„Das schickt sich nicht“: Über sinnvolle und sinnlose Regeln

Es ist ein Lieblingshandlungsstrang aller Macher von Historienfilmen: Die junge selbstbewusste Protagonistin, die bald Abenteuer und Romantik erleben soll, setzt sich über Konventionen hinweg, während sie von sauertöpfischen Müttern und Vätern gesagt gekriegt: „Das schickt sich nicht! Das ist unziemlich!“ Die altmodische Sprache soll natürlich die Zuschauer zum herablassenden Lächeln bringen, aber die Worte meinten früher auch einfach nur allgemeine gesellschaftliche Regeln: Teilweise Höflichkeitsregeln, teilweise wesentlich bedeutsamere Grundsätze.

Die Höflichkeitsregeln waren nicht gleichgültig: Wenn man umständliche Grußformeln und Titel wegließ, konnte das signalisieren, dass man dem Gesprächspartner bewusst Verachtung zeigen wollte. Wenn man nicht die übliche Trauerkleidung nach dem Tod eines Verwandten trug, konnte das andere denken lassen, er wäre einem egal gewesen. Unhöflichkeit ist keine Tugend; heute wäre es auch keine Tugend, sich zu weigern, einen älteren Fremden mit „Sie“ anzusprechen, oder mit Jogginghose zum Vorstellungsgespräch zu gehen. In jeder Gesellschaft gelten gewisse Symbole und Signale; die Signale selbst können wechseln, aber der Inhalt bleibt: Ausdruck von Respekt oder Verachtung, Ausdruck von Zuneigung oder Ablehnung. Also hält man sich eben an die allgemein üblichen Signale, wie man die allgemein gesprochene Sprache verwendet.

Aber dann gab es noch die bedeutsameren Regeln. Wenn im Film die hochadligen Eltern ihre Tochter schelten, weil sie sich mit einem mittellosen Studenten trifft, dann sind sie einfach nur böse, geizig, überheblich. Aber wenn reale Eltern im Jahr, sagen wir, 1860, vor einer solchen Beziehung warnten, wollten sie ihre Tochter vielleicht einfach nur vor einem Mitgiftjäger bewahren, der ihr Verliebtheit vorspielte, ohne dass ihm wirklich etwas an ihr lag. Es wäre ähnlich wie der Fall, dass heute Eltern ihre Tochter warnen, einen nigerianischen Asylbewerber zu heiraten, der es vielleicht eher auf die unbefristete Aufenthaltserlaubnis als auf die Liebesbeziehung abgesehen hat, oder wie wenn ein reicher 45jähriger Geschäftsmann skeptisch ist, wenn sich eine 20jährige hübsche blonde Frau plötzlich für ihn interessiert. Die Beziehung mit dem mittellosen Studenten musste nicht automatisch schlecht sein; aber es war etwas mehr Vorsicht geboten. Ebenso damit, dass man unverheiratete Paare nicht ganz allein in geschlossenen Räumen lassen wollte: Die Anstandsdame konnte einfach ein Schutz vor date rape sein, denn wer weiß, wie vertrauenswürdig Fräulein Luises neuer Verehrer, den sie letzte Woche beim Tanz kennengelernt hat, denn wirklich ist? Nicht alle gesellschaftlichen Regeln aller Zeiten waren sinnvoll, aber auch nicht alle Regeln sinnlos, oder jedenfalls nicht völlig grundlos.

Andere Konventionen wiederum, gegen die im historischen Liebesdrama zu rebellieren ist, waren nur Moden. Das Korsett übermäßig eng zu schnüren beispielsweise war kein unterdrückerischer Befehl des Patriarchats, sondern eine (auch nicht derart langlebige) Mode unter Frauen. Von Ärzten wurde sie immer wieder kritisiert, manchmal sogar zu heftig und für Krankheiten verantwortlich gemacht, die sie nicht verursacht haben konnte, und bestimmte Hersteller erfanden bequeme, gesündere Korsetts. (Korsetts an sich waren ja nur die damalige Version von BH und Stütze für die gerade Haltung.)

Die meisten Frauen im Jahr 1750 oder 1890 waren nicht besonders rebellisch, und das ist ok so. Sie interessierten sich für die aktuelle Mode und folgten den aktuellen Höflichkeitsregeln. Wie die meisten Frauen heute eben auch.

Abrichtung zum sexuellen Missbrauch, staatlich gefördert

Jetzt ist es also nach Deutschland gekommen: Männer, die sich grell schminken und enge Kleidchen überziehen, und so gerne in bestimmten Clubs mit ihrem Hinterteil wackeln, lesen bei obrigkeitlich organisierten Drag-Queen-Vorlesestunden vor Kindern vor, wohl aus irgendwelchen Büchern über Toleranz und Vielfalt. Und das ist noch harmlos ausgedrückt: Denn diese Typen wackeln oft nicht nur mit ihrem Hinterteil, sondern bedienen in ihren Aufführungen brutalste Fetische, was zumindest einzelnen Leuten noch auffällt.

Freilich stellen sich hier sämtliche Linke dumm und machen auf: „Was habt ihr denn? Da lesen doch nur Menschen in lustigen Kostümen Kinderbücher vor.“ (Manche machen bei ihrer Verteidigung sogar ernsthaft auf „Aber was soll denn an Drag im Allgemeinen sexualisierend sein?“ Natürlich: Wer geht nicht zu Drag-Queen-Auftritten, um reine unsexualisierte Tanzkunst zu genießen? Ist ja quasi der neue Square Dance.) Denen sollte man einfach sagen: Klappe, und Jugendamt und Polizei her (bzw. das könnte man in einem Land, in dem besagte Institutionen ihren Job machen würden). Aber wenn man Menschen, die nicht recht wissen, was sie darauf erwidern sollen, die Sache erklären muss, könnte man u. a. folgendes sagen:

  • Diese „lustigen Kostüme“ sind erstens verstörend für Kinder; sie erschrecken sie, weil die Drag Queens bewusst mit Ekelgefühlen spielen. Damit werden sie dazu trainiert, ihre natürlichen Schutzinstinkte vor dem Ekligen und Makabren zu unterdrücken.
  • Diese Kostüme sind sehr deutlich sexualisierend, und das verletzt die Schamgrenzen der Kinder. Ihnen wird also beigebracht, dass sie das Verletzen ihrer Schamgrenzen durch Erwachsene hinzunehmen, nein, eigentlich sogar toll zu finden haben, weil die Erwachsenen ja nur Vielfalt zelebrieren und sie selbst sind. Wie viel Widerstand kann das Kind dann noch leisten, wenn ein anderer Erwachsener sich ganz vor ihm auszieht und ihm seinen Penis zeigen will?
  • Diese Veranstaltungen führen Kinder in das Milieu der Sexindustrie ein, wo Missbrauch, Ausnutzen, Grenzverletzungen und Entfremdung vom eigenen Körper, der zur Ware wird, zum alltäglichen Leben gehören. Ihnen wird gezeigt, dass es ein toller Beruf ist, seinen Körper zum Aufgeilen anderer Menschen zu verkaufen, auch wenn sie im Moment noch gar nicht ganz verstehen, was Drag Queens genau tun – sie kommen in dieses Milieu und es wird ihnen nach und nach schon gezeigt.

Übrigens bleibt es nicht bei Vorlesestunden: In den USA finden schon am laufenden Band richtige Drag-Auftritte vor Kindergartenkindern statt, man trainiert Kinder selbst zu Drag Kids, und dass man sie auf den CSD mitnimmt, wo Leute fast nackt die extremsten Fetische zelebrieren, ist auch hier schon angekommen.

Komisch: Würde man genauso von Vielfalt und Toleranz reden, wenn man Kinder in Stripclubs mit typischen weiblichen Stripperinnen mitnehmen würde? Ok, wahrscheinlich würden das die Linken, denn „Sexwork“ sei ja „work“, und empowernd, und so.

Die Sache ist die:

Kindesmissbrauch funktioniert nicht immer so, dass jemand ein Kind gewaltsam entführen und festhalten und danach drohen muss, es umzubringen, damit es nichts verrät. Missbrauch funktioniert über langsames Grooming, über Abrichtung zum Missbrauch. Der Stiefvater zeigt dem vernachlässigten Kind, dass es Zuneigung und Aufmerksamkeit von ihm bekommt, wenn es sich im Intimbereich anfassen lässt, und fängt langsam an, weitere Grenzen zu überschreiten. Alles verläuft langsam und in kleinen Schritten, das Kind ist verwirrt und weiß nicht, was genau gerade passiert. Der Täter sagt ihm, das sei „etwas ganz Besonderes“, „unser schönes Geheimnis“. Das Kind fühlt sich verletzt, abgestoßen, aber es will auch die Zuneigung des Täters nicht verlieren, und beginnt so zu tun und vielleicht zu glauben, es würde ihm selbst gefallen. Es wehrt sich nicht und sagt nichts.

Auch Jugendliche, die gerade eben erst in die Pubertät kommen, nehmen Missbrauch nicht immer sofort als Missbrauch wahr. Wenn eine 12jährige sich in ihren Klassenlehrer verliebt, dann wird sie erst mal begeistert sein, wenn er darauf eingeht. Wenn es zum Sex kommt, wird es freilich irgendwie verstörend für sie sein, und es wird sie später noch mehr belasten. Aber zuerst kann es da eine scheinbare Freiwilligkeit geben. Und genau deshalb muss es klar sein, dass das Missbrauch ist, Punkt aus. (Deshalb ist es auch sehr schlechte Missbrauchsprävention, Kindern zu sagen, sie sollten selbst in sich hineinhören, was sich für sie gut anfühlt. Sie müssen klar gesagt bekommen, dass Menschen, die mit ihnen Sexuelles tun wollen, sie immer ausnutzen wollen.)

Auch die Folgen von Missbrauch sind nicht immer so, wie man meint. Opfer werden vielleicht im Erwachsenenalter hypersexuell und haben ständig wechselnde Partner, weil sie verinnerlicht haben, dass sie zu nichts anderem taugen als der sexuellen Befriedigung anderer, oder dass sie nur durch Sex Zuneigung bekommen, aber trotzdem keiner sie wirklich lieben kann, oder dass sie den Sex wieder und wieder neu inszenieren müssen, diesmal in einer Situation, in der sie die Kontrolle darüber haben. Viele Menschen, die in der Sexindustrie landen, waren als Kinder oder Jugendliche Opfer von sexuellem Missbrauch.

Frühsexualisierung ist genau durch diese langsamen Grenzverletzungen, dieses „schau doch mal ganz offen und tolerant, ob dir das nicht auch gefällt“, Abrichtung zum Missbrauch und schon selbst Missbrauch, ob gewollt oder ungewollt.

Natürlich hängt das alles auch mit dem grundfalschen Gesamtbild der Linken von Sexualität zusammen. Es hilft langfristig nichts, ihnen zu sagen: „Lebt das alles doch ruhig hinter verschlossener Tür aus, aber lasst die Kinder da raus!“ Denn Linke sehen Sex nur als etwas, was ein bisschen körperlichen Spaß macht, nicht als etwas, das langfristig prägen, Leben schenken und in falscher Form auch Erwachsene sehr verletzen kann. Folglich weigern sie sich bald auch, wirklich zu verstehen, wie schlimm sexueller Missbrauch erst für Kinder sein kann, die nicht reif für Sex in irgendeiner Form sind.

Außerdem, weil der normale Sex bald seinen Kick verliert, suchen sie immer weiter nach dem Reiz des etwas Verdrehterem. Aber weil sie im sozialen Leben doch nicht als irgendwie pervers gelten wollen, wollen sie das, was sie wegen der Unnormalität gesucht haben, normalisieren und verharmlosen. Und zuerst machen sie auf „ist doch alles ganz harmlos, schaut her, wir haben nur nette Kostüme, die sogar Kinder total süß finden!“ – eben die Phase der ersten Drag-Queen-Vorlesestunden. Aber es dauert nicht lange, bis zumindest einige unter ihnen den Spieß umdrehen, und auf „natürlich ist das ein Fetisch, aber das wollen sogar Kinder doch auch“ machen. „Dieser Tage gibt es das Narrativ, dass missratene Transpersonen (oder, wie sie sagen, Crossdresser) in Toilettenräume kommen und unschuldige kleine Mädchen missbrauchen werden. […] Ich glaube an die radikale Ansicht, dass kleine Mädchen, wie der Rest von uns, komplizierte Menschen sind. Da gibt es keine Märchen und keine Prinzessinnen. Kleine Mädchen sind auch queer, trans, kinky, abweichend, nett, gemein, schön, hässlich, wunderbar und besonders.“ (Transaktivist Alok Vaid-Menon)

Natürlich geht es in diese Richtung weiter. Denn wer will der Intolerante sein, der an irgendeinem Punkt Stop sagt, wenn sich Personen mit solchen Ansichten hervorwagen? Es ist grotesk: Hätte man den durchschnittlichen SPDler in der Münchner Stadtverwaltung vor 10 Jahren gefragt, ob er Vorlesestunden für Kinder mit Drag Queens für eine gute Idee hält, wäre er wohl erst mal verwirrt gewesen. Aber ist die Idee einmal aufgekommen, haben die Linken mitbekommen, dass das in den USA stattfindet und die Konservativen dort dagegen sind, muss man automatisch dafür sein und weigert sich, zu verstehen, wieso sich denn ein paar komische Leute noch darüber aufregen.

Natürlich weigert man sich dann auch, die ganz offensichtliche Gefahr zu sehen, dass nicht nur Leute, die ihren Fetisch im Allgemeinen über das Kindeswohl stellen, sondern solche, die Kinder schon konkreter missbraucht haben oder missbrauchen wollen, sich dort bewerben, und diese dann die Vorlesestunden nutzen, um an Kinder heranzukommen und sich direkt vor ihnen sexuell zu präsentieren. In den USA gab es Fälle von Drag-Queen-Vorlesestunden, deren Organisatoren verspätet aufgefallen ist, dass sie einen verurteilten Missbrauchstäter als Vorleser engagiert hatten o. Ä.

Also werden Kinder eben auf dem Altar des Progressivseinwollens geopfert. Dem Missbrauchstäter, der sich am Ende an ihm vergreifen kann, ist es ja egal, warum man sein Kind zum Missbrauch gegroomt hat, ob deswegen, weil man seine eigenen sexuellen Neigungen normalisieren wollte und sich versichern wollte, dass das alles gut so ist, oder weil man in der linken Müttergruppe als die offenste und toleranteste Mama dastehen wollte.

Die Demut Gottes akzeptieren

Ich finde es immer wieder schwer zu erfassen, wirklich zu verinnerlichen, aber: Jesus, der Gottmensch, steigt bei der Messe herab und nimmt die Form einer kleinen weißen Hostie an. Seine Menschwerdung war das größte Wunder aller Zeiten; aber jetzt nimmt Er sogar – wieder und wieder und wieder – die Form von Brot an (wobei Er Mensch und Gott bleibt).

Gott ist nicht nur liebend, Gott ist auch demütig.

Jesus zeigt es bei der Fußwaschung beim letzten Abendmahl: Er tut nicht so, als wäre Er nicht der Meister und Herr, denn Er ist es; aber Er verlangt auch mit all Seiner Autorität, dass wir Ihn uns dienen lassen, Ihn demütigende Aufgaben für uns tun lassen. Er sagt es klar zu Petrus: „Wenn ich dich nicht waschen darf, hast du keine Gemeinschaft mit mir.“ (Joh 13,8) Petrus‘ Protest ist verständlich, logisch, angemessen: Aber Jesus befiehlt ihm trotzdem, diesen Protest sein zu lassen.

So befiehlt Er uns auch jetzt, Ihn zu essen, weil Er sich mit uns vereinen will („Wenn Ihr das Fleisch des Menschensohnes nicht eßt und sein Blut nicht trinkt, habt ihr kein Leben in euch“, Joh 6,53). Und da ist es richtig und angemessen, bei der Zeremonie unsererseits jede Demut und Ehrfurcht zu zeigen, aber Ihn eben trotzdem zu essen, und wir werden dem, was Er tut, niemals gerecht werden können.

Albert Edelfelt. Fußwaschung beim letzten Abendmahl.

Gott befiehlt uns einfach, Seine Demut, Seine Liebe zu akzeptieren. Er will so viel für uns tun, und da ist es nicht an uns, zu protestieren „aber nein, das muss doch nicht sein“.

Natürlich: Es schadet Jesus nicht mehr, wenn Ihn jemand in der Eucharistie verunehrt. Er ist verherrlicht und empfindet als Mensch keine Schmerzen oder unangenehmen Gefühle mehr. Trotzdem ist es eine große Verdemütigung. Er verzichtet darauf, sich in all Seiner Herrlichkeit zu zeigen, die uns verängstigen würde, und kommt ganz klein und versteckt. Und Er ist geduldig; Er wartet und wartet und lässt uns Zeit, zu kommen. Manchmal denkt man sich „wäre jetzt schon Zeit, dass mal die Wiederkunft Christi eintritt“, aber Er ist geduldig.

Ein bisschen kann man es wohl mit Eltern vergleichen: Sie leiden und arbeiten auch viel für einen, und man muss es einfach annehmen. Jesus selbst hat Sein Kreuz mit den Schmerzen einer Gebärenden verglichen (Joh 16,21). Aber den Eltern kann man es wenigstens irgendwie zurückzahlen, indem man sich um sie kümmert, wenn sie alt und dement sind. Gott können wir nichts zurückzahlen.

Also kann man nichts anderes tun als: es einfach dankbar annehmen. Auch das gehört zur (menschlichen) Demut: einfach annehmen, was jemand für einen tun will. Akzeptieren, wie unendlich groß Gottes Liebe ist.

Demokratie und Demokratismus

Vorab: Das hier soll nicht „verfassungsfeindlich“ werden. Das deutsche Grundgesetz ist völlig legitim. Das Problem taucht auf, wo Leute es mit falschen Behauptungen untermauern und damit alle möglichen anderen Verfassungen anderer Länder und Epochen delegitimieren wollen.

Ich will hier zwei Dinge unterscheiden: Demokratie und Demokratismus.

Die Demokratie ist einfach eine Regierungsform, eine unter mehreren legitimen Regierungsformen. Sie ist nicht mal eine Erfindung der Moderne; die Schweizer Eidgenossenschaft wurde schon im Mittelalter demokratisch, und war dabei gleichzeitig erzkatholisch; Ähnliches gilt für Island, bevor die Dänen es regierten.

Der Demokratismus ist etwas weitergehendes, eine Weltanschauung oder Ideologie, derzufolge die Demokratie die einzig legitime Regierungsform sei und demokratische Regierung wichtiger sei als gute Regierung. Demokratie wird hier zum Selbstzweck, während sie eher ein Mittel zum Zweck sein sollte. Der Demokratismus ist unterschwellig sehr weit verbreitet und wird oft als selbstverständlich genommen, auch wenn er sogar der deutschen Verfassung teilweise widerspricht.

Regierungen sind dafür da, das Gemeinwohl zu sichern. Das ist ihr Zweck in Gottes Ordnung; wenn sie das nicht tun (zumindest halbwegs, zumindest besser als Anarchie sind), haben sie keine Daseinsberechtigung. Wenn es nun darum geht, welche Regierungsform man wählt (falls eine neue eingeführt wird; oft ist es besser, auch bei unidealen Formen Stabilität zu bewahren), sollte man deshalb darauf achten, welche unter den konkreten Umständen in diesem Volk mit seinen konkreten Prägungen die besten tatsächlichen Ergebnisse hat, am besten für das Gemeinwohl sorgt. Befürwortung der Demokratie ohne Demokratismus findet man z. B. in dem Churchill-Zitat, Demokratie sei die schlechteste Regierungsform, abgesehen von allen anderen Regierungsformen.

Die erste Illusion des Demokratismus ist, dass man tatsächlich jeden an der Macht beteiligen könnte. Das ist schlicht nicht möglich. Kinder, Demenzkranke, geistig Behinderte sind sowieso ausgeschlossen; sie können ihre Interessen nicht selbst vertreten, aber trotzdem haben sie Interessen, die irgendwie vertreten sein müssen. Hier könnte man sich trefflich streiten, was wirklich demokratisch wäre: Sollte man Eltern von Kindern zusätzliche Wahlstimmen als Vertreter ihrer Kinder geben? Oder würde das wieder Ungleichheit bedeuten? Aber auch ansonsten ist es Quatsch. Offensichtlich kommt es auf ganz banale Faktoren an: Wer hat Verbindungen zu den Medien und den jetzt schon Mächtigen, wer kann geschickter Werbung machen und Menschen beeinflussen?

Die zweite Illusion des Demokratismus ist, dass es ein inhärentes Recht von 51% der Bevölkerung gäbe, über 49% der Bevölkerung zu herrschen. Wie will man das begründen? Demokratie kann auch zur Unterdrückung von Minderheiten ausarten, es gab in der Weltgeschichte demokratisch „legitimierte“ Völkermorde. Theoretisch könnte man sich andere Spielarten der Demokratie ausdenken – z. B. dass immer Lösungen gefunden werden müssen, denen eine 2/3-Mehrheit zustimmt, oder sogar, dass man so lange verhandeln müsste, bis irgendein Kompromiss gefunden ist, dem alle zustimmen (z. B. indem in der Regierung alle im Parlament vertretenen Parteien, nicht nur die, die eine Mehrheit bilden können, vertreten sein müssen). Aber das ist doch auch nicht so recht machbar, vor allem werden nie 100% der Bevölkerung einverstanden sein. Trotzdem muss geherrscht werden; irgendjemand muss nachgeben.

Die dritte Illusion des Demokratismus ist, dass überhaupt alle Menschen sich selbst regieren wollen. So sind Menschen nicht. Sie geben gerne Verantwortung ab, wollen jemandem folgen. Das ist kein grundsätzlich falscher Impuls; Bewunderung für Menschen, die besser sind als man selbst, und die Fähigkeit, sich auch mal unterzuordnen, zeigt die Tugend der Demut. Freilich muss sie ergänzt werden mit Eigenverantwortung, und die fehlt einigen Menschen. Es ist aber schon ironisch, dass viele Menschen, die eine wirklich freie Wahl hätten, Selbstregierung ablehnen würden. Ist es noch Demokratie (Volksherrschaft), wenn der Willle des Volkes Nicht-Demokratie ist?

Die vierte Illusion des Demokratismus ist, dass (mehr oder weniger) alle Menschen geeignet wären, sich selbst zu regieren. Diese Illusion ist auch am leichtesten widerlegt. Jeder weiß, dass viele Menschen dumm und einige böse sind. In der Vergangenheit haben deshalb manche Staaten den Kreis der Wahlberechtigten eingegrenzt – z. B. auf Staatsbürger mit einer gewissen Bildung, oder Staatsbürger mit Grundbesitz, oder Staatsbürger, die eine bestimmte Summe an Steuern zahlten (letzteres mit der Absicht, dass quasi nur die nützlichen Bürger, die unterm Strich etwas zum Gemeinwesen beitragen würden, mitbestimmten könnten). Das hatte freilich auch seine Fehler – wer sagt, dass die Reichen wirklich die Nützlichen und Weisen sind und nicht nur zufällig profitieren, oder dass den Gebildeten nicht einfach nur langwierig der gesunde Menschenverstand aberzogen wurde? Aber eine funktionierende Selbstregierung setzt jedenfalls voraus, dass die Leute Ahnung von politischen Themen haben, sich informieren können und das auch tun. Und das ist auch dann nicht gegeben, wenn für sämtliche Leute Schulpflicht gilt und man mehrere Jahre Sozialkunde hat, aber wohl erst recht nicht, wenn man viele Analphabeten hat, die keine Muße haben, sich mit politischen Themen zu befassen, und auch für Lesekundige die nötigen Bücher extrem teuer sind. In solchen Fällen könnte man ggf. noch in gewissem Maß lokale Demokratie haben, Dorfversammlungen und dergleichen, aber Demokratie in großen, zentralistischen Staaten wird schwierig.

Tatsächlich lässt das deutsche Grundgesetz gerade wegen dieser Mängel u. a. keine bundesweiten Volksabstimmungen zu; das Volk könnte ja von „Populisten“ verführt werden. (Ein Fehler, wie ich finde; denn das Volk ist zwar oft dumm, aber nicht unbedingt dümmer als das Parlament; und Hitlers Ermächtigungsgesetz wurde immerhin vom Parlament beschlossen, nicht per Volksabstimmung; beim Volk hatte er in freien Wahlen immer unter 50% Zustimmung.)

Aber lassen wir das beiseite: Jedenfalls kann wegen all dieser Mängel eine reine Demokratie unmöglich existieren, sondern immer nur ein Staat mit demokratischen Elementen. Freilich kann es auch keine reine Monarchie (Einzelherrschaft) oder Aristokratie (Herrschaft einer Elite) geben, und genau deswegen haben viele klassische Denker in einer Mischung das Ideal gesehen.

Wer Demokratie als Selbstzweck sieht, sieht sie als Inbegriff von Freiheit und Selbstbestimmung, und das ist sie nicht – aber sie muss es auch nicht sein, weil es ok ist, einer Regierung unterworfen zu sein, die man nicht gewählt hat. Das muss so sein. Freiheit muss man eher da verteidigen, wo eine Regierung (egal, auf welche Art gewählt oder ernannt) zu sehr ins Leben ihrer Bürger eingreifen will. Auch unter einer gewählten Regierung, die für jedes Vogelhäuschen eine Genehmigung verlangt oder ihre Bürger mit falschen Ideologien schikaniert, kann man sich unfrei fühlen.

Churchill meinte, die Demokratie – also der klassische indirekt-demokratische moderne Parteienparlamentarismus – sei immer noch das geringste Übel. Das kann man so sehen. Aber wenn man kein unbedingter Demokratist ist, kann man auch die Vorteile anderer Systeme (heute unüblicher demokratischer Systeme ebenso wie nichtdemokratischer Systeme) sehen, zumindest in manchen Ländern mit ihrem konkreten Kontext. Z. B.:

  • Wenn das Staatsoberhaupt durch Erbfolge bestimmt wird, werden eher Menschen mit durchschnittlichem Charakter auf diesem Posten landen, die schon von klein auf darauf vorbereitet wurden, und das Amt als ihnen übertragene Verantwortung sehen, nicht überdurchschnittlich ehrgeizige und machtgierige Menschen, die sich durch Parteiintrigen hocharbeiten mussten, und das Amt als ihre Belohnung dafür sehen. Ist der jeweilige Premierminister in England wirklich so viel besser geeignet für die Regierung als König Charles oder vorher Queen Elizabeth es gewesen wäre?
  • Wenn ein Staatsoberhaupt sein Leben lang auf diesem Posten bleibt, muss es nicht kurzsichtig auf die nächste Wahl schauen, sondern kann langfristig auf das Wohl des Landes schauen.
  • In einem korporatistischen Staat/“Ständestaat“, in dem die Menschen nicht Parteienvertreter wählen, sondern Ständevertreter (die Stände können z. B. Berufsgruppen sein), gehen keine Gruppen unter, nur weil sie nicht von den etablierten Parteien beachtet werden.
  • Wenn es wie in der Schweiz mehr direkt-demokratische Elemente statt indirekt-demokratische Elemente gibt, siegt öfter eher der gesunde Menschenverstand des Volkes als die verfahrenen Meinungen der Parteien.
  • Wenn in einem Losverfahren z. B. 20 beliebige Bürger ausgewählt werden, um einen Rat zu bilden, könnten die die gewöhnliche Bevölkerung evtl. besser repräsentieren als von Parteien ausgewählte Vertreter, die gewählt wurden.

Auch gegen alle diese Regierungsformen gibt es wieder andere Argumente, die ich hier nicht alle einzeln aufzählen muss – man könnte z. B. gegen den Korporatismus argumentieren „aber ich will mich lieber mit anderen, die meine Weltanschauung teilen, zu einer Partei zusammenschließen, als mit meinen Kollegen, mit denen ich gar nichts gemeinsam habe, in einen Berufsverband gezwängt zu werden“. Aber es zeigt einfach, dass z. B. Monarchisten des 19. oder Korporatisten des 20. Jahrhunderts nicht ganz dumm waren, und es auch für andere Formen der Demokratie als unsere Argumente gibt. Das ist, wie gesagt, kein Plädoyer für eine bestimmte Regierungsform – eher eine Einladung, sich mal zu fragen, wieso wir z. B. Liechtenstein oder Monaco nicht sympathisch finden dürfen sollen, oder wieso man uns eintrichtert, dass alle Menschen vor 1789 in gar grauslichen Diktaturen gelebt hätten und es keine anderen Regierungsformen als Demokratie und Diktatur gäbe.

Römische Senatssitzung, Cesare Maccari.

Korrektur eines Moraltheologie-Artikels zu evtl. frühabtreibenden Medikamenten

Heute nur eine kurze Meldung von mir: In einem der Moraltheologie-Artikel zum 5. Gebot habe ich folgenden korrigierten Absatz eingefügt:

„Dann wäre da die Frage nach möglicherweise nidationshemmenden (frühabtreibenden) Medikamenten, also wenn z. B. eine Frau die Pille nimmt, nicht um zu verhüten, sondern um eine Endometriose zu behandeln. Bei einer unverheirateten Frau, die keinen Sex hat, wäre das natürlich völlig problemlos, die Frage stellt sich bei verheirateten Frauen. Ich war hier eher skeptisch, ob das gerechtfertigt werden kann. Jemand, der mehr medizinische Ahnung hat als ich, hat mir inzwischen erklärt, dass eine Endometriose oft schon unfruchtbar macht und deswegen praktisch kein Risiko mehr da sei, dass bei der Einnahme der Pille auch ein Kind stirbt; und dann wird die Pille ja genommen, um die Endometriose zu unterdrücken, damit man, wenn sie abgesetzt wird, evtl. doch schwanger werden kann. Das dürfte also doch gerechtfertigt sein. (Bei solchen gynäkologischen Krankheiten ist es auch gerechtfertigt, irgendwann die Gebärmutter oder Eierstöcke zu entfernen, wenn man keine Kinder mehr bekommen will.) Es kommt bei solchen Krankheiten im Allgemeinen wohl immer auf das Risiko durch das Medikament und auf die Belastung durch die Krankheit an. Im Zweifelsfall jedenfalls besser gute Gynäkologen und Priester fragen als Hobbytheologinnen im Internet!“

Ich will ja niemandem ein unnötiges schlechtes Gewissen machen, und von Medikamenten abraten, die man moralischerweise nehmen kann.

Die rote Pille und die Realität

Sie geistern seit einigen Jahren durch das Internet: die Ideen der Leute, die man als sog. Incels, involuntary celibates, bezeichnet, also Männer, die keine Frauen finden. Ich will hier nicht auf „pff, sind doch erbärmliche Idioten“ machen; Beziehungen sind eine Sache, die Menschen sehr nahegeht, das ist ein Bereich, in dem man sehr verletzlich ist und auch viel auf dem Spiel steht. Und ein Bereich, in dem heute viel kaputt ist.

Aber zum Glück sind viele dieser Ideen auch falsch. Solche Ideen sind z. B.:

  • 80% der Frauen würden sich an 20% der Männer – die attraktivsten, „ranghöchsten“ – heranschmeißen und die übrigen 80% der Männer ignorieren oder verachten; sie wären „hypergam“ (und würden evtl. auch in Kauf nehmen, dass der ranghöhere Mann dann noch andere Frauen nebenher hätte).
  • Frauen wären, wenn sie jung und attraktiv sind, promiskuitiv und würden sich „Alpha-Männer“ als Sexpartner suchen. Später, wenn sie vielleicht 35 wären und ein uneheliches Kind von einem Alpha-Mann hätten, würden sie sich einen Beta-Mann, den sie nicht arg attraktiv finden, der aber für sie sorgen soll, suchen. Auch wenn Frauen schon in einer Beziehung mit einem Beta wären, würden sie ihn gerne mal mit einem Alpha betrügen, weil sie vor allem in ihrer fruchtbaren Phase unbewusst gute Gene für ihre Kinder wollen würden. „Alpha f*cks, Beta bucks“ (Alpha f*ckt, Beta zahlt).
  • Vor allem heißt es dann: „AWALT“, „All women are like that“. Frauen wären einfach alle so, das wäre eben biologisch. Das wäre die rote Pille, die man nehmen müsste, der Realität müsste man ins Gesicht sehen.

Ich will hier nicht zu sehr die Soziologie loben. Aber Sexualverhalten kann nun mal objektiv gemessen werden – sowohl durch das, was Leute von sich selbst sagen, als auch durch das, was man an ihnen feststellen kann (z. B. die Übertragungsraten von sexuell übertragbaren Krankheiten). Und da findet man immer dasselbe, wieder und wieder repliziert:

Unter Heterosexuellen sind es ungefähr 10-20% der Männer und 10-20% der Frauen, die promiskuitiv sind und miteinander durchwechseln (und sich Geschlechtskrankheiten einfangen). Die übrigen 80-90% der Männer und 80-90% der Frauen sind eher auf langfristige Beziehungen aus und haben wenige Sexualpartner (Geschlechtskrankheiten sind eher selten). 80-90% der Männer und Frauen haben nur Sex mit Partnern in einer Beziehung und keine One-Night-Stands. Es hilft, sich anzusehen, wie häufig „Kuckuckskinder“ sind, also wie oft Kinder einen anderen Vater haben als den Partner der Mutter, der sich für den Vater hält. Die Zahl ist ziemlich konstant: Ca. 1%, und zwar sowohl für westliche Gesellschaften heute und in der Vergangenheit als auch für manche nicht-westliche Gesellschaften. Genanalysen sind durchaus hilfreich. Männer geben normalerweise an, im Lauf ihres Lebens etwas mehr Sexualpartner als Frauen gehabt zu haben; in den USA liegt der Medianwert bei etwas mehr als 4 für Frauen und etwas mehr als 6 für Männer; in Deutschland liegt der Durchschnitt (den Median habe ich nicht gefunden) bei 6 für Frauen und knapp 10 für Männer. (Vielleicht spielt in die unterschiedlichen Angaben hinein, dass Männer häufiger zu Prostituierten gehen, die Prostituierten aber selber in den Statistiken auf der weiblichen Seite nicht auftauchen, oder dass Männer großzügiger schätzen.) 90% der Männer und Frauen haben weniger als 20 Partner im Lauf ihres Lebens.

Einige heterosexuelle Männer und Frauen sind aber auch apathisch geworden und bleiben einfach Single, gehen nicht auf Dates und bemühen sich gar nicht um das andere Geschlecht. Das ist ein Problem, das heute größer ist als früher – z. B. durch Pornographiekonsum werden Männer apathisch und haben weniger stark den Wunsch nach einer realen Frau. Männer und Frauen sind sich weniger im klaren, was man von einer Beziehung erwarten soll oder kann, Kinderkriegen wird herabgesetzt, und die Leute sind sich in ihrer Identität als Mann oder Frau unsicherer (auch durch diese Geißel der Menschheit, den Feminismus). Heute sind einfach mehr Leute beider Geschlechter einsam als früher.

Natürlich sind die meisten Leute auch ein wenig promiskuitiver – man hat eben Sex mit drei oder vier Leuten in einer halbwegs stabilen Beziehung, die dann wieder auseinandergeht, bevor man mit 30 jemanden zum Heiraten findet (und vielleicht geht dann die Ehe später auseinander und man sitzt mit 45 Jahren und zwei Kindern einsam da). Aber die meisten Leute sind nicht sehr promiskuitiv; Promiskuität ist nun mal nicht natürlich. Sie wollen langfristige Beziehungen, auch wenn sie von unseren erbsündlichen Neigungen leider dazu getrieben werden, sich da erst mal nicht zu sehr zu binden und trotzdem schon miteinander zu schlafen, und dann die Beziehung auch schnell wieder aufzugeben. Serielle Monogamie, aber immer noch Monogamie.

Wie kommt es dann, dass Männer öfter die Erfahrung berichten, es auf Dating-Apps schwerer zu haben? Ganz einfach: Deutlich mehr Männer als Frauen benutzen Dating-Apps, auf den Apps sind gar nicht genug Frauen für alle Männer; zwangsläufig muss ein großer Teil der Männer ohne Match bleiben. (Und nebenbei: Statistiken, die nur messen, dass z. B. die meisten Frauen auf Tinder vor allem 20% der Profile der Männer anschauen sollen, messen auch nicht das Sexualverhalten, das am Ende dabei herauskommt – abgesehen davon, dass sie eben nur das Verhalten der Leute messen, die auf Tinder sind. Die meisten Leute treffen ihre Sexualpartner nicht auf Tinder.)

Haben Frauen es leichter, schnellen Sex zu haben? Wahrscheinlich. Wenn eine promiskuitive Frau gelegentlich, aber nicht ständig, Sex mit Fremden will, werden gleich genug Männer bereitstehen, auch wenn sie vielleicht nicht die attraktivste Frau auf dem Planeten ist, und sie wird eine größere Auswahl haben. Es ist eine Frage von Angebot und Nachfrage, die nicht übereinstimmen. Es ist unlogisch, Frauen für größere Schlampen zu halten, weil Männer mehr Sex wollen. Ich will hier nicht umgekehrt sämtliche Männer verurteilen; Biologie und Erbsünde prägen uns unterschiedlich. Aber es ergibt definitiv keinen Sinn, deswegen sämtliche Frauen zu verurteilen.

Für Statistiken zu diesem Thema kann ich diese Seite empfehlen.

Das alles zeigt letztlich auch die brutale Ironie der Sexuellen Revolution. Es kam nie dazu, dass alle miteinander ins Bett steigen wie die Bonobo-Äffchen (und erst recht nicht dazu, dass sie damit glücklich sind). Stattdessen haben wir einfach mehr Instabilität und Unsicherheit und Einsamkeit, aber immer noch das Streben nach Monogamie, Treue, Liebe.

Und da hilft es wenig, sich von Geldmachern auf Youtube zum Pick-up-artist ausbilden lassen zu wollen, damit man selber Alpha sein und Frauen manipulieren kann. (Wie glücklich würde man überhaupt mit Frauen werden können, wenn die tatsächlich alle nur geld- und statusgierige Schlampen wären?) Sondern eher, sich in Kreisen zu bewegen, in denen man normale Leute mit einer anständigen Grundeinstellung kennenlernen kann, die langfristige Beziehungen wollen, und diese idealerweise auch nicht schnell wieder aufgeben wollen. (Als Christ hat man zwangsweise eine gute Teststrategie: Man schaut einfach, ob Leute bereit sind, mit dem Sex bis zur Ehe zu warten; sind sie es nicht, nicht mal widerwillig, haben sie offensichtlich die falschen Prioritäten; sind sie es, schaut es besser aus. Was eben mal wieder die Weisheit der Kirche zeigt.) Manchmal dauert das einige Zeit, und auch in solchen Kreisen kann es sein, dass man einfach Pech hat und niemanden findet, der zu einem passt; aber dieses Pech ist zum Glück nicht extrem weit verbreitet. Vielleicht kann man auch ein paar Sachen finden, die man verbessern kann und die die Chancen erhöhen. Die oben genannten Ideen haben den einen wahren Kern, dass Frauen gerne zu ihrem Mann aufsehen und ihn bewundern können wollen. Aber diese Bewunderung kann sich doch auf ein paar Sachen mehr erstrecken als, sagen wir, Körpergröße und Armmuskeln.

Gott hat uns kein Beziehungsglück versprochen; aber man muss nicht zu schnell aufgeben. Und auch keinen falschen Ideen zu den Gründen dafür aufsitzen, die einen nur frustrierter und hilfloser machen.

Ferdinand Georg Waldmüller, Eintritt der Neuvermählten.

Die frühen Christen (bis 200 n. Chr.), Teil 14: Die Taufe

Wer wissen will, was es mit dieser Reihe auf sich hat, möge bitte diese kurze Einführung hier lesen; knapp gesagt: ich habe Zitate aus christlichen Schriften vom Jahr 95 bis ca. 200 n. Chr. gesammelt, um einen Eindruck von der frühen Kirche zu vermitteln. (In der Einführung findet sich eine Liste mit allen herangezogenen Werken mitsamt ihrer Datierung.)

Alle bisher veröffentlichten Teile gibt es hier.

Bibelstellen zum Vergleich (Auswahl):Mt 28,19f.; Mt 3,11; Apg 8,36-39; Mk 16,16; 1 Petr 3,21; Apg 19,3-5; Röm 6,3-11; Eph 4,4-6; Kol 2,11-13; 1 Kor 12,13.

Die Taufe war schon immer das zentrale Ritual zur Aufnahme in die Kirche. Nach katholischer Lehre ist sie eins der sieben Sakramente – Menschen bewirken eine sichtbare, zeichenhafte Handlung, die so von Jesus vorgeschrieben wurde, und Gott bewirkt darin unsichtbar, aber real, das, was dieses Zeichen bedeutet. Die Taufe, gespendet durch Untertauchen/Übergießen mit Wasser und dem Ausspruch „Ich taufe dich im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“, reinigt von der Erbsünde und allen persönlich begangenen Sünden, macht den Getauften zum Kind Gottes und öffnet ihm den Himmel. Ihm werden durch die Taufe die Verdienste durch Jesu Leiden am Kreuz als Sühne zugewendet. Die Taufe ist der normale Weg zum Himmel, aber auch der Wunsch nach der Taufe (Begierdetaufe) zählt als Taufe, wenn jemand vor der Wassertaufe stirbt (sogar der implizite Wunsch nach der Taufe, also wenn jemand Gott sucht und bereit ist, Ihm zu gehorchen bzgl. dem, was zur Erlösung zu tun ist). Wenn jemand sich taufen lassen will und davor den Märtyrertod stirbt, bezeichnet man das als „Bluttaufe“.

Jetzt also zu den Aussagen zur Taufe, die sich in frühchristlichen Quellen außerhalb der Bibel finden.

Die Didache, eine Gemeindeordnung von ca. 100 n. Chr. gibt folgende Anweisungen zur Taufe:

„Bezüglich der Taufe haltet es so: Wenn ihr all das Vorhergehende gesagt habt, ‚taufet auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes‘ in fließendem Wasser. Wenn du aber kein fließendes Wasser hast, dann taufe in einem anderen Wasser; wenn du es nicht in kaltem tun kannst, tue es im warmen. Wenn du beides nicht hast, gieße dreimal Wasser auf den Kopf ‚auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes‘. Vor der Taufe soll fasten der Taufende, der Täufling und wer sonst kann; den Täufling lasse ein oder zwei Tage zuvor fasten.“ (Didache 7)

Die Vorbereitung auf die Taufe war also wichtig; und Untertauchen und Übergießen galt beides als gültig.

Justin der Märtyrer beschreibt um 150 n. Chr. die Taufe ausführlich:

„Wie wir uns aber nach unserer Neuschaffung durch Christus Gott geweiht haben, wollen wir jetzt darlegen, damit wir nicht, wenn wir dieses übergehen, in unserer Ausführung eine Unredlichkeit zu begehen scheinen. Alle, die sich von der Wahrheit unserer Lehren und Aussagen überzeugen lassen, die glauben und versprechen, daß sie es vermögen, ihr Leben darnach einzurichten, werden angeleitet zu beten, und unter Fasten Verzeihung ihrer früheren Vergehungen von Gott zu erflehen. Auch wir beten und fasten mit ihnen. Dann werden sie von uns an einen Ort geführt, wo Wasser ist, und werden neu geboren in einer Art von Wiedergeburt, die wir auch selbst an uns erfahren haben; denn im Namen Gottes, des Vaters und Herrn aller Dinge, und im Namen unseres Heilandes Jesus Christus und des Heiligen Geistes nehmen sie alsdann im Wasser ein Bad. Christus sagte nämlich: ‚Wenn ihr nicht wiedergeboren werdet, werdet ihr in das Himmelreich nicht eingehen.‘ Daß es nun aber für die einmal Geborenen unmöglich ist, in ihrer Mutter Leib zurückzukehren, leuchtet allen ein. Durch den Propheten Isaias ist, wie wir früher mitgeteilt haben, gesagt worden, auf welche Weise die, welche gesündigt haben und Buße tun, von ihren Sünden loskommen werden. Die Worte lauten: ‚Waschet, reinigt euch, schafft die Bosheiten fort aus euren Herzen, lernet Gutes tun, seid Anwalt der Waise und helfet der Witwe zu ihrem Rechte, und dann kommt und laßt uns rechten, spricht der Herr. Und sollten eure Sünden sein wie Purpur, ich werde sie weiß machen wie Wolle; sind sie wie Scharlach, ich werde sie weiß machen wie Schnee. Wenn ihr aber nicht auf mich hört, wird das Schwert euch verzehren; denn der Mund des Herrn hat gesprochen.‘ Und hierfür haben wir von den Aposteln folgende Begründung überkommen. Da wir bei unserer ersten Entstehung ohne unser Wissen nach Naturzwang … gezeugt wurden und in schlechten Sitten und üblen Grundsätzen aufgewachsen sind, so wird, damit wir nicht Kinder der Notwendigkeit und der Unwissenheit bleiben, sondern Kinder der freien Wahl und der Einsicht, auch der Vergebung unserer früheren Sünden teilhaftig werden, im Wasser über dem, der nach der Wiedergeburt Verlangen trägt und seine Vergehen bereut hat, der Name Gottes, des Allvaters und Herrn, ausgesprochen, wobei der, welcher den Täufling zum Bade führt, nur eben diese Bezeichnung gebraucht. Denn einen Namen für den unnennbaren Gott vermag niemand anzugeben, und sollte jemand behaupten wollen, es gebe einen solchen, so wäre er mit unheilbarem Wahnsinn behaftet. Es heißt aber dieses Bad Erleuchtung, weil diejenigen, die das an sich erfahren, im Geiste erleuchtet werden. Aber auch im Namen Jesu Christi, des unter Pontius Pilatus Gekreuzigten, und im Namen des Heiligen Geistes, der durch die Propheten alles auf Jesus Bezügliche vorherverkündigt hat, wird der, welcher die Erleuchtung empfängt, abgewaschen. […]

Wir aber führen nach diesem Bade (c. 61) den, der gläubig geworden und uns beigetreten ist, zu denen, die wir Brüder nennen, dorthin, wo sie versammelt sind, um gemeinschaftlich für uns, für den, der erleuchtet worden ist, und für alle andern auf der ganzen Welt inbrünstig zu beten, damit wir, nachdem wir die Wahrheit erkannt haben, gewürdigt werden, auch in Werken als tüchtige Mitglieder der Gemeinde und als Beobachter der Gebote erfunden zu werden, und so die ewige Seligkeit zu erlangen.“ (Justin, 1. Apologie 61.65)

Danach beschreibt Justin die Messe, die nach der Aufnahme des Täuflings stattfindet.

In einem anderen Werk, einem Dialog mit dem Juden Tryphon, sagt er:

„Daher müßt ihr diese Hoffnung eurer Seele beschneiden und euch bemühen um die Erkenntnis des Weges, auf welchem euch die Sünden werden nachgelassen werden und ihr das Erbe der verheißenen Güter erhoffen dürft. Diesen Weg geht ihr aber nur dann, wenn ihr unseren Christus anerkennt, euch in dem durch Isaias verkündeten, der Nachlassung der Sünden dienenden Bade reinigt und dann ohne Sünden lebt.“ (Justin, Dialog mit Tryphon, 44,4)

Der Barnabasbrief kritisiert die nichtchristlichen Juden in Bezug auf die Taufe:

„Lasset uns aber untersuchen, ob dem Herrn daran gelegen war, über das Wasser und über das Kreuz im voraus etwas zu offenbaren. Über das Wasser steht an Israel geschrieben, wie sie die Taufe, die Vergebung der Sünden bringt, nicht annehmen werden, sondern wie sie andere Gebräuche für sich einführen werden.“ (Barnabasbrief 11,1)

Er sieht im Alten Testament schon Vorausdeutungen auf die Taufe, die dann zitiert werden.

Der Hirte des Hermas, eine Reihe von Privatoffenbarungen mit manchmal etwas unorthodoxen Ideen, beschreibt die Vorstellung, dass auch diejenigen, die vor der Einsetzung der Taufe durch Christus gestorben waren, noch nach ihrem Tod auf irgendeine Weise die Taufe hätten empfangen müssen, wozu die Apostel zu ihnen ins Totenreich gekommen wären. Ein Engel zeigt Hermas in einem Gleichnis den Bau eines Turmes, der die Kirche darstellt, und Hermas fragt ihn:

„‚Noch anderes musst du mir erklären, Herr.‘ ‚Was möchtest du wissen?‘ ‚Warum, Herr, kamen diese Steine aus der Tiefe und wurden in den Bau (des Turmes) gelegt, wenn sie doch Träger dieses Geistes waren?‘ ‚Sie mussten notwendig durch das Wasser emporsteigen, damit sie das Leben erlangten; denn sie konnten nicht anders in das Reich Gottes eingehen, als wenn sie die Sterblichkeit des [früheren] Lebens ablegten. So haben also auch diese Entschlafenen die Besiegelung des Gottessohnes erhalten [und sind eingegangen in das Reich Gottes]. Denn bevor der Mensch den Namen des Gottessohnes trägt, ist er tot; sobald er aber die Besiegelung erhalten hat, legt er die Sterblichkeit ab und nimmt das Leben an. Die Besiegelung aber ist das Wasser: ins Wasser tauchen sie unter als Tote und tauchen empor als Lebendige. Auch ihnen ging die Botschaft zu von dieser Besiegelung; sie machten davon Gebrauch, damit sie ins Reich Gottes gelangten.‘ ‚Warum kamen nun, Herr, diese vierzig Steine mit diesen aus der Tiefe empor, obwohl sie das Siegel schon hatten?‘ ‚Weil die Apostel und Lehrer, die Verkündiger des Namens des Gottessohnes, nachdem sie in der Kraft und im Glauben des Gottessohnes entschlafen waren, auch den vorher Entschlafenen predigten und ihnen das Siegel der Botschaft übergaben. Sie tauchten nun mit ihnen ins Wasser und stiegen wieder empor; aber diese waren lebend, als sie untertauchten, und lebend, als sie wieder emporstiegen; aber die vorher Entschlafenen tauchten unter als Tote und kamen empor als Lebendige. Durch sie also haben jene das Leben erlangt und den Namen des Gottessohnes erkannt; deshalb also stiegen sie zugleich mit jenen empor, wurden zugleich mit ihnen dem Bau des Turmes eingefügt und unbehauen dem Bau verbunden; waren sie ja doch in Gerechtigkeit und großer Reinheit entschlafen; nur diese Besiegelung hatten sie nicht erhalten. Nun hast du auch hierfür die Erklärung.‘ ‚Ja, Herr.‘ (Hirte des Hermas III,9,16)

Zum Vergleich: Die Kirche lehrt, dass auch die gerechten Toten, die vor der Zeit Jesu gestorben waren, noch die Erlösung durch Ihn brauchten und vor Seinem Kreuzestod nicht Gott schauen konnten, auch wenn sie im Jenseits keine sonstigen Strafen verdienten. Er stieg nach Seinem Tod ins Totenreich – den sog. Limbus der Väter – und holte sie herauf. Von einer Taufe ist hier aber nicht die Rede; nur wer noch lebt, kann getauft werden. Aber im übertragenen Sinne kann man das wohl so gelten lassen.

In den Petrusakten, einer Erzählung über das Leben des Petrus aus dem 2. Jahrhundert, tauft Petrus einen Schiffskapitän auf der Reise nach Rom im Meer:

„Nach wenigen Tagen aber stand der Kapitän zur Stunde seines Frühstücks auf. Er bat den Petrus, mit ihm zu speisen und sagte zu ihm: ‚O, wer du auch sein magst, ich kenne dich zu wenig, ob du ein Gott oder ein Mensch bist. Aber ich meine – soweit ich es verstehe -, daß du ein Diener Gottes bist. Denn während mitten in der Nacht mein Schiff von mir gesteuert wurde und ich eingeschlafen war, da schien es mir, als ob eine menschliche Stimme vom Himmel her zu mir sagte: ‚Theon, Theon!‘ Zweimal rief sie mich bei meinem Namen und sagte zu mir: ‚Unter allen, die mit dir fahren, sei dir Petrus derjenige, der höchster Verehrung wert ist. Durch ihn werdet ihr, du und die übrigen, aus unverhoffter Situation heraus ohne jeden Schaden heil hervorgehen‘.‘ Petrus aber glaubte, daß Gott denen, die auf dem Schiff waren, auf dem Meere seine Vorsehung zeigen wollte. Daraufhin begann Petrus dem Theon die großen Taten Gottes darzulegen und wie Gott ihn unter den Aposteln erwählt habe und welchen Zweck seine Reise nach Italien habe. Täglich aber teilte er ihm das Wort Gottes mit. Und er betrachtete ihn und erkannte durch den Verkehr mit ihm, daß er gleichgesinnt im Glauben sei und würdig des Dienstes. Als aber das Schiff auf der Adria in eine Windstille geriet, wies Theon den Petrus auf die Windstille hin und sagte: ‚Wenn du mich für würdig halten willst, in das Zeichen des Herrn einzutauchen, so hast du (jetzt) Gelegenheit (dazu).‘ Denn alle, die auf dem Schiff waren, schliefen betrunken. Petrus ließ sich an einem Tau herab und taufte den Theon im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. Jener aber stieg fröhlich und in großer Freude aus dem Wasser empor, auch Petrus war froher geworden, weil Gott den Theon seines Namens für würdig gehalten hatte. Es geschah aber, daß an derselben Stelle, an der Theon getauft worden war, ein Jüngling erschien, strahlend vor Glanz, und zu ihnen sprach: ‚Friede (sei) mit euch!‘ Und sofort stiegen Petrus und Theon hinauf und gingen in die Kajüte hinein, und Petrus nahm Brot und dankte dem Herrn, der ihn seines heiligen Dienstes gewürdigt hatte, und (dafür), daß ihnen der Jüngling erschienen wäre, der ‚Friede (sei) mit euch‘ sagte. (Petrus sprach:) ‚Bester und allein Heiliger! Denn du bist uns doch erschienen, Gott Jesus Christus, in deinem Namen ist er (Theon) eben getauft und mit deinem heiligen Zeichen ist er gezeichnet worden. Daher teile ich auch in deinem Namen ihm deine Eucharistie mit, damit er dein vollkommener Diener sei ohne Tadel für immer.'“ (Petrusakten 5, in: Edgar Hennecke u. Wilhelm Schneemelcher (Hrsg.): Neutestamentliche Apokryphen in deutscher Übersetzung. 2. Band. Apostolisches, Apokalypsen und Verwandtes, 4. Aufl., Tübingen 1971, S. 195.)

Auch hier beginnt also Petrus gleich nach der Taufe mit der Vorbereitung der Eucharistie, an der der Getaufte jetzt teilnehmen darf.

Auch die Akten des Paulus und der Thekla berichten von der Taufe; sie stammen ebenfalls aus dem 2. Jahrhundert und erzählen von Paulus und Thekla, einem jungen Mädchen, das er bekehrt, das dann geweihte Jungfrau wird, zwei Mal knapp dem Märtyrertod entgeht und dann lange Jahre als Einsiedlerin lebt. Thekla kommt zuerst zu Paulus, als er im Gefängnis ist, bekehrt sich schnell, will geweihte Jungfrau werden und weigert sich, ihren Verlobten zu heiraten, soll dann hingerichtet werden, wird aber von Gott gerettet und zieht mit Paulus fort. Er schiebt dabei ihre Taufe zunächst auf:

„Er aber sprach: ‚Die Zeit ist böse und du bist schön von Gestalt. Daß nur nicht eine andere Versuchung über dich komme, schlimmer als die erste, und du nicht aushältst und feige wirst!‘ Und Thekla sagte: ‚Gib mir nur das Siegel in Christo, und keine Versuchung wird mich ergreifen.‘ Und Paulus antwortete: ‚Thekla, habe Geduld, und du wirst das Wasser empfangen.'“ (Paulusakten 3,25, in: Edgar Hennecke u. Wilhelm Schneemelcher (Hrsg.): Neutestamentliche Apokryphen in deutscher Übersetzung. 2. Band. Apostolisches, Apokalypsen und Verwandtes, 4. Aufl., Tübingen 1971, S. 247.)

Als Thekla dann in einer anderen Stadt den wilden Tieren im Amphitheater vorgeworfen werden soll, können die Tiere ihr nicht schaden. Sie will sich selbst taufen und wirft sich in eine Grube Wasser mit wilden Robben:

„Da ließen sie viele Tiere hinein, während sie dastand und die Hände ausgebreitet hatte und betete. Als sie aber ihr Gebet beendet hatte, wandte sie sich um und sah eine große Grube voll Wasser und sprach: ‚Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, mich zu waschen.‘ Und sie stürzte sich selbst hinein mit den Worten: ‚Im Namen Jesu Christi taufe ich mich am letzten Tage!‘ Als das die Frauen und das ganze Volk sahen, weinten sie und riefen: ‚Stürze dich nicht selbst ins Wasser!‘ Sogar der Statthalter vergoß Tränen, weil soviel Schönheit von den Robben gefressen werden sollte. Sie also stürzte sich ins Wasser im Namen Jesu Christi; die Robben aber sahen den Glanz eines Blitzes und schwammen tot an der Oberfläche.“ (Paulusakten 3,34, in: Ebd., S. 249.)

Eine Selbsttaufe, noch dazu nicht im Namen der Dreifaltigkeit, ist eigentlich ungültig; deswegen stand dieser Text in der Kritik. Außerdem findet sich dort in den Paulusakten noch eine seltsame, ebenfalls kritisierte Passage, die von einem getauften Löwen handelt. Paulus erzählt dabei Folgendes:

„Als ich mit meinem Gebet zu Ende war, hatte sich das Tier zu meinen Füßen geworfen. Ich ward voll heiligen Geistes, sah es an und sagte zu ihm: ‚Löwe, was willst du?‘ Da sagte er: ‚Ich möchte getauft werden.‘

Ich lobte Gott, der dem Tier Sprache verliehen hatte und seinen Dienern das Heil. Nun gab es an diesem Orte einen großen Fluß; ich stieg dort hinein … [Dann] (ihr) Männer (und) Brüder, rief ich: ‚Der, der in den obersten [Orten] wohnt, der seinen Blick auf die Demütigen richtet, der, der den Erschöpften die Ruhe gegeben hat, der, der das Maul der Löwen bei Daniel verstopft hat, der mir (?) unseren Herrn Jesus Christus gesandt hat, [o du], gib, daß unser … entkommt dem Tier, und den Plan, den du mir [festgelegt] hast, erfülle ihn!‘ Nachdem ich mit diesen Worten gebetet hatte, nahm ich den [Löwen] bei seiner Mähne und im Namen Jesu Christi tauchte (?) ich ihn dreimal unter. Als er dem Wasser wieder entstieg, schüttelte er seine Mähne zurecht und sagte zu mir: ‚Gnade sei mit dir!‘ Und ich sagte zu ihm: ‚Desgleichen mit dir!‘

Der Löwe lief nun zu dem Feld davon, voller Jubel; tatsächlich, es wurde mir im Herzen offenbart.“ (Paulusakten, Ebd., S. 269)

Auch damals gab es eben schon seltsame fromme Legenden.

In der Epistula Apostolorum, einem angeblichen Gespräch Jesu mit den Aposteln, sagt Jesus zu ihnen, dass quasi Er selbst durch sie taufen wird:

„Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Väter werdet ihr genannt werden, weil ihr liebreich und barmherzig ihnen offenbart habt, was im Himmelreich (ist …, weil) sie durch meine Hand empfangen werden die Taufe des Lebens und die Vergebung der Sünde.“ (Epistula Apostolorum 42 (53), äthiopische Fassung, in: Edgar Hennecke u. Wilhelm Schneemelcher (Hrsg.): Neutestamentliche Apokryphen in deutscher Übersetzung. 1. Band. Evangelien, 4. Auflage, Tübingen 1968, S. 150.)

Hier zeigt sich also: Es handeln nicht allein die Menschen, die taufen, sondern da ist wirklich Gott am Werk.

Baptistère, thermes de Cimiez.jpg
(Spätantikes Taufbecken in Cimiez im heutigen Frankreich. Bildquelle hier.)