Darf man noch „Unwissende belehren“?

Ich habe eine Prüfung in Pastoraltheologie anstehen. Ist nicht mein Lieblingsfach in der Theologie. (Das wären Kirchenrecht und Kirchengeschichte.)

Das Belehren der Unwissenden gehört ja bekanntlich zu den sieben geistlichen Werken der Barmherzigkeit.* Im Skript zu der Pastoraltheologie-Vorlesung fällt mir immer wieder auf, wie schief speziell dieses Werk unter Pastoraltheologen angesehen zu sein scheint. Wenn verschiedene Konzepte einflussreicher Pastoraltheologen erklärt werden, wird dabei immer wieder mal betont, dass Seelsorger nach diesem oder jenem Konzept „begleiten“ sollten, nicht „betreuen“ oder „bevormunden“, dass es gegenseitige Kommunikation und „wechselseitiges Lernen“ zwischen Seelsorger und Beseelsorgtem (meine Wortwahl, da mir gerade kein besseres Wort einfällt) geben müsste; die Seelsorger seien „ihrem Gegenüber nicht überlegen“. Es solle nicht um „Missionserfolge“ oder „Manipulation von Menschen“ gehen. „Seelsorgerlicher Paternalismus: Der Seelsorger weiß, was für den anderen gut und richtig ist.“ Das darf nicht sein. Mein Highlight: Auch in der Diakonie soll man Notleidende nicht „zum Objekt von Bevormundung und Hilfe machen“. Keine Hilfe für Notleidende, Leute, das degradiert sie zum Objekt!

Was ist denn, wenn der Seelsorger es zufällig einfach mal besser weiß als sein Gegenüber? Wenn er dem einfach dringend benötigte Hilfe – leibliche oder geistliche Hilfe; die Adresse des örtlichen Obdachlosenheims, eine Erklärung der thomistischen Gottesbeweise, die Absolution in der Beichte, oder was auch immer – geben kann? Wenn ein Mediziner weiß, dass die Lebensgewohnheiten seines Patienten dessen Vorerkrankungen verschlimmern, wird er es dem einfach mitteilen, oder wird er zuerst einen langen Dialog mit ihm führen und dabei dessen in der Apotheken-Umschau angelesene medizinische Einsichten als vollkommen gleichberechtigt anerkennen?

Ich hatte auch mal keine Ahnung vom katholischen Glauben, und ich komme mir verarscht vor, wenn Theologen, die diesen wunderbaren, faszinierenden Glauben in seinen Einzelheiten kennen, meinen, es wäre ein großes Zeichen von Demut, so tun, als hätten sie den Leuten nichts anzubieten. Wenn Menschen mit Fragen zum Pfarrer kommen, wollen sie doch Antworten und klare Ratschläge von ihm hören – nicht nur ein „Was denken Sie denn?“. Wozu ist er denn ausgebildet?

Ich sage damit nicht, dass es in der Seelsorge nicht wichtig wäre, sich die Perspektiven der „Beseelsorgten“ anzuhören und sie zu respektieren. Auch der Arzt muss seinem Patienten genau zuhören, damit keine Fehldiagnose herauskommt. Er muss es sich auch anhören, wenn der Patient erzählt, dass er von einem anderen Arzt andere Ratschläge bekommen hat, und muss dem Patienten dann begründen, wieso er seine eigene Meinung für die richtige hält – oder ihn vielleicht noch zu einem Experten weiterweisen, der mehr Ahnung vom Fach hat und bei dem der Patient sich sicherer kann, den passenden Rat zu erhalten. Er sollte auch Respekt dafür haben, wenn der Patient der „Schulmedizin“ gegenüber generell misstrauisch ist – und ihm dann mit klaren Argumenten erklären, wieso dieses Misstrauen nicht begründet ist und er sich selbst schadet, wenn er sich nicht operieren oder impfen lassen will. Natürlich gibt es Leute, die meinen, alle anderen über ihre Ansichten belehren zu müssen, und dabei respektlos und nervig sind. Aber Priester, Theologen oder Pastoralreferenten sind von der Kirche – und im Endeffekt vom Herrn – dazu beauftragt, die Frohe Botschaft zu verkünden, wie Mathelehrer vom Staat beauftragt sind, Mathe zu lehren. Das sollen sie auch machen dürfen, ohne dass man ihnen deswegen Vorwürfe macht, dass sie die religiös Unwissenden herabsetzen – und seien wir mal realistisch, wie viel religiöses Wissen hat denn der Durchschnittsmensch? Natürlich ist es auch wichtig, die Beseelsorgten zur Eigenverantwortung zu führen – aber bevor man selbst rechnen kann, muss der Lehrer einem beigebracht haben, zu rechnen.

Mit solchen Formulierungen wie den oben zitierten wird zudem unterschwellig suggeriert, „Missionserfolge“ würden auf „manipulativem“ Weg erreicht werden – oder wären früher so erreicht worden. Wenn man sagen würde „Mission bedeutet einladende Verkündigung, nicht Manipulation“ wäre es ja schön und gut; aber bitte keine solchen impliziten Verleumdungen früherer Missionare. Wenn Leute zum Begriff „Mission“ falsche negative Assoziationen haben, sollte man doch versuchen, den Begriff wieder positiv zu besetzen, anstatt die Assoziationen einfach zu übernehmen.

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(Katechismusunterricht bei den Salesianern Don Boscos in Indien, 1939; Quelle: Wikimedia Commons)

Man könnte direkt den Eindruck bekommen, es wäre etwas Schlimmes, wenn man sich mal helfen lassen muss oder keine Ahnung von einer Sache hat. Dabei müssen wir uns alle von Gott helfen lassen, und das, was wir wissen, ist, aufs Ganze gesehen, immer noch wenig, auch wenn wir die Summa Theologiae auswendig aufsagen könnten. (Was mich dran erinnert, dass ich die auch noch mal lesen wollte.) Großzügigkeit und Hilfsbereitschaft scheinen allgemein nicht so gut angesehen zu sein, wie sie sein sollten, habe ich oft den Eindruck. Aber das sind gute Eigenschaften; sie bedeuten eben nicht automatisch Bevormundung oder ein Sich-selbst-über-andere-Erheben. Wieso sollte man sie so aufnehmen? Weil man nicht damit klarkommt, nicht allwissend oder vollkommen autark zu sein, sondern mal andere Menschen zu brauchen – so wie man selber anderen Menschen wieder in anderer Hinsicht helfen kann?

Lasst die Priester doch einfach ihren Job machen.

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(Chinesische Seminaristen in einer Niederlassung der Jesuiten, 1900; Quelle: Wikimedia Commons)

 

* Die anderen sechs: Zweifelnden recht raten, Trauernde trösten, Sünder zurechtweisen, Beleidigern gerne verzeihen, Lästige geduldig ertragen, für Lebende und Tote beten.

Die Pfeiler des Glaubens, Teil 5: Die Bleibücher vom Sacromonte, unbeabsichtigte Bigamie und ein wenig zufriedenstellendes Ende

Teil 4 findet sich hier.

„Ich sage euch, die Araber sind eines der erhabensten Völker, und ihre Sprache ist eine der erhabensten Sprachen. Gott wählte sie aus, um sein Gesetz in der letzten Zeit auf sie zu stützen. […] Wie mir Jesus sagte, der schon über den Söhnen Israels Vorrang hatte, wird jenen von ihnen, die ihm untreu waren […], niemals die Herrschaft gegeben. Aber die Araber und ihre Sprache werden zu Gott und zu seinem rechten Gesetz zurückkehren, und zu seinem ruhmreichen Evangelium und zu seiner heiligen Kirche in der Zeit, die da kommen wird.“ (S. 721)

Dieses Zitat aus der „Geschichte der Wahrheit des Evangeliums“, das zu den sog. Bleibüchern vom Sacromonte gehört, setzt Falcones vor den Beginn von Teil IV, der den Titel „Im Namen unseres Herrn“ trägt. Die Auslassungen stammen übrigens von ihm, nicht von mir. Leider kann man die Bleibücher, anders als bekanntere apokryphe Schriften wie das Thomas-Evangelium, nicht in deutscher Übersetzung im Internet finden, also kann ich nicht herausfinden, was genau an diesen Stellen steht.

Teil IV setzt im Januar 1595 ein. Hernando hat in den vergangenen Jahren intensiv an den Schriften gearbeitet, die später zu den „Bleibüchern vom Sacromonte“ werden sollen. Die gibt es, ebenso wie das Barnabas-Evangelium und die gefälschte Prophezeiung aus der Torre Turpiana, um die es im letzten Teil ging, tatsächlich, und sie wurden wahrscheinlich von Don Alonso del Castillo und Don Miguel de Luna, die hier als Hernandos Mitstreiter erscheinen, geschaffen. (Hernando selbst ist keine historische Figur.) Hernando hat in diesen Jahren u. a. Latein gelernt und hat in den Texten verschiedene christliche Legenden über die Heiligen, die das Christentum nach Spanien gebracht haben sollen, miteinander verbunden; jetzt ist er mit den Entwürfen fertig. Bei seinem letzten Besuch bei seinen Verbündeten in Granada ist besprochen worden, dass sie für die neuen Fälschungen Bleiplatten statt Pergament verwenden werden, weil ihre erste Fälschung schon unter Verdacht steht, da das Pergament nicht alt genug ist. Also reist Hernando jetzt zu einem Silberschmied namens Binilit, der in einer mehrheitlich von Morisken bewohnten Gegend von Valencia in einem Dorf namens Jarafuel lebt, um ihn mit der Herstellung der Platten zu beauftragen. An dieser Stelle wird auch der Inhalt der insgesamt zweiundzwanzig Texte erklärt, von denen einer bewusst unverständlich ist:

„Die Schriften stellten ein vielschichtiges Rätsel dar, das um eine einzige Hauptfigur kreiste: die Jungfrau Maria. Die einzelnen Teile führten unweigerlich auf ein Ziel zu: das Stumme Buch, das in einer unverständlichen Sprache geschrieben war, vor der alle, die sich damit beschäftigten, kapitulieren würden. Aber wie er Binilit soeben erklärt hatte, kündigte eine der Schriften die Ankunft eines Textes an, der das Geheimnis lüften würde. Dieser Text war das Barnabas-Evangelium, das er so gut versteckt hielt. Sobald die Bleibücher akzeptiert würden, und damit auch dieses rätselhafte Stumme Buch, würde das Barnabas-Evangelium mit seiner geistigen Nähe zum Islam als die alleinige, über jeden Zweifel erhabene Wahrheit erscheinen.“ (S. 735) An späterer Stelle erklärt Hernando noch einem Gelehrten aus Jarafuel, Munir, Marias Rolle in den Schriften: „Sie überträgt Jakobus die Aufgabe, das Christentum nach Spanien zu bringen, und sie ist es, die ihm das unverständliche Stumme Buch überreicht, das sich offenbaren wird, sobald die Christen begreifen, dass ihre Päpste Gottes Wort verfälscht haben. Und das wird durch einen König der Araber geschehen.“ (S. 738) Der Plan ist es, dem Sultan das Barnabas-Evangelium zukommen zu lassen, damit dieser es „offenbaren“ kann. Hernando rechnet damit, dass die Christen die mehrdeutigen Bleiplatten zunächst in ihrem Sinn deuten würden, aber vielleicht schon mehr Respekt für die Morisken entwickeln könnten, da laut den Platten ihre ersten Apostel angeblich auch Arabisch gesprochen hätten usw., und dass sie die Texte nach der „Entschlüsselung“ des Stummen Buches durch das Barnabas-Evangelium dann im islamischen Sinn verstehen müssten.

„‚Aber wie kann denn der Inhalt eines unlesbaren Buches bekannt werden?’, hakte der alte Meister nach. ‚Es wird sich niemals ganz entschlüsseln lassen’, erläuterte Hernando seine Strategie. ‚Für unsere Zwecke ist es ausreichend, dass es zunächst überhaupt als das Evangelium der Jungfrau anerkannt wird. Wenn die Christen die Bleibücher akzeptieren, müssen sie auch die darin verkündete Ankunft des Königs der Araber akzeptieren, der das wahre Evangelium bekanntmachen wird, die Schrift, die kein Papst oder Evangelist fälschen konnte.’“ (S. 739f.)

Ich muss sagen, dass mir dieser Plan verschwommen und wenig vielversprechend erscheint (wie will Hernando beweisen, dass der Sultan und das Barnabas-Evangelium tatsächlich der angekündigte König und das angekündigte Evangelium sind?); Falcones’ Darstellung beruht aber, wie er im Nachwort schreibt, immerhin auf der Hypothese eines Wissenschaftlers: „Luis F. Bernabé stellt in seinen Veröffentlichungen […] eine Beziehung zwischen den Bleibüchern und dem Barnabas-Evangelium her. […] Der Gedanke liegt nahe, dass die Verfasser des Stummen Buchs – dessen Inhalt dem Prolog und einem anderen, durchaus erschließbaren Text der Bleibücher zufolge von einem König der Araber bekanntgemacht werden sollte – das Erscheinen einer weiteren Schrift beabsichtigten. Allerdings ist nicht bekannt, ob es jemals dazu kam. Dass diese Schrift nun das Barnabas-Evangelium ist, das beträchtliche Gemeinsamkeiten mit den Bleibüchern aufweist, ist nur eine Hypothese.“ (S. 917f.) (Der Wissenschaftler heißt eigentlich Luis F. Bernabé Pons, lehrt an der Universidad de Alicante Islamwissenschaft und eine von ihm herausgegebene spanische Ausgabe des Barnabasevangeliums ist online zu finden. Das nur am Rande, falls jemand unter meinen Lesern Spanisch können und sich für das Barnabas-Evangelium interessieren sollte.)

Binilit erklärt sich bereit, die Texte auf Bleiplatten zu prägen und Hernando reist nach deren Fertigstellung wieder ab. Auf der Rückreise kommt er durch Granada, wo er ins Nachdenken über sein Leben und seine Vergangenheit gerät:

„Wie war es Isabel wohl ergangen? Ihre letzte Begegnung lag nun bereits mehr als sieben Jahre zurück.

 Hernado trieb Estudiante [sein Pferd] an. Sieben Jahre! Ja, im Hurenhaus gab es diese Rothaarige und manchmal auch eine andere Dirne, aber die letzte Nacht mit Isabel konnte er einfach nicht vergessen […] Ja, er hatte hart für seinen Gott gearbeitet. Aber was hatte er selbst davon? Nur Erinnerungen. […] Jetzt kreiste sein Leben nur noch um einen einzigen Traum: die Versöhnung der beiden verfeindeten Religionen und den Beweis für die Überlegenheit des Propheten. […] Und jetzt? Was geschah, wenn all seine Anstrengungen ins Leere liefen?“ (S. 742)

„Versöhnung der beiden Religionen“ = „Beweis für die Überlegenheit des Propheten“. Wenn ich beweisen will, dass meine Religion die einzig richtige ist, sage ich es wenigstens.

Hernandos Mitverschwörer sind von den Bleiplatten begeistert und planen, sie zusammen mit weiteren „antiken Reliquien“ zu verstecken und finden zu lassen. Hernando ist erschöpft, zweifelt am Sinn der ganzen Unternehmung, und reitet bald nach Córdoba zurück. Dort angekommen besucht er die Mezquita/Kathedrale und beim Anblick der nur übertünchten islamischen Inschriften im Inneren kommt ihm der folgende ermutigende Gedanke: „Nun, beim Beten, wurde ihm alles klar, als wollte Gott seine Hingabe belohnen: Die Wahrheit, die Offenbarung, war hier in den edlen, harten Marmor gemeißelt und lag unter einem simplen Gipsputz, der bei der leichtesten Berührung zerfiel! […] Die Macht Gottes erreichte die Gläubigen unmittelbar, anders als bei den Christen, die stets auf die Sicherheit fester Fundamente angewiesen waren. Die Kraft des göttlichen Willens berührte auch so einfache Gläubige wie ihn!“ (S. 750f.) Den Punkt mit den festen Fundamenten finde ich… interessant. Was genau ist damit gemeint? Ist Hernando davon überzeugt, dass man die Wahrheit nicht durch äußere Beweise kennenlernt, sondern dass ein reines Gefühl, eine innerliche Überzeugung genügt? Klingt sehr mormonisch. Aber es gibt ja durchaus einige Ähnlichkeiten zwischen Mormonentum und Islam.

In Granada werden unterdessen die vorher versteckten Bleiplatten und „Reliquien“ in einer Höhle auf einem Berg nahe der Stadt entdeckt. Die Kirche erhält den Fund, der Erzbischof beschließt, ihn näher untersuchen zu lassen, und „[g]anz Granada fiel in einen einzigen religiösen Freudentaumel“ (S. 752) über die Reliquien, vor allem über die angeblich vom Stadtpatron Caecilius stammenden Knochen. (Darf ich noch mal erwähnen, wie abstoßend ich Hernandos Leichenschänderei finde?)

Zurück zum einsamen Hernando in Córdoba, und zu seinem verkrüppelten jungen Diener Miguel, der inzwischen neunzehn Jahre alt ist. Der hat, während Hernando mit seinen Fälschungen beschäftigt war, das sechzehnjährige Nachbarsmädchen Rafaela kennengelernt, das mangels Mitgift in ein Kloster gesteckt werden soll. Miguel spricht schließlich seinen Herrn auf sie an:

 „‚Sie heißt Rafaela’, begann Miguel. ‚Sie ist verzweifelt, Senor. Ihr Vater, der Jurado, will sie ins Kloster stecken.’

 Hernando zuckte die Achseln.

 ‚Viele Töchter von Christen werden Nonnen.’

 ‚Aber sie will das nicht’, erwiderte Miguel. ‚Der Jurado möchte dem Kloster kein Geld geben, und das bedeutet, dass sie dort nur die Dienerin einer reichen Nonne sein wird.’ [In den strengen spanischen Klöstern des 16. Jahrhunderts? War die Klosterreform wohl weniger erfolgreich, als ich gedacht hatte.]

 ‚Was habe ich damit zu tun? Ich sehe keine Möglichkeit…’

 ‚Du kannst sie heiraten!’, schlug Miguel vor, ohne ihn anzusehen.

 ‚Wie bitte?’ Hernando wusste nicht, ob er lachen oder sich ärgern sollte. Doch als er bemerkte, dass Miguel mit den Tränen kämpfte, entschied er sich für keines von beidem.

 ‚Doch, das ist eine gute Lösung, Senor! Du bist einsam, und sie muss heiraten, wenn sie nicht in ein Kloster gesperrt werden will… Damit wäre allen geholfen.’“ (S. 753)

Hernando ist zuerst sehr skeptisch gegenüber diesem Vorschlag, nicht zuletzt, weil er bemerkt, dass Miguel selbst etwas für Rafaela empfindet, die er nicht haben kann. Schließlich erklärt er sich jedoch zu einem kurzen Treffen mit ihr bereit und entscheidet sich dann auf Miguels eindringliche Bitten doch, sie zu heiraten. Rafaela wird dabei als ein schüchternes, ernstes, verletzliches Mädchen gezeigt, das bereits vor ihrem Kennenlernen große Bewunderung für Hernando hegt, da Miguel ihr in den vergangenen Wochen Heldengeschichten von seinem Herrn erzählt hat, damit sie ihn mag. Sie ist Hernando dankbar für das, was er für sie tun will, und man merkt auch, dass sie unglücklich ist und in ihrer Familie oft zurückgesetzt wurde.

Hernando stimmt der Heirat auch aufgrund seiner Einsamkeit zu; er hofft darauf, wieder eine Familie, wieder Kinder zu haben. Zuerst muss nur noch Rafaelas Vater dazu überredet werden, seine Tochter ausgerechnet einem Morisken zu überlassen; das sorgt allerdings für keine unüberwindbaren Schwierigkeiten, da Miguel beobachtet hat, dass der korrupte Jurado, der dafür zuständig ist, die Findelkinder der Stadt an Ammen zu vermitteln, gegen eine gewisse Bezahlung duldet, dass diese tagsüber an Bettlerinnen verliehen werden, die die Kinder hungern und somit dünn aussehen lassen, um mit ihnen Mitleid zu erregen. Hernando droht Rafaelas Vater also, wenn er nicht erstens mit diesem Geschäft aufhören und Hernando nicht zweitens seine Tochter als Ehefrau überlassen würde, würde er ihn an die Behörden verraten. Der Jurado ist wütend, muss sich der Erpressung aber beugen und befiehlt seiner Tochter (er weiß nichts von der schon heimlich bestehenden Abmachung mit ihr), den Morisken von nebenan zu heiraten. Aus irgendeinem Grund stellt Rafaela sich vor ihrem Vater so, als würde sie das nicht wollen, lässt sich dann aber doch dazu „überreden“. Die Hochzeit findet statt und Rafaela ist vor dem Kloster bewahrt. Miguel beschließt dann, auf Hernandos Hof außerhalb von Córdoba zu ziehen und sich dort um die Pferdezucht zu kümmern. Blöde Geschichte, alles in allem. Hätte es nicht einen Weg gegeben, dass Rafaela und Miguel hätten zusammenkommen können?

Ich muss zugeben, dass ich mich mit Rafaela nicht so recht identifizieren kann. Ich weiß ja nicht, ob ich eine Ehe im 16. Jahrhundert (mit der Aussicht auf ein rundes Dutzend Schwangerschaften ohne Vomex oder PDA, dafür eventuell mit plötzlichem Kindstod oder Kindbettfieber hinterher) einem ruhigen, geordneten, sorgenfreien Klosterleben vorgezogen hätte – insbesondere eine Ehe mit einem 25 Jahre älteren Fremden. Aber gut; es wird deutlich, dass Rafaela sich eine eigene Familie, eigene Kinder wünscht, da ist das Klosterleben wohl nichts für sie.

File:Adan En son honneur.jpg
(Émile Adan, En son honneur (Zu seiner Ehre), vor 1900, Wikimedia Commons)

Dennoch erscheint die Situation hier grundsätzlich unlogisch: Wenn Rafaela, wie sie es befürchtet, nur als Dienerin ins Kloster gekommen wäre, statt als Nonne, hätte sie doch in etwa dieselbe Stellung gehabt wie die Kammerzofe einer Adligen – sprich, sie hätte arbeiten müssen, wäre versorgt gewesen, und hätte kündigen können, wenn sie einen netten jungen Mann kennengelernt hätte, der bereit gewesen wäre, sie ohne Mitgift zu heiraten, wie Hernando es jetzt tut. Und selbst als Nonne hätte sie noch nicht gleich die ewigen Gelübde abgelegt. Es besteht also nicht zwangsläufig die Notwendigkeit, so schnell wie möglich irgendeinen Ehemann als Ausweg zu finden.

Es ist auch interessant, zu beobachten, mit welchen Formulierungen hier über das Schicksal geredet wird, das für sie vorgesehen ist: „Wenn du Rafaela nicht […] vor dem Kloster bewahrst“ (S. 762) „wenn sie nicht in ein Kloster gesperrt werden will“ (S. 753) – das Kloster als finsteres, seine Insassen jeder Freiheit beraubendes Gefängnis hinter hohen Mauern (in dem die Nonnen dem Zweck, den die Natur für sie vorgesehen hat vorenthalten werden); hier werden die alten Klischees wieder aufgebrüht, die die Streitschriften der Reformation, der Aufklärung und der Kulturkampfzeit massenweise verbreitet haben.

File:Paul Hoecker-Nonne im Laubgang-1897.jpg
(Paul Hoecker, Nonne im Laubgang von Dachau, 1897, Wikimedia Commons)

Egal. Weiter im Text. Hernando ist ein rücksichtsvoller Ehemann und lässt sich Zeit damit, die Ehe zu vollziehen; in den nächsten Jahren bekommen die beiden dann mehrere Kinder, von denen eins im Kleinkindalter stirbt. Die Eheleute entwickeln Zuneigung füreinander, und vor allem die Kinder schweißen sie zusammen. Von ihrer eigenen Familie hat Rafaela sich inzwischen losgesagt.

Auf der politischen Bühne: In Granada werden die Reliquien verehrt und die Schriften unter Verschluss gehalten und die arabischen Texte darunter werden im Auftrag des Erzbischofs von Luna und Castillo übersetzt. Rom verlangt die Platten ebenfalls, um die Authentizität selbst zu prüfen, was der Bischof allerdings verweigert. In ganz Spanien kursieren radikale Ideen von Gegnern der Morisken – man solle sie alle umbringen oder kastrieren lassen –, diese werden aber erst einmal nicht in die Tat umgesetzt. Die Morisken tragen sich wieder einmal mit Aufstandsgedanken, und wollen sich wieder einmal ausländische Unterstützung holen, diesmal auch bei den Engländern und Franzosen. Hernando nimmt schließlich zusammen mit Munir, dem Gelehrten aus Jarafuel, an einem konspirativen Treffen in einem Wald in Valencia teil, bei dem der Aufstand beschlossen und ein neuer König gewählt wird; er ist alles andere als begeistert von den Plänen, aber natürlich hat niemand die Geduld, sich seine friedlichen Alternativvorschläge (wie zum Beispiel, dem Sultan endlich das Barnabas-Evangelium zu schicken) anzuhören. Hernando zweifelt daran, ob ein neuer Krieg Erfolg haben wird, und sieht nur noch mehr Tod und Gewalt auf sein Volk zukommen. Falcones macht seine Message mehr als deutlich: Gewalt ist keine Lösung! Aber, wie gesagt, das will sich niemand anhören.

An diesem nächtlichen Treffen nehmen nicht nur spanische Morisken und ein französischer Gesandter teil, sondern auch Männer aus den Barbareskenstaaten – und ein paar davon zerren Hernando plötzlich zwischen die Bäume und zwei von ihnen geben sich als Abdul bzw. Francisco (Hernandos Sohn) und Shamir (Hernandos jüngster Halbbruder) zu erkennen. Hernando ist überwältigt davon, zu erfahren, dass sie noch am Leben sind; die beiden wollen sich allerdings seine Erklärungen dafür, dass er ihnen nie zu Hilfe gekommen ist, nicht anhören, und ihn stattdessen einfach umbringen. Munir, der zu Hilfe geeilt kommt, kann sie davon abhalten, indem er auf seine Autorität verweist („Nach unseren Gesetzen bekleide ich hier den zweithöchsten Rang und kann in Rechtsangelegenheiten urteilen“, S. 803) – auch ihm hören sie jedoch nicht zu, als er versucht, ihnen zu beweisen, dass Hernando ein treuer Muslim sei.

Shamir und Abdul sind Korsaren, wie sie im Buche stehen; man könnte auch sagen, dass sie an IS- oder Taliban-Kämpfer erinnern. Sie schreien Hernando an, beleidigen ihn als Feigling, Hund und Verräter und spucken ihm vor die Füße; Gewalt ist ihr Alltag. „Er [Munir] verstand, dass sie daran gewohnt waren, über Leben und Tod von Menschen zu entscheiden.’“ (S. 803) Mehr noch als ihre – aus ihrer Sicht irgendwo begreifliche – Rachsucht gegenüber ihrem Vater bzw. Halbbruder erschreckt vielleicht ihre allgemeine gleichgültige Grausamkeit („Ach, Tausende solcher wertloser Christen tummeln sich in den Verliesen von Tetuan.“, Shamir, ebenfalls auf S. 803). Schließlich verschwinden sie jedoch – und Abdul schwört zuletzt „bei Allah“ (S. 804), dass er Hernando töten würde, wenn der ihm noch einmal über den Weg liefe. Zurück in Tetuan erzählen die beiden Fatima von der Begegnung. Die hört heraus, dass ihr Mann nicht von seinem Glauben abgefallen ist, wie sie gedacht hat; aber die beiden jungen Männer schwören ihr, dass sie Hernando umbringen werden und sperren sie von da an in ihrem Palast ein, damit sie nicht versuchen kann, Kontakt mit ihm aufzunehmen.

Den Aufstandsplänen kommt wieder einmal etwas in die Quere; diesmal der Tod Elizabeths I. von England (1603). Ihr Nachfolger will mit den Spaniern Frieden schließen und lässt ihnen daher Dokumente aus den Akten der verstorbenen Königin zukommen, aus denen die Aufstandspläne in Valencia hervorgehen. Diese werden vereitelt und zahlreiche Morisken hingerichtet.

Hernando, der zurück in Córdoba ist, versucht erfolglos, einen Brief an Fatima zu schicken; dafür gelingt es ihr allerdings, den jüdischen Händler Ephraim nach Spanien zu senden. Ephraim spricht mit Hernando über die Vergangenheit und erklärt ihm auch, dass Fatima wisse, und Verständnis dafür habe, dass Hernando wieder geheiratet hat. Hernando söhnt sich mit der Situation aus; allerdings nimmt er von dieser Zeit an seinen eigenen Glauben und die Unterweisung seiner Kinder in diesen Glauben ernster als zuvor, kurz, seine Identität als Muslim wird ihm wieder wichtiger. Rafaela ist zunächst nicht begeistert, aber zu einem ernsten Konflikt kommt es nicht, denn schließlich war eine gewissermaßen interreligiöse Erziehung schon ausgemacht:

 „‚Du hast es gewusst’, sagte er schließlich. ‚Miguel hat es dir vor unserer Heirat gesagt. Er hat dir gesagt, dass ich ein gläubiger Muslim bin.’ Rafaela nickte. ‚Also hast du bei der Hochzeit gewusst, dass wir unsere Kinder nach den Traditionen beider Kulturen und in beiden Religionen erziehen werden. Ich verlange ja nicht von dir, dass du meinen Glauben teilst, aber meine Kinder…’

 ‚Unsere Kinder’, sagte sie schnell.

 Rafaela griff nicht mehr in den Unterricht der Kinder ein. Doch abends vor dem Schlafengehen betete sie wie immer mit ihnen, und Hernando ließ sie gewähren.“ (S. 822)

Die Aussage, „dass wir unsere Kinder nach den Traditionen beider Kulturen und in beiden Religionen erziehen werden“ klingt nicht unbedingt nach etwas, das jemand im frühen 17. Jahrhundert gesagt hätte, sondern eher wie aus einem modernen Ratgeber entnommen. Hier fragt man sich natürlich: Wie war es denn in echt bei solchen Ehen, damals? Miguel sagt an einer Stelle, als er Hernando zu der Eheschließung überreden will: „In Córdoba gibt es viele Ehen zwischen Morisken und Christinnen.“ (S. 762) Nun gelten im Islam Kinder eines muslimischen Elternteils automatisch als Muslime; was es schwer vorstellbar macht, dass ein realer mit einer Christin verheirateter Moriske dieser Zeit ergebnisoffen abgewartet hätte, für welche Religion seine Kinder sich entschieden hätten.

Nicht, dass Hernando das hier täte; ab diesem Zeitpunkt zumindest hat er bei der Erziehung der Kinder die Hosen an. Beispielsweise befiehlt er nach der Geburt seines vierten Kindes einfach, dass die Kinder zu Hause von jetzt an mit arabischen Namen angeredet werden: „‚Er wird Muqla heißen, zu Ehren des großen Kalligraphen’, verkündete Hernando seiner Frau und Miguel noch am Tag der Taufe […]. ‚Zu Hause müsst ihr ihn so nennen.’ Rafaela sah zu Boden und nickte.“ (S. 821) Rafaela, das mit dieser Ehe hättest du dir zweimal überlegen sollen. Die beiden älteren Kinder – das dritte ist ja gestorben – heißen jetzt Amin und Laila.

Mit den Bleiplatten geht gar nichts voran. Bei Hernandos nächstem Besuch in Granada:

 „‚Es ist sinnlos, dem Sultan jetzt das Barnabas-Evangeliu zukommen zu lassen’, meinte Don Pedro. ‚Die Kirche muss vorher unbedingt noch die Echtheit der Bücher anerkennen. […]’ […]

 ‚Der Erzbischof’, erläuterte diesmal Luna, ‚lässt niemanden die Platten sehen. Obwohl er selbst kein Arabisch kann, beaufsichtigt er höchstpersönlich ihre Übersetzung, und wenn ihm etwas nicht passt, veranlasst er einfach entsprechende Korrekturen oder sucht sich einen anderen Übersetzer. Ich habe es selbst erlebt. Sowohl der Heilige Stuhl als auch der König fordern, dass er die Bücher freigibt, aber er weigert sich. Er behält sie für sich, als wären sie sein Eigentum.’“ (S. 829)

Im Nachwort erklärt der Autor, dass die Bleibücher und das zuvor entdeckte Pergament aus der Torre Turpiana schließlich 1682 von Rom als Fälschungen beurteilt wurden, während man sich zur Authentizität der Reliquien, die das Erzbistum von Granada anerkannt hatte, nicht äußerte.

Hernando und Rafaela bekommen noch zwei Kinder, einen Jungen und ein Mädchen, und jetzt sind wir im Jahr 1608 angekommen. Die Hardliner gegen die Morisken haben sich in gewisser Weise durchgesetzt und das erste der spanischen Königreiche, Valencia, ordnet ihre Ausweisung an. Es wird erwartet, dass die übrigen Teilreiche, darunter Andalusien, wo Córdoba liegt, bald folgen werden. Rafaela ist verzweifelt, als sie davon hört, und spricht ihren Mann darauf an: „‚Ich habe auf dem Markt gehört, dass der König Sonderregelungen für Mischehen von Altchristen und Neuchristen getroffen hat.’ Hernando rutschte auf seinem Stuhl weiter nach vorn. Davon wusste er nichts. ‚Moriskinnen, die mit Altchristen verheiratet sind, dürfen in Spanien bleiben, und auch ihre Kinder. Aber die Morisken, deren Frauen Altchristinnen sind, müssen Spanien verlassen… und ihre Kinder mitnehmen, die älter als sechs Jahre sind. Die jüngeren Kinder bleiben hier, bei ihren Müttern.’ Bei den letzten Worten zitterte ihre Stimme.“ (S.  836) Kurz gesagt, der spanische König ist entschlossen, alle Neuchristen, die insgeheim muslimischen Glaubens sind, loszuwerden. Für die ersten ausgewiesenen Morisken geht die Sache alles andere als gut aus: In Algier etwa stehen sie bloß mittellos da, da sie keinen wertvollen Besitz aus Spanien mitnehmen durften, aber anderswo in Nordafrika bringen die Berber die neu angekommenen Morisken einfach um, weil diese in Spanien die Taufe angenommen haben.

Hernando macht einen verzweifelten Versuch, von der Ausweisung verschont zu bleiben, und legt auf das Anraten seiner Freunde aus Granada am dortigen Gericht einen Antrag auf die Zuerkennung eines Adelstitels ein. Man könne sich heutzutage alles erkaufen, auch einen Adelsbrief, erklärt Don Pedro ihm. Für einen Adelstitel war an sich der Nachweis christlicher Vorfahren erforderlich, weshalb Hernando dann als Altchrist zählen würde und nicht von der Ausweisung betroffen wäre. Aber es kommt, wie es kommen muss: Der Richter, der über den Antrag entscheidet, ist niemand anderer als Don Ponce de Hervás, Isabels Ehemann, der seine Chance gekommen sieht, sich an dem früheren Liebhaber seiner Frau zu rächen, und den Antrag ablehnt. In der Urteilsschrift, die Hernando nach Córdoba übermittelt wird, wird auch der Bericht, den er vor Jahren für den Erzbischof von Granada verfasst und in dem er die Taten der Morisken im Alpujarras-Krieg relativiert hat, als „ein Beweis für seine Zugehörigkeit zu Mohammeds Sekte“ (S. 841f.) angeführt.

Schließlich wird die Ausweisung der andalusischen Morisken angeordnet. Sie sollen nach Sevilla gebracht werden und dort in See stechen. Hernando, Amin und Laila müssen gehen; Rafaela mit den drei jüngeren Kindern – Muqla, Musa und Salma – zurückbleiben. Hernando versteckt vor dem Aufbruch noch eine Abschrift des Korans in der Mezquita – im heiligsten Teil der ehemaligen Moschee, wo sich jetzt ein Grabmal befindet – und bittet Rafaela, Muqla später einmal das Versteck zu zeigen. Sie willigt ein, und der Tag der Abreise kommt. Hernando und die beiden älteren Kinder müssen mit den übrigen Morisken der Stadt Richtung Sevilla ziehen. Miguel begleitet sie.

Unterdessen in Tetuan: Fatima hat erfahren, dass Shamir und Abdul bei einer ihrer Kaperfahrten entweder gefangen genommen oder getötet worden sind; sie spürt Trauer, aber keine allzu tiefe.

Ich muss sagen, Shamir und Abdul tun mir sehr leid; ich habe ja schon mal erwähnt, dass Gonzalico und Don Alfonso meine Lieblingsfiguren in dieser Geschichte sind, aber ich denke, ich füge Shamir und Abdul noch hinzu. An einer Stelle zuvor wird gesagt, dass Fatima „in Shamirs wilden Drohungen“ (S. 804) seinen Vater Ibrahim wieder erkennt; aber Shamir hat auch all die Jahre über zu seinem Kindheitsgefährten Abdul gehalten und sich nicht von Ibrahim vereinnahmen lassen, der ihn als seinen Sohn und Erben bevorzugt und Hernandos Kinder schlecht behandelt hat. Die beiden tun das, woran sie gewohnt sind, weil man sie daran gewöhnt hat, morden, versklaven und rauben, aber sie kennen gleichzeitig einander gegenüber auch Freundschaft und Treue; kurz gesagt, sie sind tragische Figuren, vor allem, wenn man sie mit den Kindern vergleicht, die sie einmal waren, und ich finde es mehr als schade, dass man nicht erfährt, was genau mit ihnen passiert ist. Zu einigen Nebenfiguren könnte Falcones deutlich mehr schreiben, z. B. auch zu Hernandos anderen Halbgeschwistern, zu Isabel, zu Hernandos Tochter Inés/Maryam, oder Fatimas zwei Töchtern mit Ibrahim, deren Existenz nur ein einziges Mal erwähnt wird.

Fatima hat außerdem von der Ausweisung der Morisken aus Andalusien erfahren, und so besorgt sie sich, nun, da sie unabhängig ist und über eine Menge Geld verfügt, ein Schiff und macht sich auf Richtung Sevilla. Da ist sie allerdings nicht die einzige; auch Rafaela entscheidet sich in ihrer Verzweiflung, zusammen mit den Kindern ihrem Mann hinterher zu ziehen. Sie reiht sich unter eine Gruppe von Morisken ein und gelangt auf das bewachte Gelände am Hafen von Sevilla, wo tausende von Menschen, die auf die Schiffe warten, gesammelt werden.

Fatima findet Hernando auf diesem Gelände zuerst. Sie ist voll Wiedersehensfreude, Hernando ist überwältigt, Amin und Laila erschrocken. Fatima will, dass die drei auf ihr Schiff kommen und mit ihr nach Konstantinopel fahren. (Sie will nicht mehr in Tetuan leben.) Doch da erscheint auch Rafaela, die entsetzt ist, zu erfahren, dass Hernandos erste Frau noch am Leben ist – und dass er bereits vorher davon erfahren hat.

„Hernando ging zu Rafaela. Was sollte er ihr sagen? Was sollte er tun?

 ‚Rafaela, ich…’, begann er schließlich.

 ‚Sie  kann auch mitkommen’, unterbrach ihn Fatima mit kräftiger Stimme. Was hatte diese Christin hier zu suchen? Fatima war keineswegs bereit, ihre Hoffnungen aufzugeben, selbst wenn das mit sich brachte, dass…

 […]

 ‚Hernando’, Rafaelas Tonfall klang hart. ‚Ich habe dir mein Leben gewidmet. Ich… ich bin bereit, auf die Glaubensgrundsätze meiner Kirche zu verzichten und deinen Glauben an Maria zu teilen und das Schicksal, das sie für dich bereithält, aber niemals’, murmelte sie, ‚hast du mich verstanden: Niemals werde ich dich mit einer anderen Frau teilen.’“ (S. 882f.)

Hernando entscheidet sich für Rafaela. Er übergibt seiner ersten Frau noch die Fatimahand, die ihr einmal gehört hat, und das Manuskript des Barnabas-Evangeliums, das er heimlich bei sich getragen hat, und bittet sie, Letzteres dem Sultan zu überbringen. Fatima fährt ab.

Tja. Was soll man dazu nun sagen? Fatima ist Hernandos erste Frau, und dass er sie für tot gehalten hat, macht die Tatsache, dass sie nicht tot und dass sie seine Frau ist, nicht ungeschehen. Sicher, Hernando glaubt als Muslim an sich an die Erlaubtheit der Polygamie, aber Rafaela tut das schließlich nicht, und… na ja, muss ihr nicht bewusst sein, dass ihr Mann eigentlich nicht ihr Mann sein kann, solange da schon eine andere Frau ist, die noch lebt? So löblich es ist, dass sie ihrem Mann mal eine klare Ansage macht, es ist nicht einfach eine Frage von „Entscheide dich, welche von uns zwei du haben willst“.

Keine schöne Situation, alles in allem.

Hernando, Rafaela und ihren Kindern gelingt es dann, aus dem bewachten Gelände zu entkommen, und sie flüchten zusammen mit Miguel Richtung Granada. Die Familie versteckt sich zunächst in einem verlassenen Dorf im nahen Gebirge – den Alpujarras, wo Hernando aufgewachsen ist –, während Miguel zu Hernandos Freunden in Granada geht, um sie um Hilfe zu bitten. Eines Nachts gräbt Hernando zusammen mit seinen Söhnen Hamids alten Säbel aus, der angeblich Mohammed gehört haben soll, und den Hernando nach dem Alpujarras-Krieg in den Bergen vergraben hat.

Don Pedro verschafft ihnen schließlich gefälschte Papiere, die sie als Altchristen ausweisen, und lässt sie auf sein Lehen ziehen. Am Ende ihres kurzen Treffens fragt Hernando ihn noch nach den Bleibüchern. Don Pedros Fazit: „Wir sind gescheitert.“ (S. 898) Und: „Selbst wenn es uns gelingen würde und der Sultan oder ein anderer König der Araber das Barnabas-Evangelium bekanntmachen würde, in Spanien leben keine Muslime mehr. Es wäre bedeutungslos.“ (Ebd.)

Weiter heißt es: „Hernando wollte widersprechen, doch er hielt sich zurück. War es für Don Pedro nicht mehr wichtig, dass die Wahrheit ans Licht kam, ganz unabhängig von den Morisken in Spanien?“ Doch, das mit der Wahrheit steht da wirklich.

Nach dieser Szene kommt nur noch der Epilog, der zwei Jahre später spielt. Diesmal kommt Don Pedro zusammen mit einem Franzosen mit einer noch besseren Nachricht zu Hernandos Familie, genauer mit zwei: Erstens, der König gewährt ihnen offiziell eine Ausnahme von dem Ausweisungserlass und sie erhalten ihren Besitz in Córdoba zurück (Falcones informiert die Leser, dass es mehrere Fälle von solchen „Härtefall“-Ausnahmen gab), zweitens, der Franzose bringt einen Brief vom Sultan an Hernando. Darin heißt es u. a.:

„Es ist mein ausdrücklicher Wunsch und der aller Muslime, dass du weiterhin in den Mauern der bedeutendsten Moschee im Westen den Schöpfer ohnegleichen lobst und preist. Auch wenn es nur im Verborgenen geschehen kann, wünsche ich mir, dass dort weiterhin aus deinem Munde die ewigen Gebete zum einzigen Gott zu hören sein mögen, und wenn du nicht mehr bist, sollen deine Söhne und die Söhne deiner Söhne diese Aufgabe übernehmen. […]

 Unsere Religionsgelehrten halten es für unerlässlich, das Original des Evangeliums zu finden, welches der Kopist zu Zeiten al-Mansurs versteckt haben will. Sei es der Wille Gottes, dass wir es eines Tages entdecken! Wir würden alles dafür geben, denn eine Kopie werden die Christen niemals anerkennen.

 Deine Gattin übermittelt dir alle Glückwünsche, und sie ermutigt dich, den Kampf fortzusetzen, den ihr gemeinsam begonnen habt. Wir werden sie behüten, bis der Tod euch einst wieder vereint.“ (S. 907f.)

Immerhin eine originelle Lösung für die Sache mit dem Barnabas-Evangelium.

Hernando ist erleichtert, und das Buch endet damit, wie er hoffnungsvoll seine glückliche Familie betrachtet.

Was kann man jetzt abschließend dazu sagen?

Das Ende ist wenig befriedigend. Falcones erzählt die Geschichte eines Mannes, der zu moralisch fragwürdigen Methoden (Betrug, Leichenraub) greift, um für sein Volk eine bessere Zukunft zu schaffen, und damit keinen Erfolg hat. Nicht, dass vordergründige Erfolglosigkeit immer schlimm wäre; eins meiner Lieblingsbücher endet mit dem Martyrium der Hauptfigur, und dass, ohne dass er zuvor nach außen hin viel erreicht hätte. Aber das christliche Martyrium ist ja nicht schlimm; das genaue Gegenteil ist der Fall. Hier hat Hernandos zentralstes Streben keine Früchte getragen, und die allermeisten seiner Glaubensgenossen mussten Spanien verlassen.

Aber vielleicht tue ich Falcones hier ja Unrecht. Vielleicht will er nur darstellen, dass man mit Lügen und anderen falschen Mitteln am Ende nichts Gutes bewirken kann.

Die Bemühungen des Autors, Hernando irgendwo zwischen Christentum und Islam stehen zu lassen, wirken mal mehr, mal weniger gekünstelt. Dass er im Alpujarras-Krieg zwei Christen rettet, später fälschlich als Apostat gilt und noch später eine Christin heiratet – okay. Aber dass Falcones ihn auch schon deshalb als zwischen den Religionen stehend präsentieren will, weil sein Vater ein katholischer Priester war, ist doch ein bisschen bemüht; dass seine Mutter von diesem Priester vergewaltigt wurde, lässt Hernando schließlich keine Sympathie für das Christentum empfinden; wieso sollte er sich also als Junge in seiner Identität unsicher sein? Aber okay, dass die anderen Morisken ihn deshalb schief ansahen, kann man sich vorstellen; Kindern, die z. B. gegen Ende des 2. Weltkriegs durch Vergewaltigungen durch sowjetische Soldaten entstanden waren, ging es in Deutschland und Österreich ja häufig ähnlich. (Ich gehe davon aus, dass das auch für andere historische Beispiele gilt, kenne mich damit konkret aber nicht aus.)

Und das führt mich auch schon zu zwei weiteren Dingen:

Erstens: Dass Hernando trotz leichter synkretistischer Tendenzen Muslim und nichts anderes ist, ist das ganze Buch über klar. Er will kein Mischmasch zu gleichen Teilen aus den zwei Religionen herstellen (nicht, dass ich das empfehlen würde… *schüttel*), er will einfach beweisen, dass die islamische Lehre, und dazu gehört zufällig eine Lehre über die ursprünglich christlichen Gestalten Jesus und Maria, die richtige, die überlegene ist. „Versöhnung der Religionen“ bedeutet für ihn „Durchsetzung des Islam“ – und das auch in seiner eigenen Familie. Ist ja okay, wenn er als Muslim das so sieht. Das würde ich gar nicht anders erwarten, nur sollte er bzw. sein Erfinder uns nicht was anderes vorzumachen versuchen.

An dieser Stelle sollte man neben dem Verwirrspiel um das Barnabas-Evangelium, das der Autor als ältere Schrift darstellt, während es in Wahrheit etwa in derselben Zeit wie Hernandos Fälschungen entstanden ist (was im Nachwort nur mit einer sehr vagen Formulierung richtiggestellt wird), auch die Beschönigung der muslimischen Herrschaft über Spanien erwähnen. Immer wieder vermittelt Falcones den Eindruck, dass die maurische Zeit deutlich besser als die Epoche nach der Reconquista gewesen wäre, weil, äh… schöne Säulen… und Minarette… und Bücher über Kalligraphie und… Kulturzeugs… Alles in allem wird dem Leser nahe gelegt, zu denken, Okay, die Muslime haben schon auch ihre Fehler, aber es wäre vermutlich besser, wenn die herrschen würden als diese inquisitorischen Christen. Immerhin wird auch Tetuan näher gezeigt, das diesem Eindruck für mich sehr effektiv entgegenarbeitet.

Manchmal jedenfalls muss ich bei diesem Buch an die geniale Zeile aus G. K. Chestertons Ballade „Lepanto“ denken, die er Mohammed in den Mund legt:

„Put down your feet upon him, that our peace be on the earth.“

Gut, dass die Spanier nach 711 diese Art von Frieden nicht akzeptieren wollten.

File:15th century depiction of Battle of Teba 1330.jpg
(Darstellung einer Schlacht der Reconquista (Schlacht von Teba, 1330), 15. Jahrhundert, Wikimedia Commons)

Zweitens: Ach ja, und dann der vergewaltigende Priester. „Die Pfeiler des Glaubens“ kommt wie so gut wie alle Romane über Kirchengeschichte nicht ohne eine gewisse Dosis Antiklerikalismus aus. Ausnahmslos alle Priester, die nur nebenbei auftauchen, wirken kalt, unfreundlich und fanatisch. Sie sagen Dinge wie „Ketzer! Wir müssen ihn bei der Inquisition anklagen“ (S. 241), „Ich kann leider weder Reue noch Bußfertigkeit erkennen“ (wozu „bösartig“ gelächelt wird, S. 248), „Der Verfolgung der Ketzerei und der Verteidigung der Christenheit ist jedwede andere Tätigkeit unterzuordnen!“ (S. 441) „Vermaledeiter Ketzer!“ (S. 444) „Warum bittest du nicht deinen falschen Propheten um Hilfe?“ (S. 848) „Gottverdammte Ketzer!“ (ebd.; Verstoß gegen das zweite Gebot!) Für eine etwas wichtigere Figur, Don Martin, den Pfarrer aus Hernandos Heimatdorf, gilt genau dasselbe; sogar während der Wandlung (!) dreht der sich bei der Sonntagsmesse um, um seine unruhigen Pfarrkinder zu beschimpfen („‚Hunde!’, schrie er. ‚Haltet den Mund, ihr Häretiker! […]’“ (S. 16)). Der junge Sakristan in Juviles wirkt ein wenig freundlicher, ist nach dem Krieg aber ebenfalls sehr feindlich gegenüber den Morisken gesonnen. Ein weiterer, ein wenig anders dargestellter Priester in diesem Buch ist Don Álvaro, ein Pfarrer aus Córdoba, der Hernandos Familie, als der noch mit Fatima, Francisco, Inés, Aischa, Shamir und Hamid zusammenlebt, regelmäßig die bei Neuchristen vorgeschriebenen Besuche abstattet. Der passt zwar nicht so sehr ins Bild des asketischen Fanatikers, dafür aber ganz gut in das des „Wasser predigenden, Wein trinkenden“ Geistlichen (wer übrigens meint, unsere Religion würde Wasser predigen und Wein verbieten, sollte 1 Timotheus 5,23 oder Johannes 2,1-12 konsultieren, aber ich schweife ab). Er lässt sich ausgiebig mit Wein und Gebäck bewirten und ist dann zufrieden, wenn er die Kinder ein wenig Glaubenswissen abgefragt hat und sich bei Hernando noch über „die Lutheraner und ihre Angriffe auf den Lebenswandel des katholischen Klerus“ (S. 427) auslassen kann. Impliziert wird natürlich, dass getroffene Hunde bellen und sich an Don Álvaro etwas findet, das die Lutheraner kritisieren könnten. Auch an anderen Stellen redet Falcones ja z. B. allgemein davon, wie viele Priester den Zölibat nicht halten würden o. Ä.

File:Die Gartenlaube (1874) b 151.jpg
(„Am Beichstuhl“, Karikatur aus der antikatholischen Zeitschrift „Die Gartenlaube“, 1874, Wikimedia Commons)

Sagen wir’s so: Der Autor sollte halt mal Priester kennenlernen.

Wie wäre es z. B. mal mit solchen Priester-Figuren:

Der junge Kaplan Manuel kommt frisch aus dem Priesterseminar, hat die Texte des Trienter Konzils und diverse gegenreformatorische Schriften dort begeistert studiert, ist ein glühender Marienverehrer, hat schon mehrere Petitionen für die Dogmatisierung der Unbefleckten Empfängnis unterschrieben, gibt sich große Mühe, bei seinen neuen Aufgaben alles richtig zu machen, und predigt stets in ausgesprochen ergriffenem Ton, der den Gemeindemitgliedern übertrieben vorkommt. Allerdings gerät er öfter mal in Streit mit seinem Vorgesetzten Don Jerónimo, der für den Enthusiasmus der Jugend nicht viel übrig hat, für neue theologische Ideen auch nichts, und der es ganz und gar nicht leiden kann, wenn er den Eindruck hat, ein junger Priester protze mit seiner Bildung aus dem Seminar. Don Jerónimo ist schon älter und sein Rücken macht ihm Probleme und sein Magen auch, aber er gibt sich Mühe, die Alten und Kranken der Pfarrei häufig zu besuchen, und er predigt oft ernst über die Sterblichkeit allen Fleisches und die Vorbereitung auf einen guten Tod. Dann wäre da Don Felipe, der Pfarrer aus der Nachbarpfarrei, der stottert und deshalb das Predigen nicht leiden kann, und der jeden Abend an seinem Schreibpult sitzt und an einem Werk über die sieben Sakramente arbeitet. Allerdings ist er nie zufrieden damit, wie er seine Gedanken zu Papier gebracht hat, schämt sich halb für seine Entwürfe, und träumt gleichzeitig insgeheim davon, einmal als großer Theologe anerkannt zu werden. Das beichtet er ab und zu als eine Sünde der Eitelkeit. Don Gil, der mit Manuel im Priesterseminar war, sollte den Priesterberuf ergreifen, weil sein Vater, ein niederer Adliger, das für seinen vierten Sohn so vorgesehen hatte; er hatte auch nicht direkt was dagegen, allerdings hatte er schon so seine liebe Mühe mit dem Latein und den anderen Fächern, und es wäre ihm schon lieber gewesen, zur Jagd zu reiten und Pferde zu züchten, als Messen zu lesen – aber da kann man eben nichts machen, und jetzt hat er halt seine Aufgaben als einer der vielen Priester an der Kathedrale, die er erfüllen muss, und das ist schon in Ordnung so, denn das ist ja auch eine ehrenvolle Aufgabe für den Herrgott und die Kirche und so. Das sind keine ausgeformten Figuren, und die haben schon viel mehr Persönlichkeit als irgendein Priester in „Die Pfeiler des Glaubens“.

Langer Rede, kurzer Sinn: Es kostet wirklich keine Mühe, sich ab und zu mal einen Kleriker auszudenken, der nicht ununterbrochen „Ketzer!“ keift oder Jungfrauen schändet.

File:Edouard Moyse - Inquisition - Google Art Project.jpg
(Edouard Moyse, Inquisition, nach 1872, Wikimedia Commons)

Falcones bildet eine spannende Epoche ab, und er stellt an manchen Stellen gar nicht schlecht dar, wie beide Seiten, Christen und Muslime, sich in einem Kampf befinden, den sie nicht aufgeben können. Die Christen wollen nicht wieder von den Muslimen unterdrückt werden. Die Muslime wollen sich aus der Unterdrückung durch die Christen befreien. Die Christen werden immer inquisitorischer, um herauszufinden, ob die Muslime heimlich ihren Glauben praktizieren oder sich mit ausländischen Fürsten verbünden, um Spanien zurückzuerobern. Die Muslime halten erst recht an ihrem Glauben fest und versuchen so viele Kontakte ins Ausland wie nur möglich zu knüpfen. Eine Ausweglosigkeit, gegenüber der Hernandos gefälschte arabische Heiligentexte, mit denen er eine gewaltlose Versöhnung bewirken will, hilflos und lächerlich wirken.

Vielleicht wäre die Situation, wie sie sich im späten 16. Jahrhundert darstellt, in einigen Punkten vermeidbar gewesen, wenn die christlichen Herrscher nicht bald nach der Reconquista „Taufe oder Auswanderung!“ gesagt hätten; aber natürlich waren die Morisken auch zu diesem Zeitpunkt schon genau das, für was man sie hielt: Eine Fünfte Kolonne des Feindes. Natürlich hofften sie, dass ihre Fürsten das Land zurückerobern würden, was denn sonst? So war die Situation.

Aber Falcones schreibt natürlich nicht nur über die Situation damals. An manchen Stellen erzählt er zwar einfach eine Geschichte und stellt unvollkommene Situationen dar, die eben so gewesen sein könnten, z. B. wenn es um Shamirs und Abduls Ende geht, aber insgesamt wird seine didaktische Absicht doch deutlich: Gewalt ist keine Lösung, die Religionen müssen sich versöhnen, wir glauben doch alle an den Gott Abrahams, religiöse Fanatiker sind alle so brutal, jetzt versöhnt euch doch endlich mal, ihr glaubt immerhin beide an Maria, oder? Ich habe ja nichts gegen Bücher mit einer Message, einige meiner Lieblingsbücher haben eine Message… aber gelegentlich ginge es auch weniger überdeutlich.

Alles in allem: Spannende Zeit, mittelmäßiges Buch, in dem die Nebenfiguren teilweise interessant sind und man über sie zu wenig erfährt. Nervige Begünstigung einer Verschwörungstheorie um das Barnabas-Evangelium, das von Muslimen immerhin immer noch für echt gehalten wird.

Die Pfeiler des Glaubens, Teil 4: Hernando entdeckt ein geheimes Evangelium und die Christen sind lustfeindlich

Teil 3 meiner Rezension findet sich hier.

Teil III des Buches trägt den Titel „Im Namen des Glaubens“. Es geht im Jahr 1584 weiter; Hernando ist also dreißig Jahre alt. Er lebt als Schützling von Herzog Don Alfonso in dessen Palast in Córdoba und muss keinem Beruf mehr nachgehen. Allerdings wird er von der Gattin des Herzogs und den christlichen Höflingen verachtet und die Morisken von Córdoba sehen ihn nicht mehr als einen der Ihren an, da sie nun wissen, dass er während des Aufstands einem christlichen Granden, einem der Männer, die den Verlauf des Krieges bestimmten, zur Flucht verholfen hat. Don Julián und Jalil sind bei einer Pestepidemie zwei Jahre zuvor ums Leben gekommen und Abbas will nichts mehr mit Hernando zu tun haben. Zu seiner Mutter Aischa hat er noch ein wenig Kontakt und versorgt sie mit Geld, sieht sie aber nicht oft. Sein Leben stellt sich im Ganzen als ziel- und planlos dar und er ist noch immer von Trauer um Frau und Kinder erfüllt, die er für tot hält. Gelegentlich einmal sieht er sich Umbauarbeiten in der Tabernakelkapelle der Kathedrale an und dort freundet er sich mit einem italienischen Freskenmaler namens Cesare Arbasia an.

Um sich zu beschäftigen, beschließt er schließlich, sich in der Bibliothek des Herzogs heimlich mit arabischer Kalligraphie zu beschäftigen. Als er das Geschriebene verstecken will, geht er in einen verlassenen Turm des Palastes, ein ehemaliges Minarett (viele Gebäude Córdobas stammen noch aus maurischer Zeit), und findet neben den Treppenstufen lose Steine, hinter denen sich ein Hohlraum verbirgt. Und darin entdeckt er eine Truhe mit einer arabischen Inschrift, aus der er schließt, dass sie aus der Zeit des Umayyaden-Herrschers al-Mansur (938-1002) stammt. Und in der Truhe befinden sich arabische Bücher.

Das nächste Kapitel beginnt nach diesem Cliffhanger mit einer Unterhaltung mit Arbasia, dem Hernando anvertraut hat, dass er Muslim ist. Zunächst spricht er den Maler darauf an, dass der in einer Abendmahlsdarstellung in einem der Fresken eine Frau gemalt habe, die von Jesus umarmt werde. Arbasia erklärt ihm, es handle sich um den heiligen Johannes – allerdings hört er sich ein bisschen ertappt an („‚Das ist der heilige Johannes.’ ‚Aber…’ ‚Glaub mir, es ist der heilige Johannes.’“ (S. 534))*. Boah, ist das Da Vinci Code! Wird man vielleicht auch noch erfahren, dass es sich bei der Frau um Maria Magdalena, Jesu Ehefrau, den wahren Heiligen Gral, handelt, und ihre gemeinsame Tochter die Urahnin der Merowingerkönige wurde?

Jedenfalls, danach kommt Hernando endlich auf das zu sprechen, was er eigentlich bereden wollte: Die Bücher, die er entdeckt hat. Zunächst erläutert er, dass Al-Mansur zahlreiche Schriften aus der Bibliothek von Córdoba, die nach seiner Auffassung nicht dem Islam entsprachen, verbrennen ließ. Natürlich zeigen beide Figuren angemessenes Entsetzen über diese Zerstörung von Kultur und Wissen, diesen „Frevel“ (S. 535), wie Arbasia es nennt.** Dann erklärt Hernando, dass der Kopist der Bücher ein Schreiben in die Truhe gelegt habe, in dem er erkläre, dass er einige Schriften vor der Verbrennung bewahren wollte und in aller Eile Abschriften angefertigt und versteckt habe. Hernando erzählt, dass darunter „wunderbare Gedichtsammlungen und Traktate“ (S. 535) seien, und… „eine alte Abschrift des Evangeliums, das dem Jünger Barnabas zugeschrieben wird“ (ebd.).

„‚Die Gelehrten, die al-Mansur mit der Auswahl der zu verbrennenden Schriften betraut hatte, waren fest davon überzeugt, dass es sich um ein rein christliches Evangelium handle. Aber dieser Barnabas-Text – so der Kopist – bestätigt den Islam. Der Kopist hielt dieses Barnabas-Evangelium für so bedeutend, dass er nicht nur eine Abschrift anfertigte, sondern sogar das Original vor dem Feuer rettete. Er schreibt zwar, dass er es in Córdoba verstecken wollte, aber nicht, ob ihm sein Vorhaben auch gelungen ist.’

‚Was steht in dem Evangelium?’

‚Im Großen und Ganzen sagt es, dass Jesus kein Gottessohn war, sondern ein Mensch – ein Prophet.’ Hernando meinte, bei seinem Gegenüber ein Zeichen der Zustimmung zu erkennen. ‚Und dass nicht Jesus, sondern Judas gekreuzigt wurde. Dort steht auch, dass Jesus nicht der Messias ist und dass sowohl die Ankunft des wahren Propheten als auch die Offenbarung noch bevorstehe. Außerdem wird die Notwendigkeit der Waschungen und der Beschneidung dargelegt. Diesen Text hat jemand verfasst, der Jesus kannte und seine Taten miterlebte. Aber im Gegensatz zu den anderen Evangelien bestätigt er die Glaubensvorstellungen meines Volkes.’

[…]

‚Es ist bekannt, dass die Päpste die Evangelien manipuliert haben’, sagte Hernando noch.“ (S. 535f.)

Ich fasse zusammen: Hernando weiß, dass die Päpste die Evangelien manipuliert haben – und zwar, weil… das unter Muslimen bekannt ist… weil der Islam das lehrt… das ist eben bekannt? Oder so. Außerdem weiß er, dass das Manuskript, das er entdeckt hat, im Gegensatz zu den anderen Evangelien die Wahrheit wiedergibt und von jemandem verfasst wurde, der Jesus kannte, weil… es den Islam bestätigt?

Hier ist es natürlich ganz sinnvoll, auf die Frage einzugehen: Gibt es dieses Barnabas-Evangelium denn wirklich? Gibt es. (Es ist übrigens nicht zu verwechseln mit dem antiken Barnabasbrief.) Falcones geht in seinem Nachwort auf die historischen Hintergründe zu seinem Roman ein, und zur Herkunft des Barnabas-Evangeliums schreibt er sehr knapp: „Keine Hypothese, sondern ausschließliches Produkt der Fantasie des Autors hingegen ist der Bezug zwischen dem Evangelium und dem fiktiven Exemplar, das der Verbrennung der großartigen Bibliothek des Kalifats von Córdoba entging.“ (S. 918) Aha… Wenn man z. B. Wikipedia konsultiert, erfährt man Näheres: Es handelt sich beim Barnabas-Evangelium um eine Fälschung, die zwischen dem 14. und dem 16. Jahrhundert entstanden ist, möglicherweise in Spanien, wobei der Verfasser vielleicht ein zum Islam konvertierter Christ war, der Christen vom Islam überzeugen wollte. Es finden sich ein paar Detailwidersprüche zur islamischen Lehre, die darauf hindeuten, dass er nicht vollkommen mit ihr vertraut war (z. B. wird Mohammed als Messias bezeichnet, was ein unter Christen verbreitetes Missverständnis der islamischen Lehre war, und Maria gebiert ohne Schmerzen, was eine verbreitete Ansicht unter Christen war und ist, aber nicht dem Islam entspricht), vor allem aber widerspricht das Evangelium den kanonischen (und auch den apokryphen) Evangelien der Antike und trägt die islamische Lehre über Jesus vor: Jesus sei nur ein Prophet gewesen, sei nicht gekreuzigt worden, sei nur zu den Juden gesandt gewesen, habe Mohammeds Kommen angekündigt – und zwar namentlich. Falcones setzt vor den Beginn von Teil III ein Zitat aus dem Barnabas-Evangelium: „Und obwohl ich unschuldig war in der Welt, da die Menschen mich ‚Gott’ und ‚Gottes Sohn’ nannten, hat Gott, damit ich am Tag des Gerichts nicht von den Dämonen verspottet werde, es so gewollt, dass ich von den Menschen in dieser Welt verspottet werde durch den Tod des Judas, indem er alle Menschen glauben machte, dass ich am Kreuz gestorben sei. Und dieser Spott wird andauern bis zur Ankunft Mahomets, Gottes Gesandten, der, wenn er kommen wird, diese Täuschung jenen klarmachen wird, die an Gottes Gesetze glauben.“

Falcones’ Darstellung, nach der das Barnabas-Evangelium zumindest noch vor dem 10. Jahrhundert entstanden sein müsste, ist also schlicht irreführend; zudem verschweigt er, dass, selbst wenn es schon vor dem 10. Jahrhundert entstanden wäre, sogar Hernando mit etwas Mühe herausbekommen hätte können, dass es nicht von jemandem geschrieben worden sein kann, der Jesus kannte. In diesem Evangelium fährt Jesus mit dem Schiff nach Nazareth, das im Binnenland liegt, nicht am See Genezareth, und auch nach Jerusalem, für das dasselbe gilt, und er wird geboren, während Pilatus Statthalter ist, obwohl der erst von 26 bis 36 n. Chr., also zur Zeit von Jesu Tod und Auferstehung, auf diesem Posten war. Trotz alldem und trotz der Tatsache, dass es vor dem 16. Jahrhundert keinen Beleg für diesen Text gibt, wird das Barnabas-Evangelium auch heute noch von muslimischen Apologeten als Beweis für den Islam angeführt.

Wieso stellt Falcones das Barnabas-Evangelium also als glaubwürdig dar? Weil Hernando daran glauben muss, damit die weitere Handlung schlüssig ist? Weil ein Roman, in dem ein neu entdecktes Evangelium vorkommt, das den kanonischen Schriften widerspricht, es natürlich nicht als Fälschung aus der frühen Neuzeit darstellen kann, da schließlich die Kirche entlarvt werden muss, weil es sonst langweilig wäre?

Vermutlich Letzeres, aber weiter im Text.

„‚Warum erzählst du mir das alles?’ fragte er [Arbasia] nach einer Weile barsch. ‚Wieso denkst du…?’

‚Heute’, unterbrach ihn Hernando, ‚habe ich in dem Jesus, den du gemalt hast, einen gewöhnlichen Sterblichen gesehen – ein menschliches Wesen, das eine… das jemanden zärtlich umarmt. Dieser Mensch wirkt liebenswürdig, er scheint sogar zu lächeln. Das ist nicht der ewige und allmächtige Sohn Gottes, der leidende, schmerzvolle und blutende Jesus Christus, den man überall in der Kathedrale findet.’“ (S. 536)

Headdesk. Headdesk, Headdesk, Headdesk.

Es gibt drei Probleme bei Hernandos Aussage:

Erstens, Hernando hängt einem islamischen Gottesbild an. Gott ist nicht liebenswürdig und zärtlich; seine Ewigkeit und Allmacht müssen Ihn auch zu einem Herrscher machen, der fern von Seinen Geschöpfen ist und sich nicht wirklich für sie interessiert.

Zweitens, Hernando versteht die Lehre von der Menschwerdung nicht. Die zweite Person der göttlichen Dreifaltigkeit hat wirklich und wahrhaftig Menschennatur angenommen. Seine Mutter hat Ihm ihre Gene vererbt und musste Seine Windeln wechseln, Er hat Wein getrunken, hat Freundschaften geschlossen, hat am Grab eines Freundes geweint, hat Tische im Tempel umgeworfen und hatte panische Angst vor dem Tod am Kreuz. Kurz, Er war „in allem uns gleich außer der Sünde“. Die katholische Kirche lehrt nicht, dass Jesus Gott war und nicht Mensch, im Gegenteil, diese Lehre hat sie in der Antike verurteilt; sie lehrt, dass Er wahrer Gott und wahrer Mensch zugleich war (und immer noch ist, selbstverständlich).

Ein Christus nach dem Leben (Rembrandt van Rijn)
(Rembrandt van Rijn, Ein Christus nach dem Leben, Quelle: Wikimedia Commons)

Ich geb dir zärtlich und liebenswürdig!

Drittens, und das ist nun wirklicher Blödsinn: Hernando scheint „ewig und allmächtig“ mit „leidend, schmerzvoll und blutend“ in eins zu setzen, und scheint „leidend“ irgendwie als negativ und bedrohlich zu betrachten. Zeigt nicht gerade Jesu Leiden seine Menschlichkeit und seine Liebe? Das erinnert mich an Leute, die Kruzifixe als gewaltverherrlichend kritisieren – wenn man ein Opfer von brutaler Gewalt zeigt und es auch noch als Erlöser der Welt und wahren Gott anbetet, verherrlicht man schließlich Gewalt.


(Matthias Grünewald, Isenheimer Altar, Quelle: Wikimedia Commons)

Aber keine Sorge, der Unsinn geht noch weiter.

„‚Du bist Muslim’, sagte er [Arbasia] schließlich. ‚Ich bin Christ.’

‚Aber…’

Der Meister bedeutete ihm, nicht weiterzusprechen.

‚Es ist schwer zu sagen, wer im Besitz der Wahrheit ist. Ihr? Wir? Die Juden? Oder vielleicht die Lutheraner? Sie haben sich von der kirchlichen Doktrin abgewandt. Haben sie deshalb recht? Es gibt viele Christen, die die offizielle Lehre der Kirche nicht akzeptieren.’ Arbasia hielt einen Moment inne. ‚Fest steht nur, dass wir alle an einen einzigen Gott glauben: den Gott Abrahams. Die Muslime sind in diese Gebiete hier eingefallen, weil andere Christen – die Arianer, die mittlerweile selbst zu Ketzern erklärt wurden, sie gerufen haben. Es gab auch in Nordafrika Anhänger des Arius, aber die kastilischen Arianer haben erst viel später begriffen, dass die Araber, die ihnen zu Hilfe kamen, in Wirklichkeit Muslime waren. Verstehst du? Der Arianismus, der nur eine Variante des Christentums ist, und der Islam waren sich sehr ähnlich. Für die kastilischen Arianer war der Islam eine Religion, die Gemeinsamkeiten mit ihrer Religion aufwies: Beide leugnen die Göttlichkeit von Jesus Christus. Aus diesem Grund konnten die Reiche der Hispania auch innerhalb von nur drei Jahren erobert werden. Es gibt nur einen einzigen Gott, Hernando, und zwar Abrahams Gott. Doch jeder sieht in ihm etwas anderes. Und… es ist besser, wenn wir das nicht weiter vertiefen. Die Inquisition…’“

Die Arianer wurden „mittlerweile“ zu Ketzern erklärt? Nach der Eroberung durch die Araber von 711? Also nicht vielleicht schon im Jahr 325 beim Konzil von Nizäa?

Zu der ganzen Geschichte mit den Arianern habe ich bei einer kurzen Internetrecherche nicht viel gefunden; laut Wikipedia soll ein gewisser Graf Julian von Ceuta, der aus persönlichen Gründen ein Gegner des westgotischen König Roderichs war, bei der arabischen Invasion zum Verräter geworden sein – allerdings weiß die Internetenzyklopädie auch von Arianern, die schon lange vorher Spanien verließen und ins muslimisch beherrschte Nordafrika gingen. Also, nehmen wir mal an, dass irgendeine Wahrheit hinter Falcones’ Darstellung steckt – ob diese Arianer dann wirklich so ahnungslos in Bezug auf den Islam waren? Immerhin ist auch bekannt, dass andere Häretiker, die ganz und gar nicht die Göttlichkeit Jesu leugneten, in Ägypten oder Syrien den arabischen Eroberern einfach deshalb nicht viel Widerstand entgegensetzten oder ihnen in Einzelfällen sogar halfen, weil ihnen die im Moment lieber waren als die oströmischen Kaiser, die sie unterdrückten. Im Lauf der Geschichte hat es die seltsamsten Allianzen gegeben; auch später haben sich manche christliche Fürsten mit muslimischen oder muslimische mit christlichen gegen ihre eigenen Glaubensgenossen verbündet. Aber gut, Informationen konnten im frühen 8. Jahrhundert ja wesentlich weniger schnell und sicher verbreitet werden als heute.

Und Arbasia hat natürlich Recht, der Arianismus und der Islam waren einander nicht unähnlich. Gut: Arius hielt Jesus nicht nur für einen Menschen sondern für ein Mensch gewordenes gottähnliches Wesen, eine Art obersten Engel, sozusagen – aber eben nicht für Gott selbst. Der Skandal, dass wirklich Gott wirklich Mensch geworden sein sollte, wurde von vielen Häretikern der Antike wegerklärt – die einen hielten Jesus nicht für wirklich göttlich, die anderen sagten, Gott wäre nicht wirklich Mensch geworden und hätte sicher nicht leiden können, sondern es hätte sich bei Jesus nur um eine Art Erscheinung gehandelt.

Aber das ist doch genau der Punkt: Der Islam ist im Grunde genommen eher eine christliche Häresie als eine eigenständige heidnische Religion. Mohammed übernahm die wichtigsten Grundannahmen der jüdischen und der christlichen Religionen, die er kannte, nämlich dass es einen Gott gibt, der allmächtig, allwissend und vollkommen gut ist, der die Welt erschaffen hat, und der nach dem Tod gemäß ihrer Taten über die Menschen richten wird. Alles andere, was zu kompliziert war, oder was irgendwie Gottes Souveränität und Hoheit zu schmälern schien, wie etwa die Menschwerdung, lehnte Mohammed ab, fügte dann noch einige Regeln für das praktische Leben hinzu, und machte sich dann daran, seine Religion mit dem Schwert zu verbreiten. Der Islam ist einfach eine simplifizierte, praktische und kämpferische Verdrehung des Christentums, die leider nicht der Realität entspricht.

Und hier setzt Arbasias Problem ein: Es gibt also so viele unterschiedliche Gruppen, die so viele unterschiedliche Behauptungen über diesen Gott Abrahams aufstellen, jetzt auch noch die Lutheraner. Wem sollen wir folgen? Wer hat Recht? Gute Frage, und dann könnte man sich daran machen, die Antwort zu suchen. Ich muss sagen, an dieser Stelle ist Hernando mir sympathisch, als er Arbasia antwortet „Aber wenn jene Christen, die Jesus Christus wirklich kannten, behaupten, dass er nicht Gottes Sohn war…“ (S. 537), die Frage, welche Religion die richtige ist, also zumindest rational durchdenken will. Aber Arbasia würgt ihn sofort ab: „Wir sind nur Menschen. Wir stellen Unterschiede fest, wir interpretieren, wir wählen aus. Gott ist immer der Gleiche. Ich denke, das leugnet niemand. Und jetzt lass uns essen“ (ebd.). Mit anderen Worten: Ich behaupte einfach, dass wir nichts wissen können, also lass diese Versuche, die Wahrheit herauszufinden. Einigen wir uns einfach auf einen kleinsten gemeinsamen Nenner. Die Frage wäre dann natürlich noch: Was ist dieser kleinste gemeinsame Nenner? Und woher wissen wir, dass der wahr ist? Was genau ist dieser „Gott Abrahams“ und ist Er real?

Nach diesem Gespräch mit Arbasia denkt Hernando darüber nach, dass Abbas und die anderen Männer der Gemeinde für die Zukunft eher auf Gewalt und Kampf setzen und sich wahrscheinlich gar nicht erst für das Barnabas-Evangelium interessieren werden. „Hernando atmete tief durch: Seine einzige Gewissheit war, dass sich die Situation seines Volkes durch Gewalt nicht verbessern würde.“ (S. 538)

Kurz darauf wird Hernando im Auftrag von Don Alfonso, der im Finanzrat des Königs sitzt, in die Alpujarras, seine ehemalige Heimat, geschickt, um nachzuforschen, wieso die dortigen königlichen Ländereien (hauptsächlich ehemaliges Land von Morisken, das neuen Siedlern zugeteilt wurde) so wenig Profit abwerfen. Als der Herzog ihn vor der Reise fragt, ob er dort denn alte Freunde habe, die für seine christliche Loyalität bürgen könnten, falls er als Moriske angefeindet werden sollte, nennt Hernando spontan den Marquis von Los Vélez, zu dem er damals Isabel gebracht hat, und behauptet ungeniert, außer ihr noch mehr Christen das Leben gerettet zu haben. Das Gerücht von diesen Taten verbreitet sich in Córdoba und noch bevor Hernando aufbricht, erklärt Aischa ihm, dass sie nichts mehr mit ihm zu tun haben wolle.

Hernando reist also zusammen mit einem Verwandten des Herzogs in die Alpujarras, wo er die neuen christlichen Siedler als faul und nutzlos beurteilt, und außerdem erfährt, dass Isabel, die damals im Krieg vom (inzwischen verstorbenen) Marquis von Los Vélez als Gesellschafterin seiner Töchter aufgenommen wurde, inzwischen mit einem Richter am Obergericht von Granada verheiratet ist. Er reist weiter nach Granada, wo er Isabel trifft, die drei kleine Kinder hat, von denen das älteste nach ihrem Bruder Gonzalico benannt wurde. Ihr Ehemann, Don Ponce de Hervás, wirkt weder besonders sympathisch noch besonders unsympathisch. Hernando erstellt seinen Bericht für den Herzog mit Vorschlägen zur Verbesserung der Wirtschaft in der Gegend, und wird außerdem vom Erzbistum Granada gebeten, einen weiteren Bericht über die Märtyrer im Alpujarras-Krieg zu erstellen, da sich sein Ruhm als Retter von Christen auch hier verbreitet hat.

Wie man es bei einem 908-seitigen historischen Roman erwarten kann, darf auch Sex als Teil der Handlung nicht fehlen; irgendwie muss man ja Nahrung für die schmutzigen Fantasien der Leser bereitstellen. Was das angeht, hat Falcones schon in Teil II ausführlich die mutmaßliche Heuchelei der Christen thematisiert, zum Beispiel an dieser Stelle nicht lange nach Hernandos Ankunft in Córdoba Anfang der 1570er:

„Hernando hatte die Lebensweise der Menschen in Córdoba schnell durchschaut und hinter die schöne Fassade des Christentums geblickt, mit seinen Geistlichen und Gottesdiensten, seinen Prozessionen und Rosenkranzgebeten, seinen Laienschwestern und Bruderschaften, die in den Straßen um Almosen bettelten. Die frommen Menschen der Stadt gingen alle ihren religiösen Pflichten nach und unterstützten großzügig die Hospitäler und Klöster, sie setzten die Kirche in ihren Testamenten als Alleinerbin ein oder hinterließen ein Vermögen, mit dem die christlichen Gefangenen von den Barbaresken freigekauft werden sollten. Sobald sie aber der Kirchen gegenüber ihre Pflicht erfüllt hatten, entsprachen ihre Interessen und ihre Lebensführung absolut nicht den religiösen Vorschriften. Sogar die Priester lebten trotz aller Beschlüsse des Konzils von Trient, so sie keine Konkubine hatten, zumindest mit einer Sklavin unter einem Dach – eine Sklavin zu schwängern war schließlich keine Sünde. [Und hier bin ich mir nun wirklich sicher, dass alle Kasuisten des 16. Jahrhunderts „FALSCH!!!“ gebrüllt hätten.] […] Und erst die Bemühungen der Kirchenbehörden, Beichtväter davon abzuhalten, Frauen zum Beischlaf zu zwingen, führten dazu, dass Geistliche und Sünder in den Beichtstühlen durch Gitter getrennt wurden. Doch nicht einmal die Vertreter dieser Behörden waren ein Vorbild, was Keuschheit und Sittsamkeit anging. […] Die Mehrzahl der Nonnen war von ihren Familien aus rein wirtschaftlichen Gründen in die Obhut der Kirche gegeben worden […], so war es nicht verwunderlich, dass diesen jungen Frauen meist jegliche echte religiöse Berufung fehlte.“ (S. 287f.)

Und schon kurz vorher hat Hamid mit Hernando über die „Lustfeindlichkeit“ und die gleichzeitigen Ausschweifungen der Christen gesprochen:

„‚Die Frauen wissen, dass ihre Männer ins Freudenhaus gehen’, unterbrach ihn Hamid […]

‚Die Christen suchen die Lust nicht bei ihren eigenen Frauen […] Man darf keine Sinnlichkeit suchen…’

‚…denn sie ist Sünde!’ vervollständigte Hernando den angefangenen Satz und lächelte.(S. 278)

Ach mei. Ich finde es zunächst ja mal… interessant… dass „Moral“ in Falcones’ Augen nur „Sexualmoral“ zu bedeuten scheint. Großzügige Spenden für Spitäler oder zum Freikauf von Sklaven oder auch die Tätigkeit einer Laienschwester beispielsweise sind die unaufrichtige Erfüllung äußerer Vorschriften, während es tatsächlich nur darauf ankommt, ob man eine Geliebte hat oder nicht. Vermutlich liegt diese falsche Interpretation daran, dass Falcones ernsthaft meint, die Katholiken würden unter „Moral“ nur „Sexualmoral“ verstehen. Aber gut, sie gehört immerhin zur Moral, und ist auch nicht ganz unwichtig.

Dann ist das eine dieser Stellen, an denen ich es wirklich bedaure, dass Zeitreisen unmöglich sind. Ich würde zu gern mal ins Córdoba der 1570er hinein schauen, um zu wissen, wie ausschweifend die Leute denn damals tatsächlich waren und wie viel von dieser Darstellung der Fantasie eines Autors, der seine Leser schließlich irgendwie fesseln muss, entsprungen ist. So ganz kann ich mir nämlich nicht vorstellen, dass das überfromme Córdoba in Bezug auf das 6. Gebot so viel verdorbener war als etwa ein Dorf in den Alpujarras. (Dass die Sexualmoral überall nicht einwandfrei eingehalten wurde, ist eh klar. Bei den Christen gab es dafür dann das Beichtsakrament. Sogar mit Gittern zur Wahrung einer gewissen Anonymität. Aber ganz abgesehen davon halte ich es für logischer, dass eher diejenigen Männer, die das, was die Pfaffen sagten, eh nicht so wichtig nahmen (und von solchen Leuten gibt es auch in der allerkatholischsten Gesellschaft genug, u. U. auch unter den Pfaffen selber), öfter mal eine Prostituierte aufsuchten, als die skrupulösen Frommen, die sich schon Sorgen machten, ob sie vielleicht den Sex mit der Ehefrau zu sehr genossen hatten.)

Und glaubten die frommen Christen denn wirklich, was Falcones (bzw. Hamid) hier behauptet, dass sie glaubten? „Lust ist für sie eine Sünde“? Na ja, ich kann nicht mit Sicherheit sagen, welche populärtheologischen Ideen bei spanischen Laien des späten 16. Jahrhunderts möglicherweise in Umlauf waren; ich kann allerdings die Gedanken eines bekannten französischen Bischofs und Ordensgründers aus etwa derselben Zeit zitieren. Der heilige Franz von Sales schreibt in seiner „Einführung ins fromme Leben“, erstmals veröffentlicht 1609, in einem Kapitel über die eheliche Keuschheit:

„Es besteht einige Ähnlichkeit zwischen der Befriedigung des Geschlechtstriebes und der Esslust; beide beziehen sich auf den Leib; wenn auch nur die erste wegen ihrer elementaren Gewalt Begierde des Fleisches genannt wird. Was ich also von dieser nicht gut sagen kann, will ich durch die andere andeuten.

  1. Wir müssen essen, um unseren Leib zu erhalten. Das Essen ist also gut, heilig und geboten, um uns zu ernähren und bei Kräften zu erhalten. Ebenso ist auch in der Ehe alles gut und heilig, was zur Kinderzeugung und zur Erhaltung des Menschengeschlechtes notwendig ist; das ist ja der Hauptzweck der Ehe.
  2. Man kommt zum Essen zusammen, nicht nur um das Leben zu erhalten, sondern auch um die Geselligkeit und die menschlichen Beziehungen zu pflegen; das ist durchaus in Ordnung. Ebenso in Ordnung ist die rechtmäßige gegenseitige Befriedigung der Gatten in der Ehe, die der hl. Paulus eine Pflicht nennt (1 Kor 7,3), und zwar eine so ernste Pflicht, dass er die Enthaltsamkeit eines Gatten nicht ohne freie und gern gewährte Zustimmung des anderen billigt, nicht einmal, um Übungen der Frömmigkeit zu obliegen (darüber habe ich im Kapitel über die heilige Kommunion schon die entsprechenden Bemerkungen gemacht), ganz zu schweigen von Gründen launenhafter Tugendanwandlungen oder von Zorn und Verachtung.
  3. Kommt man aus Geselligkeit zum Essen zusammen, dann soll man essen, ohne sich zu zieren oder den Eindruck eines Zwanges zu erwecken, sondern ruhig seinem Appetit folgen. Ebenso soll auch die eheliche Pflicht treu und ungezwungen geleistet werden und so, als sei Nachkommenschaft zu erwarten, auch wenn diese Möglichkeit aus irgendeinem Grund nicht besteht.
  4. Isst man aus keinem der beiden Gründe, sondern einzig um die Esslust zu befriedigen, so geht das noch an, wenn es auch nicht gerade lobenswert ist. Die Befriedigung der sinnlichen Lust allein lässt eine Handlung noch nicht lobenswert erscheinen, sondern höchstens erlaubt.
  5. Nicht nur mit Appetit, sondern über alles Maß und jede Ordnung hinaus zu essen, ist umso verwerflicher, je größer die Maßlosigkeit ist.
  6. Die Maßlosigkeit im Essen zeigt sich nicht nur in der Menge der Speisen, sondern auch in der Art und Weise zu essen. Der Honig ist für die Bienen so gut, er kann ihnen aber auch schaden, wenn sie im Frühling zu viel davon aufnehmen, ja sie können daran zugrunde gehen, wenn Kopf und Flügel mit Honig verklebt sind. Ebenso ist der eheliche Verkehr, sonst so heilig, gerecht, empfehlenswert und der Gesellschaft nützlich, in bestimmten Fällen gefährlich. Durch Übertreibung können die Seelen der Gatten erkranken an lässlicher Sünde, ja sie können dadurch sogar sterben an der Todsünde, wenn die von Gott bestimmte Ordnung des Kindersegens verletzt oder in das Gegenteil verkehrt wird. […] [Franz von Sales spricht hier von Praktiken wie coitus interruptus] Es zeugt von einem niedrigen, hässlichen, gemeinen und hemmungslosen Charakter, wenn man schon vor der Mahlzeit sich in Gedanken mit dem Essen und seinen verschiedenen Gängen beschäftigt; noch gemeiner ist es, nach dem Essen alle Gedanken und Worte darauf gerichtet zu halten und sich in der Erinnerung an den Genuss zu ergehen, den man beim Schmausen der Leckerbissen empfand. So handeln Leute, deren Gott ihr Bauch ist, wie Paulus sagt (Phil 3,19). Vornehme Menschen denken an die Tafel erst, wenn sie sich niedersetzen; nachher waschen sie Hände und Mund, damit an ihnen nicht Geschmack und Geruch der Speisen haften bleiben. – So sollen auch Eheleute nach Erfüllung ihrer ehelichen Pflichten ihre Gedanken von jeder sinnlichen Lust lösen, Herz und Seele sogleich davon reinigen, um sich in voller Freiheit des Geistes Reinerem und Höherem zuzuwenden. Wer so handelt, befolgt die Lehre, die der hl. Paulus den Korinthern gab: ’Die Zeit ist kurz; wer ein Weib hat, handle, als hätte er keines’ (1 Kor 7,29). Wie der hl. Gregor sagt, besitzt jener eine Frau, als hätte er keine, der die sinnlichen Freuden mit ihr so genießt, dass sie ihn in seinen geistigen Bestrebungen nicht behindern. Dasselbe gilt auch von der Frau. Wieder sagt der hl. Paulus: ’Die von dieser Welt Gebrauch machen, mögen so handeln, als machten sie davon keinen Gebrauch’ (1 Kor 7,31). Es mache also jeder von dieser Welt Gebrauch je nach seinem Beruf, ohne jedoch seine Liebe daran zu hängen, damit er frei und bereit ist, Gott zu dienen, als machte er keinen Gebrauch von der Welt.“ 

Franz von Sales sieht also ganz im Sinn der kontinuierlichen kirchlichen Lehrtradition sexuelle Lust – ebenso wie etwa Essensgenuss oder materiellen Besitz oder Ehre oder irdische Macht – als etwas Gutes, Erlaubtes, und von Gott Eingesetztes, das auch unmäßig oder in falscher Weise gesucht werden kann und an dem man nicht zu sehr hängen sollte. Der streng logische Scholastiker Thomas von Aquin, der bedeutendste Theologe des Mittelalters, lehrte das Gleiche. Tatsächlich scheint Falcones nicht bewusst zu sein, dass die Kirche in Antike und Mittelalter mit Häretikern zu tun hatte, die sexuelle Lust tatsächlich für grundsätzlich sündhaft hielten (Gnostiker, Manichäer, Katharer), weil sie die ganze materielle Welt für schlecht, nicht für Gottes gute Schöpfung hielten, und dass sie diese Häretiker deshalb verurteilte. Unter den katholischen Theologen ist mir lediglich von dem spät bekehrten Playboy und Ex-Manichäer Augustinus bekannt, dass er Lust auch in der Ehe zumindest für eine lässliche Sünde hielt. Alles in allem halte ich es für unwahrscheinlich, dass die frommen Bewohner Córdobas der Meinung waren, sie müssten es beichten, wenn ihnen der eheliche Verkehr mit ihren Gattinnen und Gatten gefallen hatte.

Aber, zugegeben: Irgendwo hat Falcones ein bisschen Recht. Die katholische Kirche hat die Sexualität tendenziell immer als problematischer behandelt als der Islam das tut. Die Enthaltsamkeit schätzen wir mehr, bei der Ehe sind wir deutlich strenger – man muss sich sogar mit einer Frau zufriedengeben, während Muslime vier Ehefrauen und unendlich viele Sklavinnen haben dürfen -, und die frommen Muslime werden in ihrem Paradies immerhin von „großäugigen huris“ (Sure 52,20) erwartet, während wir Christen uns damit begnügen müssen, das Angesicht Gottes zu schauen.

Fest im Harem.jpg   

Friedrich Wilhelm Goedsche, Fest im Harem         –         Sel. Karl I. mit seiner Braut Zita

Ich meine ja nur.

Okay, zurück zu Falcones. Jetzt, in Teil III, beginnt Hernando eine Affäre mit Isabel – an der sich zeigt, dass Falcones nicht mal die islamische Sexualethik kapiert. (Es gibt ein paar Stellen, die man besser überblättert; schließlich geht einen auch bei Buchfiguren gewisses intimes Zeug nichts an. Schamhaftigkeit und so.)

Isabel initiiert die Affäre, schämt sich deshalb aber gleichzeitig (was sie, nun ja, schließlich auch sollte), und Hernando versucht – schließlich mit Erfolg –, ihr ihre Scham und ihre Schuldgefühle zu nehmen; er wünscht sogar, ihr sagen zu können, dass man sich durch Sex „Gott […] annähern konnte“ (S. 589).

Ich bin mir nicht ganz sicher, ob dem Autor klar ist, dass Hernando nach islamischem Recht für diese Art der Annäherung an Gott die Steinigung verdient hätte. (Entgegen dem Eindruck, den Europäer manchmal zu haben scheinen, trifft diese Strafe nach der Scharia durchaus auch Männer.) Dass ein – ja durchaus religiöser – Mann des 16. Jahrhunderts so gedacht hätte, ist jedenfalls schwer vorstellbar. Bei Falcones sieht man Sex entweder als grundsätzlich gut oder als grundsätzlich sündhaft an; für differenziertere Positionen wie „Sex mit deinem Ehepartner ist gut, Untreue ist schlecht“ gibt es keinen Platz.

Das Traurige ist, dass Falcones nicht mal diese Affäre so darstellt, wie es noch vor einiger Zeit in Romanen üblich war. (1. Die beiden Beteiligten empfinden eine unbezwingbare Leidenschaft füreinander, die sie trotz aller Bemühungen nicht aus ihren Herzen reißen können. 2. Sie schwören einander ewige Verbundenheit. 3. Sie fliehen gemeinsam vor ihrem, am besten lieblosen und grausamen, Ehemann und bauen sich irgendwo ein neues gemeinsames Leben auf. 4. Entweder leben sie glücklich bis ans Ende ihrer Tage, oder aber es kommt vor dem Ende noch ein bisschen Spannung auf, weil „ihre Vergangenheit sie wieder einholt“.) Isabel und Hernando reden nicht viel miteinander, bevor sie beginnen, miteinander zu schlafen; und sie reden auch danach kaum über ihre Gefühle füreinander – auch wenn Isabel offensichtlich eine gewisse Verehrung für Hernando empfindet, der sie damals gerettet hat. Hernando wird, kurz bevor er Granada wieder verlässt, klar, dass er immer noch nur Fatima liebt. „Nein, er empfand für Isabel keine Liebe!“ (S. 606) Sie finden sich gegenseitig attraktiv, das ist im Grunde alles.

Ja, Falcones’ Darstellung von Ehebruch ist natürlich die realistische. Aber wieso verteidigt er die dann noch?

Nachdem Don Ponce durch seine Diener von der Affäre erfahren hat, entscheidet er sich dafür, ihr ein Ende zu setzen, ohne dass ein Skandal entsteht, und lässt eine gestrenge Verwandte kommen, die Isabel bewacht und dafür sorgt, dass sie keinen Kontakt mehr zu Hernando hat. Hernando reist rasch ab, nachdem ihm klar geworden ist, dass der Ehemann Bescheid weiß; ein letztes geheimes Treffen mit Isabel gibt es noch, und dann nehmen sie voneinander Abschied.

Zuvor allerdings ist noch etwas anderes passiert, das ich erwähnen muss: Hernando hat in Granada drei niedere Adlige namens Don Pedro de Granada Venegas, Don Miguel de Luna und Don Alonso del Castillo kennen gelernt (die letzteren beiden sind auch Ärzte und Übersetzer für Arabisch), die als gute Christen gelten und sogar für die Inquisition arbeiten, ihm aber anvertrauen, dass sie ebenfalls muslimische Vorfahren haben, selbst muslimischen Glaubens sind und Don Julián kannten. (Da ihre Familien schon vor längerer Zeit geadelt wurden, haben sie es leichter als die normalen „Neuchristen“ und man begegnet ihnen nicht mit Misstrauen.) Die drei sehen wie Hernando keine Lösung im bewaffneten Aufstand gegen die Christen, sondern wollen diese stattdessen dazu bewegen, ihre Vorurteile gegenüber den Morisken aufzugeben. Luna schreibt an einem Buch über die arabische Invasion und den Westgotenkönig Roderich: „Ausgehend von Erzählungen einer erfundenen arabischen Handschrift aus der Bibliothek des Escorial stellte er darin die Eroberung Spaniens durch die Muslime aus den Barbareskenstaaten als eine Befreiung der Christen dar, die unter der Tyrannei ihrer westgotischen Könige litten. Immerhin hatte es nach dieser Eroberung achthundert Jahre lang Frieden und ein gütliches Zusammenleben der beiden Religionen gegeben.“ (S. 599) Diese achthundertjährige Friedensperiode fand vermutlich in einem Paralleluniversum statt.

Die drei jedenfalls wollen Hernando dazu bewegen, ihnen zu helfen, und den Lügen über die Morisken in christlichen Pamphleten ihre eigenen Lügen entgegenzusetzen. „Wir müssen mit den gleichen Waffen kämpfen“ (so Don Pedro auf S. 599); „Und für diesen Kampf brauchen wir Menschen wie dich: kluge Köpfe, die lesen und schreiben können“ (Don Alonso auf S. 600). Hernando stimmt nach einigem Zögern zu, kurz bevor er Granada verlässt.

Er kehrt zurück nach Córdoba, hält seine neuen Pläne allerdings vor seiner Mutter und allen anderen Morisken geheim, da man ihn um Stillschweigen gebeten hat, und wird von ihnen daher weiter für einen Verräter gehalten. Er verfasst seinen Bericht für den Erzbischof von Granada, in dem er die Geschehnisse im Krieg möglichst geschönt darstellt, und schickt ihn nach Granada. Außerdem kommt ihm die Idee, die Jungfrau Maria zu benutzen, die sowohl von Christen als auch von Muslimen verehrt wird, um die beiden Religionen einander anzunähern, und er macht Don Alonso in einem Brief diesen Vorschlag:

„Wir alle wissen, dass die Päpste die göttliche Wesenheit von Jesus dreihundert Jahre nach seinem Tod verändert haben. Er selbst, Isa, hat sich niemals Gott oder Gottessohn genannt, er hat nichts anderes getan als wir: Er hat die Existenz eines einmaligen und einzigen Gottes verteidigt. Doch wenn die Päpste die göttliche Wesenheit von Jesus auch verfälscht haben, so widerfuhr seiner Mutter nicht das gleiche Schicksal. […] Es ist also Maryam, in der unsere beiden Religionen nach wie vor übereinstimmen […] Wenn die Priester und das gemeine Volk, die uns derzeit für Ketzer halten, begreifen, dass wir ihre Mutter Gottes genauso verehren wie sie, überdenken sie vielleicht ihr Verhalten uns gegenüber.“ (S. 634f.)

Ich schätze, man kann es Hernando nicht übel nehmen, dass zu seiner Zeit noch keine (oder jedenfalls nicht so viele wie heute) Abschriften der kanonischen Evangelien, die vor dem Jahr 300 entstanden waren, gefunden waren, geschweige denn naturwissenschaftlich datiert werden konnten. Trotzdem nervt es ein bisschen, dass er zu keiner Zeit auf die Idee kommt, sich zu fragen, wieso eine solche päpstliche Verschwörung erstens begonnen worden sein und zweitens dann Erfolg gehabt haben soll. Er schreibt in seinem Brief weiter über das Barnabas-Evangelium:

„Bestimmt wird man eine Schrift wie dieses Evangelium sogleich als apokryph, ketzerisch und den Grundsätzen der Heiligen Mutter Kirche widersprechend bewerten. Lasst uns damit beginnen, die Christen von unseren Glaubensgrundsätzen zu überzeugen. […] Lasst uns zumindest erste Zweifel säen, um eine gütigere und barmherzigere Behandlung erfahren zu können.“ (S. 635)

Don Alonso zeigt sich in seiner Antwort gespannt auf das Barnabas-Evangelium und stimmt Hernando in Bezug auf Maria zu, weist aber auch darauf hin, dass man auch den hl. Caecilius, den ersten Bischof und Stadtpatron von Granada, dessen Reliquien noch nicht entdeckt sind, nicht vergessen sollte, da dieser Araber gewesen sei. (Keine Ahnung, woher diese Behauptung stammt.) Don Alonso erwähnt auch ein Dekret des spätantiken Papstes Gelasius, in dem ein Barnabas-Evangelium unter apokryphen Schriften aufgeführt werde.  Dieses Dekret existiert tatsächlich; über den Inhalt des antiken Barnabas-Evangeliums weiß man allerdings leider nichts. Es ist durchaus möglich, dass die spätmittelalterliche/frühneuzeitliche Schrift, um die es hier geht, unter Rückgriff auf dieses Dekret als Evangelium des Apostels Barnabas ausgegeben wurde.

Hernando macht sich also daran, eine erste Handschrift zu fälschen. Auf einem alten Pergamentstück schreibt er auf Arabisch eine rätselhafte Prophezeiung auf, die angeblich von Dionysios, Bischof von Athen stamme, und von Caecilius in diese Sprache übertragen worden sei. „Darin wird die Ankunft des Islam vorausgesagt, die Abspaltung der Protestanten und all das übrige Leid, das das Christentum schwächen wird, wie der Zerfall in viele Sekten. Aber aus dem Osten wird ein König kommen, der die Welt beherrschen wird, der eine einzige Religion einführen und all diejenigen bestrafen wird, die lasterhaft lebten“ (S. 640), erklärt Hernando seinen Mitverschwörern, als er wieder nach Granada reisen kann. Er sei dabei aber uneindeutig geblieben, damit die Schrift nicht sofort als Ketzerei eingestuft werden würde. Er gibt den dreien außerdem ein paar Dinge, die sie als Reliquien ausgeben können, z. B. ein auf alt gemachtes Tuch und ein aus einem Armengrab ausgegrabener Knochen. Die Leichenschändung finde ich wesentlich abstoßender als die Fälschungen.

Ein allgemeiner Gedanke zu den Fälschungen: Es war früher™ gar nicht mal selten, dass man angeblich alte oder geheime Dokumente fälschte, auch wenn manche Leute es gelegentlich so klingen lassen, als wären ideologische Fakenews eine Sache der letzten paar Jahre. Zahlreiche apokryphe Evangelien aus dem 2. oder 3. Jahrhundert geben sich als Werke von Aposteln aus (z. B. das Thomas-Evangelium); eine andere bekannte Fälschung wäre auch die Urkunde über die konstantinische Schenkung aus dem 8. Jahrhundert, die im 15. Jahrhundert von Bischof Nikolaus Cusanus als solche erkannt wurde. Sicher stellten solche Fälscher manchmal, wie Hernando und seine Verbündeten, mit guten Absichten die Geschichte zwar nicht so dar, wie sie stattgefunden hatte, aber wie sie ihrer Meinung nach stattgefunden haben sollte. Der Fälscher der Monita Secreta zum Beispiel wusste sehr gut, dass die Jesuiten nicht die geheimen Regeln hatten, die er ihnen zuschrieb, nahm aber in seinem Verschwörungsdenken vermutlich an, dass sie ähnliche haben müssten.

Das Pergament und die „Reliquien“ werden in einem alten Minarett versteckt, das gerade abgerissen wird, und werden wie geplant von den Arbeitern bei den Abrissarbeiten entdeckt, und die Christen reagieren begeistert auf die Heiligtümer; die Behauptungen in dem Pergament scheinen zunächst keinen Einfluss auf irgendjemanden zu haben. Kurz bevor Hernando nach Córdoba zurückkehrt, begegnet er Isabel noch einmal auf der Straße und sie bittet ihn, sie in Ruhe zu lassen. „Ich musste erst krank werden, um dich zu vergessen. Ich will nicht noch einmal leiden. Lass mich, ich flehe dich an.“ (S. 645) Offenbar hat sie also eine Krankheit als göttliche Strafe interpretiert. Danach sieht Hernando sie nicht wieder.

Dafür kommt Fatima wieder vor. Nachdem sie den tyrannischen Ibrahim lange Jahre ertragen und mit ihm zwei Töchter bekommen hat, ersticht sie ihn schließlich, und sein Sohn Shamir und ihr Sohn Francisco, der inzwischen Abdul heißt, helfen ihr. Beide hassen Ibrahim noch immer, auch wenn er Shamir als seinen bevorzugten Erben behandelt hat. Niemand in der Piratenstadt Tetuan versucht, Näheres über Ibrahims Tod herauszufinden und sie zur Rechenschaft zu ziehen, und kurz darauf schickt Fatima einen jungen jüdischen Kaufmann namens Ephraim mit einem Brief an Hernando nach Córdoba, um ihm mitzuteilen, dass sie alle noch leben. Die Morisken in Córdoba, an die Ephraim sich wendet, um Hernando zu finden, verhalten sich jedoch abweisend und Ephraim erwischt schließlich nur Aischa, die ihm sagt, Hernando sei ein Verräter geworden, und den Brief zerreißt. Ephraim kehrt nach Tetuan zurück.

Inzwischen schreibt man das Jahr 1588 und die spanische Armada greift England an; auch Don Alfonso und sein ältester Sohn ziehen in den Krieg. Als sie nach dem misslungenen Angriff verschollen sind, wird im Palast in Córdoba für sie gebetet, und zwar mit den Worten „Maria, mater gratiae, mater misericordiae…“ (S. 661), d. h. „Maria, Mutter der Gnade, Mutter der Barmherzigkeit“, was im nächsten Satz als „Rosenkranzgebet“ bezeichnet wird, wobei sich wieder mal zeigt, dass Falcones sich bei den liturgischen Details etwas mehr Mühe hätte geben können.*** Mir tut es leid um Don Alfonso. Ich war zwar enttäuscht – sehr enttäuscht -, dass der namenlose Gefangene aus Teil I, als man ihn wiedertrifft, nur eine solche Nebenrolle spielt und kaum bei Gesprächen mit Hernando o. Ä. gezeigt wird, aber trotzdem mochte ich ihn.

An dieser Stelle eine kurze Stilkritik an Falcones‘ Roman: Der Autor ist schlecht darin, Vorausdeutungen zu erfüllen. Er baut Details in den Roman ein, die ominös wirken und auf ihre Auflösung zu warten scheinen, aber am Ende zu nichts führen. Ein Beispiel: Im ersten Teil des Buches ist Hernando ein paar Wochen in König Aben Humeyas Auftrag unterwegs, und währenddessen macht Ibrahim sich an Fatima heran. Als Hernando dann eines späten Abends nach Ugijar zurückkehrt, ist der König gerade zu Gast bei einer Hochzeit. Detailliert wird die Feier beschrieben; die verhüllte Braut, deren Name nicht genannt wird, wird zum Haus ihres Bräutigams, dessen Name ebenfalls nicht genannt wird, und dann hinauf ins Brautgemach geführt; als Hernando ankommt, entdeckt er Ibrahim, der bester Laune zu sein scheint, unter den Gästen im Garten des Anwesens – und man macht sich die ganze Zeit Sorgen, dass Hernando zu spät ist und Ibrahim Fatima schon dazu gebracht hat, ihn zu heiraten – aber nö, da findet nur gerade zufällig eine Hochzeit anonymer Nebenfiguren statt, die dann keine weitere Rolle mehr spielt. Später, in Córdoba, stehen nach einem traurigen Gespräch zwischen Fatima und Hernando (inzwischen ist sie mit Ibrahim verheiratet) am Ende eines Kapitels folgende Sätze: „In einiger Entfernung stand eine in Schwarz gekleidete junge Adlige auf dem Balkon eines kleinen Palastes und beobachtete das Spektakel unter sich: Die fünf jungen Edelleute machten ihr den Hof, indem sie dem Stier tödliche Stöße versetzten, während das einfache Volk im Schutz der angrenzenden Sackgassen vor Begeisterung tobte und applaudierte.“ (S. 276) Wer ist diese Adlige? Wieso trägt sie Schwarz? Wann werden sich ihre Wege mit Hernandos kreuzen? Falcones baut solche Details sicher mit voller Absicht ein, damit es lebendiger wirkt und man sich die Atmosphäre in der Geschichte besser vorstellen kann, aber ich halte es für schlechten Stil; es ist frustrierend für den Leser und hält bloß bei der Lektüre der eigentlichen Geschichte auf. Auch bei dem Herzog hätte ich mir mehr erwartet, nachdem er so vielversprechend eingeführt wurde.

Bittprozessionen für die verschollenen Soldaten werden in Córdoba abgehalten, und bei einer solchen Prozession nimmt der Haushalt des Herzogs teil und Hernando schultert eins der Holzkreuze. Als Aischa ihn so auf der Straße sieht, beginnt sie das islamische Glaubensbekenntnis zu schreien und wird von einem Büttel festgenommen. Ihr Sohn sieht und hört sie in dem Trubel nicht.

Nicht lange darauf wird der Tod des Herzogs und seines Sohnes vermeldet, und Don Alfonsos Witwe wirft Hernando aus dem Palast. Eine Zeitlang verdient er sich mithilfe eines Freundes aus alten Tagen, der inzwischen eine illegale Spielhölle betreibt, mit Taschenspielertricks Geld, um sein Gasthauszimmer bezahlen zu können. An dieser Stelle lernt er auch einen verkrüppelten Straßenjungen namens Miguel kennen, der gerne Geschichten erzählt und gut mit Tieren kann, und trägt diesem auf, sich um sein Pferd zu kümmern. Außerdem erfährt er, dass seine Mutter ins Gefängnis der Inquisition gebracht wurde und versucht mehrmals vergeblich, sie zu besuchen. Aischa weigert sich indessen, zu essen, und wird immer schwächer und gilt außerdem als irgendwie verrückt. Schließlich erfährt Hernando, dass sie offiziell zum Büßerhemd verurteilt wurde, aber die Strafe nicht antreten kann, und dass er sie mitnehmen kann. Sie ist sehr krank, und obwohl Hernando und Miguel sie pflegen, stirbt sie bald, ohne Hernando noch von Fatimas Brief erzählt zu haben. Kurz vor ihrem Tod hat Hernando allerdings erfahren, dass Don Alfonso ihm in seinem Testament ein Haus in der Stadt, einen Hof außerhalb und etwas verpachtetes Land vermacht hat. Er zieht in das neue Haus und nimmt Miguel als Diener zu sich.

Unterdessen erfährt Fatima durch Ephraim, was Aischa ihm berichtet hat. Sie ist entsetzt und will es zunächst nicht glauben, akzeptiert die Informationen dann aber doch als Tatsachen. In den Jahren darauf kümmert sie sich hauptsächlich um die Mehrung des Vermögens ihrer Familie, Shamir und Abdul führen Ibrahims Kaperfahrten fort und Inés (jetzt Maryam) wird gut verheiratet. Fatima wird eine mächtige, geachtete Frau in Tetuan, aber auch eine kalte, trauernde und zornige.

Teil IV, „Im Namen unseres Herrn“, setzt dann nach einem Zeitsprung im Jahr 1595 ein, und da geht es mit den Fälschungen weiter.

[Update: Weiter geht’s hier.]

* Der hl. Johannes, der „Lieblingsjünger“ Jesu, wurde in der Kunst oft als bartloser Jüngling mit langen Haaren dargestellt (er muss zu Jesu Lebenszeit noch relativ jung gewesen sein, da er erst um 100 n. Chr. in hohem Alter starb), und Abendmahlsdarstellungen zeigen ihn oft an die Brust des Herrn gelehnt, was auf folgende Bibelstelle zurückgeht: „Nach diesen Worten wurde Jesus im Geiste erschüttert und bezeugte: Amen, amen, ich sage euch: Einer von euch wird mich ausliefern. Die Jünger blickten sich ratlos an, weil sie nicht wussten, wen er meinte. Einer von den Jüngern lag an der Seite Jesu; es war der, den Jesus liebte. Simon Petrus nickte ihm zu, er solle fragen, von wem Jesus spreche. Da lehnte sich dieser zurück an die Brust Jesu und fragte ihn: Herr, wer ist es?“ (Johannes 13,21-25) Zum Kontext: In der Antike lag man zum Essen auf Bänken oder Polstern, statt zu sitzen, wobei man sich mit dem Ellbogen aufstützte. Klingt unbequem, war aber so.

** Ich fühle mich an dieser Stelle erinnert an Emanuel Geibels Ballade Omar, die freilich von der Eroberung Alexandrias und der Zerstörung der dortigen Bibliothek handelt. Geibel jedenfalls erfasst wesentlich besser als Falcones die Einstellung eines Omar oder Al-Mansur; er bringt herüber, was einen Menschen an fanatischer, sagen wir mal, „Kulturfeindlichkeit“ faszinieren kann:

Inmitten seiner Turbankrieger,
Die Stirne voll Gewitterschein,
Zog Omar, der Kalif, als Sieger
Ins Tor der Ptolemäer ein.
Umrauscht von Mekkas Halbmondbannern,
Ritt langsam er dahin im Zug,
Ihm folgte mit den Bogenspannern
Ein Negerschwarm, der Fackeln trug.

Sie zogen durch die öden Gassen,
Durch Siegestor und Säulengang,
Drin klirrend nur der Schritt der Massen,
Der Hengste Stampfen widerklang;
Schon lenkte zu den Porphyrstufen
Der alten Hofburg der Kalif,
Da warf vor seines Rosses Hufen
Ein Greis sich in den Staub und rief:

„O Herr, der Sieger warst du heute,
Und diese Stadt des Nils ist dein,
So nimm als reiche Schlachtenbeute
Ihr Gold und Erz und Elfenbein.
Die Türme stürz in Schutt zusammen,
Zerbrich den Bilderschmuck des Hains,
Die Tempel selber gib den Flammen!
Nur eins verschone, Herr, nur eins;

Sieh hin! Wo dort die Sphinxe grollen
Am Tor, die Hüter unsres Ruhms,
Da schläft in hunderttausend Rollen
Der Geisterhort des Altertums.
Was, seit der Erdkreis aufgerichtet,
In Tat und Wort sich offenbart,
Was je gedacht ward und gedichtet,
Dort liegt‘ s der Nachwelt aufbewahrt.

O gib den Schatz, aus allen Reichen
Der Welt gehäuft mit treuem Fleiss,
Gib dies Vermächtnis ohnegleichen,
Der Menschheit Erbteil gib nicht preis!
Nein, heilig sei auch dir die Stätte,
Die jede Muse fromm geweiht,
Streck drüber deine Hand und rette
Der Zukunft die Vergangenheit!“

Doch Omar zieht die Stirn in Falten
Und spricht, indem sein Auge flammt:
„Ich bin genaht, Gericht zu halten,
Was drängst du, Tor, dich in mein Amt?
Hinweg, dass meines Zorns Geloder
Nicht dich samt deinen Rollen trifft!
Die Schätze, die du rühmst, sind Moder
Und was du Weisheit nennst, ist Gift.

Schon allzulang am unfruchtbaren
Vielwissen siecht die Welt erschlafft;
Der Staub von mehr als tausend Jahren
Liegt wie ein Alp auf jeder Kraft.
Des Lebens Baum liess ab zu lauben,
Seit dran der Wurm des Zweifels zehrt:
Wo ist ein Herz noch, frisch zum Glauben!
Wo ist ein Arm noch, stark zum Schwert!

Dass endlich diese Dumpfheit ende,
Bin ich gesandt, vom Herrn ein Blitz.
Auf! Schleudert denn die Feuerbrände
In der verjährten Krankheit Sitz!
Und wenn, umwogt vom Flammenmeere,
Der aufgetürmte Wust zergeht,
Ruft: Gott ist gross! Ihm sei die Ehre!
Und Mahomed ist sein Prophet!“

*** Für alle Nichtkatholiken: Zum Rosenkranz gehört neben Glaubensbekenntnis, Vaterunser und Ehre sei dem Vater das immer wieder wiederholte Ave Maria, welches lautet: „Gegrüßet seist du Maria, voll der Gnade, der Herr ist mit dir, du bist gebenedeit unter den Frauen, und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes, Jesus [an dieser Stelle werden im Rosenkranz unterschiedliche Nebensätze eingefügt, z. B. „den du, oh Jungfrau, vom Heiligen Geist empfangen hast“]. Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns Sünder, jetzt und in der Stunde unseres Todes, Amen.“

Wenn man Gender-begeisterte Theologen kritisieren will…

Ich habe es getan: Ich habe mir feinschwarz.net angesehen. Genauer gesagt einen Artikel mit dem Titel Gender-Forschung. Umkämpfte Normalität in der Katholischen Theologie, der von vier Theologieprofessoren (genauer: zwei Professoren und zwei Professorinnen) aus Tübingen verfasst worden. Nach der Lektüre kann ich nur sagen: Bin ich froh, dass ich nicht in Tübingen studiere!

Tja, und jetzt will ich irgendetwas auf diesen Artikel entgegnen. Aber das ist, wenn ich ehrlich sein soll, gar nicht so leicht. Es gibt dort nicht viel, auf das man etwas entgegnen könnte.

Der Artikel beginnt mit der Feststellung, dass es Widerstand gegen Gender-Ideen gäbe und beschreibt, wo dieser sich findet – kath.net, Demo für alle, Amoris Laetitia, etc. Dann geht es um vier Normalitätsannahmen“ der Gesellschaft, die die Gender-Forschung ablehne: Dass erstens jeder Mensch genau ein unabänderliches Geschlecht habe, dass es zweitens genau zwei Geschlechter, nichts anderes und nichts dazwischen, gebe, dass das Geschlecht drittens unabänderlich von der Natur vorgegeben und eindeutig bestimmbar sei, und dass das Geschlecht viertens mit bestimmten Rollen, Tugenden und Orten in dieser Welt“ verbunden sei. Weiter heißt es:

Das Konzept ›gender‹ problematisiert diese Normalitätskonzepte. Geschlecht wird als soziale Konstruktion begriffen. Geschlecht ist ein bedeutungsvoller Sachverhalt – eine Zuweisung von Eigenschaften mit der gleichzeitigen Zuschreibung der Bedeutung dieser Eigenschaften, der Zuschreibung von »Sinn«. Das heißt nicht, dass es keine Biologie mehr gibt; aber der Wert, der den vielfältigen (auch biologischen) Ausformungen dessen, was wir „Geschlecht“ nennen, zugemessen wird, ist weder an Chromosomen oder an Hormonen noch an Körpern ablesbar. Er wird gemacht. Wir „erschaffen“ und verändern Geschlechter kontinuierlich durch Bedeutungszuschreibungen, sie sind ein sozialer und kommunikativer Tatbestand, eben ein soziales Konstrukt.

Erst einmal frage ich mich hier: Wieso keine einheitliche Gestaltung der Anführungszeichen? Wäre das zu normativ?

Und dann sage ich mir: Okay. Und wieso?

Der Text leidet an einem großen Problem: Die Autoren haben offenbar die Deutschstunde verpasst, in der einem erklärt worden ist, dass man in einem Aufsatz für jede Behauptung auch eine Begründung und am besten noch ein Beispiel zu bringen hat, bevor das Ganze zusammen dann ein Argument ergibt. Kann ja passieren. Manchmal hat man einen Termin beim Kieferorthopäden und der Banknachbar vergisst, einem das Heft zu leihen, damit man den Eintrag nachtragen kann. Aber bevor man Professor an der Uni wird, sollte man solche Defizite dann doch aufgeholt haben.

Ihr seid der Meinung, dass Geschlechter ein soziales Konstrukt sind? Okay, dann beweist mir das. Geht auf Argumente und Gegenargumente ein. (Die einzige Erwähnung eines Gegenarguments findet sich übrigens ein Stück weiter unten: „Es ist demgegenüber bedrückend zu sehen, wie in der allgemeinen Diskussion um Genderfragen ein einzelner Satz wie Gen 1,27 aus seinem literarischen, historischen und kulturellen Kontext gelöst und in biblizistischer Manier zur überzeitlichen Norm gemacht wird.“ Inwiefern ist die gängige Interpretation von Gen 1,27 denn falsch und „biblizistisch“? Und was soll dieser „Kontext“ sein?) Erklärt genauer, welchen Wert ihr der Biologie zugesteht, was für euch sozial konstruierte Geschlechterrollen sind, was für euch an diesen Rollen gut oder schlecht ist, und was genau ihr überhaupt unter „sozial konstruiert“ versteht (die Definition von Begriffen ist auch ein wichtiger Bestandteil von Argumenten). Redet über Mütterrollen und Väterrollen, über Heterosexualität und Homosexualität, über Geschlechtsumwandlungen und Hormonbehandlungen, über Berufe und Hobbies, über was auch immer, aber sagt irgendetwas Konkretes und begründet es. Was soll es z. B. heißen, dass es die Biologie schon noch gibt, das Geschlecht aber nicht an Chromosomen, Hormonen oder Körpern ablesbar ist?

Der Text ist typisch dafür, wie Debatten heutzutage geführt werden. Die Autoren bleiben im Vagen, tragen undefinierte Schlagworte vor sich her, lenken die Leser mit nichtssagenden vielsilbigen Worten wie „Analysekategorie“ und „Solidaritätsagentur“ ab, und greifen teilweise auch Positionen an, die niemand genau in dieser Weise vertritt; mir wäre z. B. niemand bekannt, der das gelegentliche Auftreten von Intersexualität leugnet – auch wenn Intersexuelle immer noch entweder weiblich oder männlich sind, nur mit seltsam ausgeprägten Merkmalen, oder Teilmerkmalen des anderen Geschlechts. Und was mich angeht, ich als brave Katholikin bin z. B. auch nicht der Meinung, dass alle Mädchen in rosa Rüschenröcken herumzulaufen hätten.

(Hl. Jeanne d’Arc, Miniatur aus dem 15. Jahrhundert, Quelle: Wikimedia Commons)

Aber was genau greifen die Herren und Damen Professoren denn hier an? Die Ansicht, dass alle Mädchen in rosa Rüschenröcken herumzulaufen hätten, um ihrer gottgegebenen Weiblichkeit zu entsprechen – oder die Ansicht, dass die allermeisten Menschen komplett eindeutig Mann oder Frau sind, dass es Unterschiede zwischen Männern und Frauen gibt, die sich durch geänderte soziale Konstruktionen nicht einfach wegkonstruieren lassen (anders gesagt: die sich nicht vollkommen aberziehen lassen), dass es Dinge gibt, die nur Männer (z. B. Kinder zeugen), und Dinge, die nur Frauen (z. B. Kinder austragen und gebären) tun können?

Der weitere Artikel gibt darüber keinen eindeutigen Aufschluss. Er geht erst einmal mit einer großzügigen Dosis Eigenlob weiter:

In der Gender-Forschung (»gender studies«) wird diesen und ähnlichen Fragen wissenschaftlich nachgegangen – und dies mit großem Erfolg. Die Gender-Konzeption gehört damit zu den gegenwärtig produktivsten Impulsen wissenschaftlicher Forschung – und dies über die unterschiedlichen Wissenschaftsfächer und ihre Disziplinen hinweg.

Auch in der Theologie, auch in der katholischen Theologie, wurde der Impuls des Gender-Konzeptes aufgenommen und Gender als ein Analyseinstrument in der theologischen Forschung etabliert.

Ich würde mal einfach behaupten, dass in der gegenwärtigen wissenschaftlichen Forschung etwa die Genforschung (z. B. in Bezug auf genetisch veränderte Lebensmittel oder die Heilung genetisch bedingter Krankheiten), die Krebsforschung, die Forschung zu umweltfreundlicher Energieproduktion oder auch die zu autonomem Fahren produktivere und bedeutendere Impulse zu bieten haben (ob man die nun alle in der Praxis angewendet sehen will oder nicht). Ich würde sogar behaupten, dass die altorientalische Archäologie bedeutendere Impulse zu bieten hat. Aber gut, streiten wir uns mal nicht darüber, wer an den Unis am wichtigsten ist.

Ich will gar nicht behaupten, dass die Gender-Forschung nicht manchmal interessante Fragen stellt. Das tut sie gelegentlich schon. Nur wie genau geht sie ihnen wissenschaftlich nach?

Abschließend geht es um die angeblichen Erfolge der Gender-Forschung in der katholischen Theologie:

Dort, wo in der Moraltheologie die Natur der Geschlechter als ein traditioneller Rechtfertigungsgrund ausgehebelt wird, werden nicht nur vernünftigere Rechtfertigungen angestoßen, sondern auch bislang unsichtbare Fragen von Menschen, die ihre Sexualität leben und um ihre Identität ringen, sichtbar und stereotype Antworten darauf unplausibel gemacht.

[…]

„Gender“ ist nicht nur eine Analysekategorie, sondern auch eine Verunsicherungskategorie. Mit dem Gender-Konzept wird einer der dominanten Rechtfertigungsgründe für die Verteilung von Macht und Ämtern, für die Ordnung von Beziehungen sowie für die Steuerung von Körper- und Sexualitätsschemata, nämlich die Natur der Geschlechter, in Zweifel gezogen. Die Folgen dieses Zweifels sind tiefgreifend: Kein Argument dieser Welt kann die einfach vorgegebene Natur der Geschlechter in ihrer ursprünglichen Fraglosigkeit wieder zurückbringen.

Aha, jetzt kommen wir so ein bisschen zum Punkt.

Das Problem hier ist natürlich: Die Autoren gehen unhinterfragt davon aus, dass ihre Argumente ganz offensichtlich allen einsichtig sind und traditionelle Rechtfertigungsgründe wirklich ausgehebelt haben. Dabei warte ich immer noch auf irgendein echtes Argument. Vielleicht gelingt es ja wirklich, Menschen zu verunsichern, indem man einfach „Geschlecht ist bloß ein soziales Konstrukt!“ in den Raum ruft, ebenso wie man sie neuerdings anscheinend damit verunsichern kann, „Die Erde ist flach!“ zu rufen. Aber die Debatte hat man damit nicht gewonnen. Und wenn alles mit rechten Dingen zugeht, werden die meisten Menschen die Augen verdrehen, mit den Schultern zucken und den Rufer nicht weiter beachten – außer vielleicht, er zieht ihnen bei der Hausarbeit Punkte ab, wenn sie vergessen, „Christ*innen“ und „Studierende“ statt „Christen“ und „Studenten“ zu schreiben.

Zugegeben, dieser Text hier hat eher den Charakter eines Manifests als den einer „Einführung in die Gender-Forschung“. Aber es wird aus diesem Manifest nicht einmal ganz eindeutig, was die genderbegeisterten Theologen nun eigentlich wollen. Sie wollen verunsichern, verunklaren und hinterfragen. Okay. Aber wozu? Was wollen sie erreichen? Um ergebnisoffene wissenschaftliche Forschung scheint es ihnen ja nicht so sehr zu gehen.

Die letzten zitierten Absätze sagen es, wenn auch nicht gerade klar und deutlich: Sie wollen irgendwelche Machtstrukturen verändern, die sie in der Welt, und vor allem der Kirche, wahrnehmen. Sie sehen im Verhältnis der Geschlechter zueinander zwangsläufig Machtstrukturen am Werk, die ausgehebelt werden müssen. Die traditionelle Moraltheologie muss untergraben werden, weil sie auch nur Machtstrukturen rechtfertigt. Diese Theologen sehen sich als die mutigen Revolutionäre, die den Tyrannen von seinem Thron stürzen. Nur tendieren Revolutionäre dann leider oft dazu, ihre eigene Tyrannei zu erschaffen.

(Und natürlich ist die alte Moraltheologie keine Tyrannei.)

Man würde sich wünschen, dass die Leute einfach sagen könnten: „Wir sind davon überzeugt, dass es Geschlechter nicht wirklich gibt, weil […], und wir wollen deshalb erreichen, dass die Personen, die man nach den alten Kategorien dem Geschlecht der ‚Frauen‘ zugeordnet hat, die Priesterweihe empfangen und mit einer lesbischen Partnerin im Pfarrhaus leben dürfen“. Oder so was. Aber anscheinend ist das zu viel verlangt.

Die Pfeiler des Glaubens, Teil 3: Falcones wird (vorübergehend) zum Gesinnungsethiker und die Inquisition verfolgt Ketzer

Teil 2 meiner Rezension findet sich hier.

Teil II des Romans „Die Pfeiler des Glaubens“ – „Im Namen der Liebe“ – handelt von Hernandos weiterem Schicksal in Córdoba zwischen 1570 und 1581. (Am Ende ist er also ca. 27 Jahre alt.) Seine Familie darf in der Stadt bleiben, nachdem Hernando und sein Stiefvater Ibrahim Arbeit gefunden haben – als Handlanger in einer Gerberei respektive Feldarbeiter. Sie und die übrigen Morisken dort sind jedoch weiterhin einer strengen Kontrolle durch Behörden und Kirche unterworfen. Schon bei ihrer Ankunft gibt die Stadt ihnen Essen aus, das Schweineinnereien enthält, und es wird überwacht, dass es gegessen wird. Der sonntägliche Kirchgang ist selbstverständlich obligatorisch, Arabisch zu sprechen ist verboten, und ein Richter kann auch mal unangemeldet in der Wohnung vorbeischauen. Und auch die Rolle der Nachbarn sollte man nicht unterschätzen: Trinken die etwa nie Wein? Führen die vielleicht rituelle Waschungen durch? Kurz gesagt: Ihre wirkliche Religion müssen die Morisken weiterhin sorgfältig verstecken.

Schon nach kurzer Zeit in Córdoba trifft Hernando Hamid wieder, der weiterhin die Rolle des weisen Mentors des jungen Helden einnimmt. Der Gelehrte ist als Sklave in der Bordellgasse gelandet. Fatima unterdessen ist traumatisiert durch den Tod ihres kleinen Sohnes – und auch durch die erzwungene Ehe mit Ibrahim, der sie noch immer als seine Frau behandelt, obwohl den Christen nach außen hin etwas anderes vorgespielt wird. Sie ist bei ihrer Ankunft in der Stadt nach den langen Strapazen dem Tod nahe und gewinnt ihre Gesundheit nur langsam wieder. Ihren Trost sucht sie fortan im Glauben. Zwei Dinge gewinnen eine große Bedeutung für sie: Eine Art Amulett, das sie besitzt, das traditionell von Muslimen getragen wird und vor Dschinn und dem Bösen Blick schützen soll, eine sog. Fatimahand (benannt nach einer Tochter Mohammeds); und der Satz „Der Tod verheißt ewige Hoffnung“, eine alte muslimische Weisheit, die schon auf Seite 126 zum ersten Mal erwähnt worden ist und die Fatima offenbar stark beeindruckt hat. Die Fatimahand hat übrigens den Originaltitel des Buches inspiriert: „La Mano de Fátima.“

Was Hernandos Halbbrüder Musa und Aquil angeht, meine Vermutung, dass sie keine große Rolle mehr spielen werden, bestätigt sich: Sie werden schon bald aus der Handlung getilgt, indem sie, wie viele andere moriskische Kinder, ihren Eltern weggenommen werden, um in christlichen Familien erzogen zu werden. Als Hernando Jahre später nach ihnen sucht, da er inzwischen als guter Christ gilt und hofft, sie zurückholen zu können, muss er feststellen, dass sie verschwunden sind und die Pflegeeltern sie vermutlich als Sklaven verkauft haben.

Aber zurück zum Anfang. Die Situation der Familie stellt sich zunächst recht düster dar. Hernando hasst seine Arbeit in der Gerberei, wo er minderwertige Häute mit Mist bearbeiten muss, und natürlich hasst er die Situation mit Fatima, die nach außen hin als seine Frau gilt, in seinem Volk aber als die seines brutalen Stiefvaters. Er beginnt bald, einem Kleinkriminellen bei diversen nächtlichen Geschäften zu helfen – hauptsächlich schmuggeln sie Wein in die Stadt, um den Zoll am Tor zu umgehen – und das verdiente Geld zu sparen, um es irgendwann Ibrahim anzubieten, damit der ihm Fatima überlässt. Allmählich wird er waghalsiger und auch rücksichtsloser; an einer Stelle stachelt er sogar einen Adligen mit erfundenen Geschichten darüber, dass jemand dessen Stammbaum in Frage gestellt habe, dazu an, einen anderen Adligen in einem Wirtshaus zum Duell zu fordern, nur um vorher noch ein paar Münzen für die Information zu kassieren.

Und nun wird es interessant. Fatima ist nicht von Hernandos Plan für ihre gemeinsame Zukunft überzeugt, und als er ihr das gesparte Geld aushändigt, gibt sie es an die muslimische Gemeinde weiter, damit die einen anderen Morisken aus der Sklaverei freikaufen kann. Als Hernando davon erfährt, erklärt Hamid, der einer der Gemeindevorsteher geworden ist, ihm ihre Handlung: „’Weil du dich von deinem Volk entfernt hast, Ibn Hamid.’ Jeder Muskel in Hernandos Körper spannte sich an. ’Wir alle versuchen, uns heimlich zu versammeln, zu beten, unseren Glauben am Leben zu halten oder unseren Glaubensbrüdern in Not zu helfen, nur du ziehst als kleiner Gauner durch die Straßen von Córdoba.’ […] ’Musste Fatima deshalb auf ihre Freiheit verzichten?’ ’Sie vertraut auf Gottes Barmherzigkeit. Und du solltest das Gleiche tun. Komm zu uns, komm zu deinem Volk. Eure heutigen Fesseln sind unsere ewigen Gesetze, und nur Gott ist dazu berufen, sie uns aufzuerlegen und uns davon zu befreien. Als mir Fatima das Geld gab und mir alles erklärte, bat ich sie, auf Gott zu vertrauen und die Hoffnung nicht aufzugeben.’“ (S. 299)

Von da an lässt Hernando seine kriminellen Geschäfte bleiben und hilft in seinen freien Stunden stattdessen der muslimischen Gemeinde – Aufenthaltsgenehmigungen für Morisken besorgen, die sich in Córdoba niederlassen wollen, versklavte Morisken freikaufen, usw. (Hamid lehnt für sich übrigens einen Freikauf ab; man solle das Geld für Jüngere verwenden.) Und Falcones stellt all das als richtige Entscheidungen dar, die Hernando und Fatima Gewissensfrieden geben: „Noch vor Kurzem, als er ihr das Geld für das Maultier gegeben hatte, gegen das er sie tauschen wollte, hatte sie das Geld zwar angenommen und versteckt, aber sie war dabei immer unzufrieden und voller Zweifel gewesen – fast so, als würde er sie dazu zwingen. Nun strahlte sie, wenn Hernando ihr von seinen neuesten Plänen für einen Glaubensbruder berichtete.“ (S. 301) Und damit nicht genug: Von da an läuft alles wie auf magische Weise besser. Fatima kann sich durch den Rückhalt der Gemeinde besser gegen Ibrahim durchsetzen und wehrt seine sexuellen Avancen ab. (Die irgendwo emotional von Ibrahim abhängige Aischa ist unterdessen froh, ihren Platz als seine eigentliche Ehefrau wieder einzunehmen. Sie bekommt in dieser Zeit einen weiteren Sohn namens Shamir.) Als Hernando dann während einer öffentlichen Stierhatz in Córdoba das wild gewordene Pferd eines Adligen beruhigen kann, wird der Oberstallmeister des königlichen Marstalls in Córdoba auf ihn aufmerksam und stellt ihn kurz darauf ein; Hernando bekommt zwei Zimmer über dem Marstall und einen ordentlichen Lohn und lernt mehr über die Pflege, Aufzucht und das Bereiten der Zuchtpferde des Königs. Zur selben Zeit unterhält sich Fatima mit Jalil, einem weiteren Gemeindevorsteher, und erfährt, dass sie sich nach islamischem Recht von Ibrahim scheiden lassen kann, wenn der sie nicht angemessen versorgen kann. Da er noch immer nur einen Hungerlohn bezieht und nun einen neuen Sohn hat, ist dieser Plan sogar aussichtsreicher als Hernandos ursprüngliches Vorhaben. Wenn Ibrahim nicht innerhalb von zwei Monaten, nachdem sie vor dem Ältestenrat die Scheidung verlangt hat, beweisen kann dass er für Fatimas Unterhalt sorgen kann, soll er also von ihr geschieden werden. Er tobt, als ihm von Hamid, Jalil und einem weiteren Gemeindevorsteher namens Karim dieses Ultimatum gestellt wird, muss es aber akzeptieren.

Ich finde diese Entwicklung der Dinge faszinierend, da ich sie bei Falcones nicht erwartet hätte. „Tu nur das Richtige, dann wirst du zumindest ein gutes Gewissen haben, und am Ende wird wahrscheinlich sowieso alles noch besser ausgehen, als du es dir wünschen konntest“ – das ist eine Botschaft, die ich eher in, sagen wir mal, einem Christian Romance Novel erwartet hätte. Bisher hat Falcones mehr eine „Der (gute) Zweck heiligt die (schlechten) Mittel“-Einstellung gezeigt, die er hier abzulehnen scheint. Was besonders seltsam ist: Die früheren Lügen über Ubaid zum Beispiel wurden ebenso von Hamid abgesegnet wie später Fatimas Spende. Aber offenbar ist der Autor schon, sagen wir mal, irgendwie beeindruckt von manchen Aspekten der Religion, die hier zum Vorschein kommen: Hingabe, Demut, Loyalität, Unterwerfung unter alte Traditionen und Gesetze, Zugehörigkeit zu einem größeren Ganzen.

Fatima wird übergangsweise bei Karim untergebracht – Hernando, als dessen Frau sie ja gilt, erzählt herum, sie würde eine kranke Bekannte pflegen und deshalb noch nicht bei ihm über dem Marstall wohnen. Ibrahim erwägt in seiner Verzweiflung diverse Möglichkeiten, rechtzeitig an Geld zu kommen, und entscheidet sich schließlich, die Monfíes – moriskische Räuberbanden, von denen auch der Aufstand ausgegangen ist – im nahen Gebirge, der Sierra Morena, aufzusuchen und sich ihnen als Spitzel oder Kundschafter anzubieten. Er nimmt Aischa und Shamir mit, als er sich auf den Weg macht, und wartet dann die Nacht über in den Bergen ab, bis eine Bande der Monfíes sich zeigt und zu wissen verlangt, was er dort will. Als sie ihn fragen, wie sie sichergehen sollten, dass er kein Verräter wäre, wenn er sich ihnen anschließen würde, bietet er ihnen Frau und Kind zum Pfand an. Der Anführer erklärt schließlich, Spitzel in Córdoba hätten sie genug; wenn er wollte, könnte er sich ihnen im Gebirge anschließen, aber ohne Aischa und Shamir. Plötzlich taucht jedoch Ubaid auf, der der Stellvertreter des Anführers ist und wegen seiner abgehackten rechten Hand noch immer Rachegelüste gegenüber Hernando und Ibrahim hegt. Ubaid befiehlt, Ibrahim so wie ihm damals die rechte Hand abhacken zu lassen, und schickt Aischa mit Shamir zurück nach Córdoba. Der verstümmelte Ibrahim bleibt in den Bergen zurück, setzt sich jedoch bald von den Monfíes ab und gelangt auf ein Schiff nach Algier. (Seltsamerweise ist es den Morisken übrigens verboten, außer Landes zu fliehen. Da ihre Geschichte mit ihrer endgültigen Ausweisung aus Spanien endet, wundert mich das sehr. Aber Politik war eben auch in den 1570ern nicht logisch.) Von dort aus zieht Ibrahim weiter, kann einem reichen Kaufmann in einer Karawane ein kleines Vermögen rauben, ohne erwischt zu werden, und kauft sich damit ein Haus in Tetuan und ein eigenes kleines Schiff, mit dem er wie all die anderen Korsaren der Stadt Raubzüge an der spanischen Küste unternimmt und Gefangene macht, die er entweder gegen Lösegeld freilässt oder aber auf den Sklavenmärkten in den Barbareskenstaaten verkauft. Obwohl er ein reicher und einflussreicher Mann wird und irgendwann noch einmal heiratet, schwört er sich, einmal nach Córdoba zurückzukehren, um Fatima wiederzubekommen und an Hernando Rache zu nehmen.

Nachdem die zwei Monate vergangen sind und Ibrahim verschwunden bleibt, kann Fatima Hernando heiraten und zieht zu ihm. Hernando erlangt in den nächsten Jahren eine immer wichtigere Stellung in der Gemeinde von Córdoba, die sich mit den anderen Morisken-Gemeinden im Land vernetzt und wie diese versucht, islamische Schriften zu bewahren bzw. neue Abschriften davon anzufertigen, Glaubenswissen an die jungen Mitglieder weiterzugeben, und den Kontakt mit den ausländischen muslimischen Fürsten zu halten, damit al-Andalus irgendwann zurückerobert werden kann. (Der Sultan macht ihnen zurzeit jedoch nur leere Versprechungen.) Hernando lernt einen Schmied namens Abbas kennen, der ebenfalls im Marstall arbeitet und eine wichtige Rolle unter den Morisken spielt, und dann einen Priester an der Kathedrale von Córdoba namens Don Julián, der ebenfalls in Wahrheit Muslim ist. Da Hernando bereits als Kind von Hamid lesen und schreiben gelernt hat, bringt Don Julián ihm auch Hocharabisch (die Sprache des Koran) bei, damit er dabei helfen kann, neue Koranabschriften anzufertigen. Nach außen hin geschieht dies unter dem Deckmantel der Hilfe für die Inquisition; angeblich soll Hernando dem Priester als Übersetzer für abgefangene arabische Schriften behilflich sein, die dieser natürlich sehr gut selbst versteht. Hernando erfährt von Don Julián, dass es „[s]eit König Ferdinand Córdoba erobert hat und die Moschee den Christen in die Hände fiel […] immer einen Muslim im Priestergewand“ (S. 396) in dieser zur Kathedrale umgewidmeten Hauptmoschee Córdobas gegeben hat, dass es jedoch mittlerweile fast unmöglich sei, Muslime in den Klerus einzuschleusen, da es genau kontrolliert werde, ob man muslimische Vorfahren habe. Und ich sage mir: Ihr fragt euch wirklich, wieso die Christen euch gegenüber misstrauisch sind?

Übrigens ist, Taqiyya an sich hin, Taqiyya an sich her, Don Julián für mich eine der bisher unsympathischsten Figuren des Buches: Nicht so sehr deshalb, weil er seine Feinde ausspioniert oder vorgibt, etwas zu glauben, woran er nicht glaubt – das tun auch Hernando oder Hamid – sondern weil er für Menschen, die an etwas glauben, woran er nicht glaubt, den Seelsorger spielt. Ein Priester spendet die Kommunion und hört Beichten. Wie kann jemand so etwas nur mit seinem Gewissen vereinbaren? Aber weiter im Text.

Hernando und Fatima bekommen in diesen Jahren zwei Kinder, Francisco und Inés (die beiden erhalten noch keine muslimischen Namen, da ihre Eltern Vorsicht walten lassen, damit die Kinder sich nicht aus Versehen gegenüber Christen verraten), und können sich schließlich ein eigenes Haus in Córdoba kaufen. Aischa und Shamir leben bei ihnen, und schließlich auch Hamid, nachdem Hernando gegen dessen ursprünglichen Willen den Freikauf des alten Mannes arrangiert hat. Fatima unterrichtet andere Frauen über die Lehren des Islam, damit diese das Wissen an die Kinder weitergeben können, und die Familie hält einen Koran im Haus versteckt. Hernando versteht sich gut mit dem Pfarrer, der gelegentlich vorbeischaut, und gilt bei den Christen als Paradebeispiel für die gelungene Bekehrung eines Morisken. Alles läuft wunderbar. Doch natürlich kann es nicht so bleiben.

Und hier treten endlich die auf, die alle schon erwartet haben: Die Spanische Inquisition.

Ich weiß, ich weiß, das kennt jeder schon.

Bereits im Jahr 1573 haben Hernando und Fatima erstmals ein öffentliches Autodafé miterlebt, zu dem Abbas sie mitgenommen hat; einige der Angeklagten waren Morisken und wurden wegen Vergehen wie Bigamie (200 Peitschenhiebe und drei Jahre Galeere) oder Gotteslästerung (geringe Geldstrafe und Büßerhemd) verurteilt; einer, ein Sklave, der mehrmals versucht hat, in die Barbareskenstaaten zu fliehen, und daran festhält, den muslimischen Glauben zu bekennen, wird am Ende sogar der weltlichen Gewalt übergeben und auf dem Scheiterhaufen verbrannt. (Die ganze Darstellung wirkt hier historisch korrekt.) Abbas, der seit langem den vorbildlichen Christen mimt, hat nicht nur darauf bestanden, dass er, Hernando und Fatima bei den Verurteilungen anwesend sind, damit sie ihre christliche Frömmigkeit zeigen können, sondern auch, um einen Bericht nach Algier schicken zu können. „Für jede Verurteilung rächen sich die Türken in Algier an einem Christen in ihren Gefängnissen“, hat er Hernando mitgeteilt. „Die Christen wissen das. Das hält die Inquisition zwar nicht davon ab, Ketzereien zu ahnden, aber es beeinflusst die Härte der Strafen.“ (S. 366) Und wir sollen Abbas sympathisch finden?

Die Urteile wurden damals in der Kathedrale von Córdoba gefällt, die eine große symbolische Rolle im Roman spielt, und die Hernando und Fatima zu diesem Anlass zum ersten Mal betreten haben. Sie wurde nach der christlichen Rückeroberung Córdobas im Jahr 1236 mitten in die riesige Moschee (Mezquita) hinein gebaut und ragt über diese hinaus:

Mezquita de Córdoba desde el aire (Córdoba, España).jpg

(Bildquelle hier.)

Falcones beschreibt die Kathedrale folgendermaßen: „Hernando blickte zur Decke der Kathedrale. Die Christen suchten in ihren Bauten die Annäherung an Gott und errichteten sie, so hoch es ihre Technik zuließ. Die Basis war breit und gedrungen, die Höhen waren schmal. Aber die Moschee von Córdoba war ein Wunder der islamischen Architektur, das Ergebnis einer gewagten Konstruktion, in der die Macht Gottes zu den Gläubigen herabstieg. Im Gegensatz zu den christlichen Bauten lag in der Moschee das Gewicht, der Schwerpunkt, auf den vielen schlanken Säulen – eine aufsehenerregende öffentliche Herausforderung der Logik.“ (S. 371) Das hier sind diese Säulen, die auch vorne auf dem Buchumschlag abgebildet sind und den Titel der deutschen Übersetzung inspiriert haben:

(Bildquelle hier.)

Ehrlich gesagt finde ich diesen Titel übrigens sinnvoller als „Die Hand der Fatima“; die Kathedrale/Moschee hat mehr mit der Handlung zu tun als das Amulett. Sie ist ein Symbol für die Morisken: Ursprünglich auf einer kleinen christlichen Kirche erbaut, deren Existenz nie erwähnt wird, dann groß und mächtig und beeindruckend als Stätte des Islam, dann von den Christen zurückerobert und mit ihrem Gotteshaus überbaut – aber nicht ganz zerstört, sondern unter der Kathedrale noch immer still und ungenutzt existent. „Warum hatten die Christen dieses architektonische Meisterwerk der verhassten Mauren nicht wie all die anderen Moscheen der Stadt einfach dem Erdboden gleich gemacht?“, fragt sich Hernando. „[…] Stattdessen ließen sie zu, dass der muslimische Glaube in Form dieser Säulen, der niedrigen Decken und der Raumaufteilung überlebte… die Seele der Mezquita.“ (S. 372) Ich vermute mal, sie taten es, weil sie Säulen und niedrige Decken nicht für unverbesserlich islamisch hielten… Die Mezquita jedenfalls ist unter Muslimen sogar heute noch ein Symbol für das verloren gegangene al-Andalus, das einst zum „Haus des Islam“ gehörte. In den letzten Jahren haben Muslime in Spanien übrigens immer wieder verlangt, in der Mezquita muslimische Gebete zuzulassen und das Gebäude in ein interreligiöses Gotteshaus umzuwandeln, was von der Kirche stets abgelehnt wurde.

Fatima jedenfalls war besonders erschüttert durch die Moschee/Kathedrale. Als sie wie gebannt begann, mitten unter den Christen leise das islamische Glaubensbekenntnis zu sprechen, bat Hernando sie, doch still zu sein, und schwor ihr, dass sie in der Zukunft einmal in der Mezquita zu Allah beten würden.

Aber jetzt zurück zur Inquisition. 1579 hat Hernando dann selbst mit ihr zu tun: Seine Dienste als Übersetzer werden verlangt, da der Gemeindevorsteher Karim, bei dem islamische Schriften gefunden wurden, vor ihr angeklagt ist. Karim leugnet nicht, Muslim zu sein, aber natürlich will man von ihm hauptsächlich die Namen anderer Muslime erfahren, vor allem solcher, die ihm dabei geholfen haben, die Bücher herzustellen und zu verbreiten, und diese gibt er nicht preis.

Der Inquisitor, der Hernando zunächst anspricht, wird als ein „hagerer, hochgewachsener Mann“ (S. 439) mit „schlaffen, dürren Finger[n]“ (S. 440) und „schneidend kalter Stimme“ (ebd.) beschrieben – wie ein religiöser Fanatiker eben auszusehen und zu sprechen hat. Vom Gefängnis der Inquisition, in das Karim gebracht wurde, „hieß es bei den Bewohnern Córdobas bald, dass jeder, der in die Festung kam, sofort krank würde und innerhalb kürzester Zeit starb“ (S. 441). Am Verhandlungstag in dem Gebäude angekommen, in das er bestellt wurde, geht Hernando einen „klammen düsteren Gang zum Gerichtssaal entlang“ (S. 442), wo eine „bedrückende Stille“ (ebd.) herrscht. Als er Karim sieht, wirkt dieser „schwach, und seine Kleider waren nur mehr Lumpen“ (S. 442). Die Inquisitoren schreien den Angeklagten mit Ausdrücken wie „Vermaledeiter Ketzer!“ (S. 444) an, als er sich weigert, seine Hintermänner zu verraten. Am zweiten Tag der Verhandlung wird Hernando in ein Gewölbe geführt: „Sie [die Inquisitoren] flüsterten miteinander und standen zu Hernandos Entsetzen um eine massive Folterbank herum, daneben die grausamen Werkzeuge aus Eisen, mit denen man die Angeklagten fesseln, ihre Haut abziehen und verstümmeln konnte.“ (S. 445) Karim wird an den Daumen an der Decke aufgehängt. An diesem Tag dauert die Folter nicht sehr lang, aber in den nächsten Tagen geht es weiter: „Nach zwei Tagen unaufhörlicher Qualen hatten sie Karim auf der Folterbank schließlich auch die Arme ausgerenkt“ (S. 449). Und am Tag danach wird er noch einmal „unaufhörlich“ (S. 452) gequält. Hernando kann es kaum verkraften, die Qualen des alten Mannes mit anzusehen, ist aber gleichzeitig stolz auf dessen Widerstandskraft, und macht sich auch Sorgen, dass Karim am Ende doch noch nachgeben könnte: „Und niemand, wirklich niemand konnte dem alten Mann einen Vorwurf machen, wenn er diesen andauernden Qualen nicht mehr trotzen könnte und das preisgäbe, was sie von ihm forderten.“ (S. 452) Es wird mir nicht ganz klar, ob Karim danach noch weitere Male gefoltert wird, bevor im nächsten Abschnitt das abschließende Urteil beschrieben wird. Zu diesem Zeitpunkt ist er jedenfalls bereits dem Tod nahe, weshalb die Inquisitoren auch entscheiden, ihn beim nächsten Autodafé in effigie zu verbrennen, d. h. eine Strohpuppe an seiner statt zu nehmen.

Für meine Analyse interessiert mich natürlich vor allem, wie historisch glaubwürdig diese Darstellung des Prozesses ist.

Zu Mythen über die Spanische Inquisition, die hauptsächlich durch englische Propaganda der frühen Neuzeit entstanden sind, gibt es diese spannende Doku vom BBC:

Die Folter wird ab 14:40 thematisiert, ab 16:37 kommt diese Erklärung eines Historikers:

„Tatsächlich benutzt die Inquisition die Folter sehr selten. In Valencia beispielsweise habe ich unter über 7000 Fällen nur 2 Prozent gefunden, die überhaupt Folter erlebt haben, und normalerweise für nicht mehr als 15 Minuten, und weniger als 1 Prozent, die wiederholte Folter erlitten haben, mit anderen Worten, mehr als einmal. Ich habe niemanden gefunden, der mehr als zwei Mal Folter erlitten hat.“

Ab 17:48 zu Folter und Gefängnissen:

„Sie hatten ein Buch mit Regeln, die Instructiones, die klarstellten, was getan und nicht getan werden konnte. Diejenigen, die die Regeln brachen, wurden gefeuert. Also, die Inquisition röstete nicht, wie behauptet, die Füße ihrer Opfer, oder mauerte sie ein, um für alle Ewigkeit zu schmachten, oder zerschlug ihre Gelenke mit Hämmern, oder räderte sie. Sie benutzten nie die Eiserne Jungfrau. Diese Eiserne Jungfrau hier, eins von nur wenigen Exemplaren, die man betrachten kann, wurde in Deutschland gebaut. Die Inquisitoren vergewaltigten nicht ihre weiblichen Gefangenen, obwohl eine reiche und unbestreitbar beliebte Tradition behauptet, dass sie es taten. Tatsächlich existierte die Folterkammer der Inquisition aus dem populären Mythos nie, auch wenn dieses Bild hier hunderte Male neu gedruckt wurde. Und es war nicht nur der Gebrauch der Folter, der verfälscht wurde. Geschichten wurden auch gesponnen über die entsetzlichen Bedingungen, unter denen Gefangene gehalten wurden. [1. Historiker:] Ironischerweise hatte die Inquisition wahrscheinlich die besten Gefängnisse in Spanien. Das klingt sehr nach Schönfärberei, aber leider ist es wahr. Lassen Sie mich ein Zitat von den Inquisitoren in Barcelona in der Mitte des 16. Jahrhunderts hernehmen, als sie gebeten wurden, über den Zustand ihrer Gefängnisse zu berichten, und sie sagten: ’Unsere Gefängnisse sind voll.’ Aber dann beschweren sie sich bei ihren Bossen in Madrid: ’Wir wissen nicht, wohin wir die übrigen Gefangenen, die wir haben, hinschicken sollen. Wir können sie nicht in die Stadtgefängnisse schicken, weil die Stadtgefängnisse überfüllt sind und da zwanzig pro Woche sterben.’ [2. Historiker:] Ich habe Fälle gefunden von Gefangenen vor weltlichen Strafgerichten, die Gott lästerten, um in das Gefängnis der Inquisition zu kommen, um ihrem… der schlechten Behandlung, die sie im weltlichen Gefängnis erhalten haben, zu entkommen.“

Ab 20:11:

„Die Inquisitoren waren sicherlich Vernehmungsbeamte [mir ist hier keine bessere Übersetzung eingefallen], aber sie waren zurückhaltende Vernehmungsbeamte, skeptisch in Bezug auf die Effektivität von Härten und Folter dabei, Häresie ans Licht zu bringen. Im Vergleich zu vielen anderen Gerichten in Europa erscheinen sie als beinahe aufgeklärt.“

Ach ja, wen es noch interessiert, die Gesamtzahl aller Todesopfer der Inquisition kommt ab 37:00: zwischen 3000 und 5000.

Ist Falcones’ Darstellung also historisch korrekt? Na ja. Es wäre theoretisch möglich, dass das Gefängnis von Córdoba ein Ausnahmefall war und dort viel schlechtere Zustände herrschten als in anderen Gefängnissen der Inquisition in Spanien. Das Urteil, die Verbrennung in effigie des sterbenden Verurteilten, ist glaubwürdig. Es erscheint durchaus als wahrscheinlich, dass Karim zu den 2 Prozent gehört, die während des Prozesses gefoltert wurden, da sein Fall wohl einer der ernsteren Fälle war, die vor die Inquisition kamen; weniger wahrscheinlich erscheint es schon, dass gerade er, ein alter, schwacher Mann, mehr als ein Mal gefoltert wird. Extrem unglaubwürdig wirkt es, dass er an vier oder mehr Tagen gefoltert wird; das Gleiche gilt für die Dauer der Folter. Diese Fehler hier liegen sicher nicht an mangelnder Recherche des Autors; Falcones kennt offensichtlich den Ablauf eines Autodafés und auch viele andere historische Details; er hat sich an dieser Stelle einfach für einen Kompromiss zwischen einer historisch korrekten Darstellung und der „Schwarzen Legende“ entschieden. Vermutlich ist das schon besser als nichts, aber Anlass zu wirklicher Zufriedenheit ist es nicht. Allerdings ist es ein gutes Beispiel für die Tatsache, dass Menschen im Allgemeinen widerlegte liebgewordene Vorurteile eher nur so halb aufgeben.

Übrigens findet Hernando durch seine Tätigkeit als Übersetzer heraus, wer Karim verraten hat: Ein Moriske namens Cristóbal Escandalet, der neu in der Stadt ist, und der für seinen Verrat offenbar reich entlohnt worden ist. Hernando erzählt Hamid davon und daraufhin macht Hamid sich heimlich auf, um dem Verräter seine gerechte Strafe zu erteilen: Er tötet Cristóbal Escandalet auf offener Straße, und nachdem er dann selbst von einem Büttel, der ihn festnehmen will, schwer verletzt wird, gelingt es ihm noch, sich in den Fluss, der durch die Stadt fließt, zu stürzen. Es wird nicht entdeckt, wer er war und wer seine Angehörigen sind, was mich nun wirklich wundert. Eine Leiche aus einem Fluss kann man schließlich bergen, und dann müssten sich in der Stadt doch Leute finden, die sagen können, wer Hamid war, womit auch ein Verdacht auf Hernando fallen würde… aber das geschieht offenbar nicht, weil es nicht in den Verlauf der Handlung passen würde. Die Situation für die Morisken von Córdoba beruhigt sich wieder.

Es geht weiter im Jahr 1581. Während Hernando einen Transport von Zuchtpferden in eine andere Gegend Spaniens begleitet, erkennt Ibrahim endlich eine Gelegenheit, seine lang gehegten Pläne in die Tat umzusetzen. Er hat bei einem seiner Raubzüge Frau und Kind eines spanischen Adligen in seine Gewalt gebracht und verlangt bei den Verhandlungen mit dessen Abgesandten, dass der Adlige ihm hilft, Hernando und dessen Familie aus Córdoba zu entführen und Ubaid, der nach dem Tod des Monfíes-Anführers jetzt selbst zu deren Anführer aufgestiegen ist, zu töten; ansonsten würde er die Gefangenen töten lassen. Also lässt der Adlige Ibrahim heimlich ins Land schleusen, schickt Männer aus, die Fatima, Aischa, Shamir, Francisco und Inés nachts aus ihrem Haus in Córdoba entführen (es wird als Tat von Monfíes dargestellt und die christlichen Nachbarn kommen den Morisken natürlich nicht zu Hilfe) und in ein einsames Landgasthaus bringen, in dem Ibrahim wartet. Auch Ubaid, den andere Männer des Adligen und einige angeheuerte Banditen in den Bergen gefangen genommen haben, wird dorthin gebracht und Ibrahim tötet ihn brutal und lässt seine Leiche in der Nähe verstecken. Dann nimmt er Fatima, ihre Kinder und seinen Sohn Shamir mit nach Tetuan und lässt Aischa, die ihm nicht besonders wichtig ist, zurück, damit sie Hernando berichtet, was mit den anderen geschehen ist. Er ist extrem wütend darüber, Hernando nicht erwischt zu haben.

Als Aischa jedoch nach Córdoba zurückgekehrt ist, berichtet sie Abbas stattdessen, dass Ubaid und seine Räuber die Familie entführt und Fatima und die Kinder in den Bergen getötet hätten, und als Abbas Hernando von dem Pferdetransport zurückgeholt hat, wiederholt sie vor ihrem Sohn dieselbe Geschichte, um zu verhindern, dass der sich auf den Weg nach Tetuan macht und von Ibrahim getötet wird. Da Hernando nun der Verzweiflung nahe ist und Tag für Tag vergeblich in die Sierra Morena reitet, um die Leichen seiner Familie und Ubaids Bande zu finden und an den Räubern Rache zu nehmen, sucht Aischa schließlich selbst wieder nach Ubaids Leiche, und sorgt dafür, dass sie auf einer Landstraße gefunden wird. Als man in Córdoba von dessen Tod erfährt, findet Hernando allmählich wieder zu etwas Frieden. Gegen Abbas jedoch hegt er einen Groll, weil der, entgegen einem Versprechen, Hernandos Familie nicht beschützen konnte, während Hernando fort war.

Wenig später bekommt Hernando Probleme mit einem Grafen, da ein Zuchtpferd aus dem Marstall, das für diesen bestimmt war, zu Tode gekommen ist, und muss kurzzeitig Kirchenasyl in der Kathedrale suchen. Dort betet er nachts heimlich die islamischen Gebete, wie er es Fatima einst versprochen hat. Schließlich begegnet er in der Kathedrale überraschend einem Herzog namens Don Alfonso de Córdoba, und es stellt sich heraus, dass dieser der Gefangene war, dem er im Krieg einst zur Flucht vor dem Korsaren Barrax verholfen hat. Der Herzog stellt ihn unter seinen Schutz und lässt ihm seine besondere Gunst zukommen, und damit endet Teil II.

Jetzt noch kurz zu einer interessanten Stelle in diesem Teil des Romans. Die Reformation wird in Teil II ein paar Mal kurz erwähnt; man erfährt, dass die Inquisition Protestanten verfolgt und dass z. B. eine Schrift Calvins in spanischer Übersetzung kursiert. Einmal, kurz vor dem Inquisitionsprozess im Jahr 1579, unterhält Hernando sich mit Don Julián über die Gemeinsamkeiten zwischen Protestantismus und Islam, und an dieser Stelle schreibt Falcones: „Die Kritik am Papst und am Ablasshandel, die Behauptung, dass jeder Gläubige die Heilige Schrift unabhängig von seiner Stellung innerhalb der Kirche auslegen dürfe, und die kritische Haltung zur Vorherbestimmung waren Gemeinsamkeiten der beiden Religionen, die gegen die Angriffe der katholischen Kirche zu kämpfen hatten.“ (S. 427) Na ja, ich weiß ja nicht genau, wie das mit der Auslegung der Heiligen Schrift im Islam so aussieht, ob man da eher der Ansicht ist, dass man gebildet sein müsste, um den Koran verstehen zu können, oder eher meint, dass der Koran zu jedem spreche, aber… „kritische Haltung zur Vorherbestimmung“?

„KRITISCHE HALTUNG ZUR VORHERBESTIMMUNG“??? Will der mich hier verarschen?

Man muss zugeben, der Protestantismus und der Islam ähneln sich in ihrer Sicht auf das Thema Vorherbestimmung (wobei ich die islamische Sicht nicht so gut kenne wie die protestantische und mich daher mit definitiven Aussagen über sie mal lieber zurückhalte), und sehen beide die katholische Sicht auf dieses Thema kritisch. So könnte man Falcones’ Satz auslegen, wenn man sich sehr, sehr viel Mühe geben würde, eine Auslegung zu finden, die der Wahrheit entspricht. Aber wie versteht man den Satz, wenn man ihn ganz normal liest?

Der Katholizismus würde eine Prädestination lehren und der Protestantismus und der Islam sie ablehnen. So wird der Satz von den Lesern verstanden werden, und eine solche Behauptung ist einfach eine Lüge. Das Ganze wirkt besonders ironisch, wenn man bedenkt, dass einen Absatz weiter oben Calvins Institutio Christianae religionis erwähnt wird.

Für alle, die es noch nicht wissen: Der Calvinismus lehrt mit aller Klarheit eine Prädestination der Menschen zu Himmel oder Hölle, die in Gottes unergründlichem Ratschluss begründet liegt und nicht von den guten oder schlechten Taten eines Menschen abhängig ist. Wenn Gott entschieden hat, dich in die Hölle zu werfen, hat er das eben entschieden, und du kannst nichts dagegen tun. Wenn er entschieden hat, dich in den Himmel aufzunehmen, kannst du auch nichts tun, wodurch du das Heil wieder verlieren würdest. Luther lehrte Ähnliches wie Calvin, wenn auch weniger klar, und freundlicher formuliert; auch er sah den freien Willen als illusorisch an, wie man in seiner Schrift „Vom unfreien Willen“ nachlesen kann. Der Islam scheint nach meinem Eindruck auch eher zu lehren, dass Allah den Willen des Menschen lenke und sein Schicksal vorherbestimme; wobei ich mich da, wie gesagt, nicht so genau auskenne. Der Katholizismus jedenfalls lehrt, dass der Mensch einen freien Willen hat, der vor Gott etwas zählt. Katholische Lehrdokumente, z. B. die des Trienter Konzils (1545-1563), verwenden das Wort „Prädestination“ (Vorherbestimmung) gelegentlich auch, aber in einem anderen Sinn: Gottes Vorauswissen und Vorherbestimmung schließen immer die freien Entscheidungen der Menschen mit ein. Niemand ist unabhängig von seinen Taten für Himmel oder Hölle vorherbestimmt. Wenn man mir nicht glaubt, hier zwei Kanones aus dem „Dekret über die Rechtfertigung“ des Trienter Konzils von 1547: „Kan. 6. Wer sagt, es stehe nicht in der Macht des Menschen, seine Wege schlecht zu machen, sondern Gott wirke die schlechten Werke so wie die guten, nicht nur, indem er sie zuläßt, sondern auch im eigentlichen Sinne und durch sich, so daß der Verrat des Judas nicht weniger sein eigenes Werk ist als die Berufung des Paulus: der sei mit dem Anathema belegt.“ „Kan. 17. Wer sagt, die Gnade der Rechtfertigung werde nur den zum Leben Vorherbestimmten zuteil, alle übrigen aber, die gerufen werden, würden zwar gerufen, aber nicht die Gnade empfangen, da sie ja durch die göttliche Macht zum Bösen vorherbestimmt seien: der sei mit dem Anathema belegt.“. Zitiert nach: Denzinger, Heinrich u. Hünermann, Peter (Hrsg.): Enchiridion symbolorum definitionum et declarartionum de rebus fidei et morum – Kompendium der Glaubensbekenntnisse und kirchlichen Lehrentscheidungen, 46. Aufl., Freiburg im Breisgau 2009.

Bravo, Ildefonso Falcones. Die Aussage, Islam und Protestantismus wären sich einig in einer „kritische[n] Haltung zur Vorherbestimmung“ wäre mit ihrer Verdrehungskunst wirklich einem Jesuiten aus einem Schauerroman des 19. Jahrhunderts würdig.

Eine weitere Stelle will ich noch kurz erwähnen, weil ich sie einfach lustig fand: „’Aber warum sollen wir dabei zusehen, wie unsere Glaubensbrüder und -schwestern verurteilt werden?’ fragte Hernando verständnislos.“ (S. 365; hier will Abbas ihn bewegen, zum Autodafé mitzukommen) Gendersprache Anno 1573! Okay, vielleicht klingt die Formulierung im spanischen Original ja nicht ganz so nach offiziellem Formular oder vom Blatt abgelesenem Predigttext.

Und das war’s auch schon wieder. Im nächsten Teil wird es dann noch mal deutlich „Da-Vinci-Code“-mäßiger, da wird nämlich ein verstecktes altes Manuskript entdeckt…

Update: Weiter geht’s hier.