut, verkauft Mattel in der echten Welt auf einmal Mojo Dojo Casa Häuser. Als Gloria den Feminismus mit einer „gewöhnlichen Barbie“ voranbringen will, macht Mattel damit Geld. Am Ende gewinnt u. a. der unehrliche, nur mit Symbolprojekten wie genderneutralen Toiletten arbeitende „patriarchale“ Kapitalismus.

Das Interessanteste an dem Film, und das einzige, das ein bisschen gegen das „Männer sind alle doof, man ist besser allein und Karrierefrau und braucht niemanden“-Narrativ spricht, ist jedoch die allerletzte Szene: Barbies Termin bei ihrer Gynäkologin, dessen Zweck ungeklärt bleibt. Wir wissen, dass (wie sie vorher einmal gegenüber sie belästigenden Bauarbeitern ruhig und sachlich klargestellt hat) die Barbies und Kens in Barbieland keine Genitalien hatten, und nun ist sie eine normale Frau. Denkt Barbie nun an „richtige“ Beziehungen? Ist doch irgendwo eine Aussicht darauf, dass es Männer geben könnte, die einer Feministin genügen und besser sind als die Kens? Oder denkt sie sogar daran, dass sie mit ihrem Frauenkörper einem Kind das Leben schenken könnte – bekommen wir hier auf einmal mehr den „du darfst auch Mutter sein, Mütter und Töchter müssen zusammenhalten gegen die Männer, wir wollen Matriarchat im Wortsinn, deine Biologie ist mächtig“-Feminismus? Das würde jedenfalls dazu passen, dass sie bei ihrer Verwandlung Szenen von Müttern mit Kindern gesehen hat. Immerhin zieht Barbie die echte Welt trotz der Männer, die sie auf der Straße anstarren oder in Firmen das Sagen haben, der Plastikwelt vor, irgendetwas muss die also doch für sich haben.

Ein wirklicher Ausweg aus der feministischen Sackgasse ist das aber immer noch nicht. Am Ende brauchen wir doch einfach eines: Harmonie zwischen den Geschlechtern, denn da der liebe Herrgott offensichtlich beide geschaffen hat, und beide unterschiedlich und voneinander abhängig geschaffen hat, muss es für beide unterschiedliche und voneinander abhängige Rollen geben, mit denen sie glücklich werden können. Mit anderen Worten: Frauen sollen starke Mütter sein können und Männer fähige Beschützer ihrer Frauen und Kinder, beide sollen treu zueinander sein und sich wirklich aneinander binden. Und diese Harmonie kommt durch das richtige, christliche Patriarchat.

Puppenpaar.

Ja, Siege sind möglich

Für Christen und für Konservative/Rechte/Reaktionäre (ich bin beides, möchte mich aber auch an Leute wenden, die nur eins davon sind) ist der aktuelle politische Zustand manchmal kaum zu ertragen, und das mit gutem Grund, denn vieles geht tatsächlich den Bach hinunter. Aber man sollte sich trotzdem vor Demoralisierung bewahren: Denn hier und da werden auch jetzt noch Siege errungen; manchmal kann man nur Schlimmeres verhindern, aber manchmal kann man tatsächlich das Schlechte ein gutes Stück weit zurückdrängen; nicht nur im Privaten, sondern wirklich in der Politik. Ich will hier einfach mal ein paar Beispiele aus der letzten Zeit auflisten (freilich Beispiele von sehr unterschiedlich großer Bedeutung, wie sie mir gerade gekommen sind):

1) In den USA waren seit der Entscheidung des Obersten Gerichtshof im Fall Roe v. Wade im Jahr 1973 nur geringfügige Einschränkungen von Abtreibungen möglich, da angeblich implizit in der Verfassung ein Recht auf Privatsphäre, und daher ein Recht auf Abtreibung, vorhanden wäre. Da die Pro-Life-Bewegung in den USA vergleichsweise stark ist, musste die republikanische Partei in den vergangenen Jahrzehnten aber noch ein bisschen auf Pro-Life-Wähler Rücksicht nehmen, und dank guter Richterernennungen durch republikanische Präsidenten wie Trump (die Richter werden auf Lebenszeit ernannt) entschied der Oberste Gerichtshof im Jahr 2022 im Fall Dobbs v. Jackson Women’s Health Organization: Nein, ein Recht auf Abtreibung existiert laut Verfassung nicht. In 21 Staaten hat sich die Situation seitdem deutlich verbessert:

  • In 13 Staaten (Alabama, Arkansas, Idaho, Kentucky, Louisiana, Mississippi, Missouri, North Dakota, Oklahoma, South Dakota, Tennessee, Texas und West Virginia) sind Abtreibungen jetzt grundsätzlich in allen Stadien der Schwangerschaft verboten; Ausnahmen gelten überall, wenn das Leben der Mutter gefährdet ist, in den meisten Staaten, wenn ihre Gesundheit gefährdet ist, und in manchen bei Vergewaltigung/Inzest oder wenn das Kind schwer behindert ist und wahrscheinlich nicht überleben würde.
  • In 1 Staat (Wisconsin) ist ein sehr altes Gesetz wieder in Kraft getreten, das Abtreibungen in allen Stadien der Schwangerschaft außer bei Lebensgefahr für die Mutter verbietet; der Status des Gesetzes ist aktuell noch unklar, aber Abtreibungsärzte bieten vorsichtshalber keine Abtreibungen mehr in Wisconsin an.
  • In 3 Staaten (Indiana, Utah, Wyoming) ist Abtreibung aktuell noch legal bis zur 22./18./25. Woche; Abtreibungsverbote für alle Stadien der Schwangerschaft mit wenigen Härtefall-Ausnahmen sind beschlossen, und werden noch vor Gericht angefochten.
  • In 1 Staat (Georgia) ist Abtreibung ab Herzschlag des Kindes (ca. 6. Woche) mit wenigen Härtefall-Ausnahmen verboten.
  • In 1 Staat (Florida) ist ein Verbot ab Herzschlag des Kindes (6. Woche) mit wenigen Härtefall-Ausnahmen geplant.
  • In 2 Staaten (Ohio, South Carolina) ist Abtreibung aktuell noch legal bis zur 22. Woche; Abtreibungsverbote ab Herzschlag des Kindes (6. Woche) mit wenigen Härtefall-Ausnahmen sind beschlossen, und werden noch vor Gericht angefochten.

Die Auswirkungen sind so deutlich, dass sogar Abtreibungsbefürworter zugeben müssen, dass sich Frauen dann eben keine Kleiderbügel einführen, sondern in manchen Fällen in einen anderen Staat zur Abtreibung reisen, und in vielen Fällen einfach das Kind bekommen, da die Hürden höher sind und man alles nochmal genau überdenkt – so offensichtlich wird das, dass Journalisten tränendrückerische Artikel drüber schreiben, dass diese Frau, die jetzt Kinder hat und sogar liebt, doch lieber hätte abtreiben sollen. (Zusammenfassend dann etwa so: „Diese Frau hat jetzt ein zweites Kind mit ihrem Verlobten, wird aber in ihrem Niedriglohnjob immer noch schlecht bezahlt, und kann wahrscheinlich nicht bald ihren eigenen Friseursalon aufmachen. DAS KIND MÜSSTE TOT SEIN, die Republikaner sind böse!“)

Es geht so weit, dass CNN (!) zugibt, dass allein in Texas in 9 Monaten 10.000 Kinder durch das Verbot gerettet worden sind (und dabei zählen wir nur die zusätzlich geborenen Kinder; noch nicht die Tatsache, dass die Leute wahrscheinlich vorsichtiger dabei waren, ungewollte Kinder überhaupt zu zeugen). 10.000 Kinder in so kurzer Zeit in einem einzigen Staat – der Sieg mit Dobbs kann gar nicht überschätzt werden.

2) Es ist ja in den letzten Jahren immer mehr zur Mode geworden, Kinder mit Identitätskonflikten zu transen, ihnen Pubertätsblocker und anschließend gegengeschlechtliche Hormone zu geben, die ihnen massiv körperlich schaden, verhindern, dass sie geistig und körperlich reifen können, und sie in vielen Fällen chemisch kastrieren und ihr ganzes Leben lang unfruchtbar machen. In einigen Fällen werden sie sogar schon operiert, Mädchen werden relativ häufig die Brüste abgeschnitten und Jungen in einzelnen Fällen die Geschlechtsteile.

Aber einige Länder kommen wieder ins Nachdenken. Schweden, Norwegen, Finnland und Großbritannien kommen wieder davon ab, Kindern gleich Blocker und Hormone zu verabreichen, und in den USA haben 19 Staaten Verbote dieses Vorgehens beschlossen (in 10 Staaten sind diese schon in Kraft getreten). Anders als bei Abtreibung ist das keine rein amerikanische Entwicklung; in den genannten europäischen Ländern gibt es zwar vielleicht weniger Fundamentalopposition, aber einige Leute kommen doch zum Nachdenken, wenn plötzlich tausende Mädchen mit psychischen Vorerkrankungen in den Kliniken auftauchen, die vor zwei Wochen auf den Gedanken gekommen sind, dass sie eigentlich Jungen sein könnten, und Detransitionierer, die darunter leiden, dass man sie als Kinder zum Geschlechtswechsel gebracht hat, lauter werden.

3) In Deutschland hat die AfD neue Umfragewerte um die 20% erreicht und ist im Osten oft stärkste Kraft; und es gibt seit kurzem den ersten AfD-Landrat (Robert Sesselmann im Kreis Sonneberg) und den ersten AfD-Bürgermeister (Hannes Loth in Raguhn-Jeßnitz) in Deutschland. Das ist, im Vergleich zu anderen Ländern, wo rechte Parteien ganz normal an Regierungen beteiligt sind, zwar noch sehr wenig, aber es ist eine Chance für die AfD, zu zeigen, dass sie regieren kann (und ein Risiko für die Altparteien, dass sie zugeben müssen, dass sie dabei gar nicht buchstäblich KZs wieder aufbaut). Man kann auf eine gewisse Normalisierung hoffen; vielleicht geben doch irgendwann die CDUler die „Brandmauer gegen rechts“ auf, wenn die AfD erst mal bei 25-30% steht, und man bekommt vielleicht erst mal im Osten die erste Koalition mit AfD-Beteiligung.

4) Ebenfalls in Deutschland sollte ja das „Selbstbestimmungsgesetz“ verabschiedet werden, mit dem sich jeder jederzeit als das andere Geschlecht identifizieren könnte und Männer uneingeschränkt Zugang zu Frauentoiletten, Frauengefängnissen usw. hätten, und diejenigen kriminalisiert werden würden, die auch nur den vorigen Namen und das eigentliche Geschlecht erwähnen würden. Jetzt blockiert das Innenministerium erst einmal – zwar nicht aus grundsätzlichen Gründen, sondern weil Kriminelle den Namenswechsel nutzen könnten, um unterzutauchen, aber immerhin: Es sind gewisse Bedenken da, das Gesetz wird vielleicht nicht so ganz radikal kommen. Auch das Heizungsgesetz zur Verarmung der deutschen Bevölkerung wurde zumindest bis nach der Sommerpause verschoben, weil das Bundesverfassungsgericht die Eile damit gerügt hat. Vielleicht können bei solchen irren Gesetzesvorhaben noch ein paar Exzesse verhindert werden.

5) El Salvador: Ein kleines Land und weit weg, aber es zeigt, was möglich ist, wenn ein Staat damit ernst macht, Kriminalität zu bekämpfen und die normalen Leute zu schützen. Die Mordrate in El Salvador war extrem hoch, auch Vergewaltigungen, Erpressungen usw. an der Tagesordnung, weil Gangs einander bekämpften, die Bevölkerung ausraubten, ihre Mitglieder als Initiationsrituale Morde begehen ließen usw. Präsident Bukele hat jetzt schlicht und einfach zehntausende Gangmitglieder – die sich selbst leicht erkennbar machen an ihren Tattoos, die nur Gangmitglieder haben dürfen – festnehmen lassen und auch in den Gefängnissen räumlich von normalen Kriminellen getrennt. Seitdem ist die Mordrate massiv gesunken, die Macht der Gangs gebrochen, die Leute fühlen sich wieder relativ sicher, und Bukele hat um die 90% Zustimmung.

Internationalen Journalisten gefällt das nicht, das alles sei zu drastisch. Sie beschweren sich sogar darüber, dass die Identität von Richtern in Prozessen gegen gefährliche Mörder jetzt geheim bleiben kann oder man in einer solchen Extremsituation Leute für zwei Wochen statt für drei Tage vorläufig festnehmen kann – aber im Allgemeinen sind sie oft vage dabei, wieso El Salvadors Vorgehen nicht rechtsstaatlich sei, und man liest widersprüchliche Informationen. Ich bin hier sicher keine Expertin, da ich auch keine spanischen Quellen lesen kann, und habe nicht die Zeit, mich tief in das Thema einzuarbeiten; aber es wird sehr deutlich, dass das Vorgehen zumindest in die richtige Richtung geht. Und vor allem: dass es sehr wohl recht einfach möglich ist, Kriminalität zu bekämpfen, wenn man nur will – und denselben Erfolg hätte man auch ohne irgendwelche theoretischen Rechtsverletzungen.

(Meine persönliche Einschätzung zur Gesamtsituation: Es kann gut sein, dass der Herr El Salvador jetzt segnet, weil es als so ziemlich einziges Land der Welt ein strenges, ausnahmsloses Abtreibungsverbot hat. Wenn man die Kinder im Mutterleib schützt, wird man auch irgendwann Erfolg dabei haben, sie außerhalb des Mutterleibs zu schützen.)

Mit anderen Worten: Wir kämpfen auch in der Politik nicht vergebens. Gerade das Beispiel Abtreibungen in den USA ist sehr ermutigend: Es zeigt, dass ein jahrzehntelanger, schier aussichtsloser Kampf, bei dem man kaum einen Schritt vorwärts zu kommen scheint und höchstens einzelnen Leuten im Privaten hilft, irgendwann Früchte tragen und zehntausendfach, ja hunderttausendfach, über einige Jahre hinweg millionenfach, Leben retten kann. Natürlich ist der Kampf damit nicht vorbei; in vielen US-Staaten ist Abtreibung immer noch bis zur 24. Woche oder bis zur Geburt legal. Aber es ist ein riesiger Erfolg.

Der einzelne kann oft nicht viel tun, und nicht jeder muss in der Politik kämpfen. Aber die, die es tun, sollte man nicht herunterziehen. Zu erklären, dass der Niedergang unabwendbar ist, oder nicht wenigstens abgemildert werden kann, wobei man den Boden für einen neuen Aufschwung bereiten kann, ist bloß kraftloser Defätismus, und Defätismus brauchen wir nicht.

Siegessäule, Bildquelle: Thomas Wolf, Wikimedia Commons.

Tröster und Beistand

Am schönen Fest Pfingsten (und ich nehme mir einfach mal heraus, ein paar Tage zu spät dazu noch zu schreiben) werden wir regelmäßig in Predigten und Postings daran erinnert, wie der Heilige Geist auch uns heute inspirieren und Mut geben soll wie damals den Aposteln. Oft sehen diese Ermutigungen dann so aus: Gebt immer den Eingebungen des Heiligen Geistes zum Guten nach; Er wird euch Mut geben, zum Glauben zu stehen und das Richtige zu tun, wird euch Charakterstärke und Klugheit geben, damit ihr euren Nächsten helfen und die Schönheit des Glaubens ausstrahlen könnt. Das ist eine sehr gute Ermutigung. Manchmal aber, finde ich, geht eine Ermutigung unter, die auch noch kommen müsste.

Manchmal brauchen Leute nicht nur Ermutigung, um Apostel zu werden und anderen zu helfen, sondern müssen erst mal selbst über ihren eigenen Kummer getröstet werden, und auch das ist die Aufgabe des Heiligen Geistes, des Trösters und Beistands, wie der Herr Jesus Ihn nennt. Manche müssen vom lieben Herrgott vielleicht erst mal solche Tröstungen hören:

  • „Auch wenn du von bestimmten Leuten gemobbt und zurückgesetzt wirst und denen nie was recht machen kannst, für mich bist du unendlich wertvoll. Und du kannst da draußen auch Leute finden, die nicht so sind, und die dich gern haben.“
  • „Ich weiß, diese chronische Krankheit ist hart für dich, aber sie hat einen Sinn, den du noch begreifen wirst. Ich stehe dir bei und mute sie dir nicht ohne Grund zu. Du kannst diese Schmerzen aufopfern und damit sogar noch anderen helfen, und ich werde dir alles hundertfach im Himmel vergelten.“
  • „Du musst nicht ständig Angst haben, ob du etwas falsch machst, ich sehe deine ehrlichen Bemühungen und lege es nicht drauf an, dich in irgendeiner Sünde einzufangen.“
  • „Ich sehe dich gern an und freue mich einfach schon daran, dass du existiert.“
  • „Du musst keine außergewöhnlichen Leistungen bringen, damit Ich dich liebe. Und du kannst auch ein guter Christ sein, wenn dein Leben gerade irgendwie ziellos verläuft und du kein beeindruckendes Vorbild für andere sein kannst.“
  • „Ich weiß, du trauerst sehr um deinen verstorbenen Mann, aber du kannst die Hoffnung haben, ihn im Himmel wiederzusehen, du musst nur noch eine Weile warten. Und du kannst mir ruhig deinen Schmerz klagen und dich bei mir ausweinen.“
  • „Du bist jetzt einsam, aber ich lasse dich nicht allein. Sag doch mir alles, was dich bedrückt, wenn du es sonst niemandem sagen kannst.“
  • „Du hast etwas falsch gemacht und stehst jetzt vor anderen schlecht da, aber ich sehe, dass du, wenn auch nicht alles gut daran war, doch auch ein paar gute Motive gehabt hast, und die schlechten hast du ja bereut. Vor mir bist du einfach wieder rehabilitiert, und das soll dir die Kraft geben, wiedergutzumachen, was du vor den Menschen noch wiedergutmachen musst.“

Gott ist eben gerade für die Schwachen besonders da. Und sicher sind viele Christen immer mal wieder eher der schwache Mensch, der die frohe Botschaft selber noch hören muss, als der starke, der sie anderen verkündet. (Und manchmal kann man dann vielleicht beides sein.)

Eugène Burnand, Heimgefunden.

„Das schickt sich nicht“: Über sinnvolle und sinnlose Regeln

Es ist ein Lieblingshandlungsstrang aller Macher von Historienfilmen: Die junge selbstbewusste Protagonistin, die bald Abenteuer und Romantik erleben soll, setzt sich über Konventionen hinweg, während sie von sauertöpfischen Müttern und Vätern gesagt gekriegt: „Das schickt sich nicht! Das ist unziemlich!“ Die altmodische Sprache soll natürlich die Zuschauer zum herablassenden Lächeln bringen, aber die Worte meinten früher auch einfach nur allgemeine gesellschaftliche Regeln: Teilweise Höflichkeitsregeln, teilweise wesentlich bedeutsamere Grundsätze.

Die Höflichkeitsregeln waren nicht gleichgültig: Wenn man umständliche Grußformeln und Titel wegließ, konnte das signalisieren, dass man dem Gesprächspartner bewusst Verachtung zeigen wollte. Wenn man nicht die übliche Trauerkleidung nach dem Tod eines Verwandten trug, konnte das andere denken lassen, er wäre einem egal gewesen. Unhöflichkeit ist keine Tugend; heute wäre es auch keine Tugend, sich zu weigern, einen älteren Fremden mit „Sie“ anzusprechen, oder mit Jogginghose zum Vorstellungsgespräch zu gehen. In jeder Gesellschaft gelten gewisse Symbole und Signale; die Signale selbst können wechseln, aber der Inhalt bleibt: Ausdruck von Respekt oder Verachtung, Ausdruck von Zuneigung oder Ablehnung. Also hält man sich eben an die allgemein üblichen Signale, wie man die allgemein gesprochene Sprache verwendet.

Aber dann gab es noch die bedeutsameren Regeln. Wenn im Film die hochadligen Eltern ihre Tochter schelten, weil sie sich mit einem mittellosen Studenten trifft, dann sind sie einfach nur böse, geizig, überheblich. Aber wenn reale Eltern im Jahr, sagen wir, 1860, vor einer solchen Beziehung warnten, wollten sie ihre Tochter vielleicht einfach nur vor einem Mitgiftjäger bewahren, der ihr Verliebtheit vorspielte, ohne dass ihm wirklich etwas an ihr lag. Es wäre ähnlich wie der Fall, dass heute Eltern ihre Tochter warnen, einen nigerianischen Asylbewerber zu heiraten, der es vielleicht eher auf die unbefristete Aufenthaltserlaubnis als auf die Liebesbeziehung abgesehen hat, oder wie wenn ein reicher 45jähriger Geschäftsmann skeptisch ist, wenn sich eine 20jährige hübsche blonde Frau plötzlich für ihn interessiert. Die Beziehung mit dem mittellosen Studenten musste nicht automatisch schlecht sein; aber es war etwas mehr Vorsicht geboten. Ebenso damit, dass man unverheiratete Paare nicht ganz allein in geschlossenen Räumen lassen wollte: Die Anstandsdame konnte einfach ein Schutz vor date rape sein, denn wer weiß, wie vertrauenswürdig Fräulein Luises neuer Verehrer, den sie letzte Woche beim Tanz kennengelernt hat, denn wirklich ist? Nicht alle gesellschaftlichen Regeln aller Zeiten waren sinnvoll, aber auch nicht alle Regeln sinnlos, oder jedenfalls nicht völlig grundlos.

Andere Konventionen wiederum, gegen die im historischen Liebesdrama zu rebellieren ist, waren nur Moden. Das Korsett übermäßig eng zu schnüren beispielsweise war kein unterdrückerischer Befehl des Patriarchats, sondern eine (auch nicht derart langlebige) Mode unter Frauen. Von Ärzten wurde sie immer wieder kritisiert, manchmal sogar zu heftig und für Krankheiten verantwortlich gemacht, die sie nicht verursacht haben konnte, und bestimmte Hersteller erfanden bequeme, gesündere Korsetts. (Korsetts an sich waren ja nur die damalige Version von BH und Stütze für die gerade Haltung.)

Die meisten Frauen im Jahr 1750 oder 1890 waren nicht besonders rebellisch, und das ist ok so. Sie interessierten sich für die aktuelle Mode und folgten den aktuellen Höflichkeitsregeln. Wie die meisten Frauen heute eben auch.

Abrichtung zum sexuellen Missbrauch, staatlich gefördert

Jetzt ist es also nach Deutschland gekommen: Männer, die sich grell schminken und enge Kleider überziehen, und so gerne in bestimmten Clubs herumtanzen, lesen bei obrigkeitlich organisierten Drag-Queen-Vorlesestunden vor Kindern vor, wohl aus irgendwelchen Büchern über Toleranz und Vielfalt. Und das ist noch harmlos ausgedrückt: Denn diese Typen tanzen oft nicht nur herum, sondern bedienen in ihren Aufführungen brutalste Fetische, was zumindest einzelnen Leuten noch auffällt.

Freilich stellen sich hier sämtliche Linke dumm und machen auf: „Was habt ihr denn? Da lesen doch nur Menschen in lustigen Kostümen Kinderbücher vor.“ (Manche machen bei ihrer Verteidigung sogar ernsthaft auf „Aber was soll denn an Drag im Allgemeinen sexualisierend sein?“ Natürlich: Wer geht nicht zu Drag-Queen-Auftritten, um reine unsexualisierte Tanzkunst zu genießen? Ist ja quasi der neue Square Dance.) Denen sollte man einfach sagen: Klappe, und Jugendamt und Polizei her (bzw. das könnte man in einem Land, in dem besagte Institutionen ihren Job machen würden). Aber wenn man Menschen, die nicht recht wissen, was sie darauf erwidern sollen, die Sache erklären muss, könnte man u. a. folgendes sagen:

  • Diese „lustigen Kostüme“ sind erstens verstörend für Kinder; sie erschrecken sie, weil die Drag Queens bewusst mit Ekelgefühlen spielen. Damit werden sie dazu trainiert, ihre natürlichen Schutzinstinkte vor dem Ekligen und Makabren zu unterdrücken.
  • Diese Kostüme sind sehr deutlich sexualisierend, und das verletzt die Schamgrenzen der Kinder. Ihnen wird also beigebracht, dass sie das Verletzen ihrer Schamgrenzen durch Erwachsene hinzunehmen, nein, eigentlich sogar toll zu finden haben, weil die Erwachsenen ja nur Vielfalt zelebrieren und sie selbst sind. Wie viel Widerstand kann das Kind dann noch leisten, wenn ein anderer Erwachsener sich ganz vor ihm auszieht und ihm seinen Penis zeigen will?
  • Diese Veranstaltungen führen Kinder in das Milieu der Sexindustrie ein, wo Missbrauch, Ausnutzen, Grenzverletzungen und Entfremdung vom eigenen Körper, der zur Ware wird, zum alltäglichen Leben gehören. Ihnen wird gezeigt, dass es ein toller Beruf ist, seinen Körper zum Aufgeilen anderer Menschen zu verkaufen, auch wenn sie im Moment noch gar nicht ganz verstehen, was Drag Queens genau tun – sie kommen in dieses Milieu und es wird ihnen nach und nach schon gezeigt.

Übrigens bleibt es nicht bei Vorlesestunden: In den USA finden schon am laufenden Band richtige Drag-Auftritte vor Kindergartenkindern statt, man trainiert Kinder selbst zu Drag Kids, und dass man sie auf den CSD mitnimmt, wo Leute fast nackt die extremsten Fetische zelebrieren, ist auch hier schon angekommen.

Komisch: Würde man genauso von Vielfalt und Toleranz reden, wenn man Kinder in Stripclubs mit typischen weiblichen Stripperinnen mitnehmen würde? Ok, wahrscheinlich würden das die Linken, denn „Sexwork“ sei ja „work“, und empowernd, und so.

Die Sache ist die:

Kindesmissbrauch funktioniert nicht immer so, dass jemand ein Kind gewaltsam entführen und festhalten und danach drohen muss, es umzubringen, damit es nichts verrät. Missbrauch funktioniert über langsames Grooming, über Abrichtung zum Missbrauch. Der Stiefvater zeigt dem vernachlässigten Kind, dass es Zuneigung und Aufmerksamkeit von ihm bekommt, wenn es sich im Intimbereich anfassen lässt, und fängt langsam an, weitere Grenzen zu überschreiten. Alles verläuft langsam und in kleinen Schritten, das Kind ist verwirrt und weiß nicht, was genau gerade passiert. Der Täter sagt ihm, das sei „etwas ganz Besonderes“, „unser schönes Geheimnis“. Das Kind fühlt sich verletzt, abgestoßen, aber es will auch die Zuneigung des Täters nicht verlieren, und beginnt so zu tun und vielleicht zu glauben, es würde ihm selbst gefallen. Es wehrt sich nicht und sagt nichts.

Auch Jugendliche, die gerade eben erst in die Pubertät kommen, nehmen Missbrauch nicht immer sofort als Missbrauch wahr. Wenn eine 12jährige sich in ihren Klassenlehrer verliebt, dann wird sie erst mal begeistert sein, wenn er darauf eingeht. Wenn es zum Sex kommt, wird es freilich irgendwie verstörend für sie sein, und es wird sie später noch mehr belasten. Aber zuerst kann es da eine scheinbare Freiwilligkeit geben. Und genau deshalb muss es klar sein, dass das Missbrauch ist, Punkt aus. (Deshalb ist es auch sehr schlechte Missbrauchsprävention, Kindern zu sagen, sie sollten selbst in sich hineinhören, was sich für sie gut anfühlt. Sie müssen klar gesagt bekommen, dass Menschen, die mit ihnen Sexuelles tun wollen, sie immer ausnutzen wollen.)

Auch die Folgen von Missbrauch sind nicht immer so, wie man meint. Opfer werden vielleicht im Erwachsenenalter hypersexuell und haben ständig wechselnde Partner, weil sie verinnerlicht haben, dass sie zu nichts anderem taugen als der sexuellen Befriedigung anderer, oder dass sie nur durch Sex Zuneigung bekommen, aber trotzdem keiner sie wirklich lieben kann, oder dass sie den Sex wieder und wieder neu inszenieren müssen, diesmal in einer Situation, in der sie die Kontrolle darüber haben. Viele Menschen, die in der Sexindustrie landen, waren als Kinder oder Jugendliche Opfer von sexuellem Missbrauch.

Frühsexualisierung ist genau durch diese langsamen Grenzverletzungen, dieses „schau doch mal ganz offen und tolerant, ob dir das nicht auch gefällt“, Abrichtung zum Missbrauch und schon selbst Missbrauch, ob gewollt oder ungewollt.

Natürlich hängt das alles auch mit dem grundfalschen Gesamtbild der Linken von Sexualität zusammen. Es hilft langfristig nichts, ihnen zu sagen: „Lebt das alles doch ruhig hinter verschlossener Tür aus, aber lasst die Kinder da raus!“ Denn Linke sehen Sex nur als etwas, was ein bisschen körperlichen Spaß macht, nicht als etwas, das langfristig prägen, Leben schenken und in falscher Form auch Erwachsene sehr verletzen kann. Folglich weigern sie sich bald auch, wirklich zu verstehen, wie schlimm sexueller Missbrauch erst für Kinder sein kann, die nicht reif für Sex in irgendeiner Form sind.

Außerdem, weil der normale Sex bald seinen Kick verliert, suchen sie immer weiter nach dem Reiz des etwas Verdrehterem. Aber weil sie im sozialen Leben doch nicht als irgendwie pervers gelten wollen, wollen sie das, was sie wegen der Unnormalität gesucht haben, normalisieren und verharmlosen. Und zuerst machen sie auf „ist doch alles ganz harmlos, schaut her, wir haben nur nette Kostüme, die sogar Kinder total süß finden!“ – eben die Phase der ersten Drag-Queen-Vorlesestunden. Aber es dauert nicht lange, bis zumindest einige unter ihnen den Spieß umdrehen, und auf „natürlich ist das ein Fetisch, aber das wollen sogar Kinder doch auch“ machen. „Dieser Tage gibt es das Narrativ, dass missratene Transpersonen (oder, wie sie sagen, Crossdresser) in Toilettenräume kommen und unschuldige kleine Mädchen missbrauchen werden. […] Ich glaube an die radikale Ansicht, dass kleine Mädchen, wie der Rest von uns, komplizierte Menschen sind. Da gibt es keine Märchen und keine Prinzessinnen. Kleine Mädchen sind auch queer, trans, kinky, abweichend, nett, gemein, schön, hässlich, wunderbar und besonders.“ (Transaktivist Alok Vaid-Menon)

Natürlich geht es in diese Richtung weiter. Denn wer will der Intolerante sein, der an irgendeinem Punkt Stop sagt, wenn sich Personen mit solchen Ansichten hervorwagen? Es ist grotesk: Hätte man den durchschnittlichen SPDler in der Münchner Stadtverwaltung vor 10 Jahren gefragt, ob er Vorlesestunden für Kinder mit Drag Queens für eine gute Idee hält, wäre er wohl erst mal verwirrt gewesen. Aber ist die Idee einmal aufgekommen, haben die Linken mitbekommen, dass das in den USA stattfindet und die Konservativen dort dagegen sind, muss man automatisch dafür sein und weigert sich, zu verstehen, wieso sich denn ein paar komische Leute noch darüber aufregen.

Natürlich weigert man sich dann auch, die ganz offensichtliche Gefahr zu sehen, dass nicht nur Leute, die ihren Fetisch im Allgemeinen über das Kindeswohl stellen, sondern solche, die Kinder schon konkreter missbraucht haben oder missbrauchen wollen, sich dort bewerben, und diese dann die Vorlesestunden nutzen, um an Kinder heranzukommen und sich direkt vor ihnen sexuell zu präsentieren. In den USA gab es Fälle von Drag-Queen-Vorlesestunden, deren Organisatoren verspätet aufgefallen ist, dass sie einen verurteilten Missbrauchstäter als Vorleser engagiert hatten o. Ä.

Also werden Kinder eben auf dem Altar des Progressivseinwollens geopfert. Dem Missbrauchstäter, der sich am Ende an ihm vergreifen kann, ist es ja egal, warum man sein Kind zum Missbrauch gegroomt hat, ob deswegen, weil man seine eigenen sexuellen Neigungen normalisieren wollte und sich versichern wollte, dass das alles gut so ist, oder weil man in der linken Müttergruppe als die offenste und toleranteste Mama dastehen wollte.