Barbiegirl outside of a Barbie world

Wozu sieht man schlechte Filme, wenn nicht, um sie zu verbloggen: Also kommt auch von mir noch ein Kommentar zu Greta Gerwigs „Barbie“, denn es ist zwar schon alles zu diesem Film gesagt worden, aber vielleicht noch nicht von jedem.

Kurz zusammengefasst: Man bekommt die feministische Botschaft wirklich mit dem Holzhammer serviert. Subtilität ist neuerdings nicht Hollywoods Stärke, und der Film macht glasklar, was man über ihn denken soll. So ganz funktioniert das allerdings nicht, wenn man die Geschichte genauer anschaut, und er hat seine interessanten Seiten.

Zunächst also die Handlung (Achtung, Spoiler):

Es beginnt damit, dass eine Erzählerin aus dem Off berichtet, dass vor Barbie Mädchen nur mit Babypuppen spielen hätten können (was nicht stimmt, aber egal), wobei man kleine Mädchen sieht, die in der roten amerikanischen Wüste mit Babypuppen spielen, und diese dann zerschlagen, als eine riesengroße Barbie im Badeanzug auftaucht. (Wirklich, ich denke mir das nicht aus.) Daraufhin wird erklärt, dass die Barbies im Barbieland überzeugt seien, dank ihnen wäre die Welt jetzt anders und für Frauen perfekt, und Feminismus und Gleichberechtigung hätten sich vollends durchgesetzt, und die Szenerie wechselt zu: Barbieland.

Elegante Wachspuppe, ca. 1880.

Eine Welt aus Plastik und mit sehr viel Rosa; und eine blonde Barbie (gespielt von Margot Robbie) wacht in ihrem Barbie-Traumhaus auf. Sie ist „die stereotypische Barbie“ (Selbstbezeichnung) und scheint keine besondere Aufgabe zu haben, während es auch eine (schwarze) Präsidentin-Barbie oder eine Nobelpreis-Gewinnerin-Barbie oder Bauarbeiterinnen-Barbies gibt. In den ersten Minuten wird ihr traumhafter Tag im Barbieland gezeigt; sie hat tolle Kleider und fährt in einem hübschen Auto durch die Plastikstraßen; und überall heißt es „Hi Barbie“, „Hi Ken“, „Hi Barbie“.

In der Barbiewelt sind nämlich auch einige Kens unterwegs; alles gutaussehende junge Männer. Sie geht schließlich zum Strand, wo sie „ihren“ Ken – gespielt von Ryan Gosling mit blondierten Haaren – trifft, der sich blamiert, als er ihr zeigen will, wie er surfen kann, und sich dabei verletzt (denn natürlich sind die Wellen aus Plastik, was er scheinbar vorher nicht gewusst hat (?)). Ken wird von zwei Barbie-Ärztinnen im Nu gesund gemacht und erhält Barbies Erlaubnis, zu ihrer abendlichen Party zu kommen. Selbige ist natürlich toll und die Barbies sind glücklich, aber Ken weniger; er will an Barbie herankommen und lässt sich von anderen Kens provozieren und wird schließlich von ihr weggeschickt, als sie ihm erklärt, dass jetzt Mädelsabend sei. Jeden Abend ist Mädelsabend, sagt er melancholisch; ja, sagt sie freundlich lächelnd. Ken ist ein eher dümmlicher Typ, unsicher und unreif, und Barbie duldet eher seine Anwesenheit als dass sie ihn mag; insofern passt nicht einmal die Zeile aus Kens späterem Lied „Where I see love she sees a friend“ („Wo ich Liebe sehe, sieht sie einen Freund“), denn Barbie behandelt ihn nicht als Freund. Obwohl sie ihn nicht ermutigt, sagt sie ihm allerdings auch nicht deutlich, dass sie ihn nicht mag; als er sie einmal küssen will, steht sie nur lächelnd da und geht nicht darauf ein. Die Kens sind insgesamt Randfiguren in der Barbiewelt – sie spielen z. B. Cheerleader für die Sportlerinnen-Barbies – und Barbie weiß, wie sie später erwähnt, nicht einmal, wo sie wohnen.

Hier sieht man schon eine Abweichung von der Puppen-Vorlage, die einem leicht entgehen könnte: Natürlich sind die Kens meistens Randfiguren, wenn Mädchen mit Barbies spielen, denn diese sind eben Mädchenspielzeug. Aber wenn sie im Spiel überhaupt auftauchen, dann als Männer, von denen umschwärmt und auf Dates ausgeführt zu werden den Barbies gefällt und derer sie sich sicher nicht zu schämen brauchen. Ryan-Gosling-Ken ist aber trotz seines guten Aussehens eher lästiges als schmückendes Beiwerk.

Puppenjungen.

Aber nun weiter mit der Handlung. In Barbies Traumwelt kommt ein Riss; Dinge funktionieren nicht mehr. Ihre Füße, die immer fest auf Zehenspitzen waren, fallen nach unten; ihr Toast ist verbrannt; und sie bekommt Todesgedanken. Auf Anraten der anderen Barbies geht sie zur „komischen Barbie“; einer Barbie, die in einem einsam stehenden Haus wohnt, kurze Haare und ein grell geschminktes Gesicht hat und ständig im Spagat ist, denn mit ihr wurde von einem Kind in der echten Welt zu heftig gespielt. Sie erläutert Barbie, dass auch sie davon beeinflusst sein muss, wie jemand in der echten Welt mit ihr spielt, und dass sie in diese Welt gehen muss, um die Sache wieder in Ordnung zu bringen. (Zwischenzeitlich, was im Trailer gezeigt wird, gibt sie Barbie zum Schein die Wahl, einfach in ihr altes Leben zurückzukehren oder in die echte Welt zu gehen, ist dann aber verärgert, als Barbie das alte Leben wählt, und erklärt ihr, sie müsse unbedingt in die reale Welt gehen, um die Situation zu reparieren und habe gar nicht die Wahl.)

Also macht sich Barbie auf den Weg in die echte Welt, der durch ein paar Barbielandlandschaften und dann auf den Strand von Los Angeles führt. Auf dem Weg entdeckt sie, dass Ken sich heimlich auf dem Rücksitz ihres Wagens versteckt hat; sie ist genervt, aber lässt ihn mitkommen. In der echten Welt angekommen findet sie heraus, dass sie Zugang zu Erinnerungen des Menschen hat, der mit ihr gespielt hat, sieht darin ein kleines Mädchen, das dann größer wird, und findet dieses Mädchen, Sasha, in einer Junior High School. Sasha jedoch ist arrogant und fies, die pure Verkörperung des mean girl aus dem amerikanischen Film, hält sie für eine Verrückte, und als sie darauf besteht, Barbie zu sein, hält Sasha ihr einen Vortrag darüber, wie Barbie Frauen ein falsches Körperbild vermittelt habe und an diesem und jenem schuld sei und betitelt sie als Faschistin. Barbie geht hinaus und weint.

Ken unterdessen geht gelegentlich seiner eigenen Wege und ist völlig fasziniert von der echten Welt: Da laufen Männer herum, Männer, die offensichtlich geachtet und wichtig sind und Anweisungen geben. Er sieht Werbebanner mit Männern und eine Frau fragt ihn – wirklich! – nach der Uhrzeit! (!!!) Er klaut sich ein paar Bücher über berühmte Männer aus der Schulbibliothek und verschwindet vorerst.

Doch währenddessen sind einige dieser mächtigen Männer in der realen Welt auf Barbie aufmerksam geworden. Ein amerikanischer Geheimdienst informiert Mattel, die Herstellerfirma, dass (was schon einmal passiert sei) eine Puppe aus der Barbiewelt entkommen sei und sofort jagen sie mehrere Männer mit schwarzen Autos. Sie finden sie vor der Schule und Barbie geht willig mit ihnen.

Im Hauptquartier der Firma angekommen, will Barbie erst einmal die verantwortlichen Frauen sehen. Doch der ganze Firmenvorstand besteht aus Männern in Anzügen und der CEO stottert herum, dass sie schließlich genderneutrale Toiletten hätten und irgendwann schon einmal eine Direktorin gehabt hätten. Barbie überlegt sich jetzt jedoch, dass sie noch ihren Menschen treffen muss, und haut wieder ab; 10-20 Männer in Anzügen jagen ihr durchs Gebäude hinterher. Dort entwischt sie in einen kleinen Raum, wo sie in einer gemütlichen, altmodischen Küche eine alte Frau trifft, die ihr freundlich den weiteren Weg weist.

Alte Puppe.

Barbie entkommt auf die Straße und dort wartet schon ein Fluchtauto auf sie: Denn Sashas Mutter Gloria, die bei Mattel im Vorzimmer arbeitet und gerade ihre Tochter von der Schule abgeholt hat, hat Barbie vor der Schule gesehen und die knappen Bemerkungen ihrer Tochter über diese Verrückte gehört. Sie hat realisiert, was passiert ist, und ist den Männern, die Barbie weggebracht haben, zum Mattel-Hauptquartier gefolgt. Es folgt eine wilde Verfolgungsjagd, bei der sie die Verfolger schließlich abschütteln; Sasha ist das alles peinlich und sie verhält sich ablehnend und genervt, wenn auch ein bisschen beeindruckt von den Fahrkünsten ihrer Mutter. Gloria erzählt, dass sie mit einer alten Barbie ihrer Tochter gespielt hat und ihre negativen Gedanken dabei hat einfließen lassen; sie ist offenbar einsam, frustriert und verletzt durch die Ablehnung ihrer Tochter.

Die drei machen sich auf den Weg ins Barbieland, doch da erwartet sie ein Schock: Die ganze Gesellschaft ist verwandelt, denn Ken ist vor ihnen angekommen und hat ein Patriarchat errichtet. Jetzt sind die Kens die Sportler und die Barbies die Cheerleaderinnen, und die ehemalige Präsidentin oder Nobelpreisträgerin ist damit beschäftigt, ihrem jeweiligen Ken ein Getränk zu bringen; sie sind damit auch völlig zufrieden, und es heißt, man hätte sie einer Gehirnwäsche unterzogen. Aus Barbies Villa ist jetzt Kens „Mojo Dojo Casa Haus“ geworden, und er tritt ihr dort entgegen. Sie ist völlig geschockt, will natürlich den alten Zustand wiederherstellen, ist aber bald daran, aufzugeben, und voller Selbstzweifel. In zwei Tagen wollen die Kens eine neue Verfassung beschließen. Sasha und Gloria machen sich auf den Weg, in die echte Welt zurückzukehren, da Barbie so mutlos geworden ist, kehren aber wieder um und wollen es noch einmal versuchen. Sie treffen Barbie im Haus der komischen Barbie, und Gloria regt sich auf und hält einen Monolog über die widersprüchlichen Erwartungen der Gesellschaft an Frauen. Literatur-Nobelpreisträgerin-Barbie, die auch anwesend ist, erwacht urplötzlich aus ihrer Gehirnwäsche und erinnert sich an ihre eigenen Errungenschaften. Also beschließt die kleine Gruppe von Verbündeten, die anderen Barbies einzeln zu entführen und Glorias feministischen Monologen auszusetzen, woraufhin sie alle wieder wie vorher werden. Als es so weit ist, beschließen sie einen perfiden Plan. Die Barbies spielen zunächst den Kens romantisches Interesse vor, sitzen mit ihnen am Strand und hören sich deren Lieder an. Auch hier darf die feministische Predigt nicht fehlen: Ken singt ein konfuses Lied über seinen Wunsch nach Liebe, in dem u. a. die Zeilen „I wanna push you around, well, I will, well, I will … I wanna take you for granted“ („Ich will dich herumstoßen, ja, das werde ich, ja das werde ich … Ich will dich für selbstverständlich nehmen“) auftauchen. Dann jedoch wenden sich die Barbie auf einmal anderen Kens zu; die Kens werden so gegeneinander aufgehetzt, rüsten sich zum Kampf und treffen sich schließlich am Strand, wo sie mit diversen Gerätschaften aufeinander einschlagen. Währenddessen setzen die Barbies die alte Verfassung wieder ein. Die Kens sind bedröppelt und müssen aufgeben. Ken gesteht Barbie seine Verzweiflung, und dass er nicht ohne sie sein könne. Sie sagt irgendetwas davon, dass er seine Identität in sich selbst finden müsse. will ihn ein wenig trösten. Auf der politischen Ebene geht es ähnlich aus: Einer der Kens fragt die Präsidentin, ob die Kens nicht einen Sitz im Supreme Court bekommen könnten, und sie stellt einen möglichen Sitz an einem niedrigeren Gericht in Aussicht.

Boxende Zinnfiguren, Quelle: Wikimedia Commons, Thomas Quine.

Jetzt tauchen auch die Herren von Mattel auf, die Barbie verfolgt haben. Gloria schlägt ihnen, ermuntert von Sasha, vor, doch eine neue Barbie herauszubringen: Eine „gewöhnliche Barbie“, eine, die Mutter oder Präsidenten oder beides oder keins davon sein könnte, und „einfach nur den Tag überstehen will“. Der Vorstand sieht eine Chance auf Gewinn und freut sich. Dann taucht der Geist von Barbiegründerin Ruth Handler auf, denn sie war es, die Barbie im Mattel-Hauptquartier getroffen hat. Barbie entscheidet sich, ein Mensch zu werden, und Ruth bringt sie zu ihrer Verwandlung. Dabei sieht Barbie Szenen von Menschenleben, u. a. auch Mütter mit Kindern, an sich vorbeiziehen.

Es endet damit, dass Barbie als Mensch in der echten Welt ist, und Sasha, Gloria, und Glorias Ehemann sie im Auto irgendwohin bringen. Der Ehemann, der ganz nett und harmlos wirkt, will Barbie ermutigen und blamiert sich mit seinen Versuchen, Spanisch zu sprechen (er ist Weißer, Gloria Latina, und er bemüht sich, Spanisch zu lernen); als er irgendeinen politischen spanischen Spruch sagt, wirft Sasha ihm kurz und herablassend „kulturelle Aneignung“ vor. Barbie geht dann in ein Gebäude, und stellt sich dort mit dem Namen „Barbara Handler“ vor: Sie sei zu ihrem Termin mit ihrer Gynäkologin da.

Und damit endet der Film.

Die beabsichtigte Botschaft ist eigentlich sehr einfach: Männer sind schlecht, Frauen sind gut; hört zu und prägt euch das ein.

Puppen, die Schule spielen.

Dabei bleibt aber einiges unklar und verworren, etwa: Wie genau haben sich die Barbies „gehirnwaschen“ lassen? Die einzige Erklärung, die man im Film bekommt, ist ein hastiger Kommentar von Gloria, dass die Barbies, weil sie es nicht kannten, keine Abwehrkräfte gegen das Patriarchat hätten, wie die amerikanischen Ureinwohner keine gegen die Pocken hatten. Aber Lebensweisen und Einstellungen sind kein Virus, das man einfach aufschnappt; sie müssen irgendeinen, wenn auch nur scheinbaren Reiz haben, von dem man sich verlocken lassen kann. Welchen Reiz hatte die neue Lebensweise für die Barbies? Wollten sie vielleicht gar nicht mehr die ganze Zeit im Mittelpunkt stehen, oder wollten sie einfach richtige Beziehungen mit den Kens haben? Aber diese Beziehungen geben sie extrem schnell auf, als ihnen nur erzählt wird, dass es in der realen Welt – und jetzt, ist die Implikation, auch im „Kendom“ – widersprüchliche Erwartungen an Frauen gebe. Ryan-Gosling-Ken wirkt auch nicht gerade wie einer, der dutzenden Frauen im Handumdrehen eine völlige Gehirnwäsche verpassen kann; was also ist ihm bei diesem Meisterwerk an Manipulation zu Hilfe gekommen?

Die Unlogik löst sich auf, wenn man einfach anschaut, was der Film sagen will. Die gehirngewaschenen Barbies stehen für die Frauen, die sich einfach nicht besondern für den Feminismus interessieren oder ihn gar ablehnen, die einen Mann ehrlich lieben, respektieren und bewundern, die vielleicht sogar drei oder vier Kinder haben und Hausfrau sein wollen. Die müssen „gehirngewaschen“ sein, sich einbilden, sie wären mit ihrer eigenen Erniedrigung zufrieden, und müssten nur mal die feministischen Theorien deutlich vor Augen geführt kriegen, damit sie auch zu wahren Feministinnen werden. Feministinnen können sich nicht vorstellen, dass man ihre Ansichten kennen und ablehnen kann.

Elegante Puppe.

Es ist aber nicht einmal ganz klar, welche Form von Feminismus der Film vertritt. Barbie wird einerseits dafür kritisiert, nicht feministisch genug zu sein; aber am Ende wird doch die Barbiewelt als das feministische Paradies dargestellt, als etwas, das zu traumhaft ist, um in der echten Welt verwirklicht zu werden, wo die wahre Macht immer noch bei Männern (Mattel!) läge, und die Frauen ein paar Trostpreise abbekämen – wie die Kens in Barbieland, wird gesagt.

Gloria beschwert sich darüber, dass Fauen es anderen nie recht machen könnten, aber der Film zeigt auch, wie schwer man es Feministinnen recht machen kann: Frauen sollen alles haben und können und erfolgreich sein, aber wenn sie dabei mit Glamour und Glitzer und dünn und hübsch dargestellt werden, ist das wieder nicht gut, weil man auf diese Weise Frauen abwertet, die hässlich oder dick sind (siehe Sashas woke Vorhaltungen gegenüber Barbie; lustigerweise gibt es allerdings sogar eine dicke Barbie in Barbieland – allerdings keinen dicken Ken).

Gloria beschwert sich über widersprüchliche Erwartungen an Frauen, aber einige dieser Erwartungen kommen letztlich einfach von verschiedenen Leuten, und die Seite, der man nicht zustimmt, muss einem einfach egal sein – Feministinnen wollten immer von Frauen, dass sie Karriere machen, und haben dabei sehr viel Nachsicht für Vernachlässigung der Familie, während Konservative immer das Muttersein als wichtiger sahen und die Karriere als nebensächlich. Der Feminismus stellte dabei sogar eher mehr Ansprüche an Frauen als vorher, denn er sagte eine Weile: Du kannst alles gleichzeitig erreichen, du musst auf nichts verzichten, das Leben lässt sich so einrichten, wie es dir gerade passt, während Konservative eher sahen, dass Leben und Zeit Grenzen haben. Das zeigt sich am Ende auch in Glorias Idee von einer „gewöhnlichen Barbie“: Es waren Feministinnen, die zahlreiche der Ansprüche an Frauen geschaffen haben, aber am Ende sind sie selber davon erschöpft, wollen etwas, mit dem sie sich identifizieren können, und das ist eine Frau, die einfach nur den Tag überstehen will und die alles oder auch gar nichts machen kann. Andere Erwartungen wiederum, die Gloria kritisiert, sind nicht widersprüchlich, sondern einfach die normale goldene Mitte, die jeder finden muss. „Du sollst ein Boss sein, aber nicht gemein; du sollst führen, aber nicht die Ideen anderer unterdrücken“ oder „Du sollst dünn sein, aber nicht zu dünn. Und du darfst niemals sagen, dass du dünn sein willst. Du musst sagen, dass du gesund sein willst, aber du musst auch dünn sein“ – ähm, ja, natürlich; wer ein Boss ist, sollte gut und nicht tyrannisch führen; und gesund sein beinhaltet auch, dünn, aber nicht zu dünn zu sein.

Auf der anderen Seite könnten auch die Männer sich über widersprüchliche Erwartungen beschweren: „Männer sollen ihre Gefühle zeigen, aber wenn sie es tun, sind sie weinerlich; sie sollen selbstbewusst sein und Frauen ansprechen, aber dabei nicht creepy sein, sie sollen muskulös und trainiert sein, aber nicht totale Fitnessfreaks, sie sollen zuvorkommende Gentlemen sein, aber Frauen nicht bevormunden“ usw. usf. – so könnte ein frustrierter Mann reden. Auch auf solche Beschwerden kann man teilweise antworten, dass unterschiedliche Leute einfach unterschiedliche Erwartungen an Männer haben, nicht immer ist da also ein Widerspruch bei der einzelnen Person; aber tatsächlich sind die, die die wirklich widersprüchlichsten Erwartungen an Männer haben, mal wieder Feministinnen. Da wäre eben der Punkt „Männer sollen auch Gefühle zeigen und schwach sein dürfen“ – aber wenn Männer Gefühle zeigen, die die Feministinnen nicht gemeint haben, ist das schnell wieder vorbei. Man hat manchmal den Eindruck, als wäre „ihr dürft auch Gefühle zeigen“ von manchen Feministinnen eher gemeint als „zeigt uns eure Schwachstellen, damit wir euch noch mehr verachten können, wir wissen eh, dass ihr erbärmlich seid“. (Dass Männer z. B. ihrer Liebsten gegenüber Gefühle zeigen dürfen, war eh immer allen normalen Menschen klar.) Feministinnen scheinen z. B. sehr schnell dabei zu sein, gegenüber Männern, die ihnen sachlich widersprechen, Kommentare darüber abzugeben, der Mann würde bestimmt keine Frau finden oder habe unzureichende Genitalien, was so ziemlich auf dem Niveau von Kindergartenmobbing ist.

Es ist irrsinnig, als wie dumm Ken manchmal dargestellt wird; seine einzige Beschäftigung ist „Beach“, aber nicht einmal das kann er. Auch Sashas Vater ist nur dazu da, die Nutzlosigkeit von Männern zu verdeutlichen, und man hat weder den Eindruck, dass seine Tochter ihn liebt – geschweige denn respektiert -, noch dass seine Frau das tut. Er ist so bedeutungslos und geht im Film so unter, dass ich sogar schon einen Kommentar zu Barbie gesehen habe, der davon ausging, Gloria wäre alleinerziehend.

Natürlich ist die Barbiewelt bei alldem eins: Unreal, „Life in plastic“.

Ken will ausdrücklich das „Patriarchat“ aufrichten, aber das Zentrale fehlt: Die Paternitas, die Vaterschaft. Alle Barbies und Kens und übrigen Randfiguren – oder fast alle, denn ganz am Rande wird eine einzelne Puppe erwähnt, die einmal als „Barbies schwangere Freundin“ verkauft wurde – existieren unter einer Glasglocke ohne Eltern, ohne Großeltern, ohne Kinder und ohne Enkelkinder. Ken will Barbie als seine „unverbindliche Langzeitfernbeziehungsfreundin ohne Verpflichtungen“ – so etwas wie Ehe scheint auch nicht zu existieren.

Auch Leid gibt es nur in knappen Dosierungen – die „Schlacht“ der Kens am Strand ist ein Witz.

Soldatenpuppe, frühes 20. Jh.

Die Barbies arbeiten eigentlich nicht. Die Ärztin erklärt einfach, dass ihr Patient geheilt ist; die Präsidentin erzählt allen in ihrem Büro, wie toll alles ist und wie lieb sie alle hat; die Bauarbeiterinnen schieben ein paar Maschinen auf der Plastikstraße herum. Als sie in Los Angeles ankommt, erwartet Barbie, an einer Baustelle ein paar nette auskunftsfreudige Frauen zu finden; natürlich findet sie nur Männer, die unverschämte Kommentare abgeben, aber diese Männer befinden sich zumindest in ihrer Mittagspause von wirklicher Arbeit.

Und hier stellt sich auch die Frage: Welchen Sinn sollen Ken – und die anderen Kens – eigentlich am Ende finden? „In sich selbst“, heißt es, soll Ken danach schauen. Es ist natürlich sinnvoll, sich in seinen Überzeugungen nicht ständig anderen anzupassen oder ständig nach Lob zu schielen; aber wer findet den Sinn seines Leben darin, nur um seinen eigenen Bauchnabel zu kreisen? Menschliches Leben bedeutet auch Gemeinschaft und Hilfe für andere; und wenn es nicht die Gemeinschaft der Liebe zwischen Mann und Frau ist, muss es wenigstens eine andere Gemeinschaft und eine andere Hilfe sein. Man muss irgendeinen Zweck haben. Die Barbiewelt ist schon fertig, und es scheint, dass man wenig neu aufbauen oder entdecken oder verbessern kann.

Nonnenpuppe.

Für eine Sache hat der Film überhaupt keinen Platz: Liebe zwischen Mann und Frau. Keine einzige der Barbies wendet gegen Barbies Täuschungsplan ein, dass sie eine liebevolle Beziehung mit ihrem Ken wolle; vielleicht nicht so, dass nur sie ihm zujubelt und ihn bedient, aber doch eben Liebe. Dass Männer und Frauen irgendwie aufeinander hingeordnet wären und einander ergänzen könnten – diese Idee lässt man kaum zu. (Nun ja: Ganz am Ende gibt es eine Barbie und einen Ken, die sich wieder einander zuwenden.) Was Ken will, ist sehr verständlich: Liebe, Zuwendung, Achtung, Anerkennung wünscht sich jeder normale Mensch, und die meisten auch von einem Menschen des anderen Geschlechts. Der Feminismus hat immer versucht, dazwischen einen Keil zu treiben, und die im Film gezeigte Weise, Liebe als Täuschungsmanöver zu benutzen, ist schon besonders hinterhältig. Die Barbies treten nicht etwa auf einem Protestzug den Kens entgegen und verlangen eine Abstimmung mit allen Bewohnern von Barbieland o. Ä.; nein, sie machen auf hinterlistige Bitch.

Am Ende ist eines klar: Man will nicht die Gleichberechtigung und Zusammenarbeit, macht nicht auf „unter dem Patriarchat leiden Männer ja auch“, wie das manche Feministinnen noch tun. Man will einfach die Frauenherrschaft und die Männer sind doof, oder zumindest relativ doof, und müssen ein bisschen zurückgestutzt werden. Das ist wenigstens mal ehrlich.

Optisch ist der Film gut gemacht; das rosarote Barbieland und der Kontrast der realen Welt kommen gut zur Geltung, und einiges ist so überdreht, dass es einfach lustig ist (z. B. das düstere Firmengebäude und die unkoordinierte Jagd des Firmenvorstands nach Barbie). Einige Kleinigkeiten stören allerdings, was die Kohärenz der Handlung angeht, unabhängig von der beabsichtigten Botschaft. Die Handlung ist unausgegoren, die zeitliche Abfolge unlogisch. Ken verwandelt das Barbieland innerhalb extrem kurzer Zeit in ein Patriarchat; die Mattel-Bosse brauchen ewig, um ins Barbieland zu kommen, und kommen etwa zwei Tage nach Barbie und ihren Begleiterinnen an, die nur kurze Zeit vor ihnen den Weg begonnen haben. Es ist unklar, inwieweit es Einfluss auf die Barbies und Kens hat, wie mit ihnen gespielt wird. Barbieland hat nur eine kleine Bevölkerung; jede Barbie entspricht einer Ausgabe der Barbiepuppe, aber von jeder Ausgabe wurden schließlich abertausende hergestellt, und es scheint keinen Einfluss zu haben, dass tausende Kinder auf verschiedene Weise mit derselben Art von Barbie spielen. Es gibt nur eine einzige „komische Barbie“, während sicher viele Kinder ihren Puppen auch mal die Haare abschneiden, oder gar die Beine ausreißen, oder sie einfach irgendwann auf dem Dachboden vergessen. Man hat den Eindruck, dass die Macher sich am Ende keine rechte Mühe mehr machen wollten.

Elegante Puppe, 16. Jh.

Eine Sache ist jedenfalls eine Konstsante des Films: Egal was passiert, Mattel gewinnt damit und macht Geld (worauf mich eine Freundin, die den Film vor mir gesehen hat, aufmerksam gemacht hat). Als Ken sein Mojo Dojo Casa Haus aufbaut, verkauft Mattel in der echten Welt auf einmal Mojo Dojo Casa Häuser. Als Gloria den Feminismus mit einer „gewöhnlichen Barbie“ voranbringen will, macht Mattel damit Geld. Am Ende gewinnt u. a. der unehrliche, nur mit Symbolprojekten wie genderneutralen Toiletten arbeitende „patriarchale“ Kapitalismus.

Das Interessanteste an dem Film, und das einzige, das ein bisschen gegen das „Männer sind alle doof, man ist besser allein und Karrierefrau und braucht niemanden“-Narrativ spricht, ist jedoch die allerletzte Szene: Barbies Termin bei ihrer Gynäkologin, dessen Zweck ungeklärt bleibt. Wir wissen, dass (wie sie vorher einmal gegenüber sie belästigenden Bauarbeitern ruhig und sachlich klargestellt hat) die Barbies und Kens in Barbieland keine Genitalien hatten, und nun ist sie eine normale Frau. Denkt Barbie nun an „richtige“ Beziehungen? Ist doch irgendwo eine Aussicht darauf, dass es Männer geben könnte, die einer Feministin genügen und besser sind als die Kens? Oder denkt sie sogar daran, dass sie mit ihrem Frauenkörper einem Kind das Leben schenken könnte – bekommen wir hier auf einmal mehr den „du darfst auch Mutter sein, Mütter und Töchter müssen zusammenhalten gegen die Männer, wir wollen Matriarchat im Wortsinn, deine Biologie ist mächtig“-Feminismus? Das würde jedenfalls dazu passen, dass sie bei ihrer Verwandlung Szenen von Müttern mit Kindern gesehen hat. Immerhin zieht Barbie die echte Welt trotz der Männer, die sie auf der Straße anstarren oder in Firmen das Sagen haben, der Plastikwelt vor, irgendetwas muss die also doch für sich haben.

Ein wirklicher Ausweg aus der feministischen Sackgasse ist das aber immer noch nicht. Am Ende brauchen wir doch einfach eines: Harmonie zwischen den Geschlechtern, denn da der liebe Herrgott offensichtlich beide geschaffen hat, und beide unterschiedlich und voneinander abhängig geschaffen hat, muss es für beide unterschiedliche und voneinander abhängige Rollen geben, mit denen sie glücklich werden können. Mit anderen Worten: Frauen sollen starke Mütter sein können und Männer fähige Beschützer ihrer Frauen und Kinder, beide sollen treu zueinander sein und sich wirklich aneinander binden. Und diese Harmonie kommt durch das richtige, christliche Patriarchat.

Puppenpaar.

Ein Gedanke zu “Barbiegirl outside of a Barbie world

  1. Das ist ja mal eine lustige (oder ziemlich blöde) Überraschung auf Ihrem Blog. In der Zeit, die Sie für diesen Text benötigt haben, hätte meine selige Mutter für jeden von uns einen Pullover gestrickt, ich mag gar nicht darüber nachdenken. Und Sie haben eine Freundin, die diesen Film auch gesehen hat? Stelle mir vor, das vakzinierte Publikum hatte Masken auf. Muß meine Phantasie zügeln! Ihr Text wird mich trotzdem nicht von Trotteln träumen lassen, hoffe ich doch. Werde aber Ihren Blog im Auge behalten, oder muß man so einen Text nicht gar melden? 😉 Heitere Grüße RF

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